Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Bestimmungen des § 8 Abs 1 und des § 8 Abs 2 lit d und h des niederösterreichischen Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 6800-2, lauten:
"§ 8 (1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.
(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn ....
- d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung auf Grund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;
- h) Gründe zur Annahme vorliegen, daß eine spekulative Kapitalsanlage beabsichtigt ist. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn aus der Tatsache der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers oder aus seiner Entfernung von der Liegenschaft zwingend geschlossen werden kann, daß er zur Selbstbewirtschaftung offenbar nicht in der Lage ist oder der Erwerb nur zum Zwecke der Verpachtung erfolgt oder eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht zu erwarten ist."
Mit Kaufvertrag vom 23. Dezember 1980 verkaufte der Kläger seine - landwirtschaftlich genutzte - Liegenschaft EZ 31 KG Dorf (St. Peter in der Au) im Gesamtausmaß von 6,5739 ha - darin 4,6901 ha Wiesen und Weiden in Hanglage - um S 950.000,-- an die Vollerwerbslandwirte Johann und Anna E*** in Kronstorf (Oberösterreich). Die (Grundverkehrsbezirksbehörde sowie über Berufung der Käufer die) Grundverkehrslandeskommission beim Amt der NÖ Landesregierung versagte dem Kaufvertrag aus den Gründen des § 8 Abs 1, Abs 2 lit d und h nöGVG die Zustimmung, weil die benachbarten Interessenten (und vormaligen Pächter eines großen Teils der Liegenschaft von 4,79 ha) Karl und Rosemarie S***, Landwirte in St. Michael am Bruckbach 100, die Liegenschaft zur Aufstockung ihres stärkungsbedürftigen Betriebes benötigten, während der bäuerliche Betrieb der Käufer nicht stärkungsbedürftig sei (Versagungsgrund der Interessenabwägung gemäß lit d); außerdem könnte durch die Interessenten eine der Kulturgattung entsprechende gleichartige Nutzung (Grünlandnutzung bzw. Viehwirtschaft) der Liegenschaft erfolgen, während von den Käufern schon wegen der großen Entfernung ihres Heimbetriebes (25 bis 30 km) und der geplanten Änderung der Bewirtschaftungsart in Mais- und Getreideanbau für einen Großteil der Liegenschaft eine der Kulturgattung entsprechende Bewirtschaftung nicht zu erwarten sei (Versagungsgrund der spekulativen Kapitalsanlage gemäß lit h). Infolge Beschwerde der Käufer hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 1985, B 229/82-8, diesen Bescheid wegen Verletzung des Eigentumsrechtes der Beschwerdeführer auf. Der Bescheid der belangten Behörde beruhe auf denkunmöglicher Gesetzesanwendung. Wenn (auch) der Käufer Vollerwerbslandwirt sei, scheide eine Interessenabwägung im Sinne des § 8 Abs 2 lit d nöGVG - nach zitierter Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes - aus. Ebenso sei es denkunmöglich, aus dem - von der belangten Behörde - vermeinten Vorteil der Beibehaltung einer Nutzung für Grünland- und Viehwirtschaft gegenüber der von den Käufern beabsichtigten Nutzung für Mais- und Getreideanbau eine beabsichtigte Kapitalsanlage und somit den Versagungsgrund nach lit h nöGVG zu folgern.
Mit Bescheid vom 18. November 1985 erteilte sodann die Landesgrundverkehrskommission dem Kaufvertrag die Zustimmung. Der Kläger begehrt im Amtshaftungswege die von ihm wegen der durch die Grundverkehrsbehörden rechtswidrig und schuldhaft verursachten verspäteten Verfügbarkeit des Kaufpreises in der Zwischenzeit aufgewendeten Kreditzinsen.
Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren der Höhe nach mit S 1,-- außer Streit, bestritt es jedoch dem Grunde nach. Die belangte Behörde habe die Zustimmung gemäß § 8 Abs 2 lit d und h nöGVG auf Grund einer vertretbaren Gesetzesanwendung versagt, so daß ihr kein Verschulden anzulasten sei.
Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Beide Gerichte hielten die von der Behörde der beklagten Partei vertretenen Rechtsansichten für unvertretbar.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Liegt ein Erkenntnis des gemäß Art. 144 Abs 1 B-VG angerufenen Verfassungsgerichtshofes vor, mit welchem eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes einer Partei auf Unversehrtheit des Eigentums durch einen Bescheid festgestellt und dieser Bescheid aufgehoben wurde, ist das Amtshaftungsgericht an die Feststellung der Rechts-(Verfassungs-)widrigkeit des Bescheides gebunden (Loebenstein-Kaniak, AHG2 238, 245). Der Revision ist einzuräumen, daß § 11 Abs 1 AHG vom Verfassungsgerichtshof nicht spricht. Aus dieser Bestimmung ergibt sich aber eindeutig, daß dem Amtshaftungsgericht die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides untersagt ist. Auch eine Verfassungswidrigkeit eines Bescheides stellt eine Rechtswidrigkeit, sogar eine qualifizierte, dar. Das Amtshaftungsgericht ist daher auch an die Feststellung einer solchen Rechtswidrigkeit gebunden. Allein das Amtshaftungsgericht ist hingegen dazu berufen, über das Verschulden den von Organen der belangten Behörde und damit auch über die Unvertretbarkeit der dem Bescheid zugrundegelegten Rechtsansicht zu entscheiden (Loebenstein-Kaniak aaO 240; Fasching, ZPR Rz 2321). Das gilt auch dann, wenn man eine vom Verfassungsgerichtshof angenommene "Denkunmöglichkeit" (siehe dazu Walter-Mayer, Grundriß VerfR6 Rz 1354 f) einer Rechtsanwendung der Wortbedeutung gemäß mit ihrer Unvertretbarkeit gleichsetzen wollte.
Im vorliegenden Fall ist jedoch die Rechtsanwendung durch die belangte Behörde nicht nur als denkunmöglich, sondern auch als unvertretbar - und sohin schuldhaft rechtswidrig - zu beurteilen:
Der Versagungsgrund nach § 8 Abs 2 lit d nöGVG (Interessenabwägung) scheidet schon nach dem Text dieser Bestimmung dann aus, wenn die Erwerber Vollerwerbslandwirte (wie hier die Käufer) sind. Diese Beurteilung war zudem der belangten Behörde auch aus mehreren entsprechenden Verfassungsgerichtshof-Erkenntnissen bekannt, so daß die Argumentation mit der Stärkungsbedürftigkeit der Interessenten (der Landwirte Karl und Rosemarie S***) gegenüber den Käufern unhaltbar und somit nicht vertretbar war. Die von der beklagten Partei für die Vertretbarkeit der Annahme des weiteren Versagungsgrundes nach § 8 Abs 2 lit h nöGVG (spekulative Kapitalsanlage) dargelegte Argumentation mit der großen Entfernung des Heimatbetriebes der Käufer von der Kaufliegenschaft, der Art der von diesen geplanten Bewirtschaftung der Liegenschaft und dem unbestimmten Begriff der "ordnungsgemäßen Bewirtschaftung" übersieht, daß die beispielhaft angeführten Tatumstände und daher auch gleich bedeutende andere jeweils zwingend auf eine Absicht der Käufer schließen lassen müssen, die erworbene Liegenschaft nicht selbst oder nicht ordnungsgemäß bewirtschaften zu wollen oder zu können. Für einen solchen, die Spekulationsabsicht nahelegenden und unter Gesetzesvermutung stehenden zwingenden Schluß fehlte aber jeder Anhaltspunkt. Für den - erst im Rechtsmittelverfahren vorgetragenen - Einwand eines rechtmäßigen Alternativverhaltens bleibt die beklagte Partei jegliche konkrete Behauptung schuldig; für ein solches bieten aber auch weder das Folgeverhalten der belangten Behörde noch die Aktenlage irgendeinen Anhaltspunkt. Da die beklagte Partei im Rechtsmittelverfahren gegen die - von den Vorinstanzen schlüssig angenommene - Kausalität eines Verzögerungsschadens des Klägers auf Grund der verspäteten Verfügbarkeit des Kaufschillings nichts vorbringt und der Rechtsauffassung beider Vorinstanzen im Ergebnis beizupflichten ist, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 393 Abs 4, 52 Abs 2 ZPO.
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