OGH 1Ob198/71ff

OGH1Ob198/71ff16.9.1971

SZ 44/137

Normen

ABGB §785
ABGB §956
ABGB §785
ABGB §956

 

Spruch:

Die zweijährige Frist des § 785 ABGB beginnt nicht mit der Leistung sondern schon mit der Vertragsschließung

OGH 16. 9. 1971, 1 Ob 198/71 (OLG Wien 6 R 18/71; LGZ Wien 39 d Cg 71/70)

Text

Gisela M ist am 14. 1. 1968 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Sie hinterließ als gesetzliche Erben die beiden Söhne Adolf M (den Kläger) und Wilhelm M.

Mit Notariatsakt vom 12. 6. 1958 hat die Erblasserin ihrem damals noch minderjährigen Enkel, dem Beklagten und Sohn des Wilhelm M, die in ihrem Alleineigentum gestandene Liegenschaft EZ 3237 KG O mit den Grundstücken 476/3 Garten und 477/2 Bauarea, Wien 16, K-gasse 13, auf den Todesfall geschenkt und diesen unter einem verpflichtet, dem Kläger einen Betrag von S 25.000.-, wertgesichert zur Abfindung seines Pflichtteilsanspruches, innerhalb von fünf Jahren nach dem Erbanfall zu bezahlen. Sie hat den Beklagten ferner verpflichtet, seinem Vater (Wilhelm M) zur Befriedigung dessen Pflichtteilsanspruches auf Lebenszeit am Geschenkobjekt den halben Fruchtgenuß einzuräumen. Mit gleichem Notariatsakt hat Gisela M ihre Einwilligung gegeben, daß auf Grund dieses notariellen Schenkungsvertrages und unter Vorlage ihres Totenscheines ob der genannten Liegenschaft im Eigentumsblatt das Eigentumsrecht des Beklagten und im Lastenblatt die getroffenen Pflichtteilsbestimmungen für ihre beiden Söhne einverleibt werden. Im Notariatsakt ist schließlich festgehalten, daß der Beklagte durch seinen gesetzlichen Vertreter diese Schenkung mit Dank und Rechtsverbindlichkeit angenommen und die Geschenkgeberin sich zugleich des Rechtes begeben habe, diese Schenkung zu widerrufen.

Gestützt auf die Behauptung, daß der Wert des Geschenkes auf Grund eines im Verlassenschaftsverfahren eingeholten Schätzungsgutachtens vom 26. 5. 1968 nunmehr S 562.000.-, der Wert der Barzahlung von S 25.000.- - die allerdings noch nicht fällig ist - unter Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel S 34.975.- betrage, errechnete der Kläger einen ausstehenden Pflichtteilsanspruch in der Höhe von S 105.525.-. Da sich der Beklagte weigere, diesen Betrag zu bezahlen, sehe er sich zur Klagsführung, uzw auf Herausgabe des Geschenkes zur verhältnismäßigen Deckung des verkürzten Pflichtteiles genötigt. Der Beklagte könne allerdings die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages von S 105.525.- abwenden. Der Kläger stellte sohin das Hauptbegehren, der Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung des Eigentums ob der genannten Liegenschaft zugunsten des Klägers zur verhältnismäßigen Deckung des um S 105.525.- verkürzten Pflichtteiles einzuwilligen, sowie das Eventualbegehren, der Beklagte sei schuldig, zur gänzlichen Befriedigung des Pflichtteilsanspruches des Klägers im Betrage S 105.525.- die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der genannten Liegenschaft zu dulden.

Der Beklagte hat das Klagebegehren bestritten und die Klagsabweisung beantragt. Er hat eingewendet, daß die Schenkung nicht in Anschlag zu bringen sei, weil sie mehr als zwei Jahre vor dem Tode des Geschenkgebers in eine nicht pflichtteilsberechtigte Person gemacht worden sei. Im übrigen könnte der Kläger auf die Geschenksache selbst keinen Anspruch erheben, sondern nur Zahlung einer ziffernmäßig festzustellenden Summe Geldes fordern. Im Hinblick auf die angeordnete Wertsicherung wäre der allenfalls zu fordernde Betrag der Höhe nach noch gar nicht festzustellen, da die Wertsicherung auf den Zahlungstag abzustellen sei und der Beklagte seine Leistung frühestens am 14. 1. 1973 zu erbringen habe.

Der Erstrichter hat Haupt- und Eventualbegehren abgewiesen. Er stellte fest: Sogleich nach dem Tode der Gisela M hat der Beklagte unter Vorlage des Totenscheines und des notariellen Schenkungsvertrages sein alleiniges Eigentumsrecht an der mehrfach genannten Liegenschaft einverleiben lassen. Am 19. 12. 1968 hat der Kläger zum Nachlaß seiner Mutter mit dem Vorbehalt, die Ergänzung des Pflichtteiles zu fordern, die bedingte Erbserklärung abgegeben, die mit Beschluß vom 20. 12. 1968 zu Gericht angenommen wurde. Mit Einantwortungsurkunde vom 12. 3. 1970 wurde der Nachlaß der Gisela M dem Kläger auf Grund seiner bedingten Erbserklärung, mit dem Vorbehalt die Ergänzung des Pflichtteiles zu fordern, als gesetzlichem Erben zur Gänze eingeantwortet.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, daß der am 12. 6. 1958 errichtete Notariatsakt als ein unter Lebenden geschlossener Vertrag zu beurteilen sei, denn Gisela M habe sich in diesem ausdrücklich der Befugnis begeben, die Schenkung zu widerrufen. Der Beschenkte habe diese Schenkung auch dankbar angenommen. Mit einer Schenkung auf den Todesfall werde unter den im § 956 ABGB normierten, im vorliegenden Fall zutreffenden Voraussetzungen angeordnet, daß ihre Erfüllung bis zum Todestage aufgeschoben bleiben solle. Der Beklagte sei demnach mit dem Eintritt des Todes der Gisela M bereits Eigentümer der Liegenschaft gewesen, er habe auch auf Grund des Notariatsaktes und des Totenscheines sein Eigentum an der Liegenschaft im Grundbuch einverleiben lassen. Die geschenkte Liegenschaft sei sohin am Todestag der Geschenkgeberin kein Nachlaßobjekt mehr gewesen, sie dürfe daher auch der Verlassenschaftsabhandlung nicht zugrunde gelegt werden. Daher könne der Kläger dieses Geschenkobjekt, da es sogleich mit dem Eintritt des Todes der Geschenkgeberin in das alleinige Eigentum des Beschenkten übergegangen sei, zu einer Pflichtteilsberichtigung nicht heranziehen, zumal es nicht mehr zur Verlassenschaft seiner Mutter gehört habe. Aus diesen Erwägungen sei nicht nur das Hauptbegehren, sondern auch das Eventualbegehren abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers teilweise Folge gegeben, das Urteil des Erstrichters in seinem das Hauptbegehren auf Herausgabe der Liegenschaft abweisenden Teil - allerdings in der verfehlten Form eines Beschlusses - bestätigt, im übrigen aber - hier richtig in der Form des Beschlusses - unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen. Es hat ausgeführt, die Wendung im § 951 ABGB, der verkürzte Noterbe könne "die Herausgabe des Geschenkes" zur Deckung des Fehlbetrages begehren, sei nicht wörtlich zu nehmen, denn das Gesetz wolle nur bezwecken, dem Noterben den fehlenden Geldbetrag zu verschaffen, daher könne er in der Klage nur Zahlung bei Exekution in die geschenkte Sache verlangen. Der Erstrichter habe daher das auf Herausgabe der Liegenschaft gerichtete Hauptbegehren mit Recht abgewiesen.

Es könne aber der Rechtsansicht des Erstrichters nicht gefolgt werden, daß auch das Eventualbegehren, welches iS der herrschenden Rechtsprechung richtig gefaßt worden sei, abzuweisen gewesen sei. Es sei zwar richtig, daß der in Form eines Notariatsaktes abgeschlossene Vertrag zwischen Gisela M und dem Beklagten als Schenkung auf den Todesfall zu beurteilen sei. Unwiderrufliche Schenkungen auf den Todesfall, die in der Form eines Notariatsaktes abgeschlossen worden seien, gelten aber als "unter Lebenden" gemacht und seien nach § 785 Abs 2 bei Ermittlung des Pflichtteiles zu berücksichtigen. Wenn auch ua Schenkungen unberücksichtigt zu bleiben hätten, die der Geschenkgeber an nicht pflichtteilsberechtigte Personen vor mehr als zwei Jahren vor seinem Tode gemacht habe (§ 785 Abs 2 ABGB), sei für den Beklagten nichts gewonnen. Eine Schenkung sei nämlich "gemacht", sobald die Bereicherung des Beschenkten eingetreten ist. Dies sei aber bei einer Schenkung auf den Todesfall frühestens am Todestag des Geschenkgebers der Fall, daher komme die Fristbestimmung hier überhaupt nicht zum Tragen. Daß der Kläger als gesetzlicher Erbe zum Nachlaß seiner Mutter die bedingte Erbserklärung abgegeben und das Verlassenschaftsgericht ihm diesen Nachlaß eingeantwortet habe, nehme ihm nicht das Recht, die Einrechnung der Schenkung nach § 785 ABGB zu verlangen. Da der Pflichtteil des Klägers aber erst nach Feststellungen über den derzeitigen Wert der Liegenschaft ausgemessen werden könne und der Erstrichter Feststellungen in dieser Richtung nicht getroffen habe, sei der Berufung des Klägers teilweise Folge zu geben gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß, soweit er sich auf das Eventualbegehren des Klägers und die Kostenentscheidung des Erstrichters bezieht sowie im Kostenausspruch auf, und trug dem Berufungsgericht auf, in diesem Umfang über die Berufung des Klägers unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund neuerlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß nach Lehre und überwiegender Rechtsprechung das auf § 951 ABGB gestützte Klagebegehren auf Zahlung des Ausfalles am Pflichtteil bei Exekution in die geschenkte Sache zu lauten hat (vgl Stanzl in Klang[2] IV/1, 627, JBl 1953, 20, JBl 1954, 256, EvBl 1965/399), weil der Pflichtteilsanspruch ein solcher auf Geld ist und nicht ein solcher auf eine bestimmter Vermögensmasse oder einen Verlassenschaftsanteil. Es trifft ferner zu, daß nach § 785 Abs 1 ABGB auf Verlangen des pflichtteilsberechtigten Kindes bei Berechnung des Nachlasses Schenkungen in Anschlag zu bringen sind, die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß es sich vorliegend um eine Schenkung auf den Todesfall (§ 956 ABGB) handelt, da sie nach der im Akt erliegenden Urkunde vom 12. 6. 1958 mit Notariatsakt geschehen ist, auf das Recht des Widerrufes verzichtet wurde und der Beschenkte die Schenkung (durch seinen gesetzlichen Vertreter) auch angenommen hat. Derartige Schenkungen auf den Todesfall gelten als "unter Lebenden" gemacht und sind nach § 785 Abs 1 ABGB hinzuzurechnen (s hiezu Weiß in Klang[2] III 910, Stanzl in Klang[2] IV/1 630, Gschnitzer, Lehrbuch, Erbrecht 92, 5 Ob 271/69).

Entscheidend ist darum die Frage, ob die Schenkung iS des § 785 Abs 2 ABGB - die gegenständlich an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person erfolgte - deshalb unberücksichtigt zu bleiben hat, weil sie mehr als zwei Jahre vor dem Tode der Geschenkgeberin gemacht wurde. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes ist diese Frage zu bejahen. "Gemacht" ist die Schenkung schon, wenn ein formgerechter Schenkungsvertrag abgeschlossen worden ist; der Zeitpunkt der Erfüllung ist gleichgültig (Ehrenzweig[2] II/2 § 531, 594). Die zweijährige Frist beginnt also nicht mit der Leistung - wie die des deutschen Rechts (§ 2325 III BGB) -, sondern schon mit der Vertragsschließung (Ehrenzweig[2], aaO 595). Es ist dem Berufungsgericht zwar zuzugeben, daß Weiß in Klang[2] II 914 ausführt, die Schenkung sei gemacht, sobald die Bereicherung des Beschenkten eingetreten ist, auch Weiß fügt aber im nächsten Halbsatz bei, "daher genügt auch ein Schenkungsversprechen ohne Übergabe, wenn die Notariatsform gewahrt ist". Der Schutz des Pflichtteilsberechtigten ist daher insoweit beschränkt, als nach dem Willen des Erblassers und unter den Voraussetzungen des § 785 Abs 2 ABGB Vermögensteile aus dessen (künftigem) Nachlaß noch zu Lebzeiten des Erblassers ausscheiden.

Legt man nun zugrunde, daß nach diesen Ausführungen vorliegend die Schenkung im Jahre 1958 "gemacht" wurde, die Geschenkgeberin erst im Jahre 1968, also lange nach Ablauf von zwei Jahren, verstorben ist, dann handelt es sich um eine Schenkung an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person nach § 785 Abs 2 ABGB, die bei der Ermittlung des Pflichtteiles des Klägers nicht zu berücksichtigen ist. Daraus folgt weiters, daß Feststellungen über den derzeitigen Wert der geschenkten Liegenschaft überflüssig sind, die Sache vielmehr iS der Abweisung auch des Eventualbegehrens spruchreif ist.

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