European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00022.20X.0226.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
Das Rekursgericht begründete seinen Zulässigkeitsausspruch damit, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wirtschaftsprüfer wegen Schäden, die durch einen sorgfaltswidrig erteilten Bestätigungsvermerk verursacht worden seien, gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 aus dem Rechtsgrund des deliktischen Schadenersatzes in einem anderen Mitgliedstaat als in seinem Wohnsitzstaat verklagt werden könne.
Der in Deutschland berufstätige Beklagte verfasste in seiner Funktion als Wirtschaftsprüfer Berichte über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der in München ansässigen P*****‑GmbH. Zuletzt erteilte er am 5. 7. 2016 zum 31. 12. 2014 einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Österreich und schloss mit der genannten GmbH am 29. 12. 2016 einen „Kauf‑ und Verwaltungsvertrag“, mit dem er zehn Container um insgesamt 13.700 EUR kaufte und die Verkäuferin gleichzeitig mit der Verwaltung dieser Container betraute. Die Verkäuferin garantierte ihm für die Dauer von fünf Jahren einen bestimmten Tagesmietsatz pro Container, was laut dem Vertrag eine Rendite von 10,10 % des Kaufpreises pro Jahr ergeben sollte. Nach den Behauptungen des Klägers schloss er diesen Vertrag über Vermittlung einer österreichischen Vertriebsgesellschaft in Wien ab und überwies den Kaufpreis von seinem bei einer österreichischen Bank geführten Konto.
Mit Beschluss vom 24. 7. 2018 eröffnete das Amtsgericht München über das Vermögen der genannten GmbH und anderer gleichartiger P*****gesellschaften das Insolvenzverfahren.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der internationalen Unzuständigkeit des Beklagten und bejahte seine internationale Zuständigkeit. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurückwies. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die Auslegung von Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Orts geklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
2. Grundsätzlich kann der Geschädigte seine Ansprüche alternativ am Handlungs‑ oder Erfolgsort geltend machen (RIS‑Justiz RS0115357 [T19], RS0109078 [T27]). Der Oberste Gerichtshof hat unter Hinweis auf Urteile des EuGH ( Löber , C‑304/17, ECLI:EU:C:2018:701; Universal Music International Holding , C‑12/15, ECLI:EU:C:2016:449; Kolassa , C‑375/13, ECLI:EU:C:2015:37) bereits ausgesprochen, dass die Gerichte am Wohnsitz des Anlegers dann für auf deliktische Ansprüche gestützte Klagen zuständig sind, wenn die anlage‑ und schadenstypisch beteiligten Konten bei Banken in Österreich gehalten wurden und darüber hinaus auch die sonst vorliegenden Umstände (insbesondere zB Erwerb in Österreich, Eingehen der Verpflichtung aufgrund von notifizierten Prospektangaben) zur Zuweisung an österreichische Gerichte anstelle der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten beitragen (eingehend zum inhaltsgleichen Art 5 Z 3 LGVÜ 2007 5 Ob 240/18g [Punkt 5.8.4] mwN: Gerichtsstand bei Anlegerschaden wegen unrichtiger Prüfberichte eines Schweizer Notars).
3. Der Revisionsrekurswerber geht ebenso wie das Rekursgericht davon aus, dass sich zur Bejahung der internationalen Zuständigkeit die in besonderer anlage‑ und schadenstypischer Weise mit dem Geschäftsvorgang oder Schadensfall verknüpften schädigenden Vermögensdispositionen im Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte ereignen und auch sonstige spezifische Gegebenheiten der Situation vorliegen müssen, die nicht zum (Wohn‑)Sitz des Beklagten, sondern in den Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte weisen.
Das Rekursgericht legte die Behauptungen des Klägers zugrunde, dass er den Vertrag mit der deutschen GmbH in Wien abgeschlossen und den Kaufpreis für die Container von einem bei einer österreichischen Bank geführten Konto (auf deutsche Geschäftskonten) überwiesen habe. Darüber hinaus lägen aber keine „spezifischen Gegebenheiten“ vor, die einen Bezug zu Österreich aufweisen. Der Beklagte habe bei Verfassung des Bestätigungsvermerks ausschließlich die einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften zu beachten gehabt und die Veröffentlichung dieses Bestätigungsvermerks habe gemäß § 325 Abs 1 dHGB nur im Bundesanzeiger, einem in Deutschland elektronisch geführten Publikationsorgan, erfolgen müssen. Der Kläger bringe nicht vor, dass er den Bestätigungsvermerk jemals gelesen und als Entscheidungsgrundlage genützt habe. Die gebrauchten Seefrachtcontainer, in die der Kläger investiert habe, hätten sich niemals in Österreich befunden, sondern wären im Seehandel zum Einsatz gekommen. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts könne mangels der vom EuGH geforderten „spezifischen Gegebenheiten“ nicht aus Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 abgeleitet werden.
Ob solche „spezifischen Gegebenheiten“ in ausreichender Weise und mit entsprechendem Gewicht vorliegen, ist eine Frage der konkreten Einzelfallbeurteilung, die sich im Regelfall einer Einstufung als im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage entzieht. Der Revisionsrekurswerber vermag auch keine erhebliche Rechtsfrage in dem Sinn aufzuzeigen, dass das Rekursgericht den bestehenden Spielraum für die Beurteilung, ob ausreichende nach Österreich weisende Anknüpfungspunkte vorliegen, in korrekturberechtigter Weise überschritten hätte. Wenn er damit argumentiert, der Beklagte habe auch die Mietauszahlungen an die Anleger der deutschen P*****‑Gesellschaften geprüft und daher wissen müssen, dass es Anleger auch in anderen Staaten wie Österreich gebe und seine „Prüftätigkeit“ auch zur Anwerbung von potentiellen Anlegern in Österreich verwendet werden könne, ist ihm entgegenzuhalten, dass es keinen Bedenken begegnet, daraus die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche des Klägers nicht abzuleiten, zumal er im Verfahren erster Instanz zur internationalen Zuständigkeit lediglich ganz abstrakt behauptete, der Beklagte habe wissen müssen, dass die geprüften Gesellschaften „europaweit, somit auch in Österreich“ tätig würden bzw er habe damit rechnen müssen, dass die Gesellschaft auch Anleger habe, die anderen Jurisdiktionen unterliegen. Dass der Kläger die Veranlagung über Vermittlung einer von der deutschen Verkäuferin in Österreich ständig betrauten Vertriebsgesellschaft erworben habe, ist kein weiteres dem Beklagten zurechenbares Kriterium; dass der Beklagte von dieser Tätigkeit Kenntnis gehabt hätte, wird im Revisionsrekurs nicht mehr behauptet. Die Verneinung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts durch das Rekursgericht erscheint daher vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs zum Erfordernis zusätzlicher inländischer Anknüpfungspunkte im konkreten Einzelfall nicht korrekturbedürftig.
4. Dem „in eventu“ erhobenen „Kostenrekurs“ steht § 528 Abs 2 Z 3 ZPO entgegen, der einen Revisionsrekurs gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt ausschließt. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet daher in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (RS0044233; vgl RS0053407).
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 40 und § 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des Revisionsrekurses in der Hauptsache nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher insofern als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig anzusehen.
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