OGH 1Ob2179/96i

OGH1Ob2179/96i26.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr.Manfred V*****, vertreten durch Dr.Klaus Rinner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegner 1. Dr.Gerhard V*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester und Dr.Paul Delazer, Rechtsanwälte in Innsbruck, 2. Dr.Ursula F*****, und 3. Margarethe V*****, wegen Benützungsregelung infolge der Revisionsrekurse des Antragstellers und des Erstantragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgerichts vom 2.April 1996, GZ 51 R 32/96-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15.Dezember 1995, GZ 33 Nc 5/95-21, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird dem Revisionsrekurs des Erstantragsgegners teilweise Folge gegeben; die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Beschluß insgesamt wie folgt lautet:

„Dem Antragsteller wird das ausschließliche Benützungsrecht an der im dritten Stock rechts im Haus E*****-Straße 21 in I***** (Liegenschaft EZ 1366 Grundbuch *****) gelegenen Wohnung top 7 gegen Entrichtung eines Benützungsentgelts von monatlich

a) S 7.700,-- für die Zeit vom 16.9.1994 bis 31.3.1995;

b) S 7.900,-- für die Zeit vom 1.4.1995 bis 31.3.1996;

c) S 8.050,-- ab 1.4.1996

eingeräumt.

Der Antrag auf Einräumung des ausschließlichen Benützungsrechts an der Garage Nord auf der oben genannten Liegenschaft wird abgewiesen.“

Der Antrag des Erstantragsgegners auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller, der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin sind Geschwister, die Drittantragsgegnerin ist deren Mutter. Die Geschwister sind zu je 2/9 Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1366 KG I*****, die Drittantragsgegnerin ist zu einem Drittel Eigentümerin dieser Liegenschaft. Auf dem Grundstück befindet sich das Haus E*****-Straße 21. Voreigentümer der Liegenschaft war bis zu seinem Tod der am 14.10.1991 verstorbene Vater des Antragstellers. Im viergeschoßigen Haus befinden sich elf Wohnungen und ein ausbaufähiger Dachboden. Der Antragsteller bewohnt seit dem Jahre 1991 prekaristisch die Wohnung top 7 mit einer Wohnnutzfläche von 134 m2. Die Drittantragsgegnerin mietete noch von ihren Schwiegereltern bereits 1975 eine 129,67 m2 große Wohnung im ersten Obergeschoß (top 3). An Miete bezahlt sie monatlich S 90 (Friedenskronenzins). Im Jahre 1981 mietete der Erstantragsgegner die etwa 108 m2 große Wohnung top 10, wofür er S 87 an Miete monatlich bezahlt. Von 1981 bis 30.9.1995 hatte die Zweitantragsgegnerin die etwa 80 m2 große Wohnung top 2 zu einem monatlichen Mietzins von S 57 gemietet. Diese Wohnung wurde ab 1.10.1995 wieder vermietet. Zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz war keine Wohnung frei. Die vom Antragsteller benutzte Wohnung top 7 besteht aus Gang, WC, Bad, Speis, Küche, Kabinett und vier Zimmern.

Mit seinem am 16.9.1994 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte der Antragsteller, ihm das ausschließliche Benützungsrecht an der Wohnung top 7 gegen Entrichtung eines vom Gericht festzusetzenden angemessenen Benützungsentgelts einzuräumen. In der Tagsatzung vom 5.10.1995 begehrte er überdies die Zuerkennung des ausschließlichen Benutzungsrechts an der Garage Nord. Dieses Begehren ist nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, weil es vom Erstgericht abgewiesen wurde und dessen Beschluß in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin sprachen sich gegen die begehrte Benützungsregelung aus, die Drittantragsgegnerin war mit einer Überlassung der Wohnung an den Antragsteller gegen Bezahlung eines monatlichen Mietzinses von S 29,60 je m2 einverstanden.

Das Erstgericht räumte dem Antragsteller das ausschließliche Benützungsrecht an der Wohnung top 7 gegen Entrichtung eines Benützungsentgelts von monatlich S 3.850 ein. Eine bindende Vereinbarung der Miteigentümer über die Benützung der Wohnung liege nicht vor. Jeder Miteigentümer habe Anspruch auf eine seinem Miteigentumsanteil entsprechende Sachbenützung. Zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung sei keine andere Wohnung verfügbar gewesen, der Antragsteller habe seit dem Jahre 1991 gemeinsam mit seiner Gattin und seinem Sohn zur Gänze in der Wohnung top 7 gelebt. Für die Wohnung wäre im Falle der Vermietung ein Kategoriemietzins der Kategorie A im Betrag von S 29,60 je m2 zu entrichten. Unter Bedachtnahme darauf, aber ohne exakte Mietzinsberechnung, erweise sich ein Benützungsentgelt von S 3.850 als angemessen.

Das Rekursgericht reduzierte das monatlich zu entrichtende Benützungsentgelt - nur dessen Höhe war und ist auch jetzt noch strittig - auf S 2.952. Die Einräumung der Benutzung der Wohnung top 7 entspreche noch nicht dem 2/9-Anteil des Antragstellers an der Liegenschaft. Dennoch sei zu berücksichtigen, daß die übrigen Miteigentümer keinen Nachteil erleiden dürfen. Dem Erstantragsgegner und der Zweitantragsgegnerin stünden Wohnungen unterschiedlicher Größe (108 bzw 80 m2) zur tatsächlichen Nutzung zur Verfügung. Bei der Berechnung des Benützungsentgelts sei von einem Mittelwert dieser Wohnungen auszugehen. Das Entgelt sei für das diesen Mittelwert übersteigende Ausmaß von 40 m2 (134 m2 - 94 m2) festzusetzen. Die Höhe des Entgelts sei der ortsüblichen und bestmöglichen Verwertung der gemeinschaftlichen Sache anzupassen. Eine Festsetzung nach dem Friedenskronenmietzins komme ebensowenig in Frage wie die Anwendung des § 16 Abs 1 Z 4 MRG. Bei der Berechnung des Entgelts sei nicht vom Kategoriemietzins, sondern von dem mittels Verordnung festgesetzten Richtwert für das Bundesland Tirol auszugehen. Dieser Richtwert betrage S 73,80 pro m2; für 40 m2 ergebe sich sohin der festgelegte „Benutzungsbeitrag“.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist nicht berechtigt, dem des Erstantragsgegners kommt teilweise Berechtigung zu.

Nach Lehre und Rechtsprechung hat jeder Miteigentümer grundsätzlich Anspruch auf eine annähernd seinem Miteigentumsanteil entsprechende Nutzung der Sache, sofern der (dringende) persönliche Bedarf an einer solchen Nutzung gegeben ist. Der einem Miteigentümer zukommende größere Nutzen ist durch Entrichtung eines angemessenen Benützungsentgelts auszugleichen (SZ 58/170; MietSlg 33.077; RZ 1973/17; MietSlg 25.059/21; SZ 27/10; Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 835; Hofmeister in Schwimann, ABGB, Rz 25 und 26 zu § 835).

Die Höhe des Benützungsentgelts ist so zu berechnen, als ob der Miteigentümer den seinen Miteigentumsanteil übersteigenden Teil der Sache von den anderen Miteigentümern in Bestand genommen hätte, wobei von einem ortsüblichen Bestandzins bei bestmöglicher Verwertung der gemeinschaftlichen Sache auszugehen ist (JBl 1983, 486; RZ 1973/17; MietSlg 24.065, 16.045; Gamerith aaO Rz 8; Hofmeister aaO Rz 26). Wohnungen, die die Parteien bereits in dem Zeitpunkt, als sie Miteigentümer des Hauses wurden, gemietet hatten, sind nicht in das Benützungsregelungsverfahren einzubeziehen. Der Außerstreitrichter kann über die Benutzung dieser Wohnungen, weil sie nicht frei verfügbar sind, nicht rechtsgestaltend entscheiden. Rechtsgrund der Benützung dieser Wohnungen ist allein das von der Miteigentümergemeinschaft mit dem Miteigentümer begründete Mietverhältnis. Der anteilige Nutzwert dieser Wohnungen kommt den Parteien in der Form zugute, daß sie die ihrem Miteigentumsanteil entsprechende Quote des für diese Wohnungen bezahlten Hauptmietzinses erhalten. Die Einbeziehung der an die Antragsgegner vermieteten Wohnungen würde dazu führen, daß die Miteigentümer für ihre Mietwohnungen Mietzins - wenn auch in geringer Höhe - bezahlen und sich deren Benützung außerdem auf ihren Anspruch auf eine ihren Miteigentumsanteilen entsprechende Benützung von Teilen des gemeinsamen Hauses anrechnen lassen müßten. Der Nutzwert der von den Miteigentümern gemieteten Wohnungen kann daher auch nicht bei der Berechnung der Mietwerte zwecks Gewinnung einer Grundlage für die bezüglich der frei verfügbaren Räume nach den Miteigentumsquoten vorzunehmende Benützungsregelung berücksichtigt werden; eine allenfalls vorliegende weniger nutzbringende Art der Eigenbenützung durch einen Miteigentümer hat außer Betracht zu bleiben (MietSlg 30.039/24, 16.045; EvBl 1961/2; Schwimann aaO). Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen hatten die Antragsgegner jeweils Wohnungen im Haus angemietet, lange bevor sie im Erbweg nach dem 1991 verstorbenen Vater des Antragstellers Miteigentümer des Hauses wurden. Diese Wohnungen sind also bei der Berechnung des Benützungsentgelts nicht zu berücksichtigen, so daß auch außer Betracht bleiben kann, daß die Zweitantragsgegnerin die von ihr angemietete Wohnung top 2 zum 30.9.1995 aufgegeben hat. Die Berechnung des Benützungsentgelts hat sich lediglich auf die allein dem Benützungsregelungsverfahren unterworfene Wohnung top Nr 7 zu beschränken, auf die die Miteigentumsquote des Antragstellers von 2/9 in Anschlag zu bringen ist, weil die Aufteilung der frei verfügbaren Objekte (hier: top 7) entsprechend den Miteigentumsanteilen zu erfolgen hat (MietSlg 30.039/24, 16.045). Die ortsübliche, bestmögliche Verwertung der gemeinschaftlichen Wohnung kann nicht nach dem Friedenskronenmietzins, den der Erstantragsgegner und die Drittantragsgegnerin aufgrund einer mietvertraglichen Regelung entrichten, erfolgen. Es verbietet sich aber auch - wie schon das Rekursgericht richtig ausführte - die Anwendung des § 16 Abs 1 Z 4 MRG, weil die Wohnung top 7 nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Räumung durch den früheren Mieter oder Inhaber an einen nicht zum Eintritt in die Mietrechte des früheren Mieters Berechtigten vermietet wurde, sondern eine Vermietung der Wohnung nach dem Tod des Vaters des Antragstellers im Jahre 1991 überhaupt nicht stattgefunden hat; die Wohnung wurde vielmehr diesem prekaristisch überlassen. Die bestmögliche Verwertung der Wohnung könnte daher nur durch Vermietung unter Festsetzung eines monatlichen Entgelts gemäß § 16 Abs 2 MRG erfolgen.

Für die Berechnung des Entgelts ist das mit 1.12.1993 in Kraft getretene Richtwertgesetz (RichtWG) anzuwenden, ist doch der Antrag auf Erlassung einer gerichtlichen Benützungsregelung erst am 16.9.1994 beim Gericht erster Instanz eingelangt. Ab diesem Zeitpunkt hat der Antragsteller ein angemessenes Benützungsentgelt zu bezahlen. Der Richtwert für das Bundesland Tirol betrug bis zum 31.3.1995 S 61,50 (und unter Berücksichtigung der S 73,80), in der Zeit vom 1.4.1995 bis 31.3.1996 S 63,10 (zuzüglich 20 % Umsatzsteuer S 75,72) und seit dem 1.4.1996 S 64,30 (und unter Einschluß der Umsatzsteuer S 77,16) je m2 (BGBl 1994/146; BGBl 1995/166; BGBl 1996/124). Multipliziert man diese Richtwerte mit der allein maßgeblichen Quadratmeteranzahl für die Wohnung top 7 (134), dann ergibt sich für die Zeit vom 16.9.1994 bis 31.3.1995 ein Betrag von S 9.889,20, für die Zeit vom 1.4.1995 bis 31.3.1996 ein Wert von S 10.146,48 und ab 1.4.1996 ein solcher von S 10.339,44. Unter Berücksichtigung des 2/9-Miteigentumsanteils des Antragstellers wäre bei einer mietrechtlichen Normwohnung im Sinne des § 2 Abs 1 RichtWG der angemessene Hauptmietzins mit 7/9 der jeweiligen Beträge, also mit S 7.691,60, S 7.891,71 und S 8.041,79 auszumessen. Unter Bedachtnahme darauf, daß die vom Antragsteller benützte Wohnung top 7 134 m2 groß ist, ist das angemessene, einer ortsüblichen und bestmöglichen Verwertung der Wohnung entsprechende Benützungsentgelt für die nach der Antragstellung gelegenen Zeiträume (RZ 1993/55; JBl 1983,486; MietSlg XXX/24, 23.063; EvBl 1961/2; Gamerith aaO), und zwar für die Zeit vom 16.9.1994 bis 31.3.1995 mit S 7.700, für die Zeit vom 1.4.1995 bis 31.3.1996 mit S 7.900, und seit 1.4.1996 mit S 8.050 festzusetzen.

Das Kostenersatzbegehren des Erstantragsgegners ist abzuweisen, weil im Außerstreitverfahren - ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung, die hier nicht vorliegt - ein Kostenersatz nicht stattfindet.

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