OGH 1Ob166/20y

OGH1Ob166/20y23.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* J*, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth und Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B* L*, vertreten durch Mag. Dr. Peter Sommerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2019, GZ 14 R 120/19y‑25, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. August 2019, GZ 65 Cg 60/18y‑18, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. August 2019, GZ 65 Cg 60/18y‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129723

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

1.1. Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann (§ 922 Abs 1 ABGB).

1.2. Eine Leistung ist dann mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt (RIS‑Justiz RS0018547 [T5]).

1.3. Sach‑ und Rechtsmängel werden grundsätzlich gleich behandelt (RS0018480). Sachmängel sind Beeinträchtigungen der Sachsubstanz. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber nicht die Rechtsposition verschafft, die er ihm nach dem Vertrag verschaffen hätte müssen (5 Ob 119/19i [1.3.] mwN). Die Beweislast für im Rahmen der Gewährleistung geltend gemachte Sach‑ und Rechtsmängel trifft grundsätzlich den Erwerber (RS0018553; RS0018687 [T3]).

2. Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags war eine Liegenschaft mit einem darauf errichteten Haus in einem Weinort. Über das Gebiet verteilt, in dem sich der Ort befindet, existieren sogenannte „Erdställe“. Dabei handelt es sich um unterirdische Gänge, die zwischen den Jahren 1500 und 1900 – großteils als Fluchtanlagen – angelegt wurden. Der beklagte Verkäufer übernahm im Kaufvertrag die Haftung dafür, dass die Liegenschaft frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten ist; darüber hinaus erklärte er, keinerlei Haftung für eine bestimmte Beschaffenheit oder ein besonderes Erträgnis des Kaufgegenstands zu übernehmen. Von der Liegenschaft eines Nachbarn ausgehend verläuft ein unterirdischer Gang bzw Erdkeller, der seinen Eingang – von der Liegenschaft aus nicht sichtbar – auf dessen Grundstück hat. Dieser Gang verläuft 5,5 m lang unter der Liegenschaft der Klägerin im Gartenbereich. Von ihm hatte keine der Parteien und auch nicht der vom Beklagten beauftragte Immobilienmakler Kenntnis.

3.1. Das Berufungsgericht führte zum Einwand der Klägerin, beim „Erdstall“ handle es sich als „Grundstückslast“, deren Fehlen der Beklagte zugesichert habe, um einen von diesem zu vertretenden Rechtsmangel, aus, die bloße Existenz eines unterirdischen Ganges, der (auch) auf die Liegenschaft der Klägerin führe, sei kein Mangel in Gestalt einer „Last“. Vom Nachbarn werde auch keine Berechtigung zur Benützung behauptet oder in Anspruch genommen. Zudem habe sich der Nachbar in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, den unterirdischen Gang an der Grundstücksgrenze abzumauern, wenn der Kellergang bei Bauarbeiten auf dem Grundstück der Klägerin geöffnet werden würde. Weder nach den Prozessbehauptungen der Klägerin noch nach den getroffenen Feststellungen würden irgendwelche rechtliche Lasten (Servituten, Gebrauchsrechte etc) an ihrer Liegenschaft bestehen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.

3.2. Die Klägerin vermeint, ihre Liegenschaft sei entgegen der Zusicherung des Beklagten durch den unter ihrem Grundstück befindlichen „Erdstall“ nicht frei von der ausdrücklichen Zusage der Lastenfreiheit. Entgegen ihrer Ansicht ist jedoch der Umstand, dass sich der von der Nachbarliegenschaft aus zugängliche Keller auch unter ihrer Liegenschaft befindet, kein Rechtsmangel, für den der Beklagte einzustehen hätte. Eine bücherliche – im Grundbuch einverleibte – Last kann der Erdkeller naturgemäß nicht sein. Eine außerbücherliche Last im Sinn einer Beschränkung der Eigentümerrechte ist er auch nicht, behauptet doch der Nachbar weder irgendeine Berechtigung zur Nutzung dieses Kellers und es steht – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht fest, dass er ihn benützt(e). Nach dem gewöhnlichen Verständnis fällt ein „Erdstall“ nicht unter den Ausdruck „außerbücherliche Last“, sodass der Beklagte – wovon das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung ausging – nicht aufgrund der ausdrücklichen Zusage der Lastenfreiheit haftet.

4.1. Die Zusage einer Eigenschaft oder Gebrauchsmöglichkeit kann auch schlüssig erfolgen (RS0014177; RS0107682). Kennt der Veräußerer die vom Erwerber gewünschte Eigenschaft oder muss er sie kennen, so ist bei Nichtaufklärung über die – ihm bekannte –Untauglichkeit die Eignung als stillschweigend zugesagt anzusehen (RS0018468).

4.2. Das Berufungsgericht ging unter Beachtung dieser Grundsätze davon aus, dass der dem Beklagten als Verhandlungsgehilfe zuzurechnende Immobilienmakler gegenüber der Klägerin keine Äußerung oder Zusage zur technischen Bebaubarkeit der Liegenschaft, sondern bloß zur rechtlichen Zulässigkeit der Bebauung (mit einer Garage) gemacht habe. Der Beklagte und der Immobilienmakler hätten nicht gewusst, dass ein vom Grundstück des Nachbarn ausgehender, unterirdischer Gang bis unter die Liegenschaft reiche, geschweige denn, dass er 5,5 m in die Liegenschaft rage. Beide hätten dies auch nicht wissen müssen, weil ex ante überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für diese Sachlage vorgelegen seien. Damit scheide auch eine stillschweigende Zusage des Fehlens eines unterirdischen Kellers aus.

4.3. Die Klägerin hält dieser Beurteilung nur entgegen, der Immobilienmakler müsse sich das Wissen des Voreigentümers der Liegenschaft (des Nachbarn) zurechnen lassen und diese Informationen seien damit auch dem Beklagten zuzurechnen. Mit diesen Ausführungen entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen. Sowohl der Beklagte als auch der von ihm beigezogene Immobilienmakler hatten keine Kenntnis von „Erdställen“ und hätten die Klägerin daher auch nicht darüber aufklären können. Der Nachbar – er hatte die Liegenschaft Jahre zuvor unter Beiziehung desselben Immobilienmaklers an den Beklagten verkauft – wusste nicht, wie weit die „Erdställen“ von seiner Liegenschaft reichen. Die Klägerin vermag im Rechtsmittel nicht darzulegen, wie es zur stillschweigend zugesicherten Eigenschaft des Fehlens von „Erdställen“ gekommen sein soll.

5. Das Berufungsgericht hielt weiters fest, dass auch keine „gewöhnlich vorausgesetzte“ Eigenschaft gefehlt habe, zumal die „objektive Bebaubarkeit“ gegeben sei.

Gegen diese Rechtsansicht bringt die Klägerin nichts vor, die nach den erstgerichtlichen Feststellungen auch dann wegen der äußerst hohen Kosten vom Bau einer Garage Abstand nehmen würde, wenn es die Erschwernis durch den Erdstall nicht gäbe.

6. Da – entgegen der Ansicht der Revisionswerberin – eine „zugesicherte Eigenschaft der Lastenfreiheit“ nicht „fehlte“, vermag sie damit auch nicht erfolgreich im Zusammenhang mit ihrer Berufung auf einen Geschäftsirrtum zu argumentieren. Mit ihrer Unterstellung, der Makler als Verhandlungsgehilfe des Beklagten habe Kenntnis von der konkreten Beschaffenheit der Liegenschaft gehabt, weshalb letzterer einen Eigenschaftsirrtum der Klägerin veranlasst habe, negiert sie die gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichts und führt ihr Rechtsmittel insoweit nicht gesetzmäßig aus (RS0043603).

7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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