Spruch:
Der Eigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses kann wegen unerwünschten Betretens des Hauses vorbeugend auf Unterlassung klagen
Entscheidung vom 3. Februar 1965, 1 Ob 187/64
I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Der Kläger begehrt als Eigentümer der Liegenschaft EZ. X des Grundbuches der Kat.-Gem. Innere Stadt Wien, Haus in der B.-Gasse 12, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, jedes weitere Betreten dieser Liegenschaft zu unterlassen. Sie habe, ohne Mieterin zu sein oder in einem sonstigen Rechtsverhältnis zum Hauseigentümer zu stehen, das genannte Haus betreten und nachher eine Anzeige gegen den Kläger wegen Mißhandlung seines Schäferhundes beim Tierschutzverein erstattet. Sie habe durch das unbefugte Betreten des Hauses in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger ist Alleineigentümer des mehrstöckigen Geschäfts- und Wohnhauses in der B.-Gasse 12. In diesem Hause befindet sich auch seine eigene Wohnung und seine Kanzlei. In seiner Kanzlei und in der Wohnung hält der Kläger einen Schäferhund. Über Anregung der Beklagten erschien vor dem 6. Mai 1964 ein sogenannter Tierschutzinspektor, um die Tierhaltung des Klägers zu überprüfen. Sowohl die Beklagte als auch deren Gatte entschuldigten später die dem Kläger aus dem Besuch des Tierschutzinspektors erwachsenen Unannehmlichkeiten und baten, von weiteren Schritten gegen die Beklagte Abstand zu nehmen.
Das Erstgericht verneinte den Klagsanspruch mit der Begründung, es handle sich im vorliegenden Fall um ein Geschäfts- und Wohnmietshaus; ein Verbot des Betretens dieses öffentlich zugänglichen Mietwohngrundstückes könnte nur auf jene Gründe gestützt werden, die ein Hausverbot zu rechtfertigen geeignet wären. Dazu gehöre ein Angriff auf das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum von Hausbewohnern. Derartige Tatbestandsmerkmale seien der Klage aber nicht zu entnehmen. Es mangle dem Kläger auch an einem schutzwürdigen Interesse.
Infolge Berufung des Klägers änderte das Berufungsgericht dieses Urteil im Sinne der Klagsstattgebung ab. Gemäß §§ 354, 366 ABGB. habe der Eigentümer das Recht, jeden anderen vom Besitze der Sache auszuschließen. Dieses Recht könne er gegen jeden Störer oder Anmaßer eines Gegenrechtes mit Klage nach § 523 ABGB., zweiter Fall, verfolgen. Der Beklagten stehe ein subjektives Recht zum Betreten nicht zu, auch wenn sie die Absicht haben sollte, eine dort wohnende Bekannte zu besuchen. Nur ein Mieter könnte vom Eigentümer des Hauses den Zutritt durch Besucher verlangen, doch stehe ein solches Recht nicht zur Entscheidung. Das Begehren des Klägers sei auch nicht schikanös im Sinne des § 1295 (2) ABGB. Ein aus der Rechtsprechung etwa abzuleitender Satz "jedermann darf fremde Häuser betreten" bestehe nicht. Es sei daher auch nicht entscheidend, aus welchen Gründen der Kläger sein Verbot ausgesprochen habe. Es sei als erwiesen anzunehmen, daß die Beklagte einmal das Haus betreten habe. Da sie in ihrer Korrespondenz und im Prozeß das Verbotsrecht des Klägers bestritten habe, bestehe Wiederholungsgefahr, die das Unterlassungsbegehren rechtfertige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht statt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin vermeint zunächst, der vom Berufungsgericht negierte Rechtssatz "jedermann darf fremde Häuser betreten", bestehe zwar tatsächlich nicht, doch ergebe sich daraus kein Klagsgrund, da sich sonst die Folgerung ergeben würde, daß jeder Hauseigentümer jederzeit gegen jedermann die Unterlassungsklage einbringen könnte, wenn dieser beabsichtigt, sein Haus zu betreten. Hier mißversteht die Revisionswerberin die Ausführungen des Berufungsgerichtes. Die bloße Absicht, eine Liegenschaft zu betreten, bildet noch keinen eine Unterlassungsklage rechtfertigenden Grund. Nur ein tatsächlicher Eingriff in die Eigentumsrechte, im vorliegenden Falle also das von den Untergerichten festgestellte Betreten des Hauses durch die Klägerin, rechtfertigt die vorbeugende Unterlassungsklage. Allerdings wird ein einmaliger Eingriff, der keine dauernde Störung verursacht, keinen geeigneten Anlaß zu Klage geben können, da sie in diesem Fall zwecklos wäre. Sie ist aber auch bei einem einmaligen Eingriff zulässig, wenn eine Wiederholung zu gewärtigen ist (die schon vom Berufungsgericht zitierten Ausführungen bei Klang[2], II, S. 602 ff.). Diese Gefahr der Wiederholung liegt in dem Fortbestehen eines Zustandes, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet; insbesondere wird diese Gefahr dann bestehen, wenn die Beklagte ihr Unrecht nicht einsieht (SZ. XXV 161, ferner SZ. XVIII 9 u. a.). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht etwa erklärt, daß ihr ein Recht auf Betreten des Wohnhauses nicht zusteht, ebensowenig hat sie sich zur weiteren Unterlassung verpflichtet. Sie hält vielmehr noch in der Revision ihre Meinung aufrecht, nur das Betreten der Wohnung des Klägers könnte ihr von diesem verboten werden, nicht aber das des übrigen Hauses, da ein derartiges Verbot mit der Bestandgebereigenschaft des Klägers unvereinbar wäre. Es könne daher jedermann im Rahmen der Hausordnung ein Haus betreten. Durch ein solches Verbot wird aber nicht in etwa bestehende Rechte eines Dritten, der zum Hauseigentümer in keiner Rechtsbeziehung steht, eingegriffen, da er sich nicht auf ein ihm persönlich eingeräumtes Recht berufen kann, sondern unter Umständen, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, lediglich in die Rechte eines Mieters, der den Hauseigentümer wohl wegen Beschränkung seiner Bestandrechte in Anspruch nehmen könnte. Es ist aber nicht Sache der Klägerin, wirkliche oder angebliche Rechte von Mietern zu vertreten; dies muß den Mietern selbst überlassen bleiben (E. v. 3. Dezember 1964, 5 Ob 72/64 = MietSlg. 16.014 = EvBl. 1965 Nr. 161 = JBl. 1965 S. 261). Wenn die Revisionswerberin daher erstmalig in der Revision geltend macht, sie beabsichtige, eine Bestandnehmerin oder eine Familienangehörige einer solchen zu besuchen, so zeigt dies nur noch deutlicher auf, daß die Beklagte auf einem ihr nicht zukommenden Recht besteht, so daß kein Zweifel mehr darüber obwalten kann, daß sich die Beklagte mit der festgestellten einmaligen Verletzung nicht begnügen will und die Befürchtung des Klägers, sie werde ihren Eingriff wiederholen, begrundet ist (SZ. XV 124).
Ebenso rechtsirrig wie die Revisionsbehauptung, das Klagebegehren sei mit der Bestandgebereigenschaft des Klägers unvereinbar, ist auch die erstmalig in der Revision erhobene Einwendung des Mangels der passiven Klagslegitimation. Die Revision vermeint, der Kläger hätte den betreffenden Bestandnehmer auf Unterlassung des Besuchtwerdens durch eine bestimmte Person belangen müssen. Die Abwehr einer Rechtsanmaßung im Sinne des § 523 ABGB. hat sich aber nicht gegen einen bestimmten Mieter, sondern gegen denjenigen zu richten, der den Eingriff in die Eigentumssphäre vorgenommen hat.
Soweit sich die Revision schließlich mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß die Klagsführung nicht gegen das Schikaneverbot verstoße, beschäftigt, führt sie nicht an, in welchem ihr zustehenden Recht die Beklagte etwa verletzt wäre, sondern verweist lediglich darauf, daß der vom Berufungsgericht geschaffene Exekutionstitel mit Ausnahme der Kostenfrage nicht durchsetzbar wäre. Die Revisionswerberin übersieht hiebei offenbar die Bestimmungen des § 355 EO., wonach bei Zuwiderhandlungen gegen den zur Unterlassung einer Handlung Verpflichteten vom Exekutionsgericht Geldstrafe oder Haft verhängt werden kann. Die Revisionswerberin erhebt Bedenken, ob eine solche Zuwiderhandlung vom betreibenden Gläubiger überhaupt festgestellt werden könnte, wenn ihm die Verpflichtete nicht auf das beste bekannt sei. Wie und unter welchen Umständen eine derartige Zuwiderhandlung gegen das erlassene Verbot aber festgestellt werden könnte, kann die Verpflichtete nicht bekümmern; es ist dies ausschließlich Aufgabe des betreibenden Gläubigers.
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