Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei war Eigentümerin der Wasserkraftanlage Pz 1240 des Wasserbuches der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt mit festem Wehrkörper zur Aufstauung der Pitten und Einleitung des Wassers in einen Werkskanal. Anfang Juli 1975 trat infolge heftiger und langdauernder Regenfälle die Pitten über die Ufer und bedrohte u. a. eine Siedlung in Erlach sowie die Landeshauptstraße 141. Das Hochwasser suchte sich, durch die feste Wehranlage abgelenkt, einen neuen Weg und schwemmte den unbefestigten Boden der Wiese bis zur Landeshauptstraße ab. Mit mündlich nicht in Gegenwart der klagenden Partei verkündetem Bescheid vom 3.7.1975 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die sofortige Sprengung der Wehranlage an, um der Pitten ihre ursprünglich annähernd geradlinige Fließrichtung wiederzugeben. Die Sprengung wurde am 4.7.1975 durchgeführt. Der Bescheid mit Datum 3.7.1975 wurde gemäß § 62 Abs 2 AVG zu GZ IX-H-85/32-1975 der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt schriftlich am 9.7.1975 ausgefertigt. Der Spruch dieses Bescheides lautet: "Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt als die gemäß § 98 Abs 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215 in der derzeit geltenden Fassung, zuständige Wasserrechtsbehörde trifft gemäß § 122 Abs 1 des zitierten Gesetzes die einstweilige Verfügung, daß unverzüglich der an den Uferbruch auf Parzelle Nr. 708/6 KG Erlach östlich anschließende Teil des festen Wehrkörpers der im Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt unter Postzahl 1240 eingetragenen Wasserkraftanlage abzusprengen ist, um dem Pittenfluß seine annähernd geradlinige Fließrichtung wiederzugeben. Gemäß § 64 Abs 2 AVG 1950 wird die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung aberkannt." Die Zustellung an die klagende Partei erfolgte am 7.8.1975. Von der Tatsache der Sprengung erfuhr die klagende Partei (spätestens) durch Akteneinsicht am 14.8.1975. Mit Bescheid des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3.1.1979, Zl. III/1-17.130/2-1977, wurde der Berufung der klagenden Partei gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt gemäß § 66 Abs 4 AVG keine Folge gegeben. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde der klagenden Partei mit Beschluß vom 17.5.1979, Zl. 597/79-5, mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges zurückgewiesen hatte und der klagenden Partei mit Bescheid des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14.8.1979 gemäß § 71 Abs 1 lit b AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt worden war, gab das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 9.12.1985, Zl. 410.473/01-I 4/82, der Berufung der klagenden Partei Folge und hob den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 3.7.1975 gemäß § 66 AVG 1950 ersatzlos auf. Gemäß § 21 AVG 1950 habe die Erlassung schriftlicher Bescheide durch Zustellung bzw. Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen sei ein Bescheid ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung vorliege. Der Bescheid vom 3.7.1975, mit dem die Sprengung von Teilen des Wehrs veranlaßt worden sei, sei der klagenden Partei am 7.8.1975 zugestellt worden. Die Wehranlage sei jedoch bereits am 4.7.1975 gesprengt worden. Da die Wehranlage bei Erlassung des Bescheides bereits gesprengt gewesen sei, sei der Bescheid tatsächlich undurchführbar gewesen und als solcher mit Rechtswidrigkeit behaftet ersatzlos aufzuheben. Dieser Bescheid wurde der klagenden Partei am 16.12.1985 zugestellt. Mit der am 28.1.1987 eingebrachten Amtshaftungsklage begehrt die klagende Partei den Ersatz des Zeitwertes ihres Wehrs im Zeitpunkt der Sprengung von S 1,037.500 samt Anhang. Die Sprengung sei widerrechtlich von Organen der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt durchgeführt worden.
Die beklagte Partei wendete ein, ihre Organe hätten nicht rechtswidrig gehandelt. Wie der wasserbautechnische Amtssachverständige des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft im Zuge des Berufungsverfahrens festgestellt habe, sei die Sprengung der Wehranlage im öffentlichen Interesse unbedingt notwendig gewesen, weil die Wehranlage infolge mangelnder Instandhaltung und Nichteinhaltung von Betriebsauflagen zur Verschärfung der damaligen Hochwassersituation und somit zur akuten Gefährdung von Menschenleben, Liegenschaften, Verkehrswegen und Siedlungen beigetragen habe. Im übrigen sei der Anspruch der klagenden Partei gemäß § 6 Abs 1 Satz 2 AHG verjährt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die absolute Verjährungsfrist werde durch § 6 Abs 1 AHG gegenüber § 1489 ABGB auf zehn Jahre verkürzt. Sie beginne in jedem Fall mit der Entstehung des Schadens, also nicht mit dem schädigenden Ereignis zu laufen. Die Ablaufhemmung des § 6 Abs 1 erster Satz AHG gelte nur für die kurze Verjährungsfrist. Die Verjährung des Anspruches trete nach Ablauf der zehnjährigen Frist auch dann ein, wenn die kurze Frist noch nicht abgelaufen sein sollte. Sei dem Geschädigten der Schadenseintritt bekannt geworden, wäre aber die kurze Verjährungszeit bei Ablauf der langen noch nicht zu Ende, so könne sich der Geschädigte vor Verjährung nur durch eine rechtzeitige Feststellungsklage schützen. Schädigendes Ereignis sei die Sprengung des Wehres gewesen. Sie sei der klagenden Partei spätestens am 14.8.1975 bekannt geworden. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage sei die Zehnjahresfrist bereits abgelaufen gewesen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Ob die Sprengung der Wehranlage ohne Bescheid erfolgt und dieser erst nachträglich ausgefertigt worden sei, ob der Bescheid vorher mündlich erlassen worden sei oder ob im Vorgehen der Behörde die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu erblicken sei, habe auf die von der klagenden Partei gewünschte Hinausschiebung des Verjährungsbeginnes keinen Einfluß, weil in allen Fällen durch Rechtsmittel, die unmittelbar danach durchgeführte Sprengung und der dadurch eingetretene Schaden nicht mehr verhindert oder verringert habe werden können. Daß die Sprengung über Anordnung von Organen der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt im Rahmen mittelbarer Bundesverwaltung erfolgt sei, habe dem Kläger mit der Zustellung des Bescheides, spätestens aber mit der Akteneinsicht am 14.8.1975, bekannt sein müssen. Damit sei ihm jedenfalls Ende 1975 der gesamte Sachverhalt bekannt gewesen, der ihm eine aussichtsreiche Klagsführung ermöglicht hätte. Die ersatzlose Aufhebung des Bescheides habe dem ihm schon damals bekannten Sachverhalt nichts hinzugefügt, was die klagende Partei damals an einer erfolgreichen Klagsführung hätte hindern können. Die Verjährungsfrist beginne nicht erst mit jenem Zeitpunkt, zu dem der anzustrengende Prozeß dem Geschädigten mehr oder weniger risikolos erscheine. Ersatzansprüche für Schäden, die auch durch ein Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden könnten, begännen mit dem Eintritt des tatsächlichen Schadens oder zumindest mit dem Eintritt der ersten Schadensfolge, die nicht mehr abgewehrt werden könne, zu verjähren. Die Verjährungsfrist ende erst ein Jahr nach Rechtskraft der schadensverursachenden Entscheidung oder Verfügung. Dies habe auch für jenen Fall zu gelten, in dem der den Schaden auslösende Bescheid im Rechtsmittelverfahren beseitigt werde. Dort sei die Verjährung bis zur Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses gehemmt. Damit sei aber für die klagende Partei nichts gewonnen. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, setze § 6 Abs 1 AHG die allgemeine dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB auf zehn Jahre herab. Wenn auch die kurze Verjährungsfrist zufolge Hemmung noch nicht abgelaufen sein sollte, so verjähre der Anspruch jedenfalls mit Ablauf der zehnjährigen Frist. Bei Einbringung der Klage sei die zehnjährige Frist längst abgelaufen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.
Gemäß § 122 Abs 1 WRG kann u.a. die Bezirksverwaltungsbehörde bei Gefahr im Verzug zur Wahrung öffentlicher Interessen von Amts wegen die erforderlichen einstweiligen Verfügungen treffen. Darüber, in welcher Form diese sofort vollstreckbaren (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4 Rz 1028) Bescheide zu ergehen haben, sagt das Wasserrechtsgesetz nichts. Da für einstweilige Verfügungen nach dieser Gesetzesstelle aber die Bestimmung des § 111 Abs 1 WRG, wonach Bescheide über die wasserrechtliche Bewilligung bei sonstiger Nichtigkeit schriftlich zu erlassen sind, nicht gilt, wird die Ansicht vertreten, daß sie gemäß § 62 Abs 1 AVG auch mündlich erlassen werden können (Grabmayr-Roßmann, Das österreichische Wasserrecht2 587). Gemäß § 62 Abs 2 AVG war aber der von der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt in Abwesenheit der klagenden Partei mündlich verkündete Bescheid ihr zuzustellen. Dies erfolgte am 7.8.1975, also bereits nach der Sprengung der Wehranlage.
Nach § 6 Abs 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Schädiger bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden oder ist der Schaden aus einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, entstanden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Die Verjährung wird durch die Aufforderung gemäß § 8 AHG für die dort bestimmte Frist oder, wenn die Aufforderung innerhalb dieser Frist beantwortet wird, bis zur Zustellung dieser Antwort an den Geschädigten gehemmt. Die klagende Partei hat gegen die bescheidmäßig angeordnete einstweilige Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die ihr offenstehenden Rechtsmittel ergriffen und schließlich in dritter Instanz obsiegt. Die einstweilige Verfügung, die Grundlage für die Sprengung der Wehranlage war, wurde ersatzlos behoben. Die klagende Partei war, da der Bescheid sofort vollstreckbar war und - nach Ansicht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft sogar vor seiner Wirksamkeit vollstreckt wurde - mit ihren Rechtsmitteln nicht in der Lage, den Schaden im Sinne des § 2 Abs 2 AHG abzuwenden. Ersatzansprüche für Schäden, die auch durch Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden können, beginnen mit dem Eintritt des tatsächlichen Schadens oder mit dem Eintritt der ersten Schadensfolge, die nicht mehr abgewendet werden kann, zu verjähren. Die Ergreifung von Rechtsmitteln gegen solche Bescheide hat aber zur Folge, daß die Verjährungsfrist erst ein Jahr nach Rechtskraft der schadensverursachenden Entscheidung oder Verfügung unabhängig davon, ob ein Schaden im Sinn des § 2 Abs 2 AHG noch abgewendet werden könnte, endet (Loebenstein-Kaniak, AHG2 205). Der klagenden Partei war durch die damit normierte Ablaufhemmung jedenfalls noch die Zeit von einem Jahr ab Rechtskraft der Entscheidung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft zur Geltendmachung ihrer Amtshaftungsansprüche gewahrt (RZ 1964, 79; EvBl 1964/125; Loebenstein-Kaniak aaO 204 f).
Aus § 6 Abs 1 AHG ergibt sich entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht, daß die Ablaufhemmung nur für die dreijährige, nicht aber für die zehnjährige Verjährungszeit Geltung haben sollte. Der erste Satz des § 6 Abs 1 AHG stellt zwar die Grundregel auf, daß Amtshaftungsansprüche in drei Jahren verjähren, ordnet jedoch mit den Worten, daß die Verjährung keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft der rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung eintreten sollte, eine Ablaufhemmung an. Vrba-Zechner, AHG 210, meinen, daß die Ablaufhemmung des § 6 Abs 1 erster Satz AHG nur für die kurze Verjährungsfrist, nicht aber für die zehnjährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 zweiter Satz AHG gelte. Der Gesetzgeber, der zwar wohl kaum daran dachte, daß bis zur Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung mehr als zehn Jahre verstreichen könnten, hat aber dennoch mit dem Wort "keinesfalls" deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Ablaufhemmung für beide der im § 6 AHG normierten Verjährungsfristen Geltung haben sollte. Nur dieses Ergebnis trägt den Intentionen des Gesetzes Rechnung. Das Gericht, das über Amtshaftungsansprüche zu entscheiden hat, darf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde nicht selbst bejahen. Hätte die klagende Partei bereits während des verwaltungsrechtlichen Instanzenzuges, der schließlich zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt führte, eine Amtshaftungsklage eingebracht, so hätte das Gericht, wenn es die Rechtswidrigkeit des Bescheides als Vorfrage bejahen wollte, sein Verfahren entweder gemäß § 190 ZPO unterbrechen oder den Antrag nach § 11 Abs 1 AHG an den Verwaltungsgerichtshof stellen und ihn damit anrufen müssen, obwohl unter Umständen ohnehin noch im Verwaltungsverfahren die Behebung des Bescheides erreicht werden konnte. Vor einem solchen letztlich nicht sinnvollen Vorgehen wollte § 6 Abs 1 erster Satz AHG den Geschädigten offenbar bewahren. So lange also die Frage der Rechtswidrigkeit eines Bescheides im Verwaltungsverfahren durch die zuständigen Verwaltungsbehörden oder durch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof (Loebenstein-Kaniak aaO 205) noch überprüft wird, soll es dem Geschädigten möglich sein, diese Klärung in dem dafür vorgesehenen Verfahren herbeizuführen, ohne Gefahr zu laufen, daß seine Amtshaftungsansprüche verjähren könnten, es wird daher vom Geschädigten nicht verlangt, daß er vor Beendigung des Verwaltungsverfahrens nur, um den Verjährungseintritt hintanzuhalten, eine Amtshaftungsklage einbringen müßte; er kann vielmehr das Verwaltungsverfahren zu Ende führen und hat dann ohne Rücksicht auf die Dauer dieses Verfahrens immer noch ein volles Jahr Zeit, die Amtshaftungsklage zu erheben (vgl. Loebenstein-Kaniak 205 Rz 225 aE). Im Falle des Erfolges des Einschreitens im Verwaltungsverfahren ist dann auch bereits die Frage geklärt, daß die Vollziehung der Gesetze rechtswidrig erfolgt war. Es ist dann Sache des geklagten Rechtsträgers zu beweisen, daß die in Betracht kommenden Organe nicht schuldhaft handelten (JBl 1988, 177; ZVR 1975/270; Loebenstein-Kaniak aaO 142). Unter Berücksichtigung des Aufforderungsverfahrens hat die klagende Partei die Amtshaftungsklage innerhalb der Jahresfrist des § 6 Abs 1 erster Satz AHG eingebracht. Die behaupteten Ansprüche sind dann nicht verjährt.
Der Revision ist Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind gemäß § 510 Abs 1 ZPO aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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