Spruch:
Für Forderungen, die nach dem Inhalt der Klage aus einer grundlosen Bereicherung der Masse entstanden sind, ist der Rechtsweg zulässig
OGH 28. 10. 1971, 1 Ob 251/71 (OLG Wien 5 R 91/71; LGZ Wien 37 d Cg 13/71)
Text
Die Republik Österreich hatte die Firma Ing Bruno S mit der Durchführung mehrerer Bauvorhaben, darunter auch des in Wien XIX, Stgasse 37 bis 39. beauftragt. Für dieses Bauvorhaben erbrachte die Republik Österreich an die Firma Ing Bruno S größere Vorleistungen, um den Verfall bereits bewilligter Budgetmittel zu verhindern. Da die Republik Österreich (Bundesgebäudeverwaltung) für ihre Vorleistungen Bankgarantien verlangte, schloß die Firma Ing Bruno S mit der klagenden Partei Kreditversicherungsverträge ab, die schließlich auf eine Summe von S 420.000.- lauteten. Nach den Verträgen war die klagende Partei zur Zahlung an die Republik Österreich berechtigt, ohne prüfen zu müssen, ob der Anspruch bestehe oder ob dem Versicherungsnehmer Einwendungen gegen den Anspruch zustehen. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen mußte die Firma Ing Bruno S gegenüber der klagenden Partei auf Einwendungen gegen den Grund, die Höhe und den Bestand der Ansprüche der Republik Österreich verzichten; andererseits verzichtete die klagende Partei auf das ihr gemäß § 35b VersVG zustehende Recht, Forderungen aus den Versicherungsverträgen an den Versicherungsnehmer gegen Ansprüche der Republik Österreich aufzurechnen.
Am 9. 12. 1966 wurde über das Vermögen des Ing Bruno S das Ausgleichsverfahren und am 2. 6. 1967 zu S ..../67 des Handelsgerichtes Wien das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Die Republik Österreich nahm darauf die Haftung der klagenden Partei in Anspruch, die ihr nach gegenseitiger Verrechnung der beiderseitigen, das Bauvorhaben Stgasse 37 - 39 betreffenden Leistungen auch S 307.237.73 bezahlte. Die später vorgenommene Abrechnung der übrigen Baustellen ergab, daß der Firma Ing Bruno S gegen die Republik Österreich noch eine Forderung von S
141.144.27 zustand. Diesen Betrag überwies die Republik Österreich der Konkursmasse.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten als Masseverwalter die Bezahlung von S 141.000.- samt Anhang. Der Klagsbetrag sei der beklagten Partei nur deshalb zugeflossen, weil die klagende Partei den Betrag von S 307.000.-, welcher ansonsten gemäß §§ 19 ff KO aufrechenbar der Forderung des Masseverwalters gegenübergetreten wäre, zufolge ihrer Garantiezusage bezahlt habe. Die Masse sei um den Klagsbetrag bereichert, was dem Beklagten als Masseverwalter auch bekannt gewesen sei.
Der Beklagte beantragte in der ersten Tagsatzung Zurückweisung der Klage wegen Nichtigkeit im Sinne des § 6 KO, weil die geltend gemachte Forderung kein Anspruch auf Bereicherung im Sinne des § 46 Abs 1 Z 5 KO sei.
Das Erstgericht verwarf die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Nach ihrem Vorbringen mache die klagende Partei keinen Regreßanspruch wegen ihrer Garantieleistung gemäß § 17 KO geltend, sondern behauptete einen Bereicherungsanspruch gegen die Masse, dem gemäß § 111 Abs 2 KO der Rechtsweg offenstehe. Bei Fehlen der Garantieleistung hätte die Republik Österreich der Forderung der Firma Ing. Bruno S die Überzahlung im Falle Stgasse gegenübergestellt, keine Zahlung an die Konkursmasse geleistet und überdies eine Forderung im Konkursverfahren angemeldet. Läge lediglich eine Bürgschaft der klagenden Partei vor, hätte sie gegen die Forderung der Republik Österreich die Einwendungen der Firma Ing. Bruno S vorbringen können und zumindest um den Klagsbetrag weniger geleistet. Diese Möglichkeit sei der klagenden Partei wegen der einschlägigen Bestimmungen des Garantieversicherungsvertrages genommen. Ob darin eine Bereicherung der Konkursmasse liege, werde der gegenständliche Rechtsstreit zu klären haben.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es der Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges stattgab, das Verfahren - unverständlicherweise nur ab Klagszustellung - als nichtig aufhob und die Klage zurückwies. Voraussetzung für eine Bereicherung im Sinne des § 46 Abs 1 Z 5 KO sei es, daß die Masse grundlos, also ohne Rechtsgrund, bereichert sei, so bei irrtümlicher Leistung einer Nichtschuld, wegen Wegfall des Rechtsgrundes, im Falle des Nichteintritts des erwarteten Erfolges und dergleichen. Die Zahlung von S 307.277.73 durch die klagende Partei an die Republik Österreich sei jedoch in Erfüllung des mit dem Gemeinschuldner abgeschlossenen Garantievertrages erfolgt. Rückgriffsansprüche hieraus sowie auf Grund des Art 3 Abs 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien Konkursforderunger, nach § 17 KO, für deren Geltendmachung der Rechtsweg nach § 111 Abs 2 KO verschlossen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend (EvBl 1967/23; SZ 36/79; SZ 23/81; SZ 19/199 ua, zuletzt 1 Ob 227/71; Fasching I 63). Maßgeblich ist die Natur (4 Ob 339/71), das Wesen des geltend gemachten Anspruches (JBl 1931, 18), wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (JBl 1948, 17). Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet (JBl 1948, 17), ebensowenig aber auch, ob der behauptete Anspruch begrundet ist; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es hingegen nur darauf an, ob nach Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (4 Ob 339/71).
Im vorliegenden Falle ist von der Bestimmung des § 6 Abs 1 KO auszugehen, wonach Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner nicht mehr anhängig gemacht werden können; es liegt also ohne Beobachtung des in der Konkursordnung vorgeschriebenen Anmeldungsverfahrens Unzulässigkeit des Rechtsweges vor. Das gilt jedoch nicht für Masseforderungen, die von den Konkursforderungen rechtlich verschieden zu beurteilen sind (SZ 36/63) und insbesondere keiner Anmeldungspflicht im Konkurs unterliegen (EvBl 1971/197). Die Massegläubiger als Gläubiger besonderer Art (SZ 36/63) sind vielmehr ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen, sobald ihre Ansprüche feststehen und fällig sind (§ 124 Abs 1 KO); sie sind demnach auch in ihrem Recht zu klagen, durch das Konkursverfahren nicht berührt (EvBl 1971/197 ua; Lehmann, Komm z KO I 597). Gemäß § 46 Abs 1 Z 5 KO sind Masseforderungen insbesondere auch Ansprüche aus einer grundlosen Bereicherung der Masse, die dann gegeben ist, wenn in die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung irgendein fremdes Vermögensobjekt gelangt ist (Lehmann aaO 388, vgl Bartsch - Pollak[3] I 282); die Bereicherung muß grundlos sein, es muß also von vornherein jeder Grund der Leistung an die Masse fehlen, der Grund weggefallen oder der mit der Leistung verfolgte Zweck nicht eingetreten sein (Lehmann aaO 389; Bartsch - Pollak aaO 283). Es muß sich demnach um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch handeln, der sich aus den nur sehr lückenhaft geregelten (SZ 26/195) Bestimmungen der §§ 1431 ff, 1041 ff ABGB ableitet.
Es kann nun kein Zweifel bestehen, daß die klagende Partei im vorliegenden Fall einen solchen Rechtsgrund geltend macht. Sie behauptet ausdrücklich, der Masse sei nach Konkurseröffnung eine Leistung zugekommen, die ihr nicht zustehe, sie sei daher zu Lasten der klagenden Partei bereichert. Allein aus der Tatsache, daß sie den der Masse zugekommenen Betrag für sich in Anspruch nimmt, ist auch der Prozeßstandpunkt abzuleiten, die Bereicherung sei grundlos erfolgt. Hingegen besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, daß die klagende Partei lediglich einen Regreßanspruch im Sinne des § 17 KO stellen wolle, bei dem es sich eindeutig um eine im Konkursverfahren anzumeldende Forderung handelt, die vom Mitschuldner zunächst bedingt und nach Befriedigung des Gläubigers auch unbedingt zum Konkurs angemeldet werden kann (siehe hiezu Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 120 f; Bartsch - Pollak aaO 108; Lehmann aaO 111 f). Dem Rekursgericht ist durchaus beizupflichten, daß die Frage zu beurteilen ist, ob eine grundlose Bereicherung der Masse - und noch dazu auf Grund einer Leistung der Republik Österreich und nicht der klagenden Partei - vorliegt. Die Verneinung dieser Frage kann aber, da sie die meritorische Beurteilung des Klagsanspruches betrifft, nur zur Abweisung des Klagebegehrens führen. Mit Recht wendet sich der Revisionsrekurs also dagegen, daß das Rekursgericht die Beurteilung dieser Frage bereits im derzeitigen Stadium des Verfahrens vornahm. Für dieses Stadium genügt es, daß sich aus dem Inhalt der Klage ergibt, daß die klagende Partei bewußt eine Masseforderung geltend machen will und keineswegs nur aus einem Rechtsirrtum eine Konkursforderung im Rechtsweg durchzusetzen trachtet. Für die Verfolgung einer Masseforderung ist aber der Rechtsweg zulässig. Mit Recht hat daher das Erstgericht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen, so daß dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen ist.
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