Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und Punkt 1.) des zweitinstanzlichen Beschlusses wie folgt abgeändert:
Die Vertretungsbefugnis des Magistrats der Stadt Wien als gesetzlicher Unterhaltssachwalter des Minderjährigen ist erloschen.
Soweit sich der Revisionsrekurs gegen Punkt 2.) der Rekursentscheidung richtet, wird er zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die ehelichen Eltern des Minderjährigen leben getrennt. Der Minderjährige und sein Vater sind indische Staatsangehörige, die Mutter stammt zwar gleichfalls aus Indien, ist jedoch österr. Staatsbürgerin. Die Familie lebte zunächst in Österreich. Die Mutter erteilte am 23. September 1996 niederschriftlich ihre Zustimmung zur Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 212 Abs 2 ABGB. Am 4. November 1996 verpflichtete sich der Vater vor dem Magistrat der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie - Bezirke 13, 14, in der Folge nur AJF 13/14) zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 3.100 S ab 1. Juli 1996. Ein zwischen den Eltern über Antrag der Mutter anhängiges Obsorgeverfahren endete durch Antragsrückziehung am 23. Oktober 1997. Der derzeitige Aufenthalt von Mutter und Kind ist unbekannt. Die Mutter ist im Frühsommer 1999 laut eigenen Angaben ihrem Dienstgeber gegenüber nach Indien auf Urlaub gefahren und hat sich seither nicht mehr gemeldet. Der Dienstgeber hat ihre Dienstwohnung mittlerweile "geräumt und sie gekündigt". Eine vom Gericht eingeholte Auskunft über Versicherungsträger und Dienstgeber der Mutter in Österreich vom 29. August 2000 erbrachte keine Meldung. Die seit 3. Juli 1998 an einer Wohnanschrift in Wien-Hietzing. gemeldete Mutter ist seit 28. Jänner 2000 mit dem Vermerk "verzogen nach Indien" abgemeldet. Der Minderjährige ist in Österreich nicht in einer Schulmatrik gemeldet. Dass er verstorben ist, kann nicht festgestellt werden. Der Vater hat keinerlei Anhaltspunkte für einen Aufenthalt von Mutter und Kind, nimmt aber an, dass sie im indischen Bundesstaat Kerala leben.
Das Erstgericht erhöhte über Antrag des zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber dem Minderjährigen mit Beschluss vom 13. März 2000 ON 44 ab 1. Oktober 1999 auf monatlich 4.400 S. Der Unterhalt des Kindes wurde bis 15. November 2000 auf ein Anderkonto des Magistrats der Stadt Wien überwiesen und von dort auf ein Konto der Mutter bei einer näher genannten Bank weitergeleitet. "Von dort kamen keine Beträge zurück, und es hat sich kein Betrag angespart." Das AJF 12/13 beschloss, ab diesem Tag bis zur Entscheidung über den "Depotantrag ON 49" eine "Kontoverwahrung des Unterhalts" vorzunehmen, ohne die Gelder an die Mutter weiterzuleiten. Mit Beschluss vom 17. Jänner 2001 hat das Rekursgericht in Abänderung eines erstinstanzlichen Beschlusses die weitere inländische Gerichtsbarkeit (§ 110 JN) unter Hinweis auf die perpetuatio fori bejaht.
Die Erstrichterin hat nun mit Punkt 3.) ihrer Entscheidung das AJF 12/13 (gemeint: den Magistrat der Stadt Wien) ersucht, über die weitere Auszahlung oder Veranlagung der Gelder des Minderjährigen zu berichten, und im Übrigen folgende Antrage abgewiesen: 1.) des AJF 12/13 (gemeint: des Magistrats der Stadt Wien) auf "Enthebung vom Sachwalter" gemäß § 212 Abs 5 ABGB; 2.) des Vaters a) auf Herabsetzung der ihm auferlegten Unterhaltsbeträge auf 500 S bzw nicht mehr als 2.500 S seit 1998, b) auf Aussetzung der Unterhaltsverpflichtung bis zur Klärung des Verbleibs des unterhaltsberechtigten Kindes, c) auf Anweisung an das AJF 12/13, lediglich einen Unterhalt von 500 S an die Mutter zu überweisen, sowie darüber hinausgehende Unterhaltsbeiträge mündelsicher anzulegen bzw. die gesamten ihm zukommenden Unterhaltsbeträge mündelsicher und verzinst anzulegen und über das Mündelgeld nur mit Zustimmung des Gerichts zu verfügen, d) auf Aufhebung aller gerichtlichen Entscheidungen in dieser Rechtssache seit 1998 als nichtig sowie e) in eventu auf Enthebung des AJF 12/13 als Einhebungskurator.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, es bestehe kein Grund für eine Enthebung des Sachwalters, solange das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs nicht dargetan sei. Der Unterhaltssachwalter habe weder einer Enthebung des Vaters von seiner Unterhaltspflicht noch einer Unterhaltsherabsetzung zugestimmt. Eine Herabsetzung, Aussetzung oder Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung komme derzeit nicht in Frage, weil der Vater eine wesentliche Änderung der Bemessungsgrundlage seit der letzten Unterhaltsfestsetzung nicht behauptet habe und nicht festgestellt werden könne, dass sich die Verhältnisse/Bedürfnisse auf Seiten des Kindes wesentlich geändert hätten. Die Einholung einer Auskunft der indischen Behörden "über einen etwaigen Tod des Kindes" erscheine faktisch undurchführbar. Da der Aufenthalt des Kindes in Indien nicht nachvollziehbar sei, könne auch kein Kaufkraftvergleich angestellt werden. An der Unterhaltsverpflichtung des Vaters ändere auch das Vorgehen der Mutter, die das Recht des Kindes, mit beiden Eltern Kontakt zu pflegen, verletze, grundsätzlich nichts.
Das Rekursgericht hat über Rekurs des Vaters und des Magistrats der Stadt Wien gegen die Punkte 1.) und 3.) des erstgerichtlichen Beschlusses die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber dem Minderjährigen ab 1. August 1999 auf 500 S herabgesetzt, sein Mehrbegehren, den Unterhalt bereits seit 1998 auf diesen Betrag herabzusetzen, hingegen unangefochten abgewiesen und im Übrigen den erstinstanzlichen Beschluss bestätigt.
Das AJF 12/13 (gemeint: der Magistrat der Stadt Wien) sei mit Zustimmung der Mutter Unterhaltssachwalter des Minderjährigen. Mangels Widerrufs dieser Zustimmung sei eine Enthebung als Unterhaltssachwalter gemäß § 212 Abs 5 ABGB daher nur möglich, wenn dieser zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falls nichts mehr beizutragen vermöge. Hievon könne hier keine Rede sein. Gerade das vorliegende Unterhaltsherabsetzungsbegehren zeige, dass der Minderjährige zur Wahrung seiner Rechte einer fachkundigen Vertretung bedürfe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Aufenthalt des Minderjährigen und seiner Mutter (in Indien) unbekannt sei und der Unterhaltssachwalter keine Informationen über die derzeitigen Verhältnisse und Bedürfnisse des Minderjährigen habe. In diesem Fall zähle es jedenfalls zu den Aufgaben des Unterhaltssachwalters, darauf zu achten, ob der Unterhaltsschuldner der ihn auch im amtswegigen Unterhaltsverfahren subsidiär treffenden Behauptungs- und Beweislast zum Nachteil des Kindes entsprechen könne. Ohne Unterhaltssachwalter würde auch nicht überwacht werden, ob der Vater die letztlich festgesetzte Unterhaltsverpflichtung tatsächlich erfülle. Den Unterhaltssachwalter treffe die Verpflichtung, für eine regelmäßige Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Minderjährigen und dafür zu sorgen, dass die Gelder diesen auch tatsächlich zukommen. Sollte der Unterhaltssachwalter dagegen Bedenken haben, wäre er verpflichtet, im Rahmen des Möglichen alles Nötige zu veranlassen. Hier wäre insbesondere in Erwägung zu ziehen, ob es nicht möglich wäre, der Mutter - ohne Verletzung des Bankgeheimnisses - im Wege des Bankkontos eine Aufforderung zukommen zu lassen, den Unterhaltsbedarf des Kindes nachzuweisen, was insbesondere auch im Falle der vorliegenden Unterhaltsherabsetzung mangels Nachweises eines höheren Bedarfs zweckmäßig wäre. Da auch das Pflegschaftsgericht in einem gewissen Rahmen zu überwachen habe, dass Unterhaltsbeträge tatsächlich für den Unterhalt des unterhaltsberechtigten Kindes verwendet werden, bestehen auch gegen das Ersuchen an das AJF 12/13, über die weitere Auszahlung oder Veranlagung der Gelder des Minderjährigen zu berichten, keine Bedenken.
Der Rekurs des Vaters sei hingegen teilweise berechtigt: Die Verhältnisse hätten sich geändert, lägen doch nach stRsp geänderte Verhältnisse auch dann vor, wenn bei der früheren Entscheidung wesentliche Umstände unbekannt gewesen seien oder irrtümlich bzw unwissentlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen worden sei. Hier seien bei Fassung des Unterhaltsbeschlusses vom 13. März 2000 keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Minderjährige nicht in Österreich aufhältig sei. Der erst nach der Fassung des Unterhaltsbeschlusses aktenkundig gewordene unbekannte Aufenthalt des Kindes stellt daher iSd stRsp eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Das Erstgericht hätte auch von einem Aufenthalt des Minderjährigen mit seiner Mutter in Indien ausgehen müssen. Wenngleich der genaue Aufenthalt von Mutter und Kind in Indien nicht bekannt sei, deute doch alles darauf hin, dass sich beide auch derzeit noch irgendwo in Indien aufhielten. Auf Grund der Angabe der Mutter gegenüber ihrem Dienstgeber im Frühsommer 1999, sie fahre auf Urlaub nach Indien, von wo sie nicht mehr zurückgekehrt sei, sei zumindest "mit großer Wahrscheinlichkeit erwiesen", dass der Aufenthalt des Minderjährigen ab diesem Zeitpunkt zumindest zunächst einmal nach Indien verlegt worden sei. Es hieße die subsidiäre Beweislast des Vaters überspannen, würde man ihm unter den gegebenen Umständen die Verpflichtung auferlegen, in allen Ländern der Welt nach seinem Kind zu forschen, um dessen allfälligen geringeren Unterhaltsbedarf konkret beweisen zu können. In einem solchen Fall liege es näher, diese Beweislast dem Kind aufzuerlegen. Gleiches gelte auch für die Höhe dieses Unterhaltsbedarfs. Als gerichtsbekannt könne vorausgesetzt werden, dass die Lebensverhältnisse in Indien deutlich unter jenen in Österreich lägen, sodass es Sache des Kindes wäre, darzutun, derzeit einen 500S übersteigenden Unterhaltsbedarf zu haben.
Der vom Rekursgericht - mit der Begründung, es fehle Rsp zur Beweislastverteilung bei unbekanntem Aufenthalt des Minderjährigen infolge rechtswidrigen Verhaltens der pflege- und erziehungsberechtigten Mutter - zugelassene Revisionsrekurs des Magistrats der Stadt Wien ist teilweise zulässig und berechtigt, im Übrigen jedoch nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
a) Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 212 ABGB idF des KindRÄG 1989 lauten:
...
(2) Für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes ... ist der Jugendwohlfahrtsträger Sachwalter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt.
...
(5) Die Vertretungsbefugnis des Jugendwohl- fahrtsträgers endet, wenn der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, ... oder das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Sachwalter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag.
Die Sachwalterbestellung nach Abs 2 ist rechtsgeschäftliche Teilübertragung der gesetzlichen Vertretung im gewollten Umfang (EvBl 1991/51; SZ 66/115; Schwimann in Schwimann2, § 212 ABGB Rz 4 mwN; Stabentheiner in Rummel2, § 212 ABGB Rz 4 mwN). Die Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers tritt, anders als nach der Rechtslage vor dem KindRÄG 1989, kraft Gesetzes ein; ein Gerichtsbeschluss ist entbehrlich. Es genügt ein schriftliches Ersuchen oder eine schriftliche Zustimmungserklärung des gesetzlichen Vertreters (ZfRV 1991, 310 [Seidl-Hohenveldern] = ÖA 1992, 126 = IPRax 1992, 104; 1 Ob 647/92). Die Neuregelung des § 212 Abs 5 ABGB durch das KindRÄG 1989 erfolgte in Anlehnung an § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG (JAB, BlgNR 17.GP, 9); diese Regelung entspricht inhaltlich auch völlig jener des § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG, sodass die für diese Bestimmung entwickelten Grundsätze auch hier anzuwenden sind (ÖA 1991, 143). Beide Bestimmungen ordnen nicht ausdrücklich an, unter welchen konkreten Voraussetzungen der besondere Sachwalter zu entheben ist, sondern machen dies von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig (ÖA 1991, 143 mwN).
Zwar liegt kein Grund für die Enthebung des Sachwalters nach § 212 Abs 5 ABGB vor, wohl aber ist Folgendes zu beachten:
Der Minderjährige und sein unterhaltspflichtiger Vater sind indische Staatsangehörige, die Mutter ist dagegen jetzt Österreicherin. Im österreichischen Kollisionsrecht ist die Anknüpfung der gesetzlichen Vertretung von Kindern im Unterhaltsverfahren davon abhängig, welche kollisionsrechtliche Rechtsquelle für die Regelung des Unterhaltsanspruchs heranzuziehen ist (Schwimann, Haager Unterhaltsstatutabkommen und gesetzliche Vertretung im Unterhaltsverfahren in ÖA 1977, 109, 110f). Maßgebliche Rechtsquelle dazu ist hier das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen vom 24. Oktober 1956 (UStatÜbk), dem Indien nicht beigetreten ist, wohl aber in Österreich (BGB 1961/293). Gegenstand des UStatÜbk ist die verweisungsrechtliche Frage, nach welchem Recht die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern zu beurteilen ist. Dabei hat Österreich durch das Bundesgesetz vom 30. Oktober 1958 BGBl 1961/295 von der Ermächtigung nach Art 2 UStatÜBk Gebrauch gemacht. Danach ist abweichend von Art 1 UStatÜbk auf den Unterhaltsanspruch des Kindes - das somit seinen Aufenthalt nicht in Österreich hat (vgl SZ 58/120 = RZ 1986/16 = ÖA 1986, 48 = ZfRV 1987, 63 [Hoyer]; Feil aaO Rz 4 mwN) - österr. Recht anzuwenden, wenn (kumulativ, Feil, Unterhaltsansprüche mit Auslandsbeziehung, UStatÜbk Rz 2; Finger, Das gesamte Familienrecht, Unterhaltsstatutabkommen 1956, Art 2 Rz 6 mwN) 1. das Unterhaltsbegehren bei einem österr. Gericht gestellt wird, 2. der Unterhaltsschuldner und das Kind österr. Staatsbürger sind und 3. der Unterhaltsschuldner im Zeitpunkt der Stellung des Unterhaltsbegehrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Republik Österreich hat. Dem UStatÜbk vorgehende multi- oder bilaterale Abkommen bestehen nicht; das multilaterale Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen BGBl 1969/318, dem sowohl Indien als auch Österreich beigetreten sind, berührt das UStatÜbk, das im Übrigen das autonome Kollisionsrecht verdrängt (Finger aaO Einf Rz 21), nicht. Der Minderjährige ist Kind iSd Art 1 Abs 4 UStatÜbk. Trotz des Terminus "Unterhaltsklage" (im französischen Originaltext action alimentaire) ist unbestritten, dass darunter angesichts des Schutzzwecks des UStatÜbk jede verfahrensrechtlich legitimierte Art der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zu verstehen ist, also auch einschlägige Anträge im außerstreitigen Verfahren (Schwimann aaO 110). Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, so ist gemäß Art 1 Abs 3 des UStatÜbk - als Sachnormverweisung (Schwimann aaO 112, Feil aaO Rz 5 je mwN) - nach österr. Recht zu beurteilen, ob ein Unterhaltssachwalter zu bestellen ist (Feil aaO Rz 13). Das auf den Unterhaltsanspruch selbst anwendbare Recht ist auch das der gesetzlichen Vertretung im Verfahren und bei der Einbringung der Zahlungen, schließt doch Art 1 Abs 3 UStatÜbk jeden Zweifel durch die eindeutige Entscheidung für eine einheitliche Anknüpfung aus (Hoyer in seiner Glosse zu 3 Ob 521/91 = ZfRV 1992, 133; Schwimann aaO 110 mwN; vgl auch SZ 58/120). Im vorliegenden Fall wurde daher zu Recht der Jugendwohlfahrtsträger 1996 zum besonderen Sachwalter in Unterhaltssachen, als das auch heute noch minderjährige Kind aus einer aufrechten Ehe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte.
Wird nun aber vom Kind der gewöhnliche Aufenthalt woanders genommen, gilt zufolge Art 1 Abs 2 UStatÜbk das Sachrecht dieses neuen gewöhnlichen Aufenthalts (Grundsatz der Wandelbarkeit des Unterhaltsanspruchs). Unterhaltsansprüche für die Zeit vor dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts sind nach dem Recht des früheren Aufenthalts zu beurteilen (Feil aaO Rz 5). Für die Zeit nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts ist das Recht des neuen Aufenthaltsstaats maßgebend (Finger aaO Art 1 Rz 44). Zieht das Kind aus einem Vertragsstaat in einen Nichtvertragsstaat, so wird das UStatÜbk für die Zukunft unanwendbar (Art 6; Finger aaO Art 1 Rz 51). Solange das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte, war jedenfalls die Anwendung österr. Sachrechts geboten (Art 1 UStatÜbk). Für die verfahrensrechtlichen Probleme der Klage- oder Antragsbefugnis ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterhalts entscheidend. Dazu gehört auch, wer die Klage (hier: den Unterhaltserhöhungsantrag ON 43) erheben kann (Finger aaO Art 1 Rz 43). Die zweite Instanz als Tatsacheninstanz ging in seiner Entscheidung davon aus, dass jedenfalls ab August 1999 der Minderjährige mit ihrer Mutter in Indien Aufenthalt genommen habe. Der Jugendwohlfahrtsträger stellte seinen Antrag auf Unterhaltserhöhung erst am 21. Dezember 1999 (ON 43), zeitlich somit nach dem Statutenwechsel. Der entsprechende Beschluss (ON 44), mit dem der Unterhalt erhöht wurde, ist indes dem Vater gegenüber in Rechtskraft erwachsen.
Da der Minderjährige indischer Staatsangehöriger und Indien nicht Vertragsstaat des UStatÜbk ist, bleibt nach der Übersiedlung des Minderjährigen nach Indien für die Anwendung des UStatÜbk und damit österr. Rechts kein Raum mehr, vielmehr kommt zufolge der Gesamtverweisung des § 24 IPRG (vgl. dazu Feil aaO Rz 2) das indische IPR zum Zuge; über seine Verweisungen ist das anwendbare Recht zu ermitteln. In Indien sind über das internationale Privatrecht, abgesehen von dem die Eheschließung von Indern im Ausland regelnden Foreign Marriage Act 1969, in der neuen indischen Gesetzgebung noch keine Bestimmungen getroffen worden. Nach Art 51 lit c der Verfassung soll das zwischen geregelten Staaten bestehende internationale Recht beachtet werden. In Ermangelung anderer Vorschriften müssen die englischen Bestimmungen über das internationale Privatrecht als fortgeltend angesehen werden. Es ist also vom Domizilprinzip auszugehen (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Indien, 11). Da das über das Personalstatut des Kindes ermittelte neue Unterhaltsstatut nicht österreichisches Recht ist und das maßgebliche indische Recht eine Vertretung des in Indien aufhältigen Kindes indischer Staatsangehörigkeit durch einen österreichischen Jugendwohlfahrtsträger im österreichischen Unterhaltsver- fahren nicht vorsieht, ist mit dem Statutenwechsel die Vertretungsbefugnis des Magistrats der Stadt Wien als Unterhaltssachwalters weggefallen.
Hoyer (aaO) vertritt nun dazu die Auffassung, eine Enthebung des Jugendwohlfahrtsträgers wäre zwar unmöglich, jedoch das Erlöschen seiner Vertretungsbefugnis deklarativ festzustellen. Der erkennende Senat billigt diese Auffassung. Demnach ist in Stattgebung des Rechtsmittels nicht die Enthebung der Rechtsmittelwerberin, sondern das Erlöschen ihrer Vertretungsbefugnis festzustellen. Wann der Statutenwechsel stattfand, steht dagegen nicht genau fest.
b) Ohne das zufolge des Statutenwechsels jedenfalls schon seit August 1999 nicht mehr bestehende Vertretungsrecht des Magistrats der Stadt Wien kann ihm auch kein Rechtsmittelrecht mehr zukommen. Sein Rekurs gegen die von der zweiten Instanz verfügte Unterhaltsherabsetzung ist demnach zurückzuweisen. Demgemäß ist der zweitinstanzliche Beschluss dem Kind gegenüber aber auch nicht in Rechtskraft erwachsen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)