OGH 1Ob213/18g

OGH1Ob213/18g21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M* M*, vertreten durch die Loimer Scharzenberger‑Preis Rechtsanwälte Partnerschaft, Salzburg, gegen den Antragsgegner Dr. M* T*, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. September 2018, GZ 21 R 162/18x‑105, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. April 2018, GZ 42 Fam 11/14f‑101, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123683

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Das Erstgericht präkludierte verspätetes Tatsachenvorbringen des Antragsgegners gemäß § 33 Abs 2 AußStrG. Das Rekursgericht verneinte einen Verfahrensmangel und bejahte die Voraussetzungen für die Präklusion nach dieser Gesetzesbestimmung. Verneint das Rekursgericht insoweit das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels, kann diese Frage – sofern die Beantwortung durch das Rekursgericht nicht auf aktenwidriger Grundlage beruhte oder nicht zugleich eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorliegt (beides ist hier nicht der Fall) – nicht mehr erfolgreich mit Revisionsrekurs aufgegriffen werden (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 33 Rz 41 mwN; RIS‑Justiz RS0042963 [T29, T48]). Wenn der Antragsgegner auf sein präkludiertes Vorbringen Bezug nimmt, ist dies daher unbeachtlich.

2. Wirken in einem an sich der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand Werte fort, die für sich nicht der Aufteilung unterliegen würden, weil sie etwa einem Ehegatten von einem Dritten geschenkt wurden oder eingebrachte Mittel darstellen (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG), ist dieser Wert allein dem betreffenden Ehegatten zuzuordnen und rechnerisch von der Aufteilung des Vermögens abzuziehen und dem betreffenden Ehegatten zuzuweisen (RIS‑Justiz RS0057478 [T4]; RS0057490 [T1, T4]). Es kommt nicht auf den seinerzeitigen Wert des so Eingebrachten an, sondern darauf, inwieweit die betreffende Leistung wertmäßig noch im betreffenden Vermögensgegenstand vorhanden ist („fortwirkt“) (RIS‑Justiz RS0057478 [T5] = RS0057490 [T5]).

Entgegen der Meinung des Antragsgegners sind seine vorehelichen Ersparnisse von 54.809,29 EUR, die er für die Finanzierung der Liegenschaft samt ehelichem Haus aufwendete, nicht „aufzuwerten“. Der Kaufpreis für die Liegenschaft und die Errichtung des Hauses machte insgesamt 727.000 EUR aus, wogegen der Wert aktuell (zum Entscheidungszeitpunkt) nur mehr 715.000 EUR beträgt. Verringert sich aber der Wert des ehelichen Gebrauchsvermögens um 12.000 EUR, kommt es jedenfalls zu keiner Aufwertung. Wenn die Vorinstanzen vom Wert der Liegenschaft dennoch die investierten vorehelichen Ersparnisse des Antragsgegners in voller Höhe abzogen, ist er jedenfalls nicht beschwert.

3.1. Beide Parteien sind sowohl iranische als auch österreichische Staatsangehörige. Anlässlich der Eheschließung trafen sie vor einem iranischen Notar (in Notariatsaktform) eine Vereinbarung über eine Morgengabe, wonach der Antragsgegner der Antragstellerin auf ihr Verlangen 500 (näher bezeichnete) Goldmünzen zu entrichten hat. Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und vor der in Österreich erfolgten rechtskräftigen Scheidung wurde der Antragsgegner von einem Gericht im Iran zur Zahlung der 500 Goldmünzen an die Antragstellerin verurteilt; dieses Urteil wurde von einem iranischen Revisionsgericht bestätigt und erwuchs in Rechtskraft. Der Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung der 500 Goldmünzen entspricht dem Gegenwert von 145.965 EUR und wurde vom Antragsgegner bislang nicht erfüllt.

Der Antragsgegner strebt die Berücksichtigung der Morgengabe im Aufteilungsverfahren an, wodurch die Antragstellerin keine Ausgleichszahlung von ihm erhalten soll.

3.2. Die heute wohl vorrangige Funktion der Morgengabe (auch „Brautgabe“ oder „Mahr“) wird nach iranischem Recht im Aufbau von Vermögen für die Ehefrau gesehen, die bei Scheidung oder Tod des Mannes vielfach schutzlos dasteht (BGH XII ZR 107/08 = NJW 2010, 1528 Rn 12; OLG Köln 21 UF 32/15 = NJW 2016, 649 Rn 17; Enayat in Bergmann/Ferid/Henrich,Internationales Ehe‑ und Kindschaftsrecht, Iran [Stand 1. 10. 2002], 52; Iranbomy, Rosinentheorie der Morgengabe, FamFR 2011, 123 [125]). Die Morgengabe weist – je nach Fallgestaltung – Berührungspunkte mit dem ehelichen bzw nachehelichen Unterhaltsrecht, dem Ehegüterrecht, dem Scheidungs‑ und dem Erbrecht auf und kann weder generell noch für den vorliegenden Fall schwerpunktmäßig einem dieser Institute zugeordnet werden (vgl BGH aaO Rn 14).

In der deutschen Literatur wird für die güterrechtliche Qualifikation etwa geltend gemacht, dass die Morgengabe in einem Ehevertrag vereinbart werde und wie der Zugewinnausgleich darauf abziele, die Ehefrau für die Zeit nach der Auflösung der Ehe finanziell abzusichern (Looschelders in MüKoBGB7 [2018] EGBGB Art 14 Rn 55). Gegen eine güterrechtliche Qualifikation spricht hingegen, dass die Morgengabe generell auf der Grundlage der wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Eheschließung berechnet wird und von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Vermögens des Ehemannes unabhängig ist; sie kann also nicht – wie nach deutschem Recht der Zugewinnausgleich – als pauschalierte Teilhabe der Ehefrau an der vom Ehemann in der Ehe erzielten Vermögenssteigerung verstanden werden (BGH aaO Rn 16). Maß‑ und ausschlaggebend sind grundsätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemannes bei der Eheschließung (§ 1093 iVm § 1094 iranisches ZGB; Iranbomy aaO 126). Nach deutschem Sachrecht ist die Morgengabe als eine ehevertragliche Zusage des Ehemannes anzusehen. Sie verpflichtet den Ehemann grundsätzlich, der Ehefrau den in der Zusage genannten Geldbetrag zu zahlen (BGH aaO Rn 23).

3.3. Die Vorinstanzen berücksichtigten die (Vereinbarung der Parteien über die) Morgengabe im Aufteilungsverfahren nicht. Das Rekursgericht führte dazu aus, dass nach dem anzuwendenden österreichischen Sachrecht gemäß § 81 Abs 1 EheG nur das eheliche Gebrauchsvermögen sowie die ehelichen Ersparnisse aufzuteilen seien. Dass im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft 500 Goldmünzen als eheliche Ersparnisse tatsächlich vorhanden gewesen wären, habe der Antragsgegner nicht behauptet. Da die Morgengabe bzw der Anspruch auf deren Leistung weder eheliches Gebrauchsvermögen noch eheliche Ersparnisse seien, sei die Vereinbarung der Ehegatten auch nicht unter § 97 Abs 1 EheG subsumierbar. Die ehevertragliche Zusage auf Zahlung von 500 Goldmünzen sei keine Regelung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.

Der Antragsgegner hat bislang die Morgengabe von 500 Goldmünzen noch nicht an die Antragstellerin geleistet. Er zeigt nicht schlüssig auf, dass es sich bei der– real ja gar nicht vorhandenen – Morgengabe um eheliche Ersparnisse handelt oder dass die Parteien bei ihrer Vereinbarung davon ausgegangen wären, dass die Goldmünzen aus ehelichen Ersparnissen finanziert werden sollten. Er legt auch nicht dar, dass die von einem iranischen Gericht bereits titulierte Morgengabe eine im Ausland getroffene Scheidungsfolgenregelung wäre, mit der der Aufteilungsanspruch der Frau (allenfalls teilweise) abgegolten sein solle. Nach der geschlossenen Vereinbarung steht die Morgengabe der Ehefrau – unabhängig von der Scheidung – auf ihr Verlangen zu. Selbst wenn die Zahlung von 500 Goldmünzen als ehevertragliche Zusage anzusehen ist, resultiert allein daraus nicht die „Anrechnung“ auf den Aufteilungsanspruch der Antragstellerin, wäre doch dafür Voraussetzung, dass es sich um eheliche Ersparnisse handelt, was der Revisionsrekurswerber nicht aufzuzeigen vermag.

Solange er die Morgengabe an die Antragstellerin nicht geleistet hat, stellt sich die Frage der Berücksichtigung nach dem Grundsatz der Billigkeit (§ 83 EheG) nicht. Ebensowenig ist zu prüfen, ob der Mann in einem allfälligen Verfahren zur Vollstreckung der iranischen Entscheidung im Iran eine bis dahin geleistete Ausgleichszahlung einwenden könnte. Eine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts und damit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG legt der Antragsgegner somit insgesamt nicht dar.

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