OGH 1Ob156/15w

OGH1Ob156/15w27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth H*****, vertreten durch Mag. Paolo Caneppele, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Mag. Maria ***** S*****, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Dr. Sabine Gauper‑Müller, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 2. Juni 2015, GZ 1 R 127/15v‑40, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 31. März 2015, GZ 14 C 699/13p‑36, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin machte in der Aufkündigung (nur) den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG geltend. Nachdem die Beklagte gegen die Aufkündigung Einwendungen erhoben hatte, war die (nunmehr auch anwaltlich vertretene) Klägerin nach § 33 Abs 1 Satz 4 MRG gehalten, das Vorliegen aller vom Gesetz geforderten Tatbestandsmerkmale dieses Kündigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen (2 Ob 600/84 = MietSlg 36.456; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 [2015] § 33 MRG Rz 24). Andere Kündigungsgründe kann sie in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen (§ 33 Abs 1 Satz 3 MRG).

2. Der Kündigungsgrund der Nichtzahlung des Mietzinses (§ 30 Abs 2 Z 1 MRG) setzt ‑ im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (RIS‑Justiz RS0070232; RS0070282) ‑ voraus: a) einen noch bestehenden Rückstand an rechtswirksam vereinbartem oder gesetzlich vorgesehenem Mietzins, b) der mindestens seit acht Tagen fällig war und c) trotz Mahnung innerhalb der darin gesetzten oder wenigstens seither gewährten Nachfrist nicht entrichtet wurde. Die Mahnung kann nicht durch die Kündigung ersetzt werden und muss (wenigstens im Verlauf des Kündigungsverfahrens) als Teil des Kündigungstatbestands ausdrücklich behauptet und notfalls nachgewiesen werden (1 Ob 566/87 mwN = RIS‑Justiz RS0070240 = MietSlg 39.415; Würth in Rummel³ § 30 MRG Rz 13; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 30 MRG Rz 14; vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 30 MRG Rz 20 f; RIS‑Justiz RS0021202). Sie bezweckt, den Mieter nochmals auf die bereits eingetretene Fälligkeit seiner Mietzinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch Setzung oder Gewährung einer Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch Bezahlung der Forderung die Gefahr der Aufkündigung abzuwenden (1 Ob 566/87 = RIS‑Justiz RS0070229; vgl RS0021329 [T1]; Würth aaO § 30 MRG Rz 14). Die Mahnung kann nur dann entfallen, wenn damit ein reiner Formalakt gesetzt würde, so etwa bei unbekanntem Aufenthalt des Mieters oder wenn der Mieter die Leistung ausdrücklich verweigert (1 Ob 566/87 = RIS‑Justiz RS0070235; Würth aaO § 30 MRG Rz 14; T. Hausmann aaO § 30 MRG Rz 21; vgl 3 Ob 635/82 = MietSlg 34.411; 5 Ob 611/82 = RIS‑Justiz RS0021184 [zu § 1118 ABGB]).

3. Zwar hat die Klägerin entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ausreichende Behauptungen zu einem im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (5. 11. 2013) bestehenden, fälligen Mietzinsrückstand aufgestellt, auch wenn sie einen darüber hinausgehenden Mietzinsrückstand bis zum 31. 12. 2013 berechnete. Dessen Beurteilung, die Klägerin habe kein schlüssiges Vorbringen zur Verwirklichung des Kündigungstatbestands des § 30 Abs 2 Z 1 MRG erstattet, weil sie sich nicht darauf berief und nachwies, dass die Beklagte trotz vorheriger qualifizierter Mahnung den Mietzinsrückstand nicht entrichtet habe, und sie auch keine Gründe dafür vorbrachte, warum eine Mahnung nicht erforderlich gewesen wäre, ist dagegen nicht zu beanstanden.

Zwar hat das Gericht, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widersprüchliches Begehren abweist, dessen Verbesserung anzuregen (RIS‑Justiz RS0037166 [T1]); dies gilt auch für das Berufungsgericht, das dann das Urteil des Erstgerichts zur Durchführung eines solchen Verbesserungsverfahrens aufzuheben hätte (RIS‑Justiz RS0036355). Eine erfolgreiche Geltendmachung der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO (kein Auftrag zur Verbesserung) setzt voraus, dass die Partei die Relevanz des Mangels darlegt, indem sie das unterlassene Vorbringen nachholt (1 Ob 18/09t mwN).

Die Klägerin hätte daher in der Revision bekannt geben müssen, wann sie denjenigen Mietzinsrückstand, auf den die Kündigung gestützt wird, gegenüber der Beklagten gemahnt hat. Dies unterlässt sie aber, wenn sie auf eine Urkunde verweist, die sie in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen als „Aufstellung per 27. 10. 2013“ bezeichnete und die keine Mahnung ist. Bei einer Mahnung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung des Bestandgebers, die dem Bestandnehmer im Sinn des § 862a ABGB zugehen muss, also derart in dessen Machtbereich zu gelangen hat, dass nach gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme durch ihn gerechnet werden kann (Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 29 MRG Rz 34 mwN zur Judikatur). Das trifft auf diese „Aufstellung“ der Klägerin über Mietzinsrückstände nicht zu. Mit ihrem völlig unsubstantiierten Revisionsvorbringen, dass die behaupteten Rückstände „bereits jeweils zuvor gemahnt“ worden seien, nennt sie überhaupt keine Zeitpunkte einer Mahnung und zeigt damit nicht konkret auf, dass eine solche jemals erfolgt ist.

Zwar kann die Mahnung auch durch eine vor der Zustellung der Aufkündigung zugestellte Mietzinsklage ersetzt werden (9 Ob 38/09t mwN = immolex 2010/116, 315 [Edelhauser] uva; RIS‑Justiz RS0021216; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 30 MRG Rz 14), was auf die von der Klägerin erst danach ‑ im Jahr 2014 ‑ gegen die Beklagte eingebrachte Mahnklage nicht zutrifft.

Eine ausdrückliche Weigerung der Beklagten, die ihr von der Klägerin vorgeschriebenen Mietzinserhöhungen zu zahlen, steht nicht fest, sondern nur der Umstand, dass sie diese nicht zahlte. Eine ausdrückliche Leistungsverweigerung der Beklagten ihr gegenüber behauptet die Klägerin auch in der Revision nicht. Die ‑ für die Erfüllung des Kündigungstatbestands des § 30 Abs 2 Z 1 MRG ‑ erforderliche Mahnung ist im vorliegenden Fall kein bloßer Formalakt.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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