Spruch:
1. Der Revision wird Folge gegeben.
2. Das Urteil des Berufungsgerichts wird als Teilurteil dahin abgeändert, dass die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 6.000,-- samt 4 % Zinsen seit 6. 6. 1998 zu bezahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten.
3. Im Übrigen - also im Ausspruch über das Begehren auf Zahlung weiterer S 94.000,-- sA - werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben, und wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung S 100.000, weil er in der Zeit vom 1. 8. 1990 bis 14. 8. 1995 mehrmals gegen seinen Willen in ein psychiatrisches Krankenhaus der Stadt Wien eingewiesen worden sei, ohne dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung im Sinne des Unterbringungsgesetzes (UbG) vorgelegen seien. Teils habe es an den materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung gemangelt, teils sei die Unterbringung nicht hinreichend begründet worden, habe man mögliche Alternativen nicht bedacht, die vorgesehenen Aufnahmeuntersuchungen durch zwei Fachärzte unterlassen und die gebotenen Verständigungs-, Informations- und Meldepflichten verletzt. Durch die Einweisung, den Aufenthalt und die Verabreichung schwerer Neuroleptika sei der Kläger an zumindest 21 Tagen in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen. Die dadurch verursachten Unlustgefühle, Schmerzen und Frustrationen rechtfertigten Schadenersatz in Höhe des Klagsbetrags. Die Klagsforderung sei nicht verjährt, weil von einer 10-jährigen Verjährungsfrist im Sinne des § 6 Abs 1 zweiter Satz AHG auszugehen sei. Die Unterbringung trotz des Mangels der hiefür erforderlichen materiellen Voraussetzungen bzw unter Nichteinhaltung der formellen Erfordernisse sei bestenfalls auf einen den Organen der beklagten Partei vorzuwerfenden Rechtsirrtum im Sinne des § 9 StGB zurückzuführen, nicht aber auf die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts gemäß § 8 StGB.
Die beklagte Partei wendete ein, die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung des Klägers seien jeweils vorgelegen. Erfolgversprechende Alternativen zur Unterbringung habe es mangels Kooperationsbereitschaft des Klägers nicht gegeben. Zum Teil sei er auf eigenes Verlangen im psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen worden. Zu Recht sei von einer Selbst- und Gemeingefährdung des Klägers ausgegangen worden. Die Vorfälle vor dem 14. 2. 1995 seien verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, der Kläger sei seit dem Jahre 1978 regelmäßig in einem psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien stationär oder ambulant behandelt worden. Er sei teils über eigenen ausdrücklichen Wunsch, teils gegen seinen Willen nach Ausstellung amtsärztlicher Bescheinigung und nachfolgender Untersuchung durch Fachärzte aufgenommen worden. In den meisten Fällen habe der fast immer alkoholisierte Kläger die Rettung gerufen, Valium verlangt und Suizidgedanken geäußert. Der zunächst gewonnene Eindruck einer Selbst- oder Gemeingefährdung habe sich oft erst nach ausführlichen Gesprächen mit den zuständigen Ärzten als unbegründet erwiesen. Mehrmals seien den Aufnahmen Drohungen und tätliche Angriffe vorausgegangen.
Am Abend des 28. 2. 1995 habe der Kläger die Rettung gerufen und Suizidgedanken geäußert. Beim Eintreffen des Sanitätspersonals habe er dieses mit dem Umbringen bedroht, weshalb die Polizei verständigt worden sei. Ein Mitarbeiter der Rettung habe einem der einschreitenden Polizeibeamten erklärt, dass der Kläger "amtsbekannt" sei, die Rettung habe den Auftrag, den Kläger nur in Begleitung von Sicherheitswachebeamten aufzusuchen. Er besitze nämlich angeblich eine Schusswaffe und habe bereits mehrmals getobt. Da sich der Kläger gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten sehr aggressiv und nicht kooperativ gezeigt und unbestimmte Drohungen und Beschimpfungen ausgestoßen habe, seien ihm Handfesseln angelegt, und sei er mit der Einweisungsdiagnose: Soziopathie und Alkoholmissbrauch ins psychiatrische Krankenhaus gebracht worden. Im Aufnahmegespräch habe sich der Kläger pseudoangepasst, provokant und nicht wirklich gesprächsbereit gezeigt. Er habe eine deutliche dysphorische Verstimmung und Gereiztheit aufgewiesen. Zwei Fachärzte hätten beim Kläger einen Erregungszustand bei Alkoholisierung, Alkoholmissbrauch und seine schizoide Persönlichkeit festgestellt. Er sei wegen Belästigung anderer Patienten im Netzbett untergebracht worden, habe Medikamente verabreicht bekommen und am darauffolgenden Tag die Station verlassen, ohne ein Gespräch mit dem Arzt abzuwarten.
Am 10. 3. 1995 gegen 12 Uhr habe er telefonisch gegenüber einem Bediensteten der Rathauswache unbestimmte Drohungen ausgesprochen, die zur Erteilung eines mündlichen Haftbefehls und zur Vorführung beim Amtsarzt geführt hätten. Der Amtsarzt habe das Vorliegen einer akuten Psychose bescheinigt und die Verbringung des Klägers in das psychiatrische Krankenhaus angeordnet. Als Grund für die Unterbringung sei angegeben worden, dass der Kläger "wie jede Woche" die "Gemeinde Wien" bedroht habe. Der Inhalt der Krankengeschichte sei als bekannt vorausgesetzt worden, im Formblatt habe der Amtsarzt angekreuzt, dass Auffälligkeiten im Verhalten und im sozialen Verhalten allgemein gegeben seien. Weiters sei angeführt worden, dass der Kläger durch unbestimmte Drohungen und sonstige aktuell andere Personen gefährdende Verhaltensweisen das Leben bzw die Gesundheit Anderer gefährde. Ob und welche Alternativen zur Unterbringung versucht worden seien, sei der Bescheinigung nicht zu entnehmen. Nach Aufhebung des Haftbefehls sei der Kläger um 19.45 Uhr in das psychiatrische Krankenhaus eingewiesen und dort um 20.30 Uhr von einem Oberarzt wieder entlassen worden, weil dieser keinen medizinischen Grund zur weiteren Anhaltung gefunden habe.
In den Abendstunden des 12. 7. 1995 habe der Kläger mehrmals den Ärztenotdienst angerufen und Selbstmordabsichten geäußert. Er habe den einschreitenden Polizeibeamten gegenüber bestätigt, dass er sich umbringen wolle. Er sei dem Amtsarzt vorgeführt worden und dieser habe die Einweisung des Klägers ins psychiatrische Krankenhaus verfügt. Beim Aufnahmegespräch mit zwei Fachärzten habe der Kläger zwar seine Entlassung begehrt, sich aber geweigert, die Station zu verlassen. Er sei letztlich freiwillig in stationärer Beobachtung bzw Behandlung geblieben und am nächsten Tag, als er um Entlassung ersucht habe, entlassen worden, weil wieder ein stabiler psychischer Zustand bestanden habe.
Am Abend des 28. 7. 1995 habe der Kläger neuerlich die Rettung angerufen und begehrt, in die "Psychiatrie" des Allgemeinen Krankenhauses gebracht zu werden. Er sei aber in ein anderes psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert worden, wo er verlangt habe, mit dem Krankentransport wieder nach Hause gebracht zu werden. Er habe die Station verlassen, sei nach kurzer Zeit aber wieder zurückgekehrt und habe erklärt, doch aufgenommen werden zu wollen. Daraufhin sei er einer medikamentösen Behandlung zugeführt worden. Am 29. 7. 1995 sei er um 17.35 Uhr aus der "Sedierung" erwacht, habe um Entlassung ersucht und sei infolge seines unauffälligen Gesamtverhaltens um 17.35 Uhr tatsächlich entlassen worden.
Am 31. 7. 1995 habe sich der Kläger erneut mit der Rettung in das psychiatrische Krankenhaus bringen lassen, dieses aber nach einem 10-minütigen Gespräch wieder verlassen.
Am 1. 8. 1995 habe der Kläger eine Überdosis von Medikamenten zu sich genommen, und er sei am 3. 8. 1995 nach vorgenommener Entgiftung auf eigenen Wunsch in Begleitung seiner Mutter mit der Rettung ins psychiatrische Krankenhaus gebracht worden. Das angebotene Gespräch mit einem Arzt habe er abgelehnt, er habe sich mit seiner Mutter wieder entfernt.
Am 14. 8. 1995 habe der Kläger den Ärztefunkdienst angerufen und angegeben, an akuter Neurose zu leiden. Er gab weiters an, eine Überdosis Tabletten und dazu Alkohol konsumiert zu haben. Die einschreitenden Polizeibeamten habe er beschimpft, einen der Beamten mit der Drohung, dass er ihn jetzt erwürge, attackiert, und einen weiteren Beamten tätlich angegriffen. Er habe nach Anlegen von Handfesseln damit gedroht, einem der Polizisten bei nächster Gelegenheit "den Schädel einzuschlagen". In der erkennungsdienstlichen Evidenz des Bundesministeriums für Inneres seien damals bereits 48 Vormerkungen des Klägers wegen gefährlicher Drohung aufgeschienen. Der Amtsarzt habe in einer ärztlichen Bescheinigung gemäß § 8 UbG mit der vorläufigen Diagnose "Depression" die Verbringung des Klägers ins psychiatrische Krankenhaus angeordnet. Als Grund für die Unterbringung seien auf dem Formblatt die Kästchen "Suizidabsichten und unbestimmte Drohungen (Gemeingefährdung)" angekreuzt worden. Der Amtsarzt habe auf einen Selbstmordversuch des Klägers, auf dessen auffallende Affektlage und auf Auffälligkeiten in der Erscheinung hingewiesen. Alternativen zur Unterbringung seien der Bescheinigung nicht zu entnehmen. Bei der Aufnahme im Krankenhaus sei der Kläger alkoholisiert, etwas distanzlos, aber nicht suizidal eingeengt erschienen. Nach einem Gespräch mit zwei Fachärzten habe er noch am selben Tag das Krankenhaus verlassen. Gegen 1.45 Uhr des Folgetags sei er wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung und gefährlicher Drohung festgenommen worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die am und vor dem 14. 2. 1995 vorgenommenen Einweisungen und Unterbringungen einen Zuspruch von Schadenersatz nicht begründen könnten, weil diese Ansprüche verjährt seien. Den einschreitenden Organen sei eine allfällige Widerrechtlichkeit der Freiheitsentziehungen im Sinne des § 99 StGB nicht erkennbar gewesen, weshalb sie gemäß § 8 StGB nicht wegen des Vorsatzdeliktes nach § 99 StGB bestraft werden könnten. Die lange (10-jährige) Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 zweiter Satz AHG komme demnach nicht zum Tragen.
Die Aufnahme vom 28. 7. 1995 sei auf Verlangen des Klägers erfolgt, weshalb keine Unterbringung im Sinne des UbG vorliege. Beim Vorfall vom 28. 2. 1995 hätten die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu Recht die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Klägers als gegeben annehmen dürfen, und die Zuziehung eines Amtsarztes sei zu Recht wegen Gefahr im Verzug unterblieben. Im Krankenhaus habe dann die vorgesehene Untersuchung durch zwei Fachärzte stattgefunden, die materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung seien vorgelegen. Bei den übrigen Vorfällen (10. 3. 1995, 12. 7. 1995 und 14. 8. 1995) hätten die Amtsärzte in den gemäß § 8 UbG zu erstellenden Bescheinigungen die Gründe im Einzelnen angeführt, weshalb die Unterbringung nötig sei. In allen Fällen seien eine psychische Erkrankung des Klägers und der Notwendigkeit seiner Einweisung ins psychiatrische Krankenhaus anzunehmen gewesen. Am 10. 3. und am 14. 8. 1995 sei keine Aufnahme ins Krankenhaus erfolgt, weshalb ein ärztliches Zeugnis über das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen auch nicht notwendig gewesen sei. Bei den Vorfällen vom 12. und 28. 7. 1995 sei der Kläger jeweils freiwillig im psychiatrischen Krankenhaus geblieben, weshalb von einer zwangsweisen Unterbringung nicht gesprochen werden könne.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es die beklagte Partei - unangefochten - schuldig erkannte, dem Kläger S 4.000 samt 4 % Zinsen seit 6. 6. 1998 zu bezahlen; die Abweisung des Mehrbegehrens von S 96.000 sA wurde hingegen bestätigt. Es sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ergänzend stellte das Gericht zweiter Instanz fest, dass der Kläger weder am 12. noch am 28. 7. 1995 eigenhändig und schriftlich seine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus verlangt habe.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer "in der Gefährlichkeit und Einengung der Selbstbestimmung gleichwertigen psychischen Störung im Sinne der herrschenden Ansicht zum Unterbringungsgesetz" seien jedenfalls (materiell) in jedem Fall gegeben gewesen. Der Umstand, dass der Kläger seine Aufnahme mehrfach ausdrücklich gewünscht habe, sei rechtlich irrelevant, solange dieser Wunsch sich nicht in der im § 4 UbG vorgeschriebenen Form artikuliert habe. Die Ansprüche, die der Kläger aus den Vorfällen vom und vor dem 14. 2. 1995 ableite, seien tatsächlich verjährt. Der Kläger habe vorsätzliches Handeln der Organe der beklagten Partei beim Freiheitsentzug nie behauptet, und das Fahrlässigkeitsdelikt des § 303 StGB sei mit keiner mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht. Demnach komme die lange Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 letzter (gemeint: zweiter) Satz AHG nicht zum Tragen. Sollte bei der Prüfung der Unterbringungsvoraussetzungen, also der Rechtfertigungsgründe für eine Freiheitsentziehung, ein Irrtum unterlaufen sein, falle jegliche "Vorsatzstrafbarkeit" im Sinne des § 8 StGB weg, von einer Vorsatztat könne daher nicht mehr die Rede sein. Was die anderen Vorfälle betreffe, sei ganz allgemein gesehen eine Unterbringung immer dann gegeben, wenn sich der Patient im geschlossenen Bereich befinde oder sonst in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt werde. Auch die pharmakologische Beeinflussung bezwecke eine massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Stark sedierende Mittel hätten zur Folge, dass der Patient nicht mehr in der Lage sei, sich nach seinem freien Willen örtlich zu verändern. Die Sicherheitswachebeamten hätten in jedem einzelnen Fall auf eine psychische Krankheit und auf Selbst- bzw Fremdgefährdung des Klägers schließen dürfen. Es sei ihnen nicht anzulasten, dass sie den Kläger dem Amtsarzt vorführten bzw in einem Fall wegen Vorliegens von Gefahr im Verzug unmittelbar ins psychiatrische Krankenhaus brachten. Die ärztlichen Bescheinigungen durch die Amtsärzte seien nicht zu beanstanden; die nötige inhaltliche Prüfung sei gewährleistet, ein ausführliches psychiatrisches Gutachten könne nicht gefordert werden. Die erforderlichen Untersuchungen in der psychiatrischen Anstalt selbst seien ordnungsgemäß vorgenommen worden. Bei der Unterbringung vom 28. 2. 1995 seien zwar die "unabhängigen" ärztlichen Zeugnisse nicht der Krankengeschichte beigeschlossen worden, doch sei die Dokumentation in ihrer Gesamtheit ausreichend gewesen. Am 10. 3. und am 14. 8. 1995 sei jeweils keine Aufnahme des Klägers erfolgt, weshalb das Klagebegehren schon daran scheitern müsse. Bei den Vorfällen vom 12. und 28. 7. 1995 mangle es an der Dokumentation zweier ärztlicher Eingangsuntersuchungen, die aber notwendig gewesen seien, weil - mangels eigenhändigen schriftlichen Verlangens - keine "Unterbringung auf Verlangen" vorliege. Für die Unterbringung im Ausmaß von etwa 2 1/2 Tagen gebühre Schadenersatz von S 4.000. Das restliche Klagebegehren sei aber nicht berechtigt.
Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Teilurteil:
Zu prüfen sind die Vorfälle vom 28. 2., 10. 3., 12. 7., 28. 7. und 14. 8. 1995:
1. Zum Vorfall vom 28. 2. 1995:
Gemäß § 9 Abs 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt zu bringen oder diesen beizuziehen. Lediglich bei Gefahr im Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 9 Abs 2 UbG die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen. Nach dem hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt durften die Polizeibeamten Gefahr im Verzug annehmen, was sie zur sofortigen Verbringung des Klägers in das psychiatrische Krankenhaus berechtigte: Da der Kläger das Rettungspersonal mit dem Umbringen bedrohte, die Mitarbeiter der Rettung den einschreitenden Polizeibeamten mitteilten, der Kläger habe schon oft angerufen und Selbstmordabsichten geäußert, er sei amtsbekannt, und sie seien beauftragt, ihn nur in Begleitung von Sicherheitswachebeamten aufzusuchen, weil er bereits mehrmals getobt habe und angeblich eine Schusswaffe besitze, da er sich ferner den Polizeibeamten gegenüber keineswegs kooperativ, sondern im Gegenteil überaus aggressiv zeigte sowie Drohungen und Beschimpfungen ausstieß, kann den Sicherheitswachebeamten kein Vorwurf gemacht werden, dass sie den Kläger sofort ins psychiatrische Krankenhaus überstellten. Das Unterbringungsgesetz lässt erkennen, dass die Beurteilung, ob die Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG gegeben sind, in unterschiedlicher Intensität zu erfolgen hat, ist doch erst für die Aufnahme in die Anstalt das Erfordernis der Untersuchung durch zwei Fachärzte vorgesehen (VwGH in RdM 1998, 81). Von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes können medizinische Kenntnisse in einem Ausmaß, dass sie psychische Krankheiten einwandfrei erkennen und auch verlässlich beurteilen können müssten, ob bei einer Person die ernstliche und erhebliche Selbst- bzw Gemeingefährdung anzunehmen sei (§ 3 Z 1 UbG), nicht erwartet werden (vgl Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz, § 9 Anm 3). Die zuvor dargestellte Situation rechtfertigte die Annahme von Gefahr im Verzug, weil die Polizeibeamten annehmen durften, dass die Abwehr der ernstlichen und erheblichen Gefährdung eigenen oder fremden Lebens im Sinne des § 3 UbG durch die Zeitverzögerung infolge Beiziehung eines Arztes gemäß § 8 UbG nicht erreicht werden könnte (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts, Rz 173). Im psychiatrischen Krankenhaus wurde dem Gesetz (§ 10 Abs 1 UbG) entsprechend die unverzügliche Untersuchung durch zwei Fachärzte vorgenommen, bei der sich der Kläger nicht gesprächsbereit zeigte. Wenngleich somit die (materiellen) Voraussetzungen für die Unterbringung vorlagen, ist festzuhalten, dass die beiden ärztlichen Zeugnisse, die gemäß § 10 Abs 1 UbG erstellt wurden, entgegen § 10 Abs 2 UbG der Krankengeschichte nicht als Bestandteil angeschlossen wurden. Diese ärztlichen Zeugnisse sind aber unverzichtbarer Inhalt der Krankengeschichte (vgl Hopf/Aigner, aaO Anm 10 zu § 6); sie dienen dazu, die spätere Unaufklärbarkeit von Sachverhalten zu vermeiden, also der Nachvollziehbarkeit der Akte in einer psychiatrischen Klinik (Kopetzki, Unterbringungsrecht II 878 f). Im Unterbringungsverfahren sind aber nicht nur die materiellen, sondern auch die formellen Voraussetzungen der Unterbringung (hier: Anschluss der ärztlichen Zeugnisse gemäß § 10 Abs 2 UbG) zu prüfen (RdM 1999, 124); die Haftpflicht besteht auch bei bloßen Verfahrensfehlern trotz Erfüllung der materiellen Unterbringungsvoraussetzungen. Bei der Unterbringung handelt es sich nämlich um einen Freiheitsentzug, bei dem der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens unzulässig ist (RZ 1996/51, vgl. v.a. SZ 54/108; Kopetzki, Grundriss aaO Rz 767). Demnach führt die im unterbliebenen Anschluss der beiden unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnisse gelegene Unterlassung - und nur diese - zur Berechtigung des geltend gemachten Amtshaftungsbegehrens, soweit es die Zeit unmittelbar nach der Aufnahme in die Krankenanstalt betrifft. Dem Kläger wurde somit nachvollziehbar auf rechtswidrige und schuldhafte Weise für die Dauer von etwa 12 Stunden (siehe S 7 bis 9 des Ersturteils und Blg /E) die Freiheit entzogen.
2. Zum Vorfall vom 10. 3. 1995:
Unbestrittenermaßen wurde der Kläger wegen der von ihm ausgesprochenen Drohungen auf Grund eines mündlichen Haftbefehls festgenommen und dem Amtsarzt vorgeführt. Dieser untersuchte ihn - wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Beilage D ergibt - um 17.15 Uhr. Nach Aufhebung des Haftbefehls wurde der Kläger um 19.45 Uhr in das psychiatrische Krankenhaus eingewiesen, von dort aber um 20.30 Uhr entlassen, weil kein medizinischer Grund zur weiteren Anhaltung gegeben war (S 9 f des Ersturteils). Dass der im Verfahren AZ 23 b Vr 2771/95 des Landesgerichts für Strafsachen Wien erteilte Haftbefehl rechtswidrig gewesen wäre, wird vom Kläger gar nicht behauptet. Daher kann der durch die Unterbringung herbeigeführte Freiheitsentzug maximal drei Stunden gedauert haben, nämlich vom Zeitpunkt der Untersuchung durch den Arzt (17.15 Uhr; siehe Beilage D) bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus. Eine weitere Abklärung der tatsächlichen Dauer des Freiheitsentzugs ist nicht nötig, weil es sich nur um eine geringfügige Zeitspanne handelt.
Die Beurteilung, ob die Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG gegeben sind, ist nicht erst bei der Aufnahme in die Anstalt, sondern schon bei der Vorführung zum Arzt bzw der Verbringung in die Anstalt gemäß den §§ 8f UbG vorzunehmen (VwGH in RdM 1998, 81). Die ärztliche Bescheinigung gemäß § 8 UbG ist - was den Vorfall vom 10. 3. 1995 betrifft - mangelhaft: Denn gemäß § 8 zweiter Satz UbG sind in der Bescheinigung im Einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet. Eine (Negativ-)Voraussetzung für die Unterbringung ist aber gemäß § 3 Z 2 UbG, dass der an einer psychischen Krankheit Leidende nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden könnte. In diesem Belang mangelt es der ärztlichen Bescheinigung Beilage D an jeglicher Ausführung, sodass das Begehren auf Zuspruch von Schadenersatz grundsätzlich - wenn auch bloß in geringfügigem Ausmaß - gerechtfertigt ist.
3. Zum Vorfall vom 14. 8. 1995:
Hiefür gilt das bereits zum Vorfall vom 10. 3. 1995 Dargestellte. Abermals mangelt es am Aufzeigen von Alternativen zur Unterbringung bzw an Erwägungen, weshalb solche nicht in Betracht kommen (Beilage A). Die Zeitspanne, für die der Kläger als untergebracht zu gelten hat, ist aber hier noch kürzer. Nach der ärztlichen Bescheinigung Beilage A wurde er um 22.30 Uhr vom Amtsarzt untersucht. Dass sowohl die Sicherheitsorgane wie auch der Amtsarzt selbst angesichts der tätlichen Angriffe und des Androhens eines zweiten Selbstmordversuchs eine Depression und eine Selbst- bzw Fremdgefährdung annehmen durften, ist nicht in Zweifel zu ziehen. Lediglich die mangelnde Erörterung von Alternativen zur Unterbringung hat die Berechtigung des Amtshaftungsbegehrens zur Folge, allerdings nur für die Zeit von etwa 22.30 Uhr bis knapp nach 23 Uhr (siehe Beilage A), denn der Kläger verließ noch am selben Tag das Krankenhaus (S 14 f des Ersturteils).
4. Zur Bemessung des Schadenersatzes für die Vorfälle vom 28. 2., 10. 3., 12. 7., 28. 7. und 14. 8. 1995 ist auszuführen:
Das Berufungsgericht hat dem Kläger - von der beklagten Partei unangefochten - Schadenersatz von S 4.000,-- für die Vorfälle vom 12. und 28. 7. 1995 zuerkannt, wobei der Freiheitsentzug beim erstgenannten Vorfall etwa 1 1/2 Tage und beim zweiten nicht ganz einen Tag lang währte. Dieser Zuspruch ist der Höhe nach nicht zu bemängeln. Es ist zwar auch eine medikamentöse Ruhigstellung von Patienten derart, dass der Kranke nicht mehr in der Lage ist, sich nach seinem Willen örtlich zu verändern, eine Unterbringung nach § 2 UbG (SZ 70/16), doch war nach den Feststellungen der Vorinstanzen die medikamentöse Behandlung des Klägers geboten (S 10 bis 12 des Ersturteils), und es war Ziel dieser Behandlung, die Symptome seiner Erkrankung zu lindern und zumindest vorübergehend zu einer Heilung zu führen. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers stand demnach zum therapeutischen Ziel der Behandlung nicht außer Verhältnis (vgl SZ 67/152; 2 Ob 605/92). War die medikamentöse Behandlung aber geboten, so sind die unvermeidlichen Neben- bzw Nachwirkungen, die er allenfalls durch die sedierenden Mittel zu gewärtigen hatte, auf kein rechtswidriges Verhalten von Organen zurückzuführen, so dass dem Kläger für diese Beeinträchtigung kein Schadenersatz gebührt (vgl dazu auch Kopetzki, Grundriss aaO Rz 55; derselbe, Unterbringungsrecht II 464).
Insgesamt rechtfertigen alle fünf oben genannten Vorfälle angesichts der jeweils relativ kurzfristigen Anhaltung bzw Unterbringung ein Schmerzengeld von S 6.000.
Insoweit war über das Klagebegehren in (teilweiser) Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen bereits mit Teilurteil zu entscheiden.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.
II. Zum aufhebenden Teil der Entscheidung:
Die Vorinstanzen beurteilten das aus dem Vorfall vom 14. 2. 1995 und jenen vor diesen abgeleitete Klagebegehren als verjährt, weil den Organen der beklagten Partei keine mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte vorsätzlich begangene gerichtlich strafbare Handlung anzulasten sei. Das Berufungsgericht führte zudem aus, der Kläger habe vorsätzliches Handeln dieser Organe nie behauptet. Letzteres ist indes aktenwidrig, hat doch der Kläger bereits in der Klage behauptet, die Freiheitsbeschränkungen seien "geradezu bezweckt" gewesen und "folglich mit Vorsatz erfolgt" (S 25 der Klage). Eine abschließende Beurteilung der Frage, welcher strafrechtliche Tatbestand von den Organen der beklagten Partei allenfalls verwirklicht worden sein könnte, ist mangels von Feststellungen zu den Vorfällen vom und vor dem 14. 2. 1995 nicht möglich.
Gemäß § 99 Abs 1 StGB ist, wer einen anderen widerrechtlich gefangen hält oder ihm auf andere Weise die persönliche Freiheit entzieht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Wird eine Freiheitsentziehung amtsmissbräuchlich begangen, kommt § 302 StGB zur Anwendung, wofür aber der wissentliche Missbrauch einer amtlichen Befugnis und der Vorsatz, dadurch einen Anderen an seinen Rechten zu schädigen, Voraussetzung ist. Für die Anwendung dieser Gesetzesstelle bietet das Vorbringen des Klägers tatsächlich keinen Anhaltspunkt. Nach § 303 StGB ist ein Beamter, der fahrlässig durch eine gesetzwidrige Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch eine gesetzwidrige Hausdurchsuchung einen Anderen an seinen Rechten schädigt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. Die Bestimmungen über die sogenannten Amtsdelikte enthalten keine ausdrückliche Regelung darüber, welches Tatbild von dem Beamten verwirklicht wird, der die Freiheit vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich entzieht, denn § 303 StGB pönalisiert nach seinem Wortlaut bloß die fahrlässige Verletzung der persönlichen Freiheit (1 Ob 4/94).
Im Schrifttum werden unterschiedliche Auffassungen zur Frage vertreten, ob der (bedingt) vorsätzlich handelnde Beamte u.a. nach § 99 StGB jeweils in Verbindung mit § 313 StGB oder nach § 303 StGB zu bestrafen sei. Für die letztere Alternative wird ins Treffen geführt, dass im bedingten Vorsatz die bewusste Fahrlässigkeit enthalten sei (Foregger/Fabrizy StGB7 Rz 3 zu § 303; Bertel in WrK Rz 3 zu § 303; Schmoller, Sind auch vorsätzliche Verhaltensweisen dem § 303 StGB zu unterstellen? in ÖJZ 1983, 655, 659; Mayerhofer StGB5 Rz 4 zu § 303). Diese Rechtsansicht überzeugt jedoch nicht. Selbst Mayerhofer führt aus, dass das allgemeine Delikt von einem Sonderdelikt nur dann verdrängt werde, wenn das allgemeine Delikt in seiner Gesamtauswirkung nicht strenger strafbedroht sei; durch ein geringer strafbares Delikt könne das strenger strafbedrohte Delikt niemals verdrängt werden (Mayerhofer aaO Rz 115 und 116 zu § 302). Auch Schmoller vertritt eine von seiner in ÖJZ 1983, 655, 659 geäußerten Ansicht abweichende Meinung. Er führt in Triffterer, StGB-Kommentar, Rz 22 f zu § 99 nämlich aus, es überzeuge nicht, Beamte bei vorsätzlichem Verhalten zu privilegieren, vielmehr wirke die Beamteneigenschaft eher erschwerend. Handle der Beamte beim Befugnismissbrauch bedingt vorsätzlich, so komme die Anwendung der §§ 99, 313 StGB in Betracht; die abweichende Meinung von Bertel und Schwaighofer (im WrK, Rz 32 zu § 99) werde abgelehnt.
Der erkennende Senat pflichtet der Ansicht bei, dass ein bedingt vorsätzlich handelnder Beamter wegen der in Betracht kommenden allgemeinen Delikte, also nach § 99 (bzw § 109) StGB iVm § 313 StGB zu bestrafen sei (so Leukauf/Steininger StGB3 Rz 7 zu § 303; Loebenstein in ÖJZ 1975, 644; Seiler, § 303 StGB, eine Bestimmung ohne praktische Bedeutung? in ÖJZ 1995, 87 [95 f]; Dearing, Die polizeiliche Verwahrung nach § 177 StPO, in AnwBl 1982, 73 [74]; vgl auch Kopetzki, Unterbringungsrecht II 438 FN 2790; und EvBl 1980/55). Es ist in der Tat nicht einzusehen, weshalb der Beamte - der, soweit in entsprechender Verwendung, gewiss öfter als eine Privatperson mit Freiheitsentziehungen konfrontiert sein kann und daher über die Voraussetzungen, die einen Freiheitsentzug rechtfertigen, genau Bescheid wissen müsste - gegenüber Personen, die ohne amtliche Befugnis die Freiheit entziehen, privilegiert sein sollte. Wäre dies vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, so hätte er das klar und unmissverständlich kodifizieren müssen.
Mangels entsprechender Feststellungen lässt sich aber noch nicht beurteilen, ob das Tatbild gemäß § 99 StGB in den inkriminierten Fällen von den für die beklagte Partei handelnden Organen tatsächlich verwirklicht wurde. Es kann ohne Feststellungssubstrat v.a. auch noch nicht beurteilt werden, ob die handelnden Organe irrtümlich einen Sachverhalt annahmen, der die Rechtswidrigkeit der Tat zufolge Eingreifens eines Rechtfertigungsgrundes ausschließen würde: Dann könnte eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Begehung gemäß § 8 StGB jedenfalls nicht erfolgen (Leukauf/Steininger aaO Rz 1 zu § 8), oder ob den Organen der beklagten Partei ein Rechtsirrtum im Sinne des § 9 StGB unterlaufen ist (siehe hiezu Leukauf/Steininger aaO Rz 6 zu § 9). Zu beachten wird dabei sein, dass nach dem Wortlaut des § 99 Abs 1 StGB die Freiheitsentziehung zwar widerrechtlich erfolgen muss, die Widerrechtlichkeit der Handlung aber kein Tatbildmerkmal ist, sondern nur auf die in Betracht zu ziehenden Rechtfertigungsgründe hinweist. Voraussetzung für die Rechtfertigung ist, dass alle materiellen und formellen Voraussetzungen der Anhaltung gegeben waren und dass die Anhaltung nicht länger als notwendig dauerte (Schwaighofer aaO Rz 28 und 30 zu § 99; Seiler aaO 89 ff; Leukauf/Steininger aaO Rz 12 zu § 99; Schmoller in Triffterer aaO Rz 48 zu § 99). Die Verjährungsfrage kann demnach noch nicht abschließend beantwortet werden.
In diesem Umfang sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, werden ergänzende Feststellungen zu treffen und wird neuerlich zu entscheiden sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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