OGH 1Ob211/51

OGH1Ob211/5128.3.1951

SZ 24/84

Normen

ABGB §833
ABGB §835
ABGB §833
ABGB §835

 

Spruch:

Streitigkeiten zwischen Miteigentümern zur Hälfte gehören, wenn dem einen Miteigentümer das Fruchtnießungsrecht an der anderen Hälfte zusteht, auf den Rechtsweg, wenn die Miteigentümer sich über die dem anderen Miteigentümer während der Dauer der Fruchtnießung zustehenden Rechte nicht zu einigen vermögen.

Außerstreitverfahren in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung bei Stimmengleichheit?

Entscheidung vom 28. März 1951, 1 Ob 211/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Der Antragsteller ist der Stiefsohn des Antragsgegners. Beide Teile sind Miteigentümer je zur Hälfte der Liegenschaften EZ. 4 und 56 Kat.-Gem. N.graben. Laut Erbübereinkommen vom 27. August 1947 steht dem Antragsgegner an der dem Antragsteller gehörigen Hälfte der genannten Liegenschaften das lebenslängliche, unentgeltliche Fruchtgenußrecht zu. Antragsteller ist nach diesem Abkommen verpflichtet, in der übernommenen Wirtschaft zu verbleiben und in dieser Wirtschaft nach den Anordnungen seines Stiefvaters mit seiner Familie sämtliche Arbeiten in ortsüblicher Weise gut zu besorgen, wofür ihm, seiner Frau und seinen ehelichen Kindern nach ortsüblicher Gepflogenheit in der Wirtschaft der volle Unterhalt gemäß § 672 ABGB. und ein den Verhältnissen entsprechendes monatliches Taschengeld gebührt.

Da der Antragsteller mit seinem Stiefvater und seinem Halbbruder Franz W. wegen der ihm zustehenden Wohn- und Mitbenützungsrechte in Streit geraten ist, so hat er beim Außerstreitrichter gemäß §§ 833, 835 ABGB. den Antrag gestellt, die Ausübung der ihm aus dem Miteigentumsrecht an der Liegenschaft EZ. 4 Kat.Gem. N.graben zukommenden Rechte in der Weise zu regeln, daß dem Antragsgegner aufgetragen werde, ihm das bisher von Frau Wilhelmine W. benützte Zimmer im ersten Stock zu Wohnzwecken unentgeltlich einzuräumen, ebenso einen entsprechenden Raum in der Speisekammer, einen Gemüsegarten und einen Erdäpfelacker sowie im Stallgebäude einen Platz zur Unterbringung von zwei Schweinen und Hühnern zur Verfügung zu stellen.

Das Erstgericht hat dem Antragsteller das Zimmer, auf das er Anspruch erhebt, zugesprochen, im übrigen aber den Antrag abgewiesen. Dagegen haben beide Teile Rekurs erhoben.

Das Rekursgericht hat den Antrag zur Gänze abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, daß eine Regelung der Ausübung der Miteigentumsrechte im Außerstreitverfahren nicht in Frage komme, weil das Fruchtgenußrecht des Antragsgegners entgegenstehe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was den abändernden Teil des Beschlusses anbelangt, so mag es dahingestellt bleiben, ob bei gleichteiligem Miteigentum überhaupt eine Regelung der Ausübung der Nutzungsrechte zwischen den Miteigentümern möglich ist. Der Wortlaut des § 833 ABGB. spricht jedenfalls dagegen (so die bei Foramiti, Codice civile II/2, S. 1166 angeführten, bei Zini, Giurisprudenza practica XXVIII/159, abgedruckten Konformatentscheidungen; ferner die Entscheidungen RZ. 1933, S. 42; ZBl. 55, 512). Aber auch wenn man sich der gegenteiligen, vom Rekursgericht vertretenen Auffassung anschließt, daß § 835 ABGB. auch bei Stimmengleichheit auf den Fall der ordentlichen Verwaltung erstreckt werden dürfe, kann der Anschauung des Erstgerichtes nicht beigetreten werden, daß der Außerstreitrichter im vorliegenden Fall berechtigt ist, einzuschreiten.

Wie das Rekursgericht richtig ausführt, ist für den Antragsgegner das Fruchtnießungsrecht an der Liegenschaftshälfte des Antragstellers einverleibt; er kann sich daher auf sein Miteigentumsrecht nicht berufen, weil er dieses während der Dauer der Fruchtnießung nicht ausüben darf. Wenn ihm im Erbübereinkommen besondere Rechte an der Liegenschaft eingeräumt worden sind, so stehen diese mit dem Fruchtnießungsrecht im Widerspruch und bilden einen besonderen Rechtstitel, der nur im Rechtswege geltend gemacht werden kann. Der Außerstreitrichter darf nur die sich aus dem Miteigentumsrecht selbst nach dem Gesetz ergebenden Rechte regeln. Haben die Parteien über diese Rechte einen Vertrag geschlossen, dessen Auslegung strittig ist, so gehört die Sache auf den Rechtsweg.

Die rekursgerichtliche Entscheidung war daher zu bestätigen, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob das Rekursgericht nicht, statt abzuweisen, richtiger das Verfahren hätte für nichtig erklären und die Sache formell auf den Prozeßweg verweisen sollen.

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