Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Das Handelsgericht Wien wies den Antrag der wiederaufnahmsklagenden Partei vom 7. November 1997 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang des § 64 ZPO zur Einbringung einer Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 28 Cg 80/94s des Handelsgerichts Wien wegen Aussichtslosigkeit (§ 63 Abs 1 ZPO) ab. Ein Senat des Oberlandesgerichts Wien, dem auch dessen Richter Dr. Manfred T***** angehörte, gab dem dagegen erhobenen Rekurs mit Beschluß vom 28. Oktober 1998, AZ 2 R 50/98g, nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.
In dem am 24. Dezember 1998 beim Handelsgericht Wien eingebrachten Schriftsatz machte die wiederaufnahmsklagende Partei ua die "Ablehnung des Berufungssenates betreffend die Mitwirkung von Dr. T*****" geltend. Der abgelehnte Richter erachtete sich als nicht befangen, der für Ablehnungssachen gemäß Punkt II B lit b der Geschäftsverteilung zuständige Senat des Oberlandesgerichts Wien wies diesen Ablehnungsantrag zurück.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der wiederaufnahmsklagenden Partei ist zufolge § 24 Abs 2 JN zulässig und bedurfte auch nicht der Fertigung durch einen Rechtsanwalt, weil er in einem Verfahren ohne Anwaltspflicht (Verfahrenshilfe) erfolgte; er ist auch rechtzeitig, aber nicht berechtigt.
Gemäß § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese gesetzliche Bestimmung ist ganz allgemein dahin zu verstehen, daß Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst in dem vom Ablehnungswerber nach prozeßtaktischen Kriterien als richtig angesehenen Zeitpunkt vorzubringen sind, soll doch eine Prozeßverschleppung tunlichst vermieden werden. Das Ablehnungsrecht ist verzichtbar und verschweigbar (1 Ob 5/95 = EvBl 1995/136 = RdU 1997, 95 [Bergthaler] mwN, auch zur vergleichbaren deutschen Rechtslage). Es kann nach herrschender Ansicht auch noch nach der Urteilsfällung vor Eintritt
der Rechtskraft ausgeübt werden (SZ 43/104 = JBl 1971, 480; RZ
1989/88; 4 N 516/95; 1 Ob 90/97k = RdW 1998, 18 ua; Fasching I 213 f;
Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 53; Mayr in Rechberger, § 21 JN Rz 3;
Ballon, Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit nach Zustellung der Entscheidung in RZ 1991, 106). Dies gilt auch für einen - anfechtbaren - zweitinstanzlichen Beschluß im Rekursverfahren, wird doch die Geltendmachung der Befangenheit noch nach der Erlassung der zweitinstanzlichen Entscheidung (JBl 1989, 664 mwN; 9 ObA 277/92; RIS-Justiz RS0041933; Fasching I 206 und Lehrbuch2 Rz 161) als zulässig erachtet (SZ 43/104; JBl 1989, 664). Voraussetzung einer solchen Geltendmachung ist somit, daß in der Hauptsache noch ein Rechtsmittel an die dritte Instanz offensteht, in dem oder in einem gesonderten Schriftsatz - diese Streitfrage kann hier offen bleiben - die erfolgreiche Ablehnung als Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO (Teilnahme eines wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnten Richters an der Entscheidung) geltend gemacht werden kann. Nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens ist hingegen nach herrschender Auffassung die Ablehnung nicht mehr zulässig (RZ 1989/88; 4 N 516/95; Mayr aaO § 19 JN Rz 3, § 21 JN Rz 3; Kodek in Rechberger, § 477 ZPO Rz 4), heilt doch der Mangel des Nichtigkeitsgrunds nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung (RZ 1989/88 ua; RIS-Justiz RS0041974). Da die Teilnahme eines (noch nicht rechtskräftig) abgelehnten Richters selbst für den Fall seiner erfolgreichen Ablehnung mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung heilt, sodaß eine Wiederaufrollung des Verfahrens aus diesem Grunde ausgeschlossen ist, fehlt der Ablehnungswerberin ein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Befangenheit von Richtern nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen (RZ 1989/88 mwN; 4 N 516/95). Im vorliegenden Fall war die Entscheidung des Rekurssenats zu AZ 2 R 50/98g zufolge § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ("über die Verfahrenshilfe") jedenfalls unanfechtbar und konnte nicht mehr mit einem zulässigen Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden; es fehlt daher der Rechtsmittelwerberin, wie der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien zutreffend erkannte, die Beschwer als Voraussetzung der Zulässigkeit jedes Rechtsmittels.
Auf die weitwendigen Rekursausführungen in der Sache selbst und zum wiederaufzunehmenden Verfahren kann aus diesen Erwägungen nicht eingegangen werden. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)