OGH 1Ob220/13d

OGH1Ob220/13d19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L***** E*****, J***** E*****, E***** E***** und A***** E*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters H***** E*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 30. September 2013, GZ 1 R 180/13h‑143, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Weyer vom 14. Mai 2013, GZ Ps 49/09a‑139, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00220.13D.1219.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 180 Abs 1 Z 2 ABGB in der hier maßgeblichen Fassung des KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, hat das Gericht ‑ sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht ‑ eine Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung unter anderem in dem Fall anzuordnen, in dem ein Elternteil (hier der Vater) gegen den Willen des anderen (hier der allein obsorgeberechtigten Mutter) seine Beteiligung an der Obsorge anstrebt. Ob das Wohl des Kindes dies erfordert, ist eine Frage des Einzelfalls, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründet (6 Ob 74/13w mwN). Eine zu korrigierende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt aber im konkreten Fall nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Rechtslage nach dem KindNamRÄG 2013 bereits ausgesprochen, dass eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern ein gewisses Mindestmaß an Kooperations‑ und Kommunikationsfähigkeit beider voraussetzt. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Beschluss zu fassen. Es ist also eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (RIS‑Justiz RS0128812).

Der Vater stellte im Jahr 2012 den Antrag, der Mutter die alleinige Obsorge für die drei jüngeren Kinder zu entziehen und sie an ihn zu übertragen. Er erklärte sich auch mit einer gemeinsamen Obsorge bereit, sofern die drei jüngeren Kinder den überwiegenden Aufenthalt bei ihm hätten. Dieser Obsorgerechtsstreit wurde erst im Oktober 2012 mit negativem Ausgang für den Vater rechtskräftig beendet. Im Februar 2013 beantragte der Vater mit dem Hinweis auf die Änderung der Gesetzeslage durch das KindNamRÄG 2013 die gemeinsame Obsorge für alle vier Kinder. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Eltern in Angelegenheiten ihrer Kinder aber noch immer keinerlei Gesprächsbasis. Größtes Streitpotential ist ihr Aufenthalt bei der allein obsorgeberechtigten Mutter, weil der Vater gegen deren Willen mit seinem Antrag auf Zuteilung der gemeinsamen Obsorge die Verlegung des Aufenthalts der drei jüngeren Kinder erreichen möchte. Die Auseinandersetzungen zwischen den Eltern haben bereits zu einer massiven Verunsicherung der Kinder geführt. Warum in diesem Fall die Begründung der gemeinsamen Obsorge und der Aufenthaltswechsel der drei jüngeren Geschwister dem Wohl der Kinder dienen sollte, kann der Vater in seinem Revisionsrekurs nicht aufzeigen. Betont er den ihm und seinen Kindern durch die EMRK sowie die EU‑Grundrechte‑Charta eingeräumten Anspruch auf regelmäßigen Kontakt zu beiden Eltern, ist ihm zu entgegnen, dass er in seinem Antrag auf Änderung der Obsorge ohnehin von einem aufrechten Kontakt zu den drei jüngeren Kindern, die sich auch gerne bei ihm aufhielten, ausging.

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