Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner Dipl.-Ing. Franz S***** hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin brachte als Vermieterin am 19. 8. 2008 eine gerichtliche Aufkündigung eines Mietvertrags über eine Wohnung ein, die gegen den nach ihren Behauptungen abwesenden Mieter gerichtet war. Gleichzeitig beantragte sie die Bestellung eines Abwesenheitskurators „gemäß § 276 ABGB" (richtig: § 270 ABGB) und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Mieter halte sich nach ihrer Information an einem nicht näher bekannten Ort in Spanien auf. In dringlichen Fällen sei die mangelnde rechtzeitige Erreichbarkeit einer Abwesenheit gleichzuhalten. Führe ein Empfänger beharrlich einen Zustand herbei, der eine Zustellung in vertretbarer Zeit verhindere und daher dem unbekannten Aufenthalt gleichzusetzen sei, sei eine Kuratorbestellung für den Unredlichen der einzige adäquate Weg zur Behebung eines prozessualen Stillstands.
Das Erstgericht bestellte - nach erfolglosen Anfragen beim Zentralen Melderegister und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger - einen Rechtsanwalt zum Abwesenheitskurator gemäß § 270 ABGB, der ermächtigt wurde, den Abwesenden auf dessen Gefahr und Kosten zu vertreten, bis er sich bei diesem Gericht oder bei dem Kurator meldet. Nach der Aktenlage wurde die gerichtliche Aufkündigung dem Kurator so rechtzeitig zugestellt, dass - wenn man von dessen Vertretungsmacht ausgeht - die von der Antragstellerin angegebene einmonatige Kündigungsfrist zum Kündigungstermin (31. 10. 2008) eingehalten wurde.
Mehr als fünf Monate nach Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung an den Kurator erhob der - durch frei gewählte Rechtsanwälte vertretene (vermeintlich) Abwesende Rekurs gegen die Kuratorbestellung. Er machte im Wesentlichen geltend, er sei nie unbekannten oder unerreichbaren Aufenthalts gewesen. Der Antragstellerin sei seine Anschrift in Spanien aufgrund eines ihr vorliegenden Meldezettels bekannt gewesen. Dennoch habe sie eine Zustellung an diese Adresse nicht beantragt. Die Bestellung eines Abwesenheitskurators und die Zustellung an ihn wären gemäß den §§ 116 ff ZPO nur zulässig gewesen, wenn sein Aufenthalt tatsächlich unbekannt gewesen wäre.
Aus dem beigeschafften Akt des Bezirksgerichts Döbling zum Aufkündigungsverfahren (4 C 719/08x) ergibt sich, dass die gerichtliche Aufkündigung dem bestellten Abwesenheitskurator am 23. 9. 2008 zugestellt wurde. Dieser erhob dagegen keine Einwendungen, worauf am 27. 10. 2008 die Rechtskraft bestätigt wurde. Mit Eingabe vom 2. 2. 2009 beantragte der Kündigungsgegner - vertreten durch frei gewählte Anwälte - die Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung sowie die „Aufhebung der Vollstreckbarkeit", also der Bestätigung der Rechtswirksamkeit der gerichtlichen Aufkündigung. Er brachte im Wesentlichen vor, sein Aufenthaltsort sei der kündigenden Partei nachweislich nicht unbekannt gewesen, weshalb die Zustellung an einen Kurator unwirksam sei. Am 24. 2. 2009 erhob er Einwendungen gegen die Aufkündigung. Darüber wurde am 3. 3. 2009 verhandelt. Nachdem das Gericht erörtert hatte, dass für die Klärung der Rechtzeitigkeit der Einwendungen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Bestellung des Abwesenheitskurators präjudiziell sei, wurde das Verfahren (rechtskräftig) bis zur Rechtskraft der „Entscheidung im Verfahren 1 P 54/08b" unterbrochen.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass der Antrag auf Bestellung eines Abwesenheitskurators „gemäß § 276 ABGB" abgewiesen wurde; der ordentliche Revisionsrekurs wurde letztlich zugelassen. Das Erstgericht habe die Kuratorbestellung damit begründet, dass gegen den (vermeintlich) Abwesenden ein Räumungsverfahren anhängig sei und der Aufenthaltsort des Mieters seit Verfahrenseinleitung nicht habe ermittelt werden können. Das Pflegschaftsgericht habe im außerstreitigen Verfahren einen Abwesenheitskurator nach § 270 ABGB nur noch dann zu bestellen, wenn nicht in anderer Weise, etwa durch die Bestellung eines Kurators zu einem bestimmten gerichtlichen Verfahren durch das dort zur Entscheidung berufene Gericht, für die Wahrung der Rechte des Abwesenden Sorge getragen werden könne. Voraussetzung für eine Kuratorbestellung nach § 270 ABGB wäre also vor allem, dass von vornherein feststehe, dass über den konkret zu führenden (oder bereits anhängigen) Prozess hinaus weitere Angelegenheiten durch den Kurator zu besorgen sein würden. Hier ziele der Antrag lediglich darauf ab, dem Abwesenden in einem bestimmten Gerichtsverfahren zustellen zu können. Dafür stünde dem Antragsteller im Zivilprozess das Rechtsinstitut des Zustellkurators gemäß § 116 ZPO zur Verfügung. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Rechtsfrage erhebliche Bedeutung zukomme, ob die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO etwa deshalb nicht ausreichen könnte, weil eine gerichtliche Aufkündigung nicht nur prozessuale, sondern auch materielle Wirkungen auslöst.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Auch im Außerstreitverfahren ist ein Rechtsmittel stets nur zulässig, wenn der Rechtsmittelwerber durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, über Rechtsfragen abzusprechen, die für das konkrete Verfahren keine praktische Bedeutung (mehr) haben. Das Fehlen der Beschwer ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten und führt zur Zurückweisung des Rechtsmittels, wenn die Beschwer zum Zeitpunkt der Erhebung des Rekurses - oder der Entscheidung darüber - nicht mehr gegeben ist (vgl dazu nur Fucik/Kloiber, Außerstreitgesetz § 45 Rz 5).
Im vorliegenden Verfahren hat das Erstgericht einen Abwesenheitskurator bestellt und diesen ermächtigt, den Abwesenden auf dessen Gefahr und Kosten zu vertreten, bis er sich bei diesem Gericht oder bei dem Kurator meldet. Diese Bedingung ist nun durch das Einlangen des Schriftsatzes der Rechtsvertreter des (vermeintlich) Abwesenden am 2. 2. 2009 eingetreten, in dem der Vertretene seine aktuelle Anschrift bekannt gegeben und zum Ausdruck gebracht hat, sich nun selbst an Verfahren, die seine Rechtssphäre betreffen, beteiligen zu wollen.
Tritt nun jene Person, für die - zu Recht oder zu Unrecht - ein Abwesenheitskurator bestellt wurde, selbst oder durch frei gewählte Vertreter bei Gericht auf, ist klar, dass die (weitere) Vertretung durch den Abwesenheitskurator jedenfalls nicht mehr erforderlich ist, weil sie ihre Rechte und Interessen nun selbst wahrnehmen kann. Die Frage, ob die seinerzeitige Bestellung eines Abwesenheitskurators zu Recht erfolgt ist, hat für das (Abwesenheits-)Pflegschaftsverfahren keine Bedeutung mehr. Insbesondere ist Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Frage, inwieweit Vertretungshandlungen des bestellten Abwesenheitskurators in anderen gerichtlichen Verfahren rechtswirksam waren. Dies ist vielmehr im betreffenden Verfahren - hier im Aufkündigungsverfahren - selbst zu prüfen.
Im vorliegenden Verfahren ist klar, dass eine Wiederherstellung des Bestellungsbeschlusses des Erstgerichts schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil dieses keine ausreichenden Erhebungen zur behaupteten Abwesenheit angestellt hat (vgl nur die Nachweise in Tades/Hopf/Kathrein/Stabentheiner, ABGB37 I E 14a und 14b zu § 270 ABGB, sowie bei Gitschthaler in Rechberger³ § 115 ZPO Rz 3 f). Angesichts der Behauptungen der Antragstellerin hätte jedenfalls versucht werden müssen, Erkundigungen bei jenem Rechtsanwalt - dem nunmehrigen Vertreter des angeblich Abwesenden - einzuholen, der nach den Antragsangaben die Auskunft erteilt hat, die betreffende Person halte sich weiterhin in Spanien auf. Käme es nun aus diesem Grund zu einer Aufhebung des Bestellungsbeschlusses, müsste das Erstgericht den Antrag auf Kuratorbestellung im zweiten Rechtsgang schon deshalb abweisen, weil zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt jedenfalls keine Abwesenheit vorliegt. Die Frage, ob die seinerzeitige Bestellung materiell richtig und der Gekündigte somit im Aufkündigungsverfahren ordnungsgemäß vertreten war, würde nicht geklärt werden.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den rekursgerichtlichen Beschluss, mit dem ihr Antrag abgewiesen wurde, ist daher mangels Beschwer zurückzuweisen, da es für das Pflegschaftsverfahren ohne Bedeutung ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Abwesenheitskurators gegeben waren, nachdem nun die Person, in deren Interesse der Kurator bestellt wurde, selbst aufgetreten ist, womit kein (weiterer) Bedarf nach einer Vertretung durch einen Kurator besteht.
Der Revisionsrekursgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen, weil er darin auf die Unzulässigkeit des Rekurses wegen Fehlens der Beschwer nicht hingewiesen hat. Sein Schriftsatz stellt sich somit nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgungs- bzw Rechtsverteidigungsmaßnahme dar. Die darüber hinaus verzeichneten Rekurskosten hätten bereits im Rekurs verzeichnet werden müssen (§ 78 Abs 4 AußStrG iVm § 54 Abs 1 ZPO).
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