European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00185.14H.1127.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Antragsteller beantragte die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Amtshaftungsklage, wobei er seine Ersatzansprüche aus dem Verhalten von Mitarbeitern einer Justizanstalt im Sprengel des Landesgerichts Krems an der Donau sowie eines Staatsanwalts ableiten will. In seinem beim Landesgericht St. Pölten erhobenen Antrag begehrte er zugleich die Delegierung an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. In diesem Zusammenhang stützt sich der Antragsteller einerseits ‑ ohne nähere Begründung ‑ auf § 9 Abs 4 AHG. Andererseits meint er, die Delegierung werde nach § 31 JN aus Gründen sowohl der Zweckmäßigkeit (persönliche Kontaktaufnahme mit dem zu bestellenden Anwalt) als auch der möglichen Befangenheit sämtlicher Richter des Landesgerichts St. Pölten zu verfügen sein. Der Delegierungsantrag fuße im Besonderen darauf, dass alle Richter dieses Landesgerichts bist dato nicht unparteilich und objektiv an den früheren Sachverhalt herangegangen seien. Auch ein Dreirichtersenat des Landesgerichts St. Pölten habe eine für den Antragsteller ungünstige Entscheidung gefällt. Da sich sämtliche Richter und Gerichtsangehörige kennen würden und in einem Naheverhältnis zueinander stünden, er weiters bereits disziplinarrechtliche Schritte gegen Angehörige des Landesgerichts St. Pölten eingeleitet habe, sei eine Unbefangenheit der Richter dieses Gerichts nicht anzunehmen.
Das Landesgericht St. Pölten fasste die Eingabe des Antragstellers unter anderem als Ablehnungsantrag gegen alle Richter des Landesgerichts St. Pölten auf und legte die Akten ‑ nach Einholung von Stellungnahmen sämtlicher Richter über eine allfällige Befangenheit ‑ dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung vor. Eine Richterin des Landesgerichts St. Pölten hatte ihre Befangenheit angezeigt, wogegen alle übrigen Richter sich für unbefangen erklärt hatten.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Wien „die Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichts St. Pölten“ zurück. Der Antragsteller leite Amtshaftungsansprüche aus Verhaltensweisen des Leiters und von Justizwachbeamten der Justizanstalt ***** ab. Im Zuge eines Verbesserungsverfahrens habe er klargestellt, dass sein Amtshaftungsanspruch nicht (auch) aus einer Entscheidung des Landesgerichts St. Pölten abgeleitet werde. Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergebe sich keine Befangenheit aller Richter des Landesgerichts St. Pölten. Detaillierte Vorwürfe würden nur gegen einen bestimmten Dreirichtersenat erhoben, doch habe der Antragsteller nachträglich klargestellt, dass aus dessen Entscheidung keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet würden. Im Hinblick auf die Stellungnahmen der Mehrzahl der Richter des Landesgerichts St. Pölten lägen keinerlei Anhaltspunkte für deren Befangenheit vor, zumal sie ausdrücklich erklärt hätten, nicht befangen zu sein, untereinander zwar freundschaftlich‑kollegiale Kontakte zu pflegen, über die Rechtssache des Antragstellers aber nicht miteinander gesprochen zu haben. Auch wenn für die Beurteilung der Unbefangenheit im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen sei, könne im vorliegenden Fall bei verständiger Betrachtung kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, dass alle Richter des Landesgerichts St. Pölten sich bei ihrer Entscheidung von anderen als sachlichen Motiven leiten lassen könnten. Es wäre daher völlig unangemessen, die Befangenheit aller Richter anzunehmen, weshalb der auf Feststellung dieser Befangenheit gerichtete Antrag iSd § 24 Abs 2 JN zurückzuweisen sei. Über die von einer Richterin angezeigte Befangenheit werde der zuständige Senat des Landesgerichts St. Pölten zu entscheiden haben. Nach Rechtskraft der Entscheidung über die Befangenheitsanzeige dieser Richterin werde der Akt neuerlich dem Oberlandesgericht Wien mit einer Äußerung des zuständigen Gerichts zu dem auf § 31 JN gestützten Delegierungsantrag wieder vorzulegen sein. Ein dem § 9 Abs 4 AHG unterliegender Sachverhalt liege nicht vor, habe der Antragsteller doch klargestellt, dass er seinen Ersatzanspruch nicht aus der Entscheidung des angerufenen Prozessgerichts ableitet.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Antragstellers ist nicht berechtigt.
Wenn der Rekurswerber darauf verweist, es sei ihm nicht möglich gewesen ‑ abgesehen von der Vorsitzenden ‑ die weiteren Mitglieder des Dreirichtersenats des Landesgerichts St. Pölten personalisiert zu benennen, weil sie in der Beschlussausfertigung namentlich nicht ausgewiesen worden seien, übersieht er, dass ohnehin von sämtlichen Richtern dieses Gerichts eine Äußerung eingeholt worden ist und sich ‑ mit einer Ausnahme ‑ alle Richter für nicht befangen erklärt haben. Aus den Rekursausführungen wird auch nicht ersichtlich, warum gerade die Mitglieder dieses Dreirichtersenats iSd § 19 Z 2 JN befangen sein sollten. Der bloße Umstand, dass ein Richter bereits vorher in einer den späteren Kläger betreffenden Sache entschieden hat, begründet für sich keineswegs einen zureichenden Grund seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Auch der Vorwurf des Antragstellers, er sei durch Unterlassungen und rechtswidrige Handlungen von Organen des Landesgerichts St. Pölten bei der Durchsetzung seines Ersatzanspruchs bereits im Strafverfahren geschädigt worden, auch wenn sich der Ersatzanspruch nicht unmittelbar aus Handlungen des Landesgerichts St. Pölten ableite, lässt nicht erkennen, inwieweit sich aus diesen Vorwürfen eine Befangenheit der betreffenden Richter ergeben könnte, könnte doch auch aus der bloßen Tatsache einer unrichtigen Rechtsanwendung im Allgemeinen keine Befangenheit abgeleitet werden (vgl dazu nur Mayr in Rechberger ZPO4 § 19 JN Rz 6). Von einem Richter kann sogar dann erwartet werden, dass er unbefangen entscheidet, wenn eine Partei gegen ihn etwa Klagen oder Aufsichtsbeschwerden erhoben bzw Straf‑ oder Disziplinaranzeigen erstattet hat (RIS‑Justiz RS0045970).
Die Ausführungen des Rekurswerbers zu § 9 Abs 4 AHG und zu der zu 1 Nc 32/13s ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sind schwer verständlich. Einerseits geht aus der zitierten Entscheidung entgegen den Rekursausführungen keinesfalls hervor, dass es dort um einen „pauschalen Ablehnungsantrag“ gegangen wäre; vielmehr ging es um einen unmittelbar § 9 Abs 4 AHG zu unterstellenden Fall. Da der angefochtene Beschluss ausschließlich über den gegen sämtliche Richter des Landesgerichts St. Pölten gerichteten Ablehnungsantrag absprach, hat die Bestimmung des § 9 Abs 4 AHG in diesem Zusammenhang auch gar keine Bedeutung. Dass etwa das Oberlandesgericht Wien nach dieser Gesetzesstelle von einer Entscheidung ausgeschlossen gewesen wäre, wird nicht behauptet.
Insgesamt zeigt der Rekurs daher keine fehlerhafte Gesetzesanwendung auf.
Nachdem der Antragsteller in seinem Rekurs neuerlich betont, dass der Ersatzanspruch nicht „unmittelbar“ aus Handlungen des Landesgerichts St. Pölten abgeleitet wird, wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass das angerufene Erstgericht vor der Vorlage des Delegierungsantrags seine Zuständigkeit (§ 65 Abs 1 S 1 ZPO, § 9 Abs 1 AHG) zu prüfen haben wird.
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