OGH 1Ob233/12i

OGH1Ob233/12i31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin G***** V*****, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen den Antragsgegner Ing. W***** V*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum, Dr. Rainer Toperczer und Mag. Diether Pfannhauser, Rechtsanwälte in Wien, wegen Vermögensaufteilung nach den §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 2. Oktober 2012, GZ 20 R 91/12s‑85, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 22. Juni 2012, GZ 3 C 139/07a‑76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 2.918,30 EUR (darin 486,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Einen wesentlichen Bestandteil des Ehevermögens bildet eine je zur Hälfte im Eigentum der Parteien stehende Liegenschaft mit einem größeren Haus, das früher als Ehewohnung genutzt und nun von der Antragstellerin verwendet wird. Beide Streitteile begehren im Aufteilungsverfahren die Einräumung von Alleineigentum an dieser Liegenschaft. Die Antragstellerin stellte unter anderem die Behauptung auf, der Antragsgegner habe während der ehelichen Lebensgemeinschaft im Rahmen der von ihm betriebenen Fahrschule erhebliche Schwarzgeldeinnahmen lukriert, was zu (verheimlichten) Ersparnissen von (zumindest) 200.000 EUR geführt habe. Nachdem bereits ein erhebliches Beweisverfahren zu anderen Themen durchgeführt worden war und der Antragsgegner einen Anlassbericht der Steuerfahndung an die Staatsanwaltschaft Korneuburg vorgelegt hatte, aus dem sich ergibt, dass über Anzeige der Antragstellerin Erhebungen gepflogen worden waren und ein Finanzstrafverfahren ua wegen einer Umsatzsteuerverkürzung von vermutlich mehr als 110.000 EUR wegen nicht deklarierter Einnahmen eingeleitet wurde, unterbrach das Erstgericht mit Beschluss vom 11. 5. 2010 (unangefochten) das Aufteilungsverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Finanzstrafverfahrens. Die Unterbrechung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ergebnisse des Finanzstrafverfahrens zur Beurteilung der Frage herangezogen werden könnten, ob (zusätzliche) Ersparnisse aus nicht versteuertem Einkommen des Antragsgegners vorhanden sind und um welche Beträge an nachzuleistenden Steuern diese Ersparnisse zu vermindern sind. Dem Außerstreitgericht stünden nicht alle „Beweismittel“, die etwa durch eine Hausdurchsuchung beim Antragsgegner gewonnen wurden, zur Verfügung, weshalb die Ermittlung der maßgeblichen Tatsachen nur mit erheblichem Verfahrensaufwand, unvertretbaren Verzögerungen und unvollständig ermitteltem Sachverhalt möglich wäre.

Etwa zwei Jahre nach der Unterbrechung beantragte der Antragsgegner die Verfahrensfortsetzung. Das Finanzstrafverfahren habe als einzig greifbares Ergebnis erstinstanzliche Umsatzsteuerbescheide vom 9. 7. 2010 für die Jahre 2002 bis 2007 erbracht, die von ihm mit Berufung bekämpft worden seien, seither habe es keine weiteren Verfahrensfortschritte gegeben, insbesondere sei eine vom Finanzamt angekündigte Berufungsvorentscheidung nunmehr seit über zwei Jahren ausständig. Da mit einer rechtskräftigen Erledigung des Finanzstrafverfahrens in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei, stellte ein weiterer Stillstand des Aufteilungsverfahrens für den Antragsgegner eine unzumutbare Verzögerung dar, die dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes gleichzuhalten sei. „Nur am Rande“ sei erwähnt ‑ in Wahrheit ist dies das hauptsächliche Argument des Antragstellers für die behauptete Unzumutbarkeit ‑, dass die Antragstellerin selbstverständlich auch weiterhin im vormals ehelichen Haus ‑ das er im Aufteilungsverfahren für sich beansprucht ‑ wohne und dieses „abwohne“.

Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung zurück, in der Literatur werde zwar die Auffassung vertreten, dass bei „nicht gehöriger Fortsetzung“ des als präjudiziell angesehenen Verfahrens der Unterbrechungsgrund wegfalle. Damit werde aber auf die Untätigkeit von Verfahrensparteien Bezug genommen, nicht aber auf eine tatsächliche oder vermeintliche Untätigkeit einer Behörde; letzterer sei durch Rechtsbehelfe verfahrensrechtlicher oder disziplinar-rechtlicher Art durch die am Fortgang des präjudiziellen Verfahrens interessierte Partei beizukommen. Darüber hinaus räume der Antragsgegner selbst ein, dass zu den maßgeblichen Fragen im Aufteilungsverfahren ein kostenintensives Gutachten eingeholt werden müsse, wogegen die Finanzbehörde maßgebliche Fragen ohne weitere Verfahrenskosten beantworten werde. Im Übrigen gehe es nicht um den letztlich rechtskräftigen Bescheid einer Finanzbehörde als solchen, sondern um die in diesem Verfahren maßgebliche Beurteilung, inwieweit die ehelichen Ersparnisse durch allfällige Steuernachzahlungen geschmälert werden. Eine derzeitige Fortsetzung des Verfahrens würde weder rasch noch kostensparend zu seinem Ende führen und zudem die Unsicherheit schaffen, dass das Verfahrensergebnis von jenem des Finanzverfahrens abweichen könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Eine Verfahrensfortsetzung vor Beendigung des im Unterbrechungsbeschluss als präjudiziell erklärten Verfahrens komme zwar allenfalls bei Untätigkeit der Parteien, nicht aber bei Untätigkeit einer Behörde im präjudiziellen Verfahren in Betracht. Eine Fortsetzung des Verfahrens könne zwar unter Umständen auch vor Wegfall des Unterbrechungsgrundes zulässig sein, sofern damit das Ziel, das Verfahren rasch, sicher und kostensparend zu Ende zu bringen, erreicht werden könne. Diese Voraussetzungen lägen im konkreten Fall jedoch zweifelsfrei nicht vor. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft sei, ob das Erstgericht die notwendigen Unterlagen von der Finanzbehörde erlangen würde, sei es zweifelsfrei nicht rascher, sicherer und kostensparender, wenn das Erstgericht die finanzbehördlichen Fragen selbst löse.

Im dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsgegner im Wesentlichen geltend, eine Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens habe auch bei einer „geänderten Verfahrensaufwandsprognose“ im präjudiziellen Verfahren zu erfolgen, was vor allem dann der Fall sei, wenn mit dem ehesten Abschluss des anderen Verfahrens gerechnet worden sei, sich diese Annahme aber in der Folge als unrichtig herausgestellt habe; ebenso, wenn das andere Verfahren so lange Zeit in Anspruch nehme, dass es zumindest einer Partei unzumutbar sei, dessen Ergebnis abzuwarten. Hier sei zudem die Entscheidung im präjudiziellen Verfahren nur zum Teil für das Aufteilungsverfahren relevant. Keinesfalls könne es einer Partei des unterbrochenen Verfahrens zugewiesen werden, bei unerwarteter Verzögerung des präjudiziellen Verfahrens dieses durch verfahrensrechtliche bzw disziplinarrechtliche Rechtsbehelfe zu beschleunigen. Eine Unzumutbarkeit einer weiteren Verfahrensverzögerung sieht der Revisionsrekurswerber ersichtlich darin, dass „dadurch ein faktischer Zustand prolongiert wird, der zu meinen Lasten geht und in einer Aufteilungsentscheidung voraussichtlich nicht vollständig ausgeglichen werden kann“. Durch das weitere Wohnen der Antragstellerin im Haus komme es zu einer wesentlichen Wertminderung des im Aufteilungsverfahren wesentlichsten Vermögenswerts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ‑ insbesondere wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 26 Abs 3 AußStrG ‑ zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat von der durch § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG eingeräumten Möglichkeit, das Verfahren zu unterbrechen, Gebrauch gemacht. Diese Norm setzt voraus, dass eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen … Verfahrens bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist. Die von einer Partei nach § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG zu beantragende Verfahrensfortsetzung hat zu erfolgen, „wenn die Gründe für die Unterbrechung weggefallen sind“.

Geht man vom Zweck der Verfahrensunterbrechung aus, erheblichen Verfahrensaufwand zu vermeiden, ohne dass eine unzumutbare Verzögerung eintritt (ErlRV 224 BlgNR 22. GP 37), spricht viel dafür, die zur ZPO ‑ insbesondere in der Literatur ‑ vertretene Auffassung, dass eine Verfahrensfortsetzung unter bestimmten Umständen, insbesondere bei unzutreffender Einschätzung der Dauer oder Ergiebigkeit des präjudiziellen Verfahrens, auch vor dessen Beendigung zu erfolgen hat, auf das Außerstreitverfahren zu übertragen. Zur Fortsetzung eines beschlussmäßig unterbrochenen Zivilprozesses führt etwa Schragel (in Fasching/Konecny, ZPO² § 190 Rz 29) aus, nach dem Zweck der Unterbrechung des Verfahrens werde dessen Fortsetzung erst nach rechtskräftigem Abschluss des als präjudiziell beurteilten anderen Verfahrens erfolgen. Das Verfahren könne aber auch aufgenommen werden, ohne dass das andere Verfahren beendet wäre. Dies sei insbesondere zu erwägen, wenn der eheste Abschluss des anderen Verfahrens erwartet worden war, diese Annahme sich aber als unrichtig herausstellt, ebenso dann, wenn das andere Verfahren so lange Zeit in Anspruch nimmt, dass es zumindest einer Partei unzumutbar ist, dessen Ergebnis abzuwarten. Die Unterbrechung des Verfahrens könne jedenfalls wieder aufgehoben werden, wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen der Unterbrechungsbeschluss gefasst worden war, verändert haben; das sei bereits der Fall, wenn das präjudizielle Verfahren länger dauert, als ursprünglich angenommen worden war, oder die Lösung der Vorfrage aufgrund neuer Umstände leichter geworden zu sein scheint (aaO § 192 Rz 1). Neumann (Kommentar4, 809 f) stellt ganz allgemein auf das momentane prozessuale Bedürfnis und die bestmögliche Prozessförderung ab.

In ähnlichem Sinne muss auch die etwas missverständliche Formulierung in den Gesetzesmaterialien zu § 26 Abs 3 AußStrG (ErlRV 224 BlgNR 22. GP 38) verstanden werden, es liege auch im Bereich der Möglichkeit, dass ein Verfahren über die Vorfrage „nicht gehörig fortgesetzt wird“; „dies“ lasse sich zwanglos dahin deuten, dass der Grund für die Unterbrechung des Verfahrens damit weggefallen ist und das unterbrochene Verfahren daher fortgesetzt werden muss. Mit dieser Formulierung wird wohl ‑ auch wenn sie sich an den Wortlaut des § 1497 ABGB anlehnt ‑ nicht primär auf Handlungslasten der Parteien des unterbrochenen Verfahrens im präjudiziellen Verfahren verwiesen, auf dessen Ablauf sie unter Umständen gar nicht maßgeblich einwirken können. Abgesehen davon, dass es nahe liegt, einer Partei die Verfahrensfortsetzung auch bei übermäßiger Dauer des präjudiziellen Verfahrens zu verweigern, wenn sie selbst für diese Verzögerung verantwortlich ist, sollte eine Verfahrensfortsetzung aber sonst stets in Betracht kommen, wenn aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des präjudiziellen Verfahrens letztlich doch eine „unzumutbare Verzögerung“ eintreten würde, wollte man dessen Beendigung abwarten. Auch eine solche Konstellation kann deshalb einem Wegfall des Unterbrechungsgrundes gleichgehalten werden, weil sich damit im konkreten Einzelfall ergibt, dass der mit der Unterbrechung angestrebte Zweck nicht erreicht werden kann.

Eine Verfahrensfortsetzung hat nach § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG auch zu erfolgen, wenn sich das präjudizielle Verfahren in einer Weise entwickelt, dass ein weiteres Zuwarten im unterbrochenen Verfahren für eine Partei mit einer unzumutbaren Verzögerung verbunden wäre.

Die generell gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit ins Treffen geführten Argumente der Vorinstanzen sind daher nicht zu billigen. Ein großer Ermessensspielraum besteht hingegen zweifellos bei der Beurteilung, ob ein weiteres Zuwarten für eine Partei unzumutbar ist, was grundsätzlich eine Gesamtbeurteilung der (möglichen) nachteiligen Folgen durch ein weiteres Hinausschieben der ausstehenden Beweisaufnahme ‑ und damit der Sachentscheidung im unterbrochenen Verfahren ‑ voraussetzt. Dazu enthält nun der Revisionsrekurs nichts Überzeugendes. Das einzig sachliche Argument des Antragsgegners besteht darin, das ‑ seiner Ansicht nach ihm zuzuweisende ‑ Haus werde von der Antragstellerin weiter abgewohnt, was in einer Aufteilungsentscheidung „voraussichtlich nicht vollständig ausgeglichen werden“ könne. Dies ist aber schon deshalb nicht richtig, weil bei der Aufteilung grundsätzlich die Werte des aufzuteilenden Vermögens zum letztmöglichen Zeitpunkt festzustellen sind (RIS‑Justiz RS0057644, RS0057818) und darüber hinaus auch der einem Ehegatten dadurch entstehende Vorteil, dass er sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit (Mietwohnung) erspart, wogegen der andere zusätzliche Aufwendungen zu tragen hat, zumindest rechnerisch auszugleichen ist (vgl dazu nur zuletzt 1 Ob 158/12k).

Da der Revisionsrekurswerber somit eine für ihn unzumutbare Verzögerung durch die fortbestehende Verfahrensunterbrechung nicht dartun kann, ist der Unterbrechungsgrund auch nicht „weggefallen“. Dass komplexere Finanzstrafverfahren viele Jahre dauern können, insbesondere wenn ‑ wie dies immer wieder der Fall ist ‑ die Rechtskraft der Abgabenbescheide abgewartet wird, ist im Übrigen keineswegs außergewöhnlich.

Da somit jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem Wegfall der Voraussetzungen für eine Verfahrensunterbrechung nicht gesprochen werden kann, erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis als zutreffend.

Der im Zwischenstreit um die Verfahrensfortsetzung unterlegene Antragsgegner hat der Antragstellerin die Kosten ihrer zweckentsprechenden Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen (§ 78 Abs 1 und Abs 2 AußStrG).

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