European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00200.15S.0225.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Ist das Wahlkind eigenberechtigt, so ist die Annahme an Kindesstatt nach § 194 Abs 1 ABGB nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes, Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind (hier die Erstantragstellerin) und Annehmender (hier die ehemals Zweitantragstellerin) während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben.
1.2 Die Vorinstanzen bejahten das Vorliegen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Beziehung, weil sich zwischen dem Wahlkind und der nach Beschlussfassung durch das Rekursgericht verstorbenen Wahlmutter (dazu § 192 Abs 2 letzter Satz ABGB) innerhalb der letzten vier bis fünf Jahre ein intensives Beistandsverhältnis entwickelt habe, und bewilligten die beantragte Adoption.
1.3 Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Adoptivsohns der verstorbenen Wahlmutter, der Fragen zur Reichweite seiner Parteistellung releviert und dazu geltend macht, zum Nachweis, dass die Annehmende in der Absicht, ihn zu schädigen, gehandelt habe, müsse ihm auch die Beweisführung offenstehen, dass die Voraussetzungen für die Adoption in Wahrheit gar nicht vorlägen.
2. Die Beurteilung, ob eine enge, dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht, ist nach ständiger Rechtsprechung eine von den Besonderheiten des Einzellfalls, insbesondere der beteiligten Personen, geprägte Entscheidung, zu deren Beurteilung den Gerichten in einem gewissen Umfang ein Ermessensspielraum eingeräumt ist (RIS‑Justiz RS0087008; RS0087006). Ganz allgemein gilt, dass nur eine eklatante Überschreitung dieses Ermessens im Interesse der Rechtssicherheit als erhebliche Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufgegriffen werden könnte (RIS‑Justiz RS0044088).
3. Den leiblichen Kindern des Annehmenden, denen der Revisionsrekurswerber als Wahlkind gleichgestellt ist, kommt nach ständiger Rechtsprechung keine unbedingte und unbeschränkte Beteiligungsstellung im Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt zu (RIS‑Justiz RS0006922; zuletzt 7 Ob 206/06d; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 2 Rz 94). Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers entspricht es ganz herrschender Auffassung, dass das Anhörungsrecht und damit die Parteistellung der leiblichen Kinder auf die Wahrung ihrer Interessen gemäß § 194 Abs 2 (vorher § 180a Abs 2) ABGB beschränkt ist und sich nicht auch darauf erstreckt, ob die Voraussetzungen des § 194 Abs 1 leg cit vorliegen (2 Ob 2321/96d; 2 Ob 246/97h; RIS‑Justiz RS0006910 [T4]; Hopf in KBB 4 § 194 ABGB Rz 3; Höllwerth in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 180a Rz 18).
4. Nach § 194 Abs 2 ABGB sind, wenn sonst ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden, insbesondere eine Gefährdung von dessen Unterhalt oder Erziehung, der Adoption nicht entgegensteht, wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen. Ein solches Handeln muss schikanös (§ 1295 Abs 2 ABGB) sein. Bloß bedingter Vorsatz auf Schädigung genügt nicht ( Barth / Neumayr in Fenyves / Kerschner / Vonkilch , Klang 3 § 180a Rz 17 mwN; Höllwerth , aaO Rz 17). Dazu hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass allein die erbrechtlichen Reflexwirkungen der Annahme an Kindesstatt, die in einer entsprechenden Schmälerung der Erbteilsquote und damit auch der Pflichtteilsquote bestehen, keine nach § 194 Abs 2 ABGB beachtlichen Anliegen sind (2 Ob 2321/96d; 7 Ob 206/06d mwN).
5. Hier steht fest, dass die mittlerweile verstorbene Wahlmutter mit der Adoption die Absicht verfolgte, die Person, die sich am besten um sie kümmerte, zu belohnen. Primär verfolgte die Adoption daher den Zweck, das zwischen der Wahlmutter und Wahltochter bestehende Beistandsverhältnis aufgrund der zur Wahltochter empfundenen Nähe und Dankbarkeit für die Betreuung rechtlich dem Eltern‑Kind‑Verhältnis gleichzustellen. Damit begründet es auch keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen ungeachtet des Umstands, dass die Wahlmutter ihrer Vorstellung nach auch erreichen wollte, dass ihr „Adoptivsohn nicht mehr Erbe“ sein solle, eine überwiegende oder ausschließliche Schädigungsabsicht (§ 1295 Abs 2 ABGB) verneinten. Im Ergebnis sind damit nämlich lediglich mögliche erbrechtliche Reflexwirkungen angesprochen, die ‑ wie dargestellt ‑ keine beachtlichen Anliegen im Sinne des § 194 Abs 2 ABGB begründen.
6. Mit seiner Argumentation zu § 9 Oö Sozialberufegesetz, LGBl 2008/63, bzw § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Standes‑ und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung, BGBl II 2007/278, spricht der Revisionsrekurswerber kein Anliegen im Sinne des § 194 Abs 2 ABGB an, sondern releviert damit Fragen zur Beziehung der Parteien des Adoptionsvertrags. Mangels Legitimation zur Geltendmachung der von ihm daraus abgeleiteten Gesetzes‑ und Sittenwidrigkeit des Vertrags erübrigt sich aber eine Prüfung der Frage, ob die Adoption, die ausschließlich familienrechtliche Beziehungen nicht vermögensrechtlicher Art regelt (vgl 2 Ob 586/92), überhaupt einen nach diesen Bestimmungen verpönten Vorteil darstellen kann. Die von ihm in diesem Zusammenhang vermissten Feststellungen zum Arbeitsverhältnis der Wahltochter sind schon aus diesem Grund ohne Relevanz (vgl RIS‑Justiz RS0053317).
7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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