Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.000,98 EUR (darin 166,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 19.000 EUR. Es sei Rückzahlung in monatlichen Raten bei sonstigem Terminverlust vereinbart gewesen, die Beklagte sei aber ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen, weshalb das Darlehen zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellt worden sei.
Die Beklagte bestritt zwar den Erhalt eines Darlehens, wendete aber für den Fall, dass das Gericht dennoch von einer Darlehensgewährung ausgehen sollte, mangelnde Fälligkeit ein, weil der Kläger in seiner Aussage erklärt habe, die Rückzahlung erst dann zu begehren, wenn die Beklagte wirtschaftlich hiezu in der Lage wäre, was aber nicht der Fall sei.
Das Erstgericht gab der Klage mit dem Betrag von 17.658,21 EUR Folge und wies das Mehrbegehren von 1.341,79 EUR ab. Es traf - zusammengefasst - folgende Feststellungen: Zwischen den Streitteilen bestand eine intime Freundschaft. Die Beklagte hatte finanzielle Probleme. Der Kläger gewährte ihr auf ihr Ersuchen ein Darlehen von 11.000 EUR. Hinsichtlich der Rückzahlung vereinbarten die Streitteile mündlich, dass die Beklagte das Darlehen in Raten zurückzahlen werde. In der Folge gewährte der Kläger der Beklagten weitere Darlehen, indem er Anschaffungen für sie tätigte und ihre Rechnungen bezahlte. Insgesamt stellte er ihr einen Betrag von 17.658,21 EUR als Darlehen zur Verfügung, während er restliche 1.341,79 EUR für Geschenke, gemeinsames Essen etc ausgab. Während der Vorbereitungen zu einer Vernissage der Beklagten vereinbarten die Streitteile, dass die Beklagte das Darlehen in monatlichen Raten in Höhe von zumindest 200 EUR zurückzahlen werde. Ein darüber hinausgehender Betrag sollte sich nach der finanziellen Lage der Beklagten richten. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Beklagte nicht einmal die Zahlung der Mindestraten geleistet habe, weshalb der Kläger mit Recht den gesamten Betrag fällig gestellt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 17.658,21 EUR, änderte jedoch die Zahlungsfrist dergestalt, dass die Beklagte (bloß) zur ratenweisen Zahlung dieses Betrags in monatlichen Raten à 70 EUR verurteilt wurde. Die ordentliche Revision wurde letztlich für zulässig erklärt. Nach Durchführung einer Beweiswiederholung nahm das Berufungsgericht an Stelle der oben kursiv gedruckten Feststellungen des Erstgerichts nachstehenden Sachverhalt als wahr an:
„Es kann nicht festgestellt werden, dass die Streitteile während der Vorbereitung zur Vernissage ... vereinbarten, dass das Darlehen in monatlichen Raten von zumindest 200 EUR zurückzuzahlen sei, und ein darüber hinausgehender Betrag sich nach der finanziellen Lage der Beklagten richten sollte."
Die Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten sei nicht nach § 904 erster Satz ABGB zu beurteilen; vielmehr treffe sie gemäß § 904 dritter Satz ABGB die Pflicht zur Darlehensrückzahlung nach „Möglichkeit". Eine solche Vereinbarung, die Erfüllung nach Möglichkeit vorzunehmen, lasse im Zweifel nicht vermuten, der Schuldner habe sich die Erfüllung seiner Verpflichtung nach Willkür vorbehalten. Habe der Schuldner die Erfüllung nach Möglichkeit oder Tunlichkeit oder unter ähnlichen Beschränkungen zugesichert, setze der Richter die Erfüllungszeit unter Bedachtnahme auf die beiderseitigen Interessen nach Billigkeit fest. In solchen Fällen habe der Richter - statt die Klage gänzlich oder teilweise abzuweisen - den künftigen Leistungszeitpunkt nach der sich aus der Sachlage ergebenden Wahrscheinlichkeit festzusetzen und könne er dementsprechend auch Ratenzahlungen anordnen. Ausgehend von der „beengten Vermögenslage" der Beklagten (monatliches Einkommen von 700 EURbis 1.200 EUR, Kreditrückzahlungen von 365 EUR monatlich und ihrer Sorgepflicht) sei eine Ratenzahlung von monatlich 70 EUR festzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese „Ratengewährung" des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Trotz Fehlens eines Revisionsantrags ergibt sich aus der Anfechtungserklärung und dem Inhalt der Revisionsgründe, dass die gänzliche Wiederherstellung des Ersturteils beantragt wird. Der Formmangel führt daher nicht zur Verwerfung der Revision (RIS-Justiz RS0043631). Die Revision ist jedoch entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 508 ZPO - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO) - mangels einer im Rechtsmittel aufgeworfenen erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
Der Kläger macht den Umstand, dass das Berufungsgericht die letztlich getroffene Billigkeitsentscheidung nicht mit ihm erörtert habe, als Verfahrensmangel geltend. Es wäre zu ergründen gewesen, ob eine Billigkeitsentscheidung auch auf die Interessen des Klägers Rücksicht nehme. So sei nicht bedacht worden, dass auch bei vollständiger und fristgerechter Ratenzahlung die Tilgung des Gesamtbetrags 21 Jahre in Anspruch nehmen würde, wobei der Kläger das 81. Lebensjahr erreichen müsste. Eine derartige Rechtsgestaltung könne nicht der Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und damit der Billigkeit entsprechen. Es seien auch allfällige künftige Änderungen der Vermögensverhältnisse der Parteien unberücksichtigt gelassen worden. Schließlich moniert der Kläger, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach eine Rückzahlungsvereinbarung nach Möglichkeit oder Tunlichkeit dem Gericht erlaube, eine rechtsgestaltende Entscheidung zu treffen, in den Tatsachenfeststellungen keine Deckung finde, zumal kein Erfüllungsversprechen der Beklagten festgestellt worden sei.
Dazu ist auszuführen:
1. Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunktes kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Werden hingegen - wie hier - nur dieselben Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zu Grunde lagen, rechtlich anders gewertet, kann die Verletzung des § 182a ZPO keine Rechtsfolgen haben (siehe 7 Ob 278/05s mwN). Im vorliegenden Fall hätte der Kläger jenes Vorbringen anzuführen gehabt, das er - über die Rechtsansicht des Berufungsgerichts informiert - erstattet hätte (siehe Fucik in Rechberger 3, § 182a ZPO Rz 4). Er beließ es aber bei der Ausführung, dass die Ratenzahlung viele Jahre in Anspruch nehmen werde. Auf welche sonstigen Interessen des Klägers das Berufungsgericht Rücksicht zu nehmen gehabt hätte, bleibt im Dunkeln. Auch der Vorwurf, dass das Berufungsgericht nicht bedacht habe, dass die Rückzahlung 21 Jahre in Anspruch nehme und der Kläger bis zur Vollzahlung das 81. Lebensjahr erreichen müsste, geht ins Leere; schließlich ergibt sich die Tilgungszeit aus einer reinen Rechenoperation und war auch das Lebensalter des Klägers dem Berufungsgericht bekannt. Inwiefern es bei seiner Entscheidung schließlich auf allfällige künftige Änderungen der Verhältnisse hätte Rücksicht nehmen können, wird in der Ausführung der Mängelrüge verschwiegen, weshalb nicht näher auf diese Thematik einzugehen ist. In Ermangelung eines relevanten zusätzlichen oder neuen Vorbringens des Klägers zu der von ihm nicht beachteten maßgeblichen Rechtsansicht (siehe Fucik aaO) liegt daher kein Verfahrensmangel des Berufungsgerichts vor.
2. Den Revisionsausführungen ist insoweit zuzustimmen, als die Tatsacheninstanzen tatsächlich keine ausdrückliche Feststellung getroffen haben, dass eine Rückzahlungsvereinbarung nach Möglichkeit oder Tunlichkeit geschlossen wurde. Dem kommt aber aus folgenden Gründen keine Relevanz für die Lösung der entscheidenden Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 904 Satz 3 ABGB zu:
Trotz Entfalls der auf S 8/9, Pt. 12 des Berufungsurteils wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht blieb die Feststellung, dass die Streitteile hinsichtlich der Rückzahlung vereinbarten, dass die Beklagte das Darlehen in Raten zurückbezahlt, aufrecht (S 7, Pt. 3. des Berufungsurteils). Es liegt daher eine Raten-Rückzahlungsvereinbarung mit offenen Fristen und nicht festgesetzten Teilbeträgen vor.
Bei fehlender Fälligkeitsvereinbarung und fehlender genauer gesetzlicher Terminfestsetzung bestimmt sich die Fälligkeit nach der Natur der Sache. Bei Darlehen kann sich die Fälligkeit der Rückzahlung aus dem Darlehenszweck ergeben. Ein Darlehen darf nicht - weil gegen dessen Wesen verstoßend - sogleich fällig gestellt werden (Reischauer in Rummel 3, § 904 ABGB Rz 4). Auch ergänzende Vertragsauslegung kann zur Fälligkeit nach Möglichkeit und Tunlichkeit führen (Reischauer aaO Rz 10). Dass eine Zahlung nach „Möglichkeit und Tunlichkeit" gewollt ist, kann sich (auch) erst aus den Begleitumständen ergeben (Binder in Schwimann 3, § 904 ABGB Rz 12). Der Oberste Gerichtshof leitete etwa aus der Feststellung, dass eine Geldforderung aus Warenlieferung zum Zweck der Abwendung des Konkurses gestundet worden sei, die Parteienabsicht ab, dass die Fälligkeit der Forderung bis zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage des Zahlungspflichtigen hinausgeschoben worden sei, die Zahlung demnach iS des § 904 Satz 3 ABGB nach Tunlichkeit und Möglichkeit erfolgen sollte (1 Ob 745/80 = Jbl 1982, 37).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Darlehensgewährung durch den Kläger erkennbar zu dem Zweck, seiner wegen ihrer finanziellen Probleme verzweifelten „engen Freundin" zu helfen. Da die finanziellen Probleme der Beklagten dergestalt waren, dass ihr auf Grund ihrer hohen Fixkosten lediglich ca 100 EUR im Monat für das tägliche Leben übrig blieben, kann die betraglich unbestimmte Ratenvereinbarung nur im Sinne einer Zahlung nach „Tunlichkeit und Möglichkeit" - entsprechend den bescheidenen Möglichkeiten der Beklagten - verstanden werden.
Wenn das Berufungsgericht die monatlichen Raten in zulässiger Anwendung des § 904 Satz 3 ABGB mit 70 EUR festsetzte, so wurde auf Grundlage der Gesamtumstände, insbesondere angesichts der knappen Möglichkeiten der Beklagten, auch den Interessen des Klägers ausreichend Rechnung getragen. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich auch, dass die Streitteile keine Geschäftsverbindung pflegten. Insgesamt ist die durch das Berufungsgericht festgelegte Zahlungspflicht der Beklagten jedenfalls vertretbar.
Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision des Klägers ist folglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Beklagten, die auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht der Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)