Spruch:
Urteile über vorprozessuale Kosten, die wegen außergerichtlicher Erledigung des Hauptanspruches mit Klage selbständig geltend gemacht werden, unterliegen nicht den Anfechtungsbeschränkungen für Kostenentscheidungen
Anerkennt ein Rechtsträger auf Grund von Korrespondenz mit dem Geschädigten, wenn auch ohne schriftliche Aufforderung nach § 8 AHG, dessen auf das Amtshaftungsgesetz gestützten Anspruch außergerichtlich, kann der Ersatz der hiedurch entstandenen Kosten mit Amtshaftungsklage begehrt werden
OGH 18. Dezember 1974, 1 Ob 184/74 (OLG Wien 7 R 83/74; LGZ Wien, 40 c Cg 522/73)
Text
Am 9. März 1970 ereignete sich auf der Bundesstraße 4 in der Ortschaft G zwischen einem von dem Präsenzdiener des Bundesheeres Ronald A gelenkten Heereskraftfahrzeug und einem vom Kläger gelenkten PKW - ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger Personen - und Sachschaden erlitt. Ronald A wurde wegen dieses Unfalles rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Der Kläger hatte sich diesem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen, wurde jedoch mit seinen gegen Ronald A erhobenen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Hierauf setzte sich der Kläger wegen Anerkennung und Liquidierung seiner Ersatzansprüche durch seinen ausgewiesenen Vertreter mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung, seinem Rechtsschutzversicherer und dem Haftpflichtversicherer der beklagten Partei - der Republik Österreich - ins Einvernehmen. Die beklagte Partei zahlte dem Kläger schließlich 43.600 S, ersetzte ihm jedoch nicht die Kosten der Privatbeteiligung am Strafverfahren gegen Ronald A in der Höhe von 3657.20 S und auch nicht den von ihm für die ausführliche Korrespondenz zwecks Herbeiführung einer vergleichsweisen Regelung geltend gemachten Pauschalbetrag von 2000 S.
Mit der vorliegenden Klage machte der Kläger nach Durchführung eines Aufforderungsverfahrens im Sinne des § 8 AHG diese beiden Beträge geltend.
Die beklagte Partei vertrat die Auffassung, daß sie für die dem Kläger entstandenen Kosten der Privatbeteiligung nicht zu haften habe. Die für die Korrespondenz seines Vertreters geforderten 2000 S gebührten dem Kläger nach Ansicht der beklagten Partei deshalb nicht, weil die Korrespondenz zur Rechtsverfolgung unzweckmäßig gewesen sei. Der Kläger hätte vielmehr, statt eine umfangreiche Korrespondenz mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung zu führen, seine Ersatzansprüche sogleich in einem Aufforderungsschreiben gemäß § 8 AHG an die Finanzprokuratur geltend zu machen gehabt. Der für dieses Aufforderungsschreiben entstandene Kostenaufwand wäre nicht besonders zu honorieren gewesen, sondern hätte durch den Einheitssatz einer Amthaftungsklage seine Abgeltung gefunden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, nach § 9 Abs. 5 AHG könne der Geschädigte seinen Schaden nicht gegen das Organ geltend machen, sondern ihn immer nur vom Rechtsträger ersetzt verlangen. Daraus ergebe sich, daß in einem gegen das Organ geführten Strafverfahren dem Geschädigten, der sich einem solchen Verfahren als Privatbeteiligter anschließe, ein Ersatz niemals zugesprochen werden könne. Wenn aber der Geschädigte durch einen Privatbeteiligtenanschluß Ersatz vom Organ nicht erlangen könne, dann folge daraus weiters, daß er die Kosten, die ihm durch einen solchen Strafprozessual allenfalls zulässigen Privatbeteiligtenanschluß erwachsen sind, nicht im Amtshaftungsprozeß gegen die Republik Österreich liquidieren könne, weil diese Kosten zur Hereinbringung seiner Schadenersatzforderung, für die ausschließlich der Rechtsträger hafte, nutzlos gewesen seien. Der Pauschalbetrag von 2000 S für die von seinem Vertreter geführte umfangreiche Korrespondenz stehe dem Kläger deshalb nicht zu, weil der Geschädigte, wenn er beabsichtige, einen Ersatzanspruch gegen den Bund nach dem Amtshaftungsgesetz geltend zu machen, eine schriftliche Aufforderung zur Anerkennung seiner Ersatzansprüche an die Finanzprokuratur zu richten habe. Soweit daher der Kläger durch seinen Vertreter, abweichend von dieser Bestimmung, eine ausführliche Korrespondenz mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung habe führen lassen, sei der hiefür entstandene Aufwand zur Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen; ein an die Finanzprokuratur gerichtetes Aufforderungsschreiben wäre aber nicht gesondert zu honorieren gewesen, da es als obligatorische Mahnung zu werten sei, für die gemäß § 25 RAT der Einheitssatz gebühre.
Das Berufungsgericht bestätigte nach Ergänzung des Beweisverfahrens dieses Urteil in Ansehung der Abweisung eines Betrages von 2000 S (für Kosten der Korrespondenz) und eines Teilbetrages von 521.28 S (an Kosten der Privatbeteiligung) und änderte es im übrigen dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger den Betrag von 3135.92 S zu bezahlen. Das Berufungsgericht vertrat, der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgend, die Auffassung, daß dem Kläger der Ersatz der Privatbeteiligtenkosten zustehe und sprach ihm aus diesem Titel den Betrag von 3135.92 S unter Abweisung des Mehrbegehrens von 521.28 S zu. Hinsichtlich der für die Korrespondenz begehrten 2000 S teilte es die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, es könne der Meinung des Klägers nicht beigetreten werden, daß zumindest die Kosten eines Aufforderungsschreibens an die Finanzprokuratur zu honorieren gewesen wären, denn diese Kosten seien weder in der Klage verlangt noch in der Kostennote verzeichnet worden.
Der Oberste Gerichtshof hob über Revision des Klägers die Urteile der Untergerichte, soweit sie das Teilbegehren von 2000 S abwiesen, auf und wies die Rechtssache in diesem Umfang an das Prozeßgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wenngleich im Revisionsverfahren nur mehr der Betrag von 2000 S strittig ist, der als Ersatz für die dem Kläger aufgelaufenen Kosten der Korrespondenz mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung begehrt wird, bestehen gegen die Zulässigkeit der Revision aus dem Gründe des § 502 Abs. 3 ZPO keine Bedenken weil zwischen dieser Forderung und jener auf Ersatz der Kosten der Privatbeteiligung ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, sodaß hier ein nur teilweise bestätigendes Urteil vorliegt (SZ 24/335; JBl. 1964, 161 u. v. a.).
Die Frage, ob die Bestimmung des § 528 Abs. 1 ZPO über die Unzulässigkeit von Rekursen (nach herrschender Rechtsansicht auch Revisionen) gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz "über den Kostenpunkt" auch auf den Fall anzuwenden ist, daß vorprozessuale Kosten, vor allem solche einer Privatbeteiligung, infolge Erledigung des Hauptanspruches bereits in der Klage selbständig geltend gemacht wurden, wurde in den Entscheidungen 2 Ob 148/71; 2 Ob 114/72, EvBl. 1973/162 mit der Begründung bejaht, daß es sich weiterhin um Kosten handle, die im Zuge der gerichtlichen Verfolgung des Schadenersatzes ("Belangen" im Sinne des § 1497 ABGB) aufgelaufen sind. Während andere Entscheidungen (SZ 15/227; SZ 22/171; SZ 24/342 u. a.) anders gelagerte Fälle, wie die Einklagung vorprozessualer Kosten neben Hauptansprüchen oder nach damaliger Rechtsansicht vom Rechtsweg ausgeschlossene Kostenersatzansprüche betrafen, wurde die eingangs angeführte Frage in der Entscheidung 7 Ob 183, 184/72 und zuletzt in der Entscheidung 7 Ob 156/74 (in diesem Band veröffentlicht unter Nr. 107) hier mit folgender eingehender Begründung verneint:
"Schon vor der Entscheidung 7 Ob 183, 184/72 wurden in gleichgelagerten Fällen der ausschließlichen Einklagung von Kosten einer Privatbeteiligung Revisionen mehrfach sachlich entschieden (SZ 12/68 und 2 Ob 400/69). Die Entscheidung 2 Ob 214/72 stutzte ihre Rechtsansicht, es bestehe die für den Ausschluß eines weiteren Rechtsmittels als notwendig anerkannte Akzessorietät der Prozeßkosten im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (Fasching IV, 458) auch im Falle eines vorangegangenen Anschlusses an ein Strafverfahren, auf die aus den Verjährungsbestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches hervorgehende Einheit der beiden Verfahren. Nahe liegt jedoch, daß die Frage, ob prozessual ein Haupt- oder ein Nebenanspruch vorliegt, aus dem Prozeßrecht selbst zu lösen ist. Dieses bestimmt aber den Zeitpunkt der Anbringung der Klage als maßgeblich (§ 54 Abs. 1 JN) u. a. dafür, ob Kosten als Nebenforderungen gelten (§ 54 Abs. 2 JN).
Allerdings hat der Privatbeteiligte gemäß § 393 Abs. 3 StPO, wenn er mit seinem Privatrechtsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, die ihm im Strafverfahren aufgelaufenen Kosten als Teil der Kosten des Zivilverfahrens in seiner Kostennote geltend zu machen (SZ 17/38 u. a.); aber auch in diesem Fall werden die Kosten des Privatbeteiligten nach seiner Befriedigung in der Hauptsache infolge Wegfalls der Akzessorietät zum selbständigen klagbaren Hauptanspruch (Michlmayr, JBl. 1954, 568; Pollak, System[2] I, 283. Fasching I, 119 und I, 341; EvBl. 1957/165 u. a.). In diesem Fall liegt ein zivilprozessual unselbständiger Anspruch, als welchen das Judikat 6 neu Kostenforderungen versteht (siehe die dortige Begründung; ähnlich auch EvBl. 1964/450), und damit ein Kostenanspruch im Sinne des § 41 ZPO nicht mehr vor (Fasching 11.311).
Nur die Verneinung einer Entscheidung "im Kostenpunkt" für die Fälle gesonderter Einklagung vorprozessualer Kosten läßt sich auch mit sonstigen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung vereinbaren. So müßte andernfalls schon die Kostenklage ungeachtet des Streitwertes als Bagatellsache angesehen werden (§ 448 ZPO in Verbindung mit § 453 Abs. 2 ZPO und der unter Nr. 4 zu § 448 und Nr. 1 zu § 453 in MGA ZPO[13] mitgeteilten Rechtsprechung) und es müßte schon die erstgerichtliche Entscheidung nach § 55 ZPO mittels Rekurs angefochten werden. Hier hat aber richtigerweise das Berufungsgericht mit Urteil entschieden, gegen das gemäß § 502 ZPO bloß mit den dort angeführten Ausnahmen die Revision stattfindet. Diese Ausnahmen wieder kommen nicht zur Anwendung, weil auch unter den Nebenforderungen im Sinne des § 502 Abs. 3 ZPO i. d. F. der ZP-Novelle 1971 nur die im § 54 Abs. 2 JN angeführten Ansprüche, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, zu verstehen sind (7 Ob 147/72 u. a.).
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsansicht der Entscheidung 7 Ob 156/74 im Ergebnis aus folgenden zusätzlichen Erwägungen an: Der Ersatzanspruch für Prozeßkosten wird als öffentlich-rechtlicher Anspruch angesehen, weil er ausschließlich aus dem Prozeßrecht selbst abgeleitet ist (Fasching II, 302). Das besondere Kriterium dieses Anspruches ist seine Akzessorietät. In allen jenen Fällen, in denen ein Hauptanspruch nicht mehr existiert, weil er etwa außergerichtlich befriedigt oder verglichen wurde, entsteht kein Prozeß über die Hauptsache; die außergerichtlich aufgelaufenen Kosten können nicht mehr als Prozeßkosten geltend gemacht werden, weil die Voraussetzung eines prozeßverfangenen Hauptanspruches nach § 41 ZPO gar nicht eintreten kann. Diesen außergerichtlichen Kosten fehlt somit das Wesensmerkmal der durch die §§ 41 ff. ZPO erfaßten Kosten, nämlich die Akzessorietät. Solche vorprozessuale Kosten sind daher keine Prozeßkosten mehr. Ihr Ersatz kann nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, das ist im wesentlichen aus dem Titel des Schadenersatzes oder auf Grund einer zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung begehrt werden (Fasching II, 303). Damit tritt in jenen Fällen, in denen schon der Hauptanspruch auf dem Titel des Schadenersatzes beruhte, nach dem Wegfall der Ableitungsmöglichkeit des Kostenersatzanspruches aus dem Prozeßrecht infolge Erledigung des Hauptanspruches der bisher vom öffentlichen Recht verdeckte Anspruch auf Ersatz auch der adäquat verursachten Folgeschäden, nämlich Ersatz der infolge eines Verschuldens des Gegners zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Prozeßkosten, hervor. Der bisher nach dem Prozeßrecht zu beurteilende Nebenanspruch erscheint nun als reinprivatrechtlicher Hauptanspruch. Daß er als solcher bereits in der Klage geltend gemacht, nicht mehr "Kosten" im Sinne der §§ 54 Abs. 2 JN, 41 ZPO und 528 Abs. 1 ZPO darstellt, ist dann nicht mehr zweifelhaft. Für Kosten einer Privatbeteiligung im Strafverfahren muß das gleiche gelten, weil auch der Anspruch hierauf nach Erledigung des Hauptanspruches kein Kostenersatzanspruch aus dem Prozeßrecht mehr ist, sondern nur noch aus dem Privatrecht abgeleitet werden kann und verselbständigt wurde.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß den Gegenstand der Revision nicht mehr die rechtskräftig überwiegend zugesprochenen Kosten der Privatbeteiligung im Strafverfahren bilden, sondern vorprozessuale Kosten von Vergleichsgesprächen, die zwischen dem Strafverfahren und im gegenständlichen Prozeß entstanden sind.
Was den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Kosten anlangt, die dem Kläger durch die Korrespondenzführung mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung erwachsen, sind, so ist dem Berufungsgericht zwar darin zu folgen, daß nach § 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 1. Dezember 1949, BGBl. 45, der Geschädigte, der beabsichtigt, gegen den Bund auf Grund der Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes einen Anspruch geltend zu machen, ein diesbezügliches Aufforderungsschreiben nach § 8 AHG an die Finanzprokuratur zu richten hat. Der Oberste Gerichtshof vermag jedoch der Ansicht nicht beizupflichten, daß aus diesem Gründe im gegenständlichen Fall die mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung geführte Korrespondenz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht gedient hätte. Die beklagte Partei muß selbst in der Klagebeantwortung zugeben, daß auf Grund dieser Korrespondenzführung das Bundesministerium für Landesverteidigung einen Betrag von 43.600 S anerkannt und an den Kläger überwiesen hat. Unter diesen Umständen kann dem Kläger der Anspruch auf Ersatz der ihm durch diese Korrespondenzführung aufgelaufenen Kosten grundsätzlich nicht abgesprochen werden. Da aber die Vorinstanzen von ihrer in dieser Hinsicht vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht ausgehend, Feststellungen über die Angemessenheit des in Rede stehenden Betrages nicht getroffen haben, sind die Entscheidungen der Untergerichte in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht zurückzuverweisen, das bei seiner Entscheidung die diesbezüglichen Einwendungen der beklagten Partei zu berücksichtigen haben wird.
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