Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die am 2.April 1945 geborene Wahlmutter ist österreichische Staatsangehörige und seit 10.Februar 1964 aufrecht verheiratet. Der Ehe entstammen vier volljährige Kinder, die ebenso wie der Gatte der Wahlmutter schriftlich ihr Einverständnis zur Adoption des Wahlkindes durch ihre Mutter abgaben. Das Wahlkind wurde am 27.Juli 1965 in Karbala im Iran geboren, seine leiblichen Eltern sind bereits verstorben. Das als Konventionsflüchtling anerkannte, ledige Wahlkind wohnt seit 3.Dezember 1990 in Österreich und seit Mai 1992 bei der Wahlmutter und arbeitet im Betrieb von deren Ehegatten als Lackierer. Zwischen den Vertragsteilen besteht ein sehr familiäres Verhältnis; die Wahlmutter ist die Taufpatin des Wahlkindes. Abgesehen von der Familie der Wahlmutter hat das Wahlkind in Österreich keine weiteren Bezugspersonen. Die Wahlmutter empfindet für das Wahlkind Mutterliebe, ihr liegt viel an seinem Wohlergehen. Sie möchte dem Wahlkind die Geborgenheit in einer Familie bieten und erachtet eine Bewilligung der Annahme an Kindesstatt auch deswegen als dringend erforderlich, weil diese die Voraussetzung für die Anmeldung des Wahlkindes zu einem dreijährigen Schulbesuch bilden würde.
Die Vorinstanzen versagten dem am 22.Jänner 1996 schriftlich abgeschlossenen Wahlkindschaftsvertrag der Antragsteller die Bewilligung, weil Ehegatten in der Regel nur gemeinsam ein Wahlkind adoptieren könnten. Im Sinn des § 179 Abs 2 ABGB relevante Ausnahmen lägen nicht vor. Im vorliegenden Fall habe die Wahlmutter erklärt, daß ihr Ehegatte das Wahlkind nicht adoptieren wolle, weil er in diesem nicht einen Sohn, sondern bloß einen guten Freund sehe. Dieser Umstand könne aber nicht als objektives Hindernis gewertet werden, das ein der in § 179 Abs 2 ABGB erwähnten Gründen ähnlich sei. Auf die subjektiven Bedürfnisse der Vertragsparteien stelle § 179 Abs 2 ABGB nicht ab. Würde die Bestimmung auch die Adoption durch einen Ehegatten zulassen, wenn der andere Ehegatte das Wahlkind (bloß) nicht adoptieren wolle, laufe dies der generellen Anordnung zuwider, daß Ehegatten in der Regel ein Wahlkind nur gemeinsam annehmen dürften. Hätte der Gesetzgeber gewollt, auf die subjektiven Bedürfnisse der Vertragsparteien und nicht auf objektive Hindernisse abzustellen, hätte er auch uneingeschränkt die Kindesannahme durch nur einen Ehegatten als zulässig erklären können.
Der vom Rekursgericht zugelassene, zufolge Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitige, ordentliche Revisionsrekurs der beiden antragstellenden Vertragsparteien ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurslegitimation der Antragsteller, denen die Adoptionsbewilligung versagt wurde, ist gegeben (EvBl 1995/34 mwN).
Nach der zwingenden Bestimmung des § 26 Abs 1 erster Satz IPRG ist österreichisches Recht anzuwenden, weil die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen ist, die Wahlmutter Österreicherin ist und die Bestimmung auch für die Erwachsenenadoption gilt (Schwimann in Rummel 2, § 26 IPRG Rz 1). § 26 Abs 1 zweiter Satz ABGB ist hier unanwendbar, weil das im Iran geborene Wahlkind schon großjährig ist und sich sein Personalstatut als Flüchtling mit Wohnsitz in Österreich nach österreichischem Recht richtet (§ 9 Abs 2 IPRG). Auf Fragen iranischen Adoptionsrechts (vgl dazu Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, 14a, 36g f) muß demnach nicht eingegangen werden.
Die Adoption kommt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind zustande und bedarf der gerichtlichen Bewilligung (§ 179a ABGB). Gemäß § 179 Abs 2 ABGB idF Art I Z 1 des Bundesgesetzes vom 17.Februar 1960 über die Neuordnung des Rechtes der Annahme an Kindesstatt, BGBl 1960/58, ist die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn „ähnliche und besonders wichtige Gründe“ die Annahme durch einen der Ehegatten rechtfertigen. Nach den EB (RV 107 BlgNR 9.GP, 14) ist durch diese Bestimmung der Grundsatz aufgestellt, daß verheiratete Personen in der Regel nur gemeinsam mit ihrem Ehegatten ein Kind annehmen sollen. Dafür sei die Erwägung maßgebend, daß eine ordentliche Erziehung in der Familie im allgemeinen nur dann gewährleistet sei, wenn sich beide Ehegatten dem Wahlkind durch das rechtliche Band der Annahme verbunden fühlten. Von dieser sich aus dem Grundsatz der möglichsten Nachbildung einer natürlichen Familie ergebenden Regel müßten aber in begründeten Fällen Ausnahmen zugelassen werden. Der Entwurf führe einige Fälle an, in denen nach Auffassung des BMJ Ausnahmen begründet seien. Eine erschöpfende Aufzählung würde der Vielfalt des Lebens nicht gerecht. Ein Ermessensmißbrauch sei trotz der beispielhaften Aufzählung nicht zu befürchten, weil die anzuerkennenden Ausnahmen den aufgezählten Fällen ähnlich und durch besonders gewichtige Gründe gerechtfertigt sein müßten. Die gemeinschaftliche Adoption soll somit den Regeltatbestand bilden, weil Kinder möglichst in einer vollständigen Familie aufwachsen sollen. Von den ausdrücklich, wenngleich nur demonstrativ aufgezählten (SZ 56/175; EFSlg 48.467; Schlemmer in Schwimann, § 179 ABGB Rz 7) Ausnahmen kommt hier keine in Frage. § 179 Abs 2 letzter Satz ABGB betrifft als eine Generalklausel die Adoption durch nur einen Ehegatten aus ähnlichen und besonders wichtigen Gründen (SZ 56/175; Pichler in Rummel 2, § 179 ABGB Rz 5; Schlemmer aaO § 179 ABGB Rz 7). Das Gesetz läßt somit in Fällen, in denen eine exakte und ausdrückliche Regelung der erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegt, eine Ausnahme von der aufgestellten Regel, daß Ehegatten nur gemeinsam adoptieren dürfen, zu, sofern freilich die Gründe ähnlich und besonders wichtig sind. So mag ein eingeleitetes Scheidungs-, Aufhebungs- oder Ehenichtigkeitsverfahren unter die Generalklausel fallen (so Schlemmer aaO § 179 ABGB Rz 7 mwN). Allen aufgezählten Fällen sind jedenfalls rein objektive Gründe dergestalt gemeinsam, daß entweder der zweite Ehegatte nicht annehmen kann oder die eheliche Gemeinschaft schon - einerlei ob einverständlich oder einseitig (SZ 45/104 = EvBl 1973/75 = RZ 1973/32) - eine gewisse Zeit aufgelöst ist und schon deshalb eine „Nachbildung einer natürlichen Familie“ nicht mehr in Frage kommt. Dabei wird im Gesetz - anders als nach deutschem Recht (§§ 1741 ff, §§ 1767 ff BGB) - zwischen voll- und minderjährigen Wahlkindern nicht unterschieden.
Im vorliegenden Fall wurden solche objektiven Gründe, die den in § 179 Abs 2 ABGB genannten ähneln und ausreichend wichtig sind, um eine Dispens vom Erfordernis der Adoption durch beide Ehepartner zu rechtfertigen, indes nicht einmal behauptet. Das gilt sowohl für den von den beiden Antragstellern im Verfahren erster Instanz genannten Grund, daß der Gatte der Wahlmutter im Wahlkind keinen Sohn, sondern nur einen guten Freund sehe, wie für die im Rekurs behaupteten Gründe, der Gatte der Wahlmutter betreibe eine Kfz-Reparaturwerkstätte und Autolackiererei, wolle diesen Betrieb seinen leiblichen Kindern erhalten und das Wahlkind sowohl von sämtlichen Haftungen, die sich aus der Führung des Betriebs ergeben und die im Erbweg auf die Kinder übergehen würden, als auch von allfälligen Unterhaltsleistungen nach § 143 ABGB befreit wissen. Das sind ausschließlich subjektive Gründe, warum einer der beiden Ehegatten die Adoption ablehnt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß die von § 180a Abs 1 erster Satz ABGB verlangte, dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung als wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit jeder Adoption weder besteht noch hergestellt werden soll, auch wenn bei der Erwachsenenadoption dieses Erfordernis nicht überbetont werden darf und ihm eine nähere persönliche Beziehung entspricht (3 Ob 509/91 = EFSlg 66.142/4 mwN zu den unterschiedlichen Auffassungen in der Lehre; RIS-Justiz RS0048766; vgl auch Schlemmer aaO § 180a ABGB Rz 2 mwN).
Die relevierten Gründe sind daher - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten - den im § 179 Abs 2 ABGB aufgezählten Fällen nicht ausreichend ähnlich. Durch die Ausnahmen soll Ehegatten nicht ermöglicht werden, das rechtliche Band der Kindesannahme aus vermögensrechtlichen Gründen auf bloß einen Ehegatten zu beschränken, würde doch damit dem Bestreben des Gesetzgebers widersprochen, auch bei einer Adoption unter Erwachsenen möglichst weitgehend die rechtlichen - einschließlich der erb- und unterhaltsrechtlichen - Beziehungen zwischen Eltern und auch volljährigen Kindern, die in einer natürlichen Familie herrschen, nachzubilden.
Dem Revisionsrekurs ist demnach nicht Folge zu geben.
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