OGH 1Ob236/15k

OGH1Ob236/15k22.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** A*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 436.503,89 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil‑Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2015, GZ 5 R 93/15h‑51, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. April 2015, GZ 16 Cg 7/14f‑44, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00236.15K.1222.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen den Darlegungen der Beklagten ist das Berufungsgericht nicht von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen. Es steht fest, dass das Dienstverhältnis des Klägers zu einer Gebietskörperschaft von dieser wegen des Verlusts des Vertrauensverhältnisses aufgrund der Schwere der gegen ihn erhobenen Vorwürfe (Mord) und wegen seiner langen Abwesenheit aufgrund der Dauer der Untersuchungshaft aufgelöst wurde. Die folgende sogenannte „Negativfeststellung“ (zum Begriff vgl 2 Ob 21/07p = SZ 2007/199 =

ZVR 2008/125, 293 [Kathrein]) zur Alleinkausalität der Einleitung des Strafverfahrens, die im Hinblick auf ein Vorbringen der Beklagten erfolgte, ändert daran nichts. Eine als erhebliche Rechtsfrage aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, weil das Gericht zweiter Instanz ‑ auch im Zusammenhang mit der im Hinblick auf den Tatverdacht des versuchten Mordes „bedingt‑obligatorischen“ Untersuchungshaft (§ 180 Abs 7 StPO aF, nunmehr § 173 Abs 6 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0113413 [T2]) ‑ unter Verletzung des Unmittelbarkeits-grundsatzes vom erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt abgewichen wäre, ist daher nicht zu erkennen.

2. Auch in der Sache vermag die Revisionswerberin eine wahrzunehmende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht einmal ansatzweise darzustellen. Gemäß § 5 Abs 1 StEG 2005 richten sich der Gegenstand und der Umfang des Ersatzes (hier: Verdienstentgang) nach den Bestimmungen des ABGB. Erforderlich ist allgemeinen Grundsätzen zufolge ein Kausal‑ und Adäquanzzusammenhang mit der Haft. Nicht ersatzfähig wären demnach Schäden, die als bloße Folge der Einleitung des Strafverfahrens auch dann eingetreten wären, wenn es zu keiner Verhaftung gekommen wäre (Kodek/Leupold in Höpfel/Ratz, WK² StEG § 5 Rz 7; Eder‑Rieder, StEG 2005 [2007] 63; ebenso zur früheren Rechtslage 1 Ob 40/79 = SZ 52/187; RIS‑Justiz RS0049842; 1 Ob 184/63 = RZ 1964, 80 = JBl 1964, 370).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger den Kausalzusammenhang zwischen der ungerechtfertigten Haft und dem Verdienstentgang nachgewiesen hat, steht im Einklang mit der Feststellung, dass die verhängte Untersuchungshaft zusammen mit dem Vertrauensverlust zur Auflösung des Dienstverhältnisses führte. Damit steht auch die der Beklagten zuzurechnende Mitursache als conditio sine qua non für den Verdienstentgang fest, was mangels abgrenzbarer Anteile (§ 1302 Satz 2 ABGB) zu deren vollen Haftung führt (vgl zu sogenannten „summierten“ Einwirkungen, die nur zusammen den Erfolg herbeigeführt haben, RIS‑Justiz RS0123611; RS0010538).

3. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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