OGH 1Ob206/57

OGH1Ob206/5723.10.1957

SZ 30/63

Normen

ABGB §861
ABGB §1152
ABGB §1165
ABGB §1170
ABGB §861
ABGB §1152
ABGB §1165
ABGB §1170

 

Spruch:

Zur Frage der Entgeltlichkeit eines Kostenvoranschlages; Abgrenzung:

Kostenvoranschlag - Offerte.

Entscheidung vom 23. Oktober 1957, 1 Ob 206/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Der Kläger, ein Baumeister, wurde vom Erstbeklagten, einem Pensionsinhaber, telephonisch zur Besichtigung seines Hauses eingeladen, weil eine "Aufstockung", beabsichtigt sei. Nach Besichtigung riet der Kläger dem Erstbeklagten und seiner Gattin, der Zweitbeklagten, von diesem Vorhaben ab. Die Parteien sprachen über die Verwandlung der Veranda in zwei Zimmer, ferner auch darüber, daß auch ein "Zubau" gemacht werden könnte. An Ort und Stelle fertigte der Kläger eine kleine Skizze an, nachdem er die Veranda ausgemessen hatte. Auf Befragen der beklagten Parteien meinte er, der "Umbau der Veranda" könnte ungefähr 20.000 S kosten. Diese Angaben über die beiläufige Baukostensumme schienen den Beklagten zu wenig aufschlußreich. Sie verlangten vom Kläger einen schriftlichen Kostenvoranschlag. Der Kläger sagte zu, am nächsten Samstag (in einer Woche) den Kostenvoranschlag zu bringen. Er erschien rechtzeitig bei den Beklagten, jedoch ohne Kostenvoranschlag, dies mit der Begründung, er sei damit nicht fertig geworden. Kurz darauf verlangten die Beklagten vom Kläger telephonisch den Kostenvoranschlag, und zwar für den "Zubau". Darauf arbeitete der Kläger an zwei Tagen (Samstag, Sonntag) Kostenvoranschläge aus, und zwar für die Veranda und für den Zubau. Beide Teile ließen voneinander nichts hören, bis gegen Jahresende die Beklagten durch einen anderen Baumeister Arbeiten durchführen ließen. Das Erstgericht stellte noch fest, daß nach der Absicht des Klägers und nach dem Verlangen der Beklagten seine erste Auskunftserteilung (diese war nach der Aussage des Klägers am 21. August 1954) unverbindlich und kostenlos gewesen sei. Der Kläger teilte den Beklagten vor Anfertigung des Kostenvoranschlages für den "Zubau" nicht mit, daß er dafür ein Entgelt verlangen werde. Es war aber auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart worden.

Das Erstgericht erschloß den Rechtsbestand des Klageanspruches aus der Bestimmung des § 1152 ABGB., da die Beklagten beim Kläger einen Kostenvoranschlag "bestellt" hätten, wobei über die Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers nichts gesprochen und somit über diese Frage nichts vereinbart worden sei. Ziffernmäßig besteht über die zugesprochene Entlohnung von 1854 S samt Zinsen kein Streit.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien Folge und wies das Klagebegehren - ohne das Beweisverfahren zu wiederholen - ab. Es fand die Berufung schon aus rechtlichen Gründen begrundet und war der Ansicht, daß das Verlangen und das Legen eines Kostenvoranschlages der Natur der Sache nach nur unverbindlich und nicht zu vergüten gewesen sei und die Verhandlungen der Streitteile lediglich auf die Erstellung eines Vertragsanbotes hinausgelaufen seien. Es stützte sich im wesentlichen auf die Entscheidung SZ. X 352, woraus es den Satz entnahm, daß als Regel anzunehmen sei, daß derjenige, der einen Bau zu vergeben habe und Interessenten zum Wettbewerb einlade, nicht daran denke, daß er die Bewerber für die mit ihrer Offerte allenfalls verbundenen Arbeiten zu entlohnen habe. Deshalb bestehe auch im vorliegenden Falle der Anspruch des Klägers nicht zu Recht; er könne auch nicht auf einen Werkvertrag und somit auf § 1152 ABGB. gestützt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es muß dem Revisionswerber zugegeben werden, daß der vom Berufungsgerichte herangezogenen Entscheidung SZ. X 352 hier keine Bedeutung zukommt. Es handelt sich nach den Feststellungen im vorliegenden Falle um keine Beteiligung an einem freiwilligen Wettbewerb, woraus folgen würde, daß der Kläger, wenn der Wettbewerb zu seinen Ungunsten ausfiele, nichts für seine Vorarbeiten verlangen dürfe.

Der Entscheidung des Berufungsgerichtes kann jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis beigepflichtet werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war sowohl bei der ersten Unterredung am 21. August 1954 als auch bei der zweiten Unterredung vom 28. August 1954 vom "Umbau" der Veranda und vom "Zubau" die Rede. Die Parteien sprachen nach den Feststellungen des Erstgerichtes einmal mehr vom "Umbau" und dann wieder (in derselben Unterredung) mehr vom "Zubau". Dazu kommt, daß, wie das Erstgericht gleichfalls als erwiesen angenommen hat, bald nach der Unterredung vom 28. August 1954, offenbar schon am nächsten Tag, die Zweitbeklagte vom Kläger telephonisch einen Kostenvoranschlag über den "Zubau" verlangte. Das Erstgericht hat festgestellt, daß der Kostenvoranschlag für den "Umbau" der Veranda nach dem Willen beider Parteien unentgeltlich sein sollte. Auch das Berufungsgericht hat im Falle des "Umbaues" der Veranda im gleichen Sinne entschieden wie das Erstgericht, ohne dessen Feststellungen ausdrücklich zu seinen eigenen zu machen.

Anders im Falle des Kostenvoranschlages für den "Zubau". Hier hat das Berufungsgericht - entgegen den Feststellungen des Erstgerichtes - aus rechtlichen Gründen Unentgeltlichkeit angenommen. Dieser Ansicht ist im konkreten Falle beizupflichten, zumal ja der Kläger aus den Reden der Beklagten wissen mußte, daß die Beklagten für den Kostenvoranschlag des "Umbaues" nichts bezahlen wollten. Dies um so mehr, als, wie im Urteil des Berufungsgerichtes erwähnt wird, die Zweitbeklagte im Telephongespräch unmittelbar nach dem 28. August 1954 dem Kläger mitgeteilt hat, daß sie (Zweitbeklagte) "zur Konkurrenz gehen", also von einem anderen Baumeister einen Kostenvoranschlag einholen werde, wenn er (der Kläger) den Kostenvoranschlag bis zu einem bestimmten Montag erstatten (richtig nicht erstatten) würde. Gerade diese Äußerung der Zweitbeklagten, die der Kläger in seiner Parteienaussage wiedergegeben hat, berechtigte das Berufungsgericht, auch für das "Zubau"-Projekt schlüssigerweise ein an sich unentgeltliches Offert anzunehmen und nicht einen Kostenvoranschlag als eine besonders bestellte Arbeit, die die Parteien zum Gegenstande eines zwischen ihnen geschlossenen Vertrages gemacht haben. Hiezu sei darauf verwiesen, daß Hellmann in JBl. 1888 S. 402 in der Abhandlung "Kostenüberschlag und Werkvertrag nach österreichischem Rechte" den Kostenvoranschlag als eine von einem Sachverständigen verfaßte Zergliederung einer bestimmten Herstellung oder Werkerrichtung nach den hauptsächlichen erforderlichen Leistungen nebst der beiläufigen Berechnung der Kosten dieser Arbeit definiert. Hellmann meint auch, "daß mit einem Kostenvoranschlag regelmäßig, aber durchaus nicht grundsätzlich und begrifflich notwendig, das Offert verbunden ist, die dargestellte Arbeit um die berechnete Preissumme herzustellen". Daß bei einem Ersuchen um eine Offerte diese selbst - und zwar als selbständige Arbeit - nicht zu honorieren ist, ist in der Literatur und Judikatur unbestritten. Auf Grund der offenkundig seiner Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen der ersten Instanz gelangte das Berufungsgericht daher mit Recht zu dem Ergebnis, daß im gegenständlichen Falle die Aufforderung, "einen Kostenvoranschlag vorzulegen", nichts anderes als eine Einladung zu offerieren war. Diese Ansicht des Berufungsgerichtes führt denkrichtig zur rechtlichen Gleichbehandlung der Kostenvoranschläge, sowohl im Falle des "Umbaues" der Veranda (selbst nach der Behauptung des Klägers unentgeltlichÜ) als auch im Falle des "Zubaues". Schließlich muß dem Berufungsgerichte darin beigepflichtet werden, wenn es den selbständigen Wert des prozeßgegenständlichen Voranschlages auf Seite der beklagten Parteien verneint. Ein selbständiges Werk für den Besteller wird meistens in "Zeichnungen" und "Grundrissen" zu erblicken sein, nicht aber - wie im vorliegenden Falle - in bloßen Kostenvoranschlägen über den "Zubau" zu einem Haus.

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