European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128147
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 8.992,88 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen anteilig zu ersetzen, und zwar:
* die erstklagende Partei 6.716,78 EUR
* die zweitklagende Partei 48,56 EUR
* die drittklagende Partei 35,97 EUR
* die viertklagende Partei 275,18 EUR
* die fünftklagende Partei 212,23 EUR
* die sechstklagende Partei 58,45 EUR
* die siebtklagende Partei 340,83 EUR
* die achtklagende Partei 44,96 EUR
* die neuntklagende Partei 25,18 EUR
* die zehntklagende Partei 1.234,72 EUR
Entscheidungsgründe:
Am 24. 4. 2016 fand in Österreich der erste Wahlgang zur Wahl des Bundespräsidenten statt, bei demkein(e) Wahlwerber(in) die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreichte, sodass für den 22. 5. 2016 ein zweiter Wahlgang anberaumt wurde, an dem der von der erstklagenden Partei nominierte Ing. Norbert Hofer sowie Univ.‑Prof. Dr. Alexander Van der Bellen teilnahmen. Das Wahlergebnis des zweiten Wahlgangs („Stichwahl“) wurde am 1. 6. 2016 kundgemacht und Univ.‑Prof. Dr. Alexander Van der Bellen als zum Bundespräsidenten gewählt erklärt.
Nach fristgerechter Anfechtung der Wahl durch Heinz‑Christian Strache, den damaligen Parteiobmann der erstklagenden Partei und zustellungsbevollmächtigten Vertreter des auf Ing. Norbert Hofer lautenden Wahlvorschlags, hob der Verfassungsgerichtshof zu W I 6/2016 das Verfahren des zweiten Wahlgangs ab der Kundmachung der Bundeswahlbehörde auf. Die Wiederholung der Wahl wurde mit Verordnung der Bundesregierung vorerst auf den 2. 10. 2016 festgelegt und schlussendlich mit Bundesgesetz auf den 4. 12. 2016 verschoben.
Die Klägerinnen sind politische Parteien in Österreich auf Bundes‑ und Landesebene, denen gemäß § 1 Abs 4 Parteiengesetz 2012 (kurz: PartG 2012) Rechtspersönlichkeit zukommt.
Mit der am 4. 12. 2018 eingebrachten Klage begehren die Klägerinnen, die Beklagte schuldig zu erkennen, einen (in der Klage näher aufgeschlüsselten) Betrag von insgesamt 3.411.084,46 EUR sA zu zahlen, und brachten dazu zusammengefasst vor, ihnen sei durch die Aufhebung des Wahlgangs vom 22. 5. 2016 und durch die Verschiebung des für den 2. 10. 2016 festgesetzten neuerlichen Wahltermins ein Schaden in Form der im Vorfeld dieser Wahltermine aufgewendeten, aber frustrierten Wahlkampf‑ und Werbekosten entstanden.
Grundlage des Ersatzanspruchs seien die vom Verfassungsgerichtshof festgestellten Verletzungen der österreichischen Bundesverfassung, des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971 (kurz: BPräsWG) und der Nationalratswahlordnung, die Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB auch zugunsten der Wahlwerber seien. So seien Briefwahlkarten schon vor Beginn der Sitzung der Bezirkswahlbehörden teilweise in nichtige und auszuzählende vorsortiert, teilweise bereits geöffnet und teilweise bereits ausgezählt worden. In sieben Bezirkswahlbehörden sei die Auszählung durch nicht befugte Personen erfolgt. Weiters hätten Wahlbehörden und das Bundesministerium für Inneres mit Billigung der Bundeswahlbehörde Ergebnisse der Wahl unter schriftlicher Zusicherung der Geheimhaltung an die Presse weitergegeben und manche Gemeinden hätten diese selbst veröffentlicht, weshalb diese Informationen über private Kanäle an Medien und Privatpersonen gelangt seien. Außerdem hätten weitere rechtswidrige Vorgänge stattgefunden. Insgesamt seien die Grundsätze der geheimen und freien Wahl verletzt worden.
Die notwendige Wiederholung der Wahl habe vom 2. 10. 2016 auf den 4. 12. 2016 verschoben werden müssen, weil die Wahlkarten grobe Mängel in der Produktionskonzeption und der Klebstoffauswahl aufgewiesen hätten. Bereits bei der Nationalratswahl 2013 und den Wahlen zur Österreichischen HochschülerInnenschaft 2015 hätten diesbezüglich schwerwiegende Mängel bestanden, sodass die Organe des Bundes bei der Auftragsvergabe die Pflicht gehabt hätten, auf die Verwendung eines geeigneten Klebstoffs zu dringen und nach Lieferung eine gewissenhafte, zumindest stichprobenartige Kontrolle durchzuführen. Erst am 2. 9. 2016 und nach Eintreffen vieler Beanstandungen habe das Bundesministerium für Inneres die Gemeinden um Überprüfung der Wahlkarten ersucht. Durch eine pflichtgemäße, sofortige Überprüfung der Wahlkarten hätten die Mängel so zeitgerecht festgestellt werden können, dass eine Verschiebung des Wahltermins nicht notwendig geworden wäre. Der Ersatzanspruch werde daher nicht auf legislatives Unrecht, sondern auf jenes Fehlverhalten, das den Gesetzgeber zum Handeln gezwungen habe, gestützt. Auch die Beschaffung und Kontrolle der Wahlkarten stelle eine hoheitliche Aufgabe dar.
Die Tätigkeit der Klägerinnen als politische Parteien ziele auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung, insbesondere durch die Teilnahme an Wahlen, ab. Die Unterstützung eines Wahlwerbers sei Kernaufgabe einer politischen Partei, sodass auch diese vom Schutzbereich der erwähnten Normen erfasst und die frustrierten Aufwendungen zu ersetzen seien. Eine andere Ansicht gefährde den Fortbestand der lebendigen Demokratie, weil es diesfalls Organen der Beklagten möglich wäre, durch Provokation wiederholter Wahlverschiebungen oder -aufhebungen die finanziellen Mittel politischer Gruppierungen zu erschöpfen und damit eine Verzerrung des Wählerwillens herbeizuführen.
Wahlwerbung stelle in einer funktionierenden Demokratie ein wesentliches Element der Meinungsbildung dar und werde durchgeführt, um die Wählerschaft von einem Kandidaten zu überzeugen. Bei einer Wahl zum Bundespräsidenten werde die Wahlwerbung ausschließlich auf die Person des Kandidaten konzentriert. Sie werde vor Wahlen intensiviert, weil ihre Wirkung nach einer gewissen Zeit wieder verpuffe, sodass Wahlwerber die ihnen zur Verfügung stehenden Geldbeträge entsprechend den gesetzlichen Fristen und Terminen einteilen müssten. Unzutreffend sei die Behauptung, ihnen sei kein Schaden entstanden, weil den Werbekosten ein entsprechender Gegenwert in Form nachhaltiger Werbewirksamkeit für politische Ziele gegenübergestanden sei.
Dem Gesetzgeber sei bekannt, dass Wahlwerbung hohe Kosten verursache, weshalb § 24a BPräsWG diese der Höhe nach mit 7 Mio EUR begrenze. Daher sei es seit Beginn der zweiten Republik Usus, dass die Wahlkampfkosten für die Bundespräsidentenwahl von hinter den Kandidaten stehenden Parteien finanziert würden.
Die Klägerinnen hätten aufgrund einer Vereinbarung mit Ing. Hofer die Kosten der Wahlwerbung zu tragen gehabt, sodass ein Fall der Schadensverlagerung vorliege. Die Zuwendungen an Ing. Hofer seien nicht als Schenkung zu qualifizieren. Ein Kandidat trete mit der ihn unterstützenden Partei in eine Rechtsbeziehung, die es ihm nicht mehr erlaube, sich als Kandidat zurückzuziehen, andernfalls er massiven Schadenersatzforderungen der Partei ausgesetzt wäre. Ing. Hofer sei daher aufgrund der Vereinbarung mit ihnen, ebenso wie ein Dienstnehmer gegenüber seinem Dienstgeber, zur Teilnahme an allen Wahlgängen und der Mitwirkung an Werbemaßnahmen verpflichtet gewesen. Träfe einen Kandidaten die Pflicht zur Rückzahlung von Unterstützungsleistungen, bestünde die Gefahr seiner Abhängigkeit von seinen Geldgebern.
Ein Wahlwerber habe bei der Überreichung des Wahlvorschlags einen Beitrag zu den Kosten des Wahlverfahrens in Höhe von 3.600 EUR zu leisten und einen Rechtsanspruch darauf, als gewählt erklärt zu werden, wenn er mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen auf sich vereinige. Wahlwerber und die sie unterstützenden Gruppen könnten auf eine reibungslose Durchführung von Wahlen vertrauen. Sie hätten bei den Bundespräsidentenwahlen die entstehenden Wahlkampfkosten endgültig aus eigenem Budget bestritten, ein „Wahlkampfkostenersatz“ sei für die Bundespräsidentenwahlen nicht vorgesehen.
Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, die Aufwendungen für Wahlwerbung seien nicht frustriert, weil der beabsichtigte Erfolg der Steigerung des Bekanntheitsgrads des von den Klägerinnen unterstützen Kandidaten und der Verbreitung der politischen Ziele der Klägerinnen eingetreten sei. Deren Aufwendungen seien daher nicht nutzlos gewesen.
Die allenfalls aus der Aufhebung der Wahl resultierenden Schäden seien nicht vom Schutzzweck jener Rechtsvorschriften umfasst, die die Durchführung einer Wahl zum Bundespräsidenten regeln. Diese bezweckten bloß die Durchführung einer nicht beeinflussten, freien und geheimen Wahl, nicht den Schutz der Geldgeber eines Wahlwerbers.
Eine Haftung für die Verschiebung der Wiederholung des zweiten Wahlgangs scheide auch deshalb aus, weil diese durch den Gesetzgeber aufgrund einer autonomen Entscheidung angeordnet worden sei. Das Bundesministerium für Inneres habe auch für die Präsidentenwahl eine Kontrolle der vom Vertragspartner vorab übermittelten Muster durchgeführt und erst am 2. 9. 2016 Kenntnis von einer schadhaften Wahlkarte erlangt. Auf einige im Jahr 2010 bekannt gewordene Einzelfälle mangelhafter Wahlkarten sei gegenüber dem Hersteller mit einer Klarstellung der Anforderungen an die Funktionalität der Klebestellen reagiert worden, danach seien bis zur Präsidentenwahl keine derartigen Vorkommnisse bekannt geworden. Die Anschaffung der Wahlkartenkuverts falle in die Privatwirtschaftsverwaltung.
Die Klägerinnen seien nicht legitimiert, Ansprüche anderer Personen geltend zu machen. Als politische Parteien seien sie gehalten, Unterstützungen für Kandidaten, die zu einer Persönlichkeitswahl antreten, endgültig selbst zu tragen. Der Gesetzgeber habe auch deswegen von einer Regelung zur Wahlkampfkostenrückerstattung bei Wahlen zum Bundespräsidenten Abstand genommen, weil die Kandidaten die notwendigen Ressourcen selbst oder durch uneigennützige Unterstützung aufzubringen hätten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Das Handeln der bei der Wahl tätigen (Bezirks‑ und Landes‑)Behörden sei dem Bund als funktionalem Rechtsträger zuzurechnen. An die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens derselben durch den VfGH seien die ordentlichen Gerichte gebunden; Fragen der Kausalität und des Verschuldens müssten sie aber selbst beantworten. Die Klägerinnen machten „kausal frustrierte“ Vermögensschäden geltend, die nach der Rechtsprechung nur sehr eingeschränkt, namentlich bei Vorliegen eines Schutzgesetzes im Sinn des § 1311 ABGB, ersatzfähig seien. Jene Bestimmungen, die eine gesetzmäßige Durchführung von Wahlen ermöglichen sollen, mögen zwar allenfalls Wahlwerber in ihren Schutzbereich einbeziehen; dieser könne jedoch nicht auf Dritte ausgedehnt werden, die den Wahlwerber im Wahlkampf finanziell unterstützen. Der Grundsatz der Freiheit der Wahlen komme deswegen nicht als Schutzgesetz in Betracht, weil er kein gebotenes oder verbotenes Verhalten beschreibe und daher nicht einem Schadenseintritt vorbeugen wolle. Aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Parteienförderung und die Wahlwerbungskosten für Bundespräsidentenwahlen könne außerdem abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Werbungskosten bei politischen Parteien, die einen Kandidaten unterstützen, endgültig selbst entstünden. Betreffend die Verschiebung des zweiten Wahlgangs fehle es überhaupt am Vorliegen eines Schutzgesetzes, das den eingetretenen Schaden verhüten sollte. Ein solches sei von den Klägerinnen auch nicht vorgebracht worden. Außerdem hätten die Klägerinnen mit den Aufwendungen Werbeeffekte generieren können, sodass jedenfalls nicht alle Aufwendungen frustriert gewesen seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen nicht Folge. Die Klägerinnen stützten ihr Klagebegehren ausschließlich darauf, dass ihnen durch die Aufhebung und in weiterer Folge durch die Verschiebung des zweiten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl 2016 sogenannte „frustrierte Aufwendungen“ entstanden seien, weil sie für die jeweiligen Wahltermine Aufwendungen getätigt hätten, die durch bestimmte Ereignisse nutzlos geworden seien. Möge die Aufhebung und spätere Verschiebung der Wahlen aus Sicht der Klägerinnen einen subjektiven Nachteil begründet haben, weil sie weitere Aufwendungen tätigen mussten und die vorher getätigten Aufwendungen für nutzlos erachteten, so sei diesen Aufwendungen kein beeinträchtigtes oder gar nutzlos gewordenes „Aufwendungsäquivalent“ gegenübergestanden, sodass die geltend gemachten Aufwendungen keine „frustrierten Aufwendungen“ im Sinn einer in der Literatur geäußerten Ansicht seien und der Klagsanspruch daher keine ersatzfähigen Schäden erfassen würde. Wie aus einer Zusammenschau von § 1 Abs 1 und 2 PartG 2012 mit Art 6 Abs 4 B‑VG – der Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern ausdrücklich Wahlen zum Bundespräsidenten gegenüberstelle – erhelle, sei die Unterstützung von Kandidaten bei der Wahl zum Bundespräsidenten unabhängig davon, ob diese realpolitisch Usus sei, nach den Wertungen des PartG 2012 gerade keine Kernaufgabe einer politischen Partei, sondern nur die Teilnahme an Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern. Aus ihrer Stellung als politische Parteien im Sinn des PartG 2012 könnten die Klägerinnen jedenfalls keine sie im Gegensatz zu sonstigen Unterstützern betreffende Einbeziehung in den Schutzbereich der Vorschriften zur Durchführung von Wahlen zum Bundespräsidenten ableiten. Aus § 24a BPräsWG komme klar zum Ausdruck, dass Spenden an wahlwerbende Personen bedingungslos und endgültig gewährt werden, wovon die Klägerinnen ohnehin auszugehen schienen, zumal sie vorbringen, dass ein zur Rückzahlung aller Unterstützungsleistungen verpflichteter Kandidat diesfalls „durch seine Kandidatur ohne jegliche Einflussmöglichkeit vom Privatkonkurs bedroht wäre“. Mit dem Ausdruck „Personengruppe“ in § 24a BPräsWG seien bloß Gruppen von natürlichen Personen ohne eigene Rechtspersönlichkeit gemeint. Auch ein abweichendes Auslegungsergebnis würde keine Änderung des Charakters der an den Wahlwerber geleisteten Zuwendungen als endgültig und ohne Gegenleistung gewährt mit sich bringen, weil die Erwägungen über die (insbesondere mit § 6 Abs 6 Z 10 PartG 2012, § 24a Abs 5 Z 10 BPräsWG intendierte) rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Kandidaten auch für Unterstützungsleistungen durch die erwähnten Personen und Personengruppen gelten müssten. Aus diesen Gründen könnten auch Unterstützer im Sinn des § 24a BPräsWG nicht in den Schutzbereich der Wahlvorschriften einbezogen werden, weil sie nach der gesetzlichen Konzeption des § 6 PartG 2012 und § 24a BPräsWG unabhängig vom Verlauf und Ergebnis einer Wahl (finanzielle) Unterstützung für den jeweiligen Kandidaten leisten. Ein allfälliger Schaden durch die Aufhebung oder Verschiebung einer Wahl könne sie daher nicht treffen, weil sie bereits endgültig und ohne eine Gegenleistung zu erwarten, ihre Unterstützungsleistung gewährt hätten.
Im Hinblick auf die geltend gemachten Werbekosten für den Zeitraum zwischen dem ersten Wahlgang und der Aufhebung bzw späteren Verschiebung des zweiten Wahlgangs habe die (behauptete) Vereinbarung zwischen den Klägerinnen und Ing. Hofer darin bestanden, ihm Geldmittel jedenfalls (und nicht bloß im Fall der Wahlaufhebung bzw ‑verschiebung) zur Verfügung zu stellen. Es habe eine Spende bzw Unterstützungsleistung im Sinn des § 24a BPräsWG und keine Risikotragungsregelung vorgelegen; die Klägerinnen hätten sich unbedingt und endgültig zur Übernahme der Werbungskosten bereit erklärt.
Für bestimmte Arten von Wahlen – wie solche zum Bundespräsidenten – sei kein Ersatz der Wahlkampfkosten vorgesehen; dieser Umstand beruhe daher auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Wertung. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung des PartG 2012 – in Abkehr des früheren Systems des PartG 1975 – die bewusste Entscheidung getroffen, keinen Ersatz für Wahlwerbekosten bei Nationalratswahlen mehr vorzusehen und dafür die im ParteienförderungsG 2012 vorgesehene laufende Parteienförderung annähernd zu verdoppeln. Gerade die Bestimmungen zur Deckelung der Werbekosten (zB § 4 PartG 2012, § 24a BPräsWG) sollten einem Effekt wie dem, einen Wahlerfolg eines finanziell potenteren Wahlwerbers zu begünstigen, entgegenwirken.
Ansprüche wegen der Verschiebung der Wiederholung des zweiten Wahlgangs scheiterten aus zwei Gründen. Einerseits sei die Verschiebung allein durch eine Entscheidung des Gesetzgebers bedingt (§ 26b BPräsWG). Für Akte der Gesetzgebung bestehe aber keine Haftung nach dem AHG. Die behaupteten Fehler bei der Bestellung und Prüfung der Wahlkarten mögen einen Grund für die gesetzgeberische Entscheidung dargestellt haben; Mitglieder zum Nationalrat seien aber in ihrer Entscheidung gemäß Art 56 Abs 1 B‑VG immer autonom. Andererseits sei das AHG nur auf hoheitliche Tätigkeiten anwendbar. Die Wahlkarten für die (später verschobene) Wiederholung des zweiten Wahlgangs seien mittels Rahmendienstleistungsvertrags mit der Herstellerin angeschafft worden. Dazu sei ein (privatrechtlicher) Vertrag geschlossen worden; jedenfalls liege ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung vor. Die vertragliche Sachmittelbeschaffung für an sich hoheitliche Tätigkeiten sei jedenfalls ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung.
Die geltend gemachten Wahlkampfkosten durch die Aufhebung und spätere Verschiebung des zweiten Wahlgangs für die Wahl zum Bundespräsidenten 2016 seien nicht nutzlos geworden und stellten daher keinen Schaden im Sinn der §§ 1295 ff ABGB dar. Außerdem sei das bloße Vermögen der Klägerinnen nicht vom Schutzbereich jener Vorschriften, die die Durchführung einer Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten regeln, mitumfasst.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang keine Entscheidung zur Kategorisierung von Aufwendungen für eine aufgehobene bzw verschobene Wahl und zum Schutzzweck der Bestimmungen, die die Durchführung einer bundesweiten Wahl regeln, getroffen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von den Klägerinnen erhobene – von der Beklagten beantwortete – Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Die von den Klägerinnen gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils wegen unterlassener Feststellungen zu den getätigten Werbemaßnahmen und deren Wirkungen ist im Hinblick auf die schon dem Grunde nach fehlende Ersatzpflicht der Beklagten aus rechtlichen Gründen nicht relevant. Sekundäre Feststellungsmängel im Hinblick auf die behauptete „rechtsgeschäftliche Sonderbeziehung“ zwischen ihnen und Ing. Hofer und weitere Sachverhaltsfeststellungen liegen ebenfalls nicht vor (dazu unter 5.).
2. Eine Wahlkampfkostenrückerstattung anlässlich einer Bundespräsidentenwahl ist nicht vorgesehen, sodass die Kandidaten – und deren Unterstützer – den Wahlkampf nicht nur in erheblichem Maß selbst vorfinanzieren, sondern gänzlich selbst finanzieren müssen (vgl Zögernitz/Lenzhofer, Politische Parteien – Recht und Finanzierung [2013], § 24a BPräsWG Rz 2; so bereits zur früheren Rechtslage Mehlhorn, Der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich [2010], 265 f, 339; Balthasar, Baustelle Bundespräsident: Legistischer Reformbedarf rund um das Amt des Bundespräsidenten, in FS Klecatsky zum 90. Geburtstag [2010], 26 [53]). Die mangelnde Einbeziehung der Bundespräsidentenwahlen in den früheren § 2a PartG 1975 (idF vor dem Parteiengesetz 2012, BGBl I 2012/56), der einen Wahlwerbungskosten‑Beitrag bei Wahlen zum Nationalrat vorgesehen hatte, wurde damit erklärt, dass das Amt des Bundespräsidenten in besonderer Weise als „über den Parteien“ stehend aufgefasst und demgemäß eine Refundierung diesbezüglicher Wahlwerbungskosten an einzelne „politische Parteien“ als in besonderem Maße deplatziert empfunden wurde (Balthasar aaO 55 mwN). Diese Beurteilung muss auch für die aktuelle Rechtslage gelten. Daraus folgt auch, dass politischen Parteien im Zusammenhang mit der Finanzierung von Werbemaßnahmen bei einer Bundespräsidentenwahl keine andere Stellung zukommt als sonstigen Unterstützern und Spendern im Sinn des § 24a Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl 1971/57 idF BGBl I 2012/58 (kurz: BPräsWG).
Mit BGBl I 2012/58 wurde § 24a BPräsWG eingefügt. Die dortigen Ergänzungen dienen einer – den Besonderheiten der Wahlen zum Bundespräsidenten angemessen Rechnung tragenden – Angleichung an das in den §§ 6 und 7 des PartG 2012 vorgesehene System der Offenlegung von Spenden, Sponsoring und Inseraten einerseits sowie der Einführung identer Bestimmungen über einzelne Spendenverbote (vgl § 24a Abs 5; Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses 1846 BlgNR 24. GP 1). § 24a Abs 1 BPräsWG sieht bei der Bundespräsidentenwahl eine Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben vor. Nach dieser Bestimmung darf jeder Wahlwerber für das Amt des Bundespräsidenten für die Wahlwerbung maximal 7 Mio EUR aufwenden. In diese Summe sind auch Ausgaben von natürlichen Personen und Personengruppen, die einen Wahlwerber für das Amt des Bundespräsidenten unterstützen – und dabei auch Spenden im Sinn des § 2 Z 5 PartG 2012 sammeln („annehmen“) können (§ 24a Abs 2 BPräsWG) –, einzurechnen.
§ 24a BPräsWG enthält Regelungen zu Spenden, Einnahmen aus Sponsoring und zu Inseraten in Medien. Nach § 24a Abs 2 leg cit können Wahlwerber für den Wahlkampf Spenden im Sinn des § 2 Z 5 PartG 2012 annehmen und haben diese nach Maßgabe der dort genannten Bestimmungen anzugeben. Spende ist in diesem Sinn jede Zahlung, Sachleistung oder „lebende Subvention“, die natürliche oder juristische Personen einem Wahlwerber freiwillig und ohne entsprechende Gegenleistung gewähren (§ 2 Z 5 PartG 2012; Bericht des Verfassungsausschusses 1844 BlgNR 24. GP 3). Nach § 24a Abs 5 Z 10 leg cit dürfen unter anderem Wahlwerber keine Spenden von natürlichen oder juristischen Personen annehmen, die erkennbar und in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteils eine Spende gewähren wollen. Solche unzulässigen Spenden sind gemäß Abs 9 leg cit vom Wahlwerber unverzüglich, spätestens binnen drei Monaten nach dem Wahltag, an den Rechnungshof weiterzuleiten, der die eingegangenen Beträge „zu Beginn“ unverzüglich an Einrichtungen weiterzuleiten hat, die mildtätigen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen.
3. Die Beschränkung der Zahl der zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen Berechtigten erfolgt aufgrund des Schutzzwecks der verletzten Normen (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Dieser stellt ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität dar. Sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung müssen vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Ohne die eingrenzende Wirkung des Schutzzwecks drohte die abzulehnende Uferlosigkeit der Haftpflicht. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist daher nur für jene verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck erfasst werden, weil die Norm zumindest auch derartige Schäden verhindern wollte. Die Fragestellung der Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen Anordnung zumindest (mit-)verfolgt wird. Nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (RS0027553 [T14]; RS0022813 [T10, T16]; RS0031143 [T7, T19, T22]).
Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen „wem immer“ schuldhaft zugeführt haben (zur einschränkenden Auslegung dieses Begriffs siehe RS0022416). Auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts gilt der allgemeine Grundsatz, dass die verletzte Vorschrift gerade auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor den schließlich eingetretenen (Vermögens‑)Nachteilen zu schützen (RS0050038 [T1]). Es muss daher geprüft werden, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert (RS0050038 [T27]) und welche dieser Interessen erfasst sind. Bei der maßgeblichen teleologischen Betrachtungsweise ist bei jeder einzelnen Norm der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinns der Vorschrift ergibt.
4.1. Die klagenden politischen Parteien begehren den Ersatz jener Beträge, die sich aus den von ihnen aufgewendeten Kosten für die Wahlwerbung für die „Stichwahl“ vom 22. 5. 2016 sowie aus den aufgewendeten Kosten im Zusammenhang mit dem für den 2. 10. 2016 festgesetzten Wahltermin ergeben. Sämtliche in Bezug auf diese beiden Wahltermine aufgewendeten Kosten seien – so ihr Vorbringen – frustriert, weil aufgrund der Ungültigerklärung des Wahlgangs vom 22. 5. 2016 sowie der Verschiebung des Wahltermins vom 2. 10. 2016 deren geplante und gewollte Wirkung, nämlich die Wähler zu überzeugen, den Kandidaten Ing. Norbert Hofer zu wählen, letztlich „vollkommen zunichte“ gemacht worden sei; die Werbeausgaben hätten für den letzten Wahltermin keinen Zweck mehr erfüllt, weil die Aussagen über die Argumente des Kandidaten bereits aus dem Gedächtnis der Menschen entschwunden seien. Die aufgewendeten Beträge seien aufgrund von rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten (von Organen) der Beklagten frustriert. Durch die Wahlwiederholung und die Wahlverschiebung habe sich eine den übertretenen Normen „(§§ 12 und 13 sowie §§ 5a, 10 und 14a BPräsWG und Art 60 B‑VG) zugrundeliegende Gefahr“ verwirklicht. Wenn der ihnen durch rechtswidriges schuldhaftes Handeln der Organe der Beklagten entstandene Schaden „als nicht ersatzfähig beurteilt würde, wäre der Fortbestand einer lebendigen Demokratie in hohem Maße gefährdet“.
4.2. Die klagenden politischen Parteien machen Rechtswidrigkeiten durch die im Rahmen des Vollzugs der zuletzt genannten Bestimmungen fehlerhaft erfolgten Vorgangsweisen geltend und behaupten, dass sie mit ihrem Interesse an einer Nachhaltigkeit der finanzierten Wahlwerbung vom Schutzzweck dieser Bestimmungen erfasst wären. Das ist nicht der Fall:
§ 5a BPräsWG in der anzuwendenden Fassung BGBl I 2015/158 enthält Bestimmungen zur Ausstellung einer Wahlkarte. Abs 6 leg cit regelt die Details der Gestaltung und physischen Beschaffenheit der Wahlkarten: Demnach ist die Wahlkarte als verschließbarer Briefumschlag herzustellen. Durch entsprechende technische Vorkehrungen ist dabei sicherzustellen, dass die den Wahlberechtigten betreffenden persönlichen Daten, insbesondere dessen Unterschrift, vor Weiterleitung an die Bezirkswahlbehörde durch eine verschließbare Lasche abgedeckt sind und dass es nach Verschließen der Wahlkarte durch entsprechende Perforation möglich ist, die persönlichen Daten des Wählers sowie dessen eidesstattliche Erklärung bei der Bezirkswahlbehörde sichtbar zu machen, ohne dass dadurch die Wahlkarte bereits geöffnet wird. Dabei ist das Anbringen eines „Barcodes“ oder „QR‑Codes“ durch die Gemeinde zulässig. Die Wahlkarten‑Formulare sind den für die Ausstellung der Wahlkarten zuständigen Behörden aufgrund einer regelmäßig durchzuführenden Bedarfserhebung in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen.
Wird dem Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte stattgegeben, sind dem Wahlberechtigten gemäß § 5a Abs 7 BPräsWG neben der Wahlkarte auch ein amtlicher Stimmzettel gemäß § 11 Abs 2 leg cit und ein verschließbares weißes Wahlkuvert auszufolgen.
Das Wahlrecht kann gemäß § 10 Abs 2 BPräsWG in der maßgeblichen Fassung BGBl I 2015/158 von jenen Wählern, denen entsprechend § 5a leg cit Wahlkarten ausgestellt wurden, in jedem Wahllokal oder im Weg der Übersendung der verschlossenen Wahlkarte an die zuständige Bezirkswahlbehörde ausgeübt werden (Briefwahl). § 10 Abs 3 BPräsWG regelt die Ausübung des Wahlrechts mittels Briefwahl: Hiezu hat der Wähler den von ihm ausgefüllten amtlichen Stimmzettel in das Wahlkuvert zu legen, dieses zu verschließen und in die Wahlkarte zu legen. Sodann hat er auf der Wahlkarte durch eigenhändige Unterschrift eidesstattlich zu erklären, dass er den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Anschließend hat er die Wahlkarte zu verschließen.
Eine zur Stimmabgabe mittels Briefwahl verwendete Wahlkarte, die aus welchem Grund auch immer nicht ordnungsgemäß verschlossen ist, ist eine mit Nichtigkeit behaftete Wahlkarte (§ 10 Abs 5 Z 8 BPräsWG; Initiativantrag 1814/A BlgNR 25. GP 7).
§ 12 BPräsWG in der Fassung BGBl I 2010/13 enthält Regelungen, wann der Stimmzettel gültig ausgefüllt ist, und § 13 leg cit solche über die Ungültigkeit des Stimmzettels.
Am Tag nach der Wahl, 9:00 Uhr, prüft der Bezirkswahlleiter gemäß § 14a Abs 1 BPräsWG in der Fassung BGBl I 2015/158 unter Beobachtung durch die anwesenden Beisitzer die im Weg der Briefwahl bis zum Wahltag, 17:00 Uhr, eingelangten sowie die allenfalls gemäß § 70 Abs 3 NRWO (Nationalratswahlordnung) von den örtlichen Wahlbehörden entgegengenommenen und an die Bezirkswahlbehörde weitergeleiteten Wahlkarten, gleichgültig in welchem Stimmbezirk diese ausgestellt worden sind, auf die Unversehrtheit des Verschlusses sowie auf Sichtbarkeit der Daten und der Unterschrift des Wählers. Anschließend prüft er, ob die auf den Wahlkarten aufscheinenden eidesstattlichen Erklärungen (§ 10 Abs 3 BPräsWG) vorliegen. Wahlkarten, die eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllen, dürfen in die Ergebnisermittlung nicht miteinbezogen werden. Danach öffnet der Bezirkswahlleiter die Wahlkarten, entnimmt die darin enthaltenen miteinzubeziehenden Wahlkuverts und legt diese in ein hiefür vorbereitetes Behältnis. Wahlkarten, bei denen ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 10 Abs 5 Z 2 bis 7 BPräsWG vorliegt, dürfen in die Ergebnisermittlung ebenfalls nicht miteinbezogen werden; dies ist etwa der Fall, wenn die Wahlkarte kein Wahlkuvert enthält (§ 10 Abs 5 Z 2 leg cit) oder die Wahlkarte für den zweiten Wahlgang nur ein anderes oder mehrere andere als das beige‑farbene Wahlkuvert enthält (§ 10 Abs 5 Z 4 leg cit). Nicht miteinzubeziehende Wahlkarten sind dem Wahlakt unter Verschluss beizufügen. Die Gründe für das „Nicht‑Miteinbeziehen“ der Wahlkarten sind in einer Niederschrift festzuhalten.
Nach gründlichem Mischen der miteinzubeziehenden Wahlkuverts hat die Bezirkswahlbehörde diese zu öffnen, die amtlichen Stimmzettel zu entnehmen, deren Gültigkeit zu überprüfen, die ungültigen amtlichen Stimmzettel mit fortlaufender Nummer zu versehen und für die mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen entsprechend § 14 Abs 1 oder 2 BPräsWG – etwa die Zahl der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen – festzustellen.
§ 14a Abs 1, 2 und 3 BPräsWG sehen Niederschriften vor, die den Wahlakt der Bezirkswahlbehörde bilden (§ 14a Abs 4 leg cit) und der Dokumentation der Überprüfung der mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen und der Feststellung der ermittelten Ergebnisse dienen (VfGH [1. 7. 2016] W I 6/2016 Rz 120 = VfSlg 20.071).
Nach Art 60 Abs 1 Satz 1 B‑VG wird der Bundespräsident vom Bundesvolk aufgrund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechts der zum Nationalrat wahlberechtigten Männer und Frauen gewählt.
4.3. Wahlrechtsbestimmungen, wie insbesondere der die Auszählung der mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen regelnde § 14a BPräsWG, dienen insgesamt dem Ziel, die Stimmabgabe zweifelsfrei zu dokumentieren und damit verbundene Unklarheiten möglichst zu beseitigen sowie eine nachvollziehbare Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wahlparteien [bzw Kandidaten] und die Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens, insbesondere auch anlässlich einer Wahlanfechtung, sicherzustellen (VfGH [1. 7. 2016] W I 6/2016 Rz 179 mwN). Jene Wahlvorschriften, die die Auszählung der Wahlkartenstimmen durch die kollegial zusammengesetzte Wahlbehörde regeln, sind Formvorschriften, die dazu dienen, Manipulationen und Missbräuche im Zusammenhang mit der Briefwahl auszuschließen (R. Müller, „… und auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte“ – Gedanken über einen Auslegungsstreit, in FS Holzinger [2017], 581 [597]). So regelt speziell § 14a BPräsWG die Vorgangsweise der Wahlbehörde bei der Auszählung der mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen und dient damit unmittelbar der Einhaltung der Wahlgrundsätze (vgl Art 60 Abs 1 B‑VG) und der Vermeidung von Manipulationen und von Missbräuchen (VfGH aaO Rz 504). Nichts anderes kann auch für die Überprüfung und Kontrolle der physischen Beschaffenheit der Wahlkarten gelten (vgl § 5a Abs 6 BPräsWG), die ganz maßgeblich der Sicherung der geheimen Wahl dient. Ganz allgemein sollen die der Sicherung der Wahlgrundsätze dienenden Rechtsvorschriften auch vor Manipulationen und Missbräuchen durch den die Wahl organisierenden Staat schützen (VfGH aaO Rz 508).
Der in Art 60 Abs 1 B‑VG verankerte Grundsatz der freien Wahl zum Bundespräsidenten inkludiert das Prinzip ihrer „Reinheit“. Durch die Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung soll sichergestellt werden, dass im Ergebnis der Wahl der wahre Wille der Wählerschaft zum Ausdruck kommt (VfGH aaO Rz 522 f). Der Wähler darf in der Freiheit seiner Wahl nicht beeinträchtigt werden, weder in rechtlicher noch in faktischer Hinsicht. Dieser Freiheitsgrundsatz soll die Wähler vor staatlicher Beeinflussung schützen und nicht rein private Einflussnahmen auf ihre Wahlentscheidung hintanhalten (VfGH aaO Rz 525). Der Grundsatz der freien Wahl (Art 60 Abs 1 B‑VG), dass die politische Willensbildung dem wahren Wählerwillen entsprechen soll, kann – wie das Erkenntnis des VfGH W I 6/2016 aufzeigt – auch durch Information zur Unzeit, nämlich durch Veröffentlichung von Teilresultaten noch während der Dauer des Wahlvorgangs verletzt werden (R. Müller aaO 592). So verstieß die der Bundeswahlbehörde anlässlich des zweiten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl vom 22. 5. 2016 zuzurechnende Praxis der Veröffentlichung von Informationen über (Gesamt-)Ergebnisse vor Wahlschluss (sogenannte „Rohdaten“), wie insbesondere die Weitergabe an ca 20 ausgewählte Empfänger (vor allem Medien und Forschungsinstitute), gegen diesen Grundsatz (VfGH aaO Rz 530, 554).
4.4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass ein gesetzlich intendierter Schutz der Klägerinnen durch die Bestimmungen der „§§ 12 und 13 sowie §§ 5a, 10 und 14a BPräsWG und Art 60 B‑VG“, deren Verletzung durch Organe der Beklagten sie pauschal behaupten, nicht erkennbar ist. Ziel der Einhaltung dieser Bestimmungen ist vielmehr der Schutz und die Sicherung des Wählerwillens sowie die Umsetzung der Wahlgrundsätze der freien und geheimen Wahl. Ein Schutz politischer Parteien (oder anderer Spender) im Hinblick auf für die von ihnen unterstützten Wahlwerber aufgewendeten Kosten ist daraus nicht abzuleiten.
Auch aus ihren Darlegungen in der Revision ist nicht erkennbar, dass sie vom Schutzzweck der inkriminierten Bestimmungen erfasst wären: Ihre Behauptung, die geltend gemachten Aufwendungen seien mit frustrierten Verfahrenskosten, die in einem Gerichtsverfahren anfallen, vergleichbar, stimmt schon deshalb nicht, weil Ausgaben für Wahlwerbung durch Unterstützer mit solchen Verfahrenskosten, die den Prozessparteien – in der Regel unvermeidbar – entstehen, nichts gemeinsam haben. Warum durch das Fehlen eines Anspruchs auf Ersatz der „frustrierten“ Kosten der Wahlwerbung der „Bestand der Demokratie“ gefährdet werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Wenn die Revisionswerberinnen argumentieren, im Extremfall hätten es die Organe der Beklagten in der Hand, durch rechtswidriges Vorgehen wiederholte Wahlanfechtungen und Wahlverschiebungen zu verursachen, wobei durch die Erschöpfung der finanziellen Mittel von Wahlwerbern oder Unterstützern eine „steuerbare Verzerrung des Wählerwillens“ erfolge, übersehen sie, dass sie den Vorwurf derartiger bewusster Manipulationen gar nicht erheben; sie vermögen auch nicht zu erklären, warum die theoretische Möglichkeit solcher zielgerichteter amtsmissbräuchlicher Vorgänge dazu führen sollte, den Schutzzweck der Wahlvorschriften auch auf das behauptete „Nutzloswerden“ finanzieller Aufwendungen Dritter für Werbemaßnahmen zu erstrecken. Die Klägerinnen erkennen selbst, dass die Ernennung zum Bundespräsidenten nicht mit dem Fall eines übergangenen Bewerbers im öffentlichen Dienst vergleichbar ist (vgl zum Amtshaftungsanspruch des Letzteren RS0112461). Dennoch behaupten sie eine vergleichbare Interessenlage im Hinblick „auf die Möglichkeit der Teilnahme an einer ordnungsgemäßen Wahl und die Wahrung der dadurch gegebenen Chance nicht nur als Sieger aus der Wahl herauszugehen, sondern auch durch eine gute Platzierung einen politischen Mehrwert zu erlangen“. Durch keine der den Organen der Beklagten angelasteten Verhaltensweisen wurde aber die „Möglichkeit der Teilnahme“ des Wahlwerbers Ing. Hofer an der Wahl zum Bundespräsidenten beeinträchtigt.
Nach ihren Darlegungen soll zwar ein Wähler, der im Vertrauen auf die korrekte Durchführung der Wahl an dieser teilnahm, die Kosten für die infolge Nichtigerklärung der Wahl frustrierte Anfahrt zum Wahllokal nicht begehren können, sie selbst seien aber vom Schutz der Bestimmungen über die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl erfasst. Sie seien in „das Wahlgeschehen staatstragend eingebunden“; hätten sie als politische Parteien „nicht die Möglichkeit, sich mit Wahlvorschlag und Wahlwerbung an den Bundespräsidentenwahlen zu beteiligen, wäre die Akzeptanz des Staatsoberhaupts des Landes in Frage gestellt“. Konkrete rechtliche Überlegungen zu ihrer „staatstragenden“ Einbindung in das Wahlgeschehen lässt die Revision vermissen, ganz abgesehen davon, dass weder ihre Möglichkeit zu einem Wahlvorschlag noch zur Wahlwerbung nach den Klagsbehauptungen beeinträchtigt wurde. Ihr Vorbringen, die gegenständlich anwendbaren Bestimmungen des BPräsWG sowie des Art 60 B‑VG, die ordnungsgemäße Wahlen sicherstellen sollen und bei deren Verletzung es zu einer Wahlwiederholung kommen soll, seien „im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation einzig so“ auszulegen, dass sie als Schutznormen ausgestaltet sind und das Vermögen des Wahlwerbers und der ihn unterstützenden Gruppe von ihrem Schutzzweck erfasst sind, wird rechtlich nicht näher begründet und trifft auch nicht zu. Auf welcher methodischen Grundlage eine „verfassungskonforme Interpretation“ der Verfassungsbestimmung des Art 60 B‑VG erfolgen soll, ist nicht nachvollziehbar; umso weniger, warum ihr Interesse geschützt sein sollte, durch ihre Werbung herbeigeführte Wirkungen (den Bekanntheitsgrad des Wahlwerbers) ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
Aus dem Grundsatz des freien Wahlrechts (Art 26 Abs 1 B‑VG; Art 60 Abs 1 B‑VG) wird die Freiheit der Wahlwerbung abgeleitet. Demnach dürfen weder ein Wahlwerber noch eine Wahlpartei in ihrer wahlwerbenden Tätigkeit in sinnwidriger, dem Gedanken der demokratischen Wahl widerstrebender Weise eingeschränkt werden (G. Holzinger/K. Holzinger, Art 26 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al, Bundesverfassungsrecht, Rz 65 [2017]). Eine Einschränkung in ihrer Wahlwerbung oder die Begünstigung der Wahlwerbung des anderen Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten durch die Wiederholung und Verschiebung des zweiten Wahlgangs behaupten die Klägerinnen nicht. Sie berufen sich auf die Verletzung des demokratischen Prinzips sowie der Wahlgrundsätze, wenn der Staat im Falle einer ihm zurechenbaren Wahlwiederholung nicht für die Kosten haften würde. Durch die Wiederholung des zweiten Wahlgangs komme es dazu, dass finanzschwache Personen aus dem Wahlkampf gedrängt würden, während finanzstarke ihre Position weiterhin der Bevölkerung zugänglich machen könnten. Finanzstarke Personen haben aber – im Rahmen gesetzlicher Obergrenzen – unabhängig von einer Wahlwiederholung regelmäßig mehr finanzielle Möglichkeiten zur Wahlwerbung als finanzschwache Kandidaten. Worin hier ein Verstoß gegen den Gedanken der demokratischen Wahl oder einen der Wahlgrundsätze liegen soll, der überdies zur Einbeziehung des Vermögens der den Wahlkampf finanzierenden politischen Parteien in deren Schutzzweck führen soll, wird nicht klar und ist nicht nachvollziehbar; schon gar nicht, inwiefern die behaupteten Nachteile (Verlust der Bekanntheit) durch den Ersatz bereits aufgewendeter Finanzmittel wieder ausgeglichen werden könnten. Dass der Grundsatz des freien und gleichen Wahlrechts im Bundespräsidentenwahlkampf verletzt worden sei, führt nicht zur Einbeziehung der finanziellen Interessen der politischen Parteien in den Schutzzweck des Art 60 Abs 1 B‑VG.
5. Bei den von den klagenden politischen Parteien behaupteten Aufwendungen handelt es sich um Spenden bzw Zuwendungen im Sinn des § 24a BPräsWG an den Wahlwerber. Zuwendungen (vgl § 24a Abs 4 2. Fall BPräsWG) sind jedenfalls alle Geldflüsse von einer politischen Partei an den Wahlwerber und (weitere) ihn unterstützende Personen(‑gruppen). Solche Zuwendungen sind aber auch Kostenübernahmen oder direkt finanzierte Werbemaßnahmen von politischen Parteien, handelt es sich doch auch dabei um eine „indirekte“ Zuwendung, die dem Wahlwerber einen finanziellen Vorteil verschafft (Zögernitz/Lenzhofer aaO § 24a BPräsWG Rz 11). Spenden sind – wie oben zu 2. dargelegt – freiwillige und ohne Gegenleistung des Wahlwerbers gewährte Zahlungen, auch von politischen Parteien.
Wenn die Revisionswerberinnen im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur vermeintlichen Schadensverlagerung eine Verpflichtung des Wahlwerbers Ing. Hofer ihnen gegenüber, an der Wahlwerbung mitzuwirken, und seine Verpflichtung zur Teilnahme an allen Wahlgängen behaupten, wobei sie meinen, ein schuldhaftes Abgehen von dieser Vereinbarung oder seine Vereitelung der Wahlwerbung könnte zu Schadenersatzansprüchen gegen ihn führen, so widersprächen solche Verpflichtungen und allfällige Gegenleistungsverpflichtungen des Wahlwerbers ihnen gegenüber massiv den Wertungen des § 24a BPräsWG, wonach Zuwendungen und speziell Spenden gerade ohne Gegenleistung erfolgen sollen. Ihre Behauptung, dass es keineswegs im Belieben des Ing. Hofer gestanden wäre, sich aus dem Wahlgeschehen zurückzuziehen und dass der von ihnen vorgebrachte Vergleich (von Ing. Hofer) mit einem Arbeitnehmer zumindest im Wesenskern zutreffend sei, steht im Spannungsverhältnis dazu, dass der Bundespräsident während seiner Amtstätigkeit keinem allgemeinen Vertretungskörper angehören und keinen anderen Beruf ausüben darf (Art 61 Abs 1 B‑VG). Diese Bestimmung dient dem Zweck, im Sinne der dem Bundespräsidenten zugedachten überparteilichen und vermittelnden Stellung mögliche politische oder faktische Bindungen oder Befangenheiten, die sich aus der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper oder aus der gleichzeitigen Ausübung eines Berufs ergeben, auszuschließen (Frank in Kneihs/Lienbacher, Rill‑Schäffer‑Kommentar Bundesverfassungsrecht, Art 61 B‑VG Rz 1 [2011]; B. Raschauer, Art 61 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al, Bundesverfassungsrecht, Rz 1 [1999]). Es soll alles ausgeschlossen werden, was den Bundespräsidenten in Abhängigkeiten oder Loyalitätsbindungen aufgrund „nebenberuflicher“ Tätigkeiten bringen könnte (B. Raschauer, Art 61 B‑VG, aaO Rz 8). Gegen den Grundgedanken dieser Verfassungsbestimmung würde es aber verstoßen, wenn sich ein (später gewählter) Wahlwerber bereits im Vorfeld in ein Abhängigkeitsverhältnis zu politischen Parteien begäbe und daraus sogar Schadenersatzansprüche etwa bei allfälliger Unterlassung der Mitwirkung an Werbemaßnahmen resultieren könnten, wovon die Klägerinnen ausgehen. Eine solche (sogar Schadenersatz begründende) Verpflichtung eines Wahlwerbers könnte nach den dargelegten Wertungen nicht wirksam begründet werden und wäre sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Wahlwerber selbst Ersatzansprüche hätte, wenn er seinen Wahlkampf aus eigenen Mitteln finanziert hätte.
6. Aus dem dargelegten Regelungsinhalt des BPräsWG und des Art 60 Abs 1 B‑VG, in deren Normzweck die finanziellen Interessen der Klägerinnen nicht einbezogen sind, leitet sich ab, dass sie nicht erfolgreich ihre behaupteten frustrierten Aufwendungen für das Führen eines Bundespräsidentenwahlkampfs gegenüber der Beklagten im Wege der Amtshaftung geltend machen können. Dies gilt auch für die von ihnen begehrten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem für den 2. 10. 2016 festgesetzten Wahltermin, dessen Verschiebung durch eine Entscheidung des (Verfassungs‑)Gesetzgebers erfolgte (§ 26b BPräsWG).
7. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 46 Abs 1 iVm § 50 ZPO. Die Klägerinnen haften für die Kosten der Revisionsbeantwortung als formelle Streitgenossen grundsätzlich nur nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Rechtsstreit (RS0125635 [T1]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)