OGH 1Ob233/03a

OGH1Ob233/03a12.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf H*****, vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach, Dr. Wolfgang Schmidauer und Mag. Renate Aigner, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wider die beklagten Parteien 1. Ing. Peter Z***** KEG, und 2. Ing. Peter Z*****, vertreten durch Mag. Dominik Maringer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen EUR 15.300 und Feststellung (Streitwert EUR 5.000) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. August 2003, GZ 4 R 142/03k-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 5. Mai 2003, GZ 5 Cg 30/03s-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.170,18 (darin EUR 195,03 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für eine in den Jahren 2000 und 2001 errichtete Wohnhausanlage mit insgesamt 12 Mietwohnungen wurde die Erstbeklagte zum Planungs- und Baustellenkoordinator bestellt. Der Zweitbeklagte, persönlich haftender Gesellschafter der Erstbeklagten, hatte in der Vorbereitungsphase aufgrund des Bauzeitplans und des Bauplans den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (Si-Ge-Plan) erstellt, der an die mehreren auf der Baustelle tätigen Unternehmer verschickt und darüber hinaus auf der Baustelle bei den jeweiligen Polieren oder Vorarbeitern deponiert wurde. In diesem Plan findet sich unter anderem folgende Anordnung: "Gerüst: - Abnahme nach dem Aufstellen, Abnahmebefund in Bauordner legen - Überprüfen auf Standsicherheit und offensichtliche Mängel vor jeder Benützung". Der Zweitbeklagte hat weiters mit Baubeginn Baustellenbegehungen durchgeführt, und zwar jeweils in Abständen von rund 14 Tagen. So befand er sich unter anderem am 13. 9. 2000, 26. 9. 2000, 13. 10. 2000, 30. 10. 2000, 15. 11. 2000, 6. 12. 2000, 20./21. 12. 2000, 23. 1. 2001, 29. 1. 2001, 14. 2. 2001, 26. 2. 2001, 18. 4. 2001, 3. 5. 2001 und 28. 6. 2001 auf der Baustelle.

Der Kläger war bei einem Unternehmen beschäftigt, das auf der Baustelle die Baumeisterarbeiten durchführte. Als Aufsichtsperson war ein Baumeister bestimmt, als dessen Vertreter ein Polier. Letzterer hatte die Maurerlehre und die Bauhandwerkerschule absolviert und verfügte Ende 2000 einschließlich der Lehre über 7 Jahre Praxis. Im Rahmen seiner Ausbildung hatte er auch die erforderlichen Maßnahmen für den Arbeitnehmerschutz und die Unfallverhütung gelernt.

Am 10. 12. 2000 war das Bauunternehmen mit der Errichtung von Zwischenwänden im zweiten Obergeschoss des Wohnhauses beschäftigt. Arbeiter dieses Unternehmens errichteten ein sogenanntes Ausschussgerüst, das im zweiten Obergeschoss aus einer der Fensteröffnungen 2,2 m hinausragte. Über Anordnung des Poliers wurde auf dieses Gerüst eine Schuttmulde gestellt, um Ziegel- und Bauschuttreste zu entsorgen. Eine statische Berechnung über die Tragfähigkeit des Gerüsts wurde nicht eingeholt. Der Polier informierte den Zweitbeklagten nicht über die Errichtung des Gerüstes. Die im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan für Gerüste vorgeschriebene Vorgangsweise wurde nicht eingehalten.

Am 20. 12. 2000 betrat der Kläger dieses Ausschussgerüst, um über Ersuchen des Kranführers die Schuttmulde an die Kranketten zu hängen. Dabei brach das Gerüst zusammen, der Kläger stürzte in die Tiefe und wurde schwer verletzt.

Am Unfalltag nach der Zweitbeklagte wieder eine Baustellenbegehung vor. Die letzte Begehung davor hatte am 6. 12. 2000, somit zu einer Zeit, in der das Ausschussgerüst noch nicht errichtet war, stattgefunden. Bei dieser letzten Begehung vor dem Unfall hatte der Polier dem Zweitbeklagten mitgeteilt, dass er die Arbeiten weitgehend einstellen werde, sollte es weiterhin kalt bleiben. Zu diesem Zeitpunkt war neben dem Bauunternehmen noch ein weiteres Unternehmen mit Schalungsarbeiten am Dach beschäftigt. In der Folge stiegen die Temperaturen bis 15 Grad an. Dem Zweitbeklagten war bewusst, dass nach dem 6. 12. 2000 noch Dachdecker und Zimmersleute auf der Baustelle arbeiten und möglicherweise vom Bauunternehmen Zwischenwände eingezogen werden. Er erachtete dennoch eine Überprüfung in 14-tägigen Abständen für ausreichend.

Der Polier galt als sehr verlässlich und hat sämtlichen Beanstandungen des Zweitbeklagten immer sofort Rechnung getragen.

Mit seiner am 12. 7. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger Schmerzengeld von EUR 15.000 und den Ersatz der Kosten für Fahrten zum und vom Krankenhaus (EUR 300) sowie die Feststellung, dass die Beklagten dem Kläger zur ungeteilten Hand für sämtliche Spätfolgen aus dem Unfall am 20. 12. 2000 zu haften hätten. Die Beklagten wären gemäß § 5 BauKG verpflichtet gewesen, darauf zu achten, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan und die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anwenden. Entsprechend dieser Grundsätze hätte den Beklagten auffallen müssen, dass das vom Bauunternehmen errichtete Holzgerüst nicht ordnungsgemäß hergestellt und auch kein statisches Gutachten nicht eingeholt worden seien. Dieser Mangel habe zum Unfall des Klägers geführt. Ein Baustellenkoordinator habe regelmäßige Kontrollen durchzuführen und Missstände abzustellen bzw das Arbeitsinspektorat einzuschalten. Weiters müsse der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan gemäß § 7 BauKG dem jeweiligen Fortschritt der Arbeiten und eingetretenen Änderungen unverzüglich angepasst werden, was hier jedoch verabsäumt worden sei. Die Beklagten hätten sich auch immer wieder über die Eignung der auf der Baustelle eingesetzten Vorarbeiter für die Vornahme von, Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle vergewissern müssen.

Die Beklagten wendeten ein, es sei nicht Aufgabe des Baustellenkoordinators, ständig auf der Baustelle anwesend zu sein, um zu überprüfen, ob vorgegebene Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Vielmehr habe er darauf zu achten, dass die jeweiligen auf der Baustelle tätigen Arbeitgeber kooperieren, und für deren gegenseitige Information zu sorgen. Die Verantwortung für konkrete Arbeitsschritte auf der Baustelle bleibe weiterhin bei den jeweiligen Baustellenverantwortlichen. Jedenfalls stelle das Bauarbeitenkoordinationsgesetz keine Grundlage für eine Haftung der Beklagten dar. Der Baustellenkoordinator habe nicht die Funktion einer Aufsichtsperson zur Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften. Für diesen Zweck hätten Arbeitgeber nach den Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung Personen mit entsprechenden Befugnissen einzusetzen. Dem Baustellenkoordinator fehle auch das Recht zur unmittelbaren Durchsetzung von Anordnungen. Im Übrigen sei dem Zweitbeklagten das Holzgerüst weder bekannt gewesen, noch sei er über dessen Aufstellung informiert worden. Beim letzten Baustellenbesuch vor dem Unfall sei der Zweitbeklagte vom Polier nur dahin informiert worden, dass die Baustelle aufgrund der herrschenden Kälte zusammengeräumt und der Rohbau winterdicht gemacht werde. Den Kläger treffe jedenfalls ein Mitverschulden von zumindest 50 %, weil er sich entgegen den ihm bekannten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit auf der Baustelle auf das Gerüst begeben habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, dem Beklagten sei kein Verstoß gegen das Baustellenkoordinationsgesetz vorzuwerfen sei. Der Zweitbeklagte habe etwa alle 14 Tage eine Baustellenbegehung vorgenommen. Am 6. 12. 2000 sei das Gerüst noch nicht errichtet gewesen und er sei auch in der Folge nicht über dessen Errichtung informiert worden. Es habe daher für den Zweitbeklagten kein Handlungsbedarf bestanden. Das Gerüst hätte er erst bei der nächsten Begehung am 20. 12. 2000 sehen können; zu diesem Zeitpunkt habe sich der Unfall jedoch schon ereignet gehabt.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Ausspruch über das Leistungsbegehren dahin ab, dass es mit Teil-Zwischenurteil das Klagebegehren nach Zahlung von EUR 15.300 sA dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte. Zum Ausspruch über das Feststellungsbegehren hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen den abändernden und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den aufhebenden Ausspruch zulässig seien. Die im Baukoordinationsgesetz festgeschriebenen Pflichten des Baustellenkoordinators seien Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB zugunsten der Arbeitnehmer. Erleide ein Arbeitnehmer infolge fehlender Sicherheitsvorkehrungen einen Schaden, so liege eine Schutzgesetzverletzung vor, auf die die Beweislastumkehr gemäß § 1298 ABGB anzuwenden sei. Der Baustellenkoordinator habe in einem solchen Fall nachzuweisen, dass der Schaden auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten eingetreten wäre oder dass ihm die Einhaltung der Schutznorm ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen sei. In Anbetracht der gesetzlich geforderten Qualifikation habe der Baustellenkoordinator für den gesteigerten Sorgfaltsmaßstab der Sachverständigenhaftung gemäß § 1299 ABGB einzustehen. Der Baustellenkoordinator habe unter anderem darauf zu achten, dass Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan sowie die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anwenden. Er komme dann seiner Überwachungspflicht ausreichend nach, wenn er den für den Sicherheitsmangel Verantwortlichen oder den Arbeitgeber auf den Missstand hinweise und ihn zur Beseitigung anhalte. § 5 Abs 5 BauKG enthalte eine Hinweispflicht der Koordinatoren gegenüber den betroffenen Arbeitgebern. Um seine Sorgfaltspflichten zu erfüllen, sei die ununterbrochene Kontrolle der Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle durch den Koordinator nicht notwendig. Er könne nämlich im Allgemeinen darauf vertrauen, dass sich die stets vor Ort aufhaltenden Sicherheitsfachkräfte und Sicherheitsvertrauenspersonen der einzelnen bauausführenden Unternehmen um die Erfüllung der Sicherheitsvorschriften kümmern. In erfahrungsgemäß kritischen Bereichen habe der Baustellenkoordinator jedoch entsprechend verdichtete Kontrollen vorzunehmen. Eine "starre Regelung", wie oft der Baustellenkoordinator vor Ort die Gefahrensituation auf einer Baustelle kontrollieren müsse, sei nicht möglich. Im vorliegenden Fall sei aber angesichts des festgestellten Sachverhalts die Überprüfung der Baustelle in einem bloß 14-tägigen Rhythmus jedenfalls zu "selten", zumal - insbesondere bei Dachdeckerarbeiten - in der Phase des Rohbaus zahlreiche Gefahrenquellen bestünden, die eine besondere Überprüfung durch den Baustellenkoordinator erfordert hätten. Bei einem früheren Besuch der Baustelle - ein Tag hätte schon ausgereicht - wäre dem Zweitbeklagten das Ausschussgerüst aufgefallen und der Unfall hätte bei ordnungsgemäßer Beanstandung und Einholung eines Gutachtens vermieden werden können. Die Beklagten hätten somit für die Durchsetzung der gebotenen Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichend Sorge getragen. Eine allfällige Haftung des Arbeitgebers beseitige jene der Beklagten nicht. Ein Mitverschulden des Klägers sei nicht zu erkennen, weil von ihm nicht verlangt werden könne, die mangelnde Tragfähigkeit des Gerüsts bereits mit freiem Auge zu erkennen. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach sei zu bejahen; im Feststellungsbegehren sei die Rechtssache noch nicht spruchreif, weil das Feststellungsinteresse des Klägers nicht feststehe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Das am 1. 7. 1999 in Kraft getretene Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG), BGBl I 1999/37 setzt die Richtlinie 92/57/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz um. Ziel des Gesetzes ist es gemäß seinem § 1 Abs 1, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen durch die Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten zu gewährleisten. Von diesem Gesetz unberührt bleiben gemäß seinem § 1 Abs 5 die im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl 1994/450, geregelten Verpflichtungen der Arbeitgeber, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit zu sorgen. Gemäß § 3 Abs 1 BauKG hat der Bauherr, somit diejenige natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, in deren Auftrag ein Bauwerk ausgeführt wird (§ 2 Abs 1), einen Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen, wenn auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig sind. Gemäß Abs 3 dieser Gesetzesstelle darf als Koordinator nur eine Person bestellt werden, die über eine für die jeweilige Bauwerksplanung oder Bauwerksausführung einschlägige Ausbildung und eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügt.

Den - hier allein zu beurteilenden - Baustellenkoordinator treffen im Interesse des Arbeitnehmerschutzes umfangreiche, im § 5 BauKG ausführlich beschriebene Koordinations-, Organisations-, Überwachungs- und Informationspflichten. Unter diesen sind - als für die rechtliche Beurteilung relevant - hervorzuheben, die Pflicht zur Koordination der Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG (Abs 1 Z 1) und der Umsetzung der für die betreffende Baustelle geltenden Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Abs 1 Z 2), weiters die Pflicht, darauf zu achten, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (Abs 2 Z 1) und die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anwenden (§ 2 Z 2), sowie schließlich die Pflicht hervorzuheben, die Zusammenarbeit und die Koordination der Tätigkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer und zur Verhütung von Unfällen und berufsbedingten Gesundheitsgefährdungen zwischen den Arbeitgebern zu organisieren (Abs 3 Z 1) sowie den Sicherheits- und Gesundheitschutzplan und die Unterlage unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten und eingetretener Änderungen anzupassen oder anpassen zu lassen (Abs 3 Z 3). Stellt der Baustellenkoordinator bei Besichtigung der Baustelle Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer fest, hat er gemäß § 5 Abs 4 BauKG unverzüglich den Bauherrn oder den Projektleiter sowie die Arbeitgeber und die allenfalls auf der Baustelle tätigen Selbständigen zu informieren; der Baustellenkoordinator hat das Recht, sich an das Arbeitsinspektorat zu wenden, wenn er der Auffassung ist, dass die getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherzustellen, nachdem er erfolglos eine Beseitigung dieser Missstände verlangt hat.

Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst in seinem Erkenntnis 2 Ob 272/03v dargelegt hat, ist die Haftung für eine allfällige Pflichtverletzung des Baustellenkoordinators mangels besonderer Regelung nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Danach stellt sich der Pflichtenkatalog des BauKG als Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer im Sinn des § 1311 ABGB dar, wie sich dies schon völlig unzweifelhaft aus dem im § 1 Abs 1 BauKG beschriebenen Gesetzeszweck ergibt (in diesem Sinne auch Egglmeier-Schmolke, Das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, bbl 2000, 47 [57]; Weselik, Bauarbeitenkoordinationsrecht, 55). Kommt ein Arbeitnehmer infolge fehlender Sicherheitsvorkehrungen zu Schaden, so liegt darin eine Schutzgesetzverletzung, auf die nach der Rechtsprechung die Beweislastumkehr gemäß § 1296 ABGB zur Anwendung kommt. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, dass der Baustellenkoordinator - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend begründet hat - Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB ist und daher für die inhaltliche Fachgerechtigkeit seiner Leistungen haftet.

Zu Umfang und Intensität der den Baustellenkoordinator treffenden Pflichten könnte aus der bereits zitierten Entscheidung 2 Ob 272/03v sowie aus verschiedenen Literaturstimmen (Egglmeier-Schmolke aaO, 55) der Schluss gezogen werden, allein die früher auf die Fürsorgepflicht des Werkbestellers gemäß § 1169 ABGB gestützten Pflichten des Bauherrn würden nunmehr im Regelungsbereich des BauKG durch dieses als Schutzgesetz konkretisiert. Stellt man indes in Rechnung, dass die Fürsorgepflicht des Bestellers gemäß § 1169 ABGB nach der Rechtsprechung im Allgemeinen nur auf seiner Sphäre zuzurechnende Umstände bezogen wird und sich somit nicht auf mit dem auszuführenden Werk unmittelbar verbundene und für den Unternehmer und seine Hilfskräfte nach ihren Fachkenntnissen erkennbare Gefahren erstreckt (Krejci in Rummel ABGB3 § 1169 Rz 6 mwH), so würde ein derartiges Verständnis zu einer sehr engen Umgrenzung des Pflichtenkreises des Baustellenkoordinators führen. Es muss hier nicht weiter untersucht werden, in welchem Umfang und inwieweit Pflichten des Bauherrn durch die Bestellung von Koordinatoren gemäß dem BauKG verdrängt werden (vgl Art 7 Abs 1 der Richtlinie, nach dem ein Bauleiter oder Bauherr, der einen oder mehrere Koordinatoren mit der Wahrnehmung der in den Art 5 und 6 genannten Aufgaben betraut hat, nicht von der Verantwortung in diesem Bereich entbunden wird), weil dieser Pflichtenkreis keinen entscheidenden Maßstab für die Beurteilung der Tätigkeit der Koordinatoren nach dem BauKG darstellt. Auch die - sonst - den Bauherrn treffenden Koordinierungspflichten, die weitestgehend auf die Koordinatoren übertragen werden, begrenzen deren Aufgabengebiet nicht endgültig. Eine Richtlinienkonforme Auslegung des Gesetzes führt nämlich zu dem Ergebnis, dass bei der angesichts der gleichzeitigen bzw aufeinanderfolgenden Anwesenheit von Arbeitnehmern verschiedener Arbeitgeber auf der Baustelle gesteigerten Gefahrenlage Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer schlechthin geschützt werden soll. Deshalb darf auch der Schutzzweck der Richtlinie und des diese umsetzenden Gesetzes nicht etwa auf Schäden von Arbeitnehmern eines Unternehmens infolge fehlender oder fehlerhafter Einrichtungen oder Sicherheitsvorkehrungen eines anderen auf der Baustelle tätigen Unternehmens eingeschränkt werden, sich doch durch diese nicht zuletzt auch der Überwachung des Baustellengeschehens durch den Koordinator dienenden Vorschriften den infolge der gleichzeitig oder aufeinander folgenden Tätigkeit von Arbeitnehmern verschiedener Unternehmen so schon an sich erhöhten Gefahren wirksam begegnet werden; gerade dieses Ziel wäre indessen durch eine solche Einschränkung zu Frage gestellt. Dies ergibt sich nicht nur aus der Präambel der Richtlinie ("Die Einhaltung von Mindestvorschriften zur Gewährleistung verbesserter Sicherheits- und Gesundheitsschutzbedingungen auf zeitlich begrenzten oder ortsveränderlichen Baustellen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer"), sondern auch aus deren weitestgehend in das österreichische Gesetz übernommenen Art 6: Danach haben die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren für die Ausführungsphase des Bauwerks die Anwendung der allgemeinen Grundsätze für die Verhütung von Gefahren und für die Sicherheit (Buchstabe a) sowie die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen zu koordinieren und dabei darauf zu achten, dass die Arbeitgeber die in Art 8 genannten Grundsätze in schlüssiger Weise und den gemäß Art 5 Buchstabe b vorgesehenen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan - so weit erforderlich - anwenden (Buchstabe b erster und zweiter Gedankenstrich). Gemäß Art 8 der Richtlinie werden bei Ausführung des Bauwerks die in Art 6 der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie 89/391/EWG genannten Grundsätze angewendet, insbesondere in Bezug auf die Instandhaltung, die Kontrolle vor Inbetriebnahme und die regelmäßige Kontrolle der Anlagen und Einrichtungen, um Mängel, die die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen können, auszuschalten (Buchstabe d). Art 6 Abs 2 der genannten Arbeitsschutzrahmenrichtlinie wurde im Wesentlichen durch § 7 ASchG für den österreichischen Rechtsbereich umgesetzt. Diese Bestimmung regelt unter anderem die Pflicht des Arbeitgebers bei Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln, zu denen auch Gerüste zählen (§ 2 Abs 5 ASchG), Risken zu vermeiden, Gefahren an der Quelle zu bekämpfen, den Stand der Technik zu berücksichtigen, Gefahrenmomente auszuschalten oder zu verringern und geeignete Anweisungen an die Arbeitnehmer zu erteilen.

Wie bereits dargestellt, hat nach der österreichischen Gesetzeslage (§ 5 Abs 2 Z 2 BauKG) der Baustellenkoordinator darauf zu achten, dass die Arbeitgeber die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anwenden. Schon allein diese Bestimmung legt ebenso wie jene des § 5 Abs 2 Z 1 BauKG über die Überwachung der Anwendung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans durch die Arbeitgeber einen über die Fürsorgepflicht des Bauherrn und auch eine bloße Koordinationstätigkeit weit hinausgehenden Pflichtenkreis fest. Dieser Erkenntnis zufolge, kann die im § 5 Abs 4 BauKG normierte Pflicht, die Beseitigung bei Besichtigungen festgestellter Missstände zu verlangen, nicht auf bloße Zufallsbefunde reduziert werden. Wenngleich im Allgemeinen die ständige Anwesenheit auf der Baustelle nicht zu fordern sein wird, müssen die Intervalle der Baustellenbesuche doch innerhalb eines Zeitmaßes liegen, das eine je nach Beschaffenheit der Baustelle und Art und Intensität der dort ausgeübten Tätigkeiten effektive Gefahrenverhütung ermöglicht. Es hieße die Sorgfaltspflicht des Baustellenkoordinators zweifellos überspannen, wollte man von ihm rigoros die Überprüfung der Einhaltung bereits erteilten Sicherheitsanweisungen durch den einzelnen Arbeitnehmer im täglichen Arbeitsablauf, wie etwa das Tragen von Schutzhelmen, verlangen; solche Überwachungsagenden fallen eher in den Aufgabenbereich der Sicherheitsvertrauenspersonen (§ 10 ASchG). Aufgabe des Baustellenkoordinators ist es vielmehr, auf Veränderungen auf der Baustelle selbst oder bei den Baustelleneinrichtungen zu reagieren, damit sichergestellt ist, dass auch bei einer wesentlichen Änderung der Arbeitsabläufe oder der Änderung oder Neuerstellung von Baustelleneinrichtungen (wie hier: von Gerüsten) die relevanten ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften eingehalten werden. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ein Überprüfungsintervall von rund 14 Tagen zu lang ist, weil innerhalb eines derartigen Zeitraumes jedenfalls mit nicht bloß unwesentlichen Veränderungen auf der Baustelle gerechnet werden muss. Jeder in einem kürzeren Abstand durchgeführte Baustellenbesuch hätte aber den Zweitbeklagten dazu veranlasst, das trotz einer Auskragung der Ausleger von mehr als 1,50 m entgegen § 69 Abs 5 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) ohne statische Berechnung errichtete und in Betrieb genommene Ausschussgerüst als Missstand gemäß § 5 Abs 4 BauKG zu beanstanden. Der Beweis, dass es dennoch zum Unfall gekommen wäre, konnte von den Beklagten nicht erbracht werden. Den Ausführungen der Revision zu möglichen früheren oder späteren Einsturzzeitpunkten des Gerüsts ist zu erwidern, dass den Beklagten die grundsätzlich zu langen Abstände der einzelnen Baustellenbesichtigungen zum Vorwurf gemacht werden, und dass nach den hier ausschließlich zu beurteilenden konkreten Umständen des Falls ein früherer Überprüfungstermin den Unfall hätte verhindern können.

Zu dem in der Revision weiterhin aufrecht erhaltenen Mitverschuldenseinwand ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen, dem Kläger wäre eine zielführende Kontrolle des Gerüsts vor dessen Betreten in Wahrheit gar nicht möglich gewesen.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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