OGH 1Ob174/02y (1Ob185/02s)

OGH1Ob174/02y (1Ob185/02s)13.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Manuel W*****, geboren am *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Michael W*****, des väterlichen Onkels Karl W*****, und der väterlichen Großmutter Martha W*****, alle vertreten durch Mag. Dr. Regina Schedlberger, Rechtsanwältin in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 4. Juni 2002, GZ 2 R 180/02h-79, sowie infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters und des zuvor genannten väterlichen Onkels, beide vertreten durch Mag. Dr. Regina Schedlberger, Rechtsanwältin in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 17. Juni 2002, GZ 2 R 198/02f-86, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zuteilung der Obsorge:

1. 1. Der Vater macht geltend, das Erstgericht habe den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil ihm keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, sich zum Gegenstand des Verfahrens zu äußern und zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Das Vorliegen einer solchen Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz wurde bereits vom Rekursgericht verneint. Eine vom Gericht zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann auch im Außerstreitverfahren jedenfalls dann nicht erfolgreich nochmals mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (1 Ob 264/01g [Obsorge]; SZ 65/84 [Obsorge] uva), wenn der Rechtsmittelwerber - wie hier - schon im Verfahren zweiter Instanz Gelegenheit hatte, nicht nur seine Rechtsansicht zur Lösung der Obsorgefrage vorzutragen, sondern sich auch zu den die angefochtene Obsorgeentscheidung tragenden Tatsachen zu äußern. Nur dort, wo das Gesetz eine mündliche Verhandlung zwingend vorschreibt, verwirklicht die gesetzwidrige Hinderung einer Partei, daran teilzunehmen, bzw die Nichtdurchführung einer solchen Verhandlung den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Eine solche Verhandlung ist im Obsorgeverfahren jedoch nicht (zwingend) vorgesehen (1 Ob 264/01g).

1. 2. Die Rechtsmittelwerber behaupten einen Mangel des Rekursverfahrens, weil die zweite Instanz das Vorliegen des gerügten Mangels erster Instanz verneinte. Die nach mangelhaftem Verfahren getroffenen Feststellungen über einen Entwicklungsrückstand und sprachliche Schwierigkeiten des Minderjährigen seien unrichtig. Im Grundsätzlichen kann zwar die Verneinung des Vorliegens eines erstgerichtlichen Verfahrensmangels durch das Rekursgericht noch in dritter Instanz als Mangel des Rekursverfahrens gerügt und ein allenfalls bestehender Mangel im Interesse des Kindeswohls auch aufgegriffen werden (1 Ob 264/01g; EvBl 1997/103 ua), die Rechtsmittelwerber zeigen jedoch mit ihrer Verfahrensrüge keine erhebliche Rechtsfrage auf. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass die wegen des behaupteten Verfahrensmangels in Zweifel gezogenen Feststellungen ua auf eigenen Wahrnehmungen des Pflegschaftsrichters beruhen. Angesichts dessen wird durch den Hinweis auf die unterbliebene Einholung eines "kinderpsychologischen" und "logopädischen" Sachverständigengutachtens kein Stoffsammlungsmangel aufgezeigt, der vom Obersten Gerichtshof als erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts im Interesse der Vermeidung einer offenkundigen, das Kindeswohl belastenden Fehlentscheidung aufzugreifen wäre. 1. 3. Auf dem Boden der getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, dass die Zuteilung der Obsorge an die mütterliche Tante des Minderjährigen auf einer gravierenden Fehlbeurteilung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls beruhen könnte. Die im Revisionsrekurs vertretene Ansicht, bei Zuteilung der Obsorge wäre entweder dem väterlichen Onkel oder der väterlichen Großmutter der Vorzug zu geben gewesen, fußt nicht auf den getroffenen, sondern offenkundig auf den von den Rechtsmittelwerbern für wahr gehaltenen Tatsachen.

1. 4. Vor dem Hintergrund aller bisherigen Erwägungen ist der außerordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

2. Sofortige Vollstreckung und Vermögensverwaltung:

2. 1. Die Rechtsmittelwerber bekämpfen die in zweiter Instanz bestätigte Abweisung ihrer Anträge, die vom Erstgericht angeordnete sofortige Vollstreckung der getroffenen Obsorgeregelung aufzuheben und den Minderjährigen "bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser Pflegschaftsangelegenheit in die Obsorge der väterlichen Großmutter ... rückzuführen". Diesen Anträgen ist mit der unter 1. begründeten Zurückweisung des ao. Revisionsrekurses gegen den Beschluss zweiter Instanz in der Obsorgefrage der Boden entzogen.

2. 2. Soweit sich die Rechtsmittelwerber auch gegen die Abweisung ihrer Anträge wenden, die Verwaltung des Vermögens des Minderjährigen einem Dritten zu übertragen, der mütterlichen Tante die Obsorge demnach insoweit wieder zu entziehen, zeigen sie keine erhebliche Rechtsfrage auf, die eine Korrektur des angefochtenen Beschlusses erzwänge. Wie das Rekursgericht festhielt, ist kein Sachverhalt aktenkundig, der auf eine konkrete Gefährdung der Vermögensinteressen des Minderjährigen bei Aufrechterhaltung der Obsorge durch die mütterliche Tante auch im Bereich Vermögensverwaltung schließen ließe. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber ist allein aus dem Umstand, dass an die Vermögensverwalterin staatliche Transferleistungen für den Minderjährigen fließen werden, nicht schon eine wahrscheinliche Zweckentfremdung dieser Mittel ableitbar. 2. 3. Nach allen bisherigen Erwägungen ist der außerordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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