OGH 1Ob2018/96p

OGH1Ob2018/96p11.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Josef Toth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Helmut Winkler, Dr.Otto Reich-Rohrwig, Dr.Udo Elsner und Dr.Alexander Illedits, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000,- -) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30.August 1995, GZ 6 R 530/95-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.Jänner 1995, GZ 21 Cg 453/94-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 27.4.1994 erwarb die klagende Partei 593/1444-Anteile einer im Eigentum der beklagten Partei stehenden Liegenschaft. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, daß die klagende Partei als Käuferin berechtigt sei, „die Steigleitungen für Strom, Wasser und Gas sowie die Entsorgungsleitungen auf eigene Kosten zur Ver- und Entsorgung der herzustellenden Bestandobjekte zu verlängern“. Die Verkäuferin sollte diese Arbeiten, sofern dies notwendig sein sollte, mit den Mietern und sonstigen Nutzern des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses abstimmen. Für aus unvermeidbaren oder kurzzeitigen Störungen resultierende Ansprüche verpflichtete sich die beklagte Partei, die klagende Partei schad- und klaglos zu halten. Ausdrücklich wurde folgende Vereinbarung getroffen:

„Sollte aus technischen Gründen eine Verlängerung der Ver- und Entsorgungsleitungen nicht möglich sein, sondern sollten diese neu verlegt werden müssen, so ist die Käuferin berechtigt, diese Arbeiten durchführen zu lassen. Die hiefür entstehenden Kosten werden im Verhältnis der Miteigentumsanteile der Kaufvertragsparteien gedeckt.“

Die Kaufvertragsparteien hielten weiters im Kaufvertrag fest, daß eine andere Gesellschaft mbH mit Kaufvertrag vom 12.3.1993 44/1444-Anteile an der Liegenschaft erworben habe. Mit diesen Miteigentumsanteilen sollte Wohnungseigentum an einer Wohnung untrennbar verbunden sein. Die genannte Gesellschaft sei dem Vertrag auf Seite der Verkäuferin zum Zeichen ihres Einverständnisses beigetreten und habe sich verpflichtet, in Ansehung der vertraglichen Bestimmungen über die Bauführung der Käuferin diesen Vertrag wie die Verkäuferin zu erfüllen.

Die klagende Partei begehrte letztlich die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, der klagenden Partei 851/1444-Anteile jener Kosten zu ersetzen, die die klagende Partei für die Herstellung der Ver- und Entsorgungsleitungen im Zuge der Aufstockung des Dachgeschoßausbaues der Liegenschaft aufwenden müsse; hilfsweise beantragte sie, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, S 218.896,-- samt 5 % Zinsen seit 30.9.1994 zu bezahlen. Sie brachte vor, es habe sich herausgestellt, daß eine Verlängerung der Ver- und Entsorgungsleitungen technisch nicht möglich sei, sodaß jedenfalls eine Kostenbeteiligung der beklagten Partei als Verkäuferin zum Tragen komme. Die zwischen den Streitteilen geführten Vergleichsgespräche seien gescheitert, weil die beklagte Partei erklärt habe, lediglich dann zur anteiligen Kostenübernahme bereit zu sein, wenn die notwendigen Bauarbeiten von den von ihr selbst beauftragten Unternehmen durchgeführt würden. Im Hinblick darauf habe die klagende Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß die Haftung für die anteiligen Kosten, die die klagende Partei für die Verlängerung der Ver- und Entsorgungsleitungen aufwenden müsse, die beklagte Partei treffe.

Die beklagte Partei wendete ein, die von der klagenden Partei behauptete Verpflichtung sei überhaupt nicht strittig. Lediglich über die Höhe der sich aus dieser Haftung ergebenden Kosten bestehe Streit, weil beide Seiten Angebote eingeholt hätten und die Angebotssummen wesentlich differierten. Ein rechtliches Interesse der Klägerin am Einbringen der Feststellungsklage bestehe nicht, weil die Klage nur der Feststellung einer Tatsache, nicht aber der Feststellung von Rechtsverhältnissen oder Rechten diente. Der Text des Klagebegehrens sei im wesentlichen mit dem unstrittigen Vertragstext ident, sodaß es der klagenden Partei freistehe, die vertragliche Verpflichtung der beklagten Partei im Klageweg geltend zu machen. Letztere habe keine Veranlassung zur Klage gegeben; sie habe nur darauf hingewiesen, daß die von der klagenden Partei als voraussichtlich angenommenen Kosten einem seriösen Kostenvoranschlag entspringen müßten, der Anspruch selbst sei nicht bestritten worden. Die beklagte Partei bestreite allerdings, für 851/1444-Anteile der Kosten zu haften, weil der klagenden Partei schon zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Kaufvertrags bewußt gewesen sei, daß die dem Kaufvertrag beigetretene Gesellschaft 44/1444-Anteile an der Liegenschaft erworben habe. Daraus ergebe sich, daß die beklagte Partei nur in geringerem Ausmaß hafte. Der klagenden Partei hätte aufgrund der vertraglichen Regelung die nötigen Arbeiten durchführen lassen und die hiefür auflaufenden Kosten im Wege einer Leistungsklage von der beklagten Partei einfordern können.

Die klagende Partei replizierte, die beklagte Partei sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages Alleineigentümerin der Liegenschaft gewesen. Die beigetretene Gesellschaft sei wirtschaftlich der beklagten Partei zuzurechnen. Durch die Übertragung von Miteigentumsanteilen sei die beklagte Partei nicht von der von ihr ausdrücklich übernommenen Vertragspflicht befreit worden. Im Hinblick auf den Einwand, daß bereits ein Leistungsbegehren möglich sei, fügte die klagende Partei ein Leistungsbegehren an, das sie rechnerisch aus den sich aus Kostenvoranschlägen ergebenden Anbotssummen ermittelte. Gegen dieses Leistungsbegehren wendete die beklagte Partei ausdrücklich mangelnde Fälligkeit ein.

Das Erstgericht wies sowohl das Feststellungs- wie auch das hilfsweise gestellte Leistungsbegehren ab. Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags sei die Berechtigung der klagenden Partei gewesen, die Liegenschaft aufzustocken und auf eigene Kosten neue, zusätzliche Wohnungen zu errichten. Die beklagte Partei habe sich als Verkäuferin verpflichtet, dem Ausbau zuzustimmen. Es habe sich herausgestellt, daß die ursprünglich geplante Verlängerung der Versorgungsleitungen aus technischen Gründen nicht möglich sei, sodaß zur Durchführung des Dachbodenausbaus sämtliche Leitungen erneuert werden müßten. Die klagende Partei habe versucht, eine schriftliche Vereinbarung mit der beklagten Partei bzw. der beigetretenen Gesellschaft über die weitere Vorgangsweise, insbesondere die Höhe der Kosten der Erneuerung, zu erlangen, und habe zu diesem Zweck Kostenvoranschläge eingeholt. Die beklagte Partei habe sich nicht bereit erklärt, die in diesen Voranschlägen genannten Kosten der Höhe nach zu akzeptieren, weil sie ihrerseits Kostenvoranschläge eingeholt habe. Daraufhin habe die klagende Partei angekündigt, die notwendigen Arbeiten im Sinne der von ihr eingeholten Kostenvoranschläge in Auftrag zu geben und die Beklagte dem Vertrag entsprechend zu belasten. Eine Feststellung dahin, ob die beigetretene Gesellschaft der Kaufvereinbarung zwischen den Streitteilen wirksam beigetreten sei bzw. wann sie von der beklagten Partei weitere Liegenschaftsanteile erworben habe, sei nicht möglich.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht erster Instanz aus, die klagende Partei begehre weder die Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses, sodaß ihr ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung der beklagten Partei nicht zuzubilligen sei. Die Rechtsstellung der klagenden Partei sei durch das Verhalten der beklagten Partei in keiner Weise gefährdet oder erschüttert worden; eine Feststellungsklage sei nicht geeignet, die wirtschaftlichen Risken der klagenden Partei wegen der Kostentragung zu beseitigen. Ein dem Feststellungsbegehren stattgebendes Urteil spräche nichts anderes aus, als ohnehin schon vertraglich zwischen den Streitteilen festgelegt sei. Dem Eventualbegehren komme keine Berechtigung zu, weil das Leistungsbegehren der Klägerin nicht fällig sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Hauptbegehrens S 50.000,-- übersteige; die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Die klagende Partei behaupte, bei Durchführung der von ihr beantragten Beweise wäre die Feststellung möglich gewesen, daß die beklagte Partei nicht nur die Höhe ihrer Kostenhaftung, sondern die Verpflichtung zur Kostentragung überhaupt mit der Begründung bestritten habe, daß sie nur die Kosten der Werkleistungen der von ihr selbst beauftragten Professionisten anteilig zu tragen habe. Diese Tatsachenbehauptung sei nicht rechtserheblich und daher nicht beweisbedürftig. Das Gericht erster Instanz habe seine Prozeßleitungspflicht nicht verletzt, weil es das Eventualbegehren der klagenden Partei mangels Fälligkeit abgewiesen und der Einwand der beklagten Partei gerade darauf abgezielt habe. Das Erstgericht habe zu Recht den Schluß gezogen, die beklagte Partei sei aufgrund divergierender Kostenvoranschläge nicht bereit gewesen, die von der klagenden Partei angekündigten Kosten anteilig zu übernehmen. Feststellungsklagen seien zulässig, wenn bloß quantitative Teile eines Rechtsverhältnisses bzw. einzelne streitige Punkte eines an sich unbestrittenen Rechtsverhältnisses Gegenstand der Klage seien. Vor allem bei Dauerschuldverhältnissen könne die Klärung auch nur einzelner strittiger Vertragspunkte im Wege einer Feststellungsklage dazu dienen, künftige Beweisschwierigkeiten bzw. zahlreiche Leistungsprozesse zu vermeiden. Interpretiere man den Standpunkt der beklagten Partei im Sinne der Ausführungen der klagenden Partei dahin, daß die beklagte Partei bei an sich unstrittiger anteiliger Kostenhaftung nur für von ihr beauftragte Arbeiten eine Ersatzpflicht anerkenne, so würde es sich insofern um einen Streit über die Auslegung eines Vertragspunkts handeln. Könne aus dem Streit über die Auslegung dieser Bestimmung eine Reihe von Folgeprozessen resultieren, dann wäre die klagende Partei zur Feststellungsklage berechtigt. Sie habe aber ihr Feststellungsbegehren so formuliert, daß nicht klar erkennbar sei, ob sie oder die beklagte Partei das Recht zur Auftragsvergabe habe, sondern das Klagebegehren decke sich in dieser Hinsicht fast wörtlich mit der entsprechenden Vertragsbestimmung. Deren Gültigkeit sei von der beklagten Partei niemals bestritten worden, sodaß mangels Strittigkeit des Rechtsverhältnisses, dessen Feststellung im Urteil begehrt werde, das Rechtsschutzinteresse in der Tat zu verneinen sei. Die Feststellung des einzigen nach dem Vorbringen tatsächlich strittigen Vertragspunkts - ob die beklagte Partei auch bei Beauftragung der Professionisten durch die klagende Partei zum anteiligen Ersatz verpflichtet sei - werde nach dem Inhalt des Begehrens nicht verlangt. Demnach sei das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der vorliegenden Feststellungsklage zu verneinen. Das hilfsweise erhobene Leistungsbegehren habe das Erstgericht zu Recht deshalb abgewiesen, weil die Fälligkeit eines Kostenersatzanspruches gegenüber der beklagten Partei noch nicht eingetreten sei.

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Klagebegehren richtet sich entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gerade auf die Feststellung, daß die beklagte Partei die (auch) von der klagenden Partei in Auftrag gegebenen Arbeiten anteilig zu ersetzen habe. Es ist so formuliert, daß gerade die Kosten, die über Auftrag der klagenden Partei entstehen, anteilig von der beklagten Partei getragen werden müßten (arg.: „Kosten, die die klagende Partei ... aufwenden muß“). Die Kosten, die die klagende Partei aufwenden muß, sind jene angemessenen Kosten, die zur Erwirkung der erforderlichen Arbeiten zwar erforderlich, aber nicht mit den Beträgen, die in den von der beklagten Partei eingeholten Kostenvoranschlägen genannt sind, ziffernmäßig zu begrenzen sind. Dies wäre nicht vertragskonform (S.6 in Beilage 1). Nun hat die beklagte Partei das im Vertrag festgelegte Recht der klagenden Partei zur Auftragserteilung, mit Schreiben vom 22.9.1994 (Beilage 5) ausdrücklich bestritten und selbst im Schriftsatz vom 15.11.1994 (ON 3, S.7) nur soweit zugestanden, als die klagende Partei Aufträge nur bis zu einer ziffernmäßig bestimmten Höhe erteilen dürfe. Es besteht also nach wie vor ein Streit über die Auslegung des Vertrags, und zwar über die dort festgeschriebenen Befugnisse der klagenden Partei, der deren Feststellungsinteresse begründet (4 Ob 504/93; WoBl 1992, 16; 6 Ob 549/90; 6 Ob 604/90; Miet 38.768 uva). Nicht einmal eine Umformulierung des Begehrens der klagenden Partei ist daher nötig (ÖBA 1994, 566 ua).

Die Rechtssache ist allerdings noch nicht entscheidungsreif. Das Gericht erster Instanz stellte fest, es könne nicht festgestellt werden, daß die schon mehrfach genannte Gesellschaft mbH dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrag wirksam beigetreten sei; ebenso sei nicht feststellbar, ob bzw. wann die beklagte Partei weitere Liegenschaftsanteile an diese Gesellschaft verkauft habe (S.8 des Ersturteils). Von einer Beweisaufnahme zu dieser Frage nahm es im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung - Verneinung des Feststellungsinteresses - Abstand. Dadurch war die beklagte Partei nicht beschwert, weil das Klagebegehren ohnehin abgewiesen wurde. Da das Feststellungsinteresse der klagenden Partei indessen zu bejahen ist, wird sich das Erstgericht mit dem von der beklagten Partei erhobenen Einwand der „falschen Anteilsfestsetzung“ (siehe S.3 des Schriftsatzes vom 15.11.1994 = AS 11) zu befassen haben.

Der Revision ist Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen sind zwecks neuerlicher Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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