Spruch:
Der Rekurs des ehemaligen Sachwalters (ON 557) und die "Rekurse" bzw "Revisionsrekurse" des einst Betroffenen (ON 563, 567, 568, 570 bis 574, 577, 579, 581, 587 bis 589, 591, 593 bis 596, 601, 602, 604 bis 608, 610, 612 bis 626, 628 bis 635, 637, 640, 641, 643, 645, 647, 648, 651, 652) sowie dessen Beantwortungen des "ordentlichen Revisionsrekurses" des ehemaligen Sachwalters (ON 585, 586) werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Nach Beendigung der Sachwalterschaft sprach das Erstgericht in Pkt. 1
des Beschlusses vom 16. 10. 1997 aus, dass "die Einnahmen- und
Ausgabenrechnung des ehemaligen Sachwalters ... für den Zeitraum
seiner gesamten Tätigkeit ... sachwalterschaftsgerichtlich genehmigt"
wird (ON 461).
Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluss infolge der Rekurse des Verfahrenshelfers des einst Betroffenen und des Letzteren selbst (auch) in seinem Pkt. 1 auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof "in Ansehung der Aufhebung der Genehmigung der Schlussrechnung zulässig" sei. Nach seiner Ansicht sind für die Rechnungslegung des ehemaligen Sachwalters die Bestimmungen der §§ 204 bis 206 sowie der §§ 208 bis 215 AußStrG maßgebend. Dieser habe mit zwei Schriftsätzen lediglich eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung für den gesamten Zeitraum der Sachwalterschaft gelegt. Er habe das verwaltete Vermögen weder zu Beginn noch nach Beendigung seiner Tätigkeit als Sachwalter dargestellt. Es fehle an Belegen für die verrechneten Einnahmen und Ausgaben. Das Erstgericht werde den ehemaligen Sachwalter im fortgesetzten Verfahren zur Vorlage solcher für die Rechnungsprüfung unentbehrlicher Belege aufzufordern haben. Die einzelnen Rechnungsposten seien überdies einer Zweckmäßigkeitsprüfung zu unterwerfen. Das erfordere entsprechende Feststellungen. Der ehemalige Sachwalter habe Ausgaben verrechnet, bei denen deren Zweck nicht erkennbar sei. Die näheren Umstände des Entstehens von Substitutions- und Steuerberatungskosten seien unklar. Für die Verwaltung eines vermieteten Hauses seien Steuererklärungen abzugeben gewesen. Es sei daher zu prüfen, ob solche abgegeben worden oder weshalb derartige Erklärungen allenfalls unterblieben seien. Zu klären sei ferner die Dauer der Vermietung eines Hauses und die Höhe der versteuerten Mietzinseinnahmen. Sollte das Haus längere Zeit leer gestanden sein, seien die dafür maßgebenden Gründe zu erforschen. Die Zweckmäßigkeit der Belastung der Liegenschaft mit Pfandrechten sei zu überprüfen. Die Zweckmäßigkeit der gesamten Sachwaltertätigkeit sei - auch abgesehen von den "nur beispielsweise angeführten Behauptungen des Rekurswerbers" - umfassend nachzuprüfen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, um zu klären, "ob sich die Zweckmäßigkeitsprüfung (bloß) auf die Gesamtätigkeit des Sachwalters im Sinne einer Gesamtschau zu erstrecken oder auf jede einzelne Rechnungsposition zu beziehen" habe. Durch die Entscheidung 1 Ob 7/84 sei diese Frage noch nicht gelöst worden.
Die Rechtsmittel des ehemaligen Sachwalters und des einst Betroffenen sind unzulässig. Die Rekursbeantwortungen des einst Betroffenen sind verspätet.
1. Zum Rekurs des ehemaligen Sachwalters:
Rechtliche Beurteilung
1. 1. Der erkennende Senat sprach in der Entscheidung 1 Ob 7/94 (= RZ 1995/61) unter Berufung auf Vorjudikatur aus, dass aus § 21 Abs 1 ABGB eine umfassende Fürsorgepflicht des Gerichts für Minderjährige und andere Pflegebefohlene abzuleiten sei. Das Pflegschaftsgericht habe nicht nur die Gesetzmäßigkeit der vom gesetzlichen Vertreter getroffenen und in Aussicht genommenen Rechtshandlungen zu überwachen, sondern auch deren Zweckmäßigkeit zu prüfen. Die Amtsführung des gesetzlichen Vertreters sei sorgfältig zu überwachen. Dem komme besonderes Gewicht bei der dem Pflegschaftsgericht durch § 208 AußStrG aufgetragenen genauen Prüfung der vom gesetzlichen Vertreter jährlich zu legenden Rechnung über das Vermögen der Minderjährigen bzw Pflegebefohlenen zu, könne sich doch das Gericht in den allermeisten Fällen nur auf diesem Weg jene Informationen verschaffen, mit deren Hilfe es seinen Überwachungspflichten ausreichend nachkommen und dadurch auch Nachteile von den seinem Schutz anvertrauten Personen abwenden könne. Die gesetzlichen Vorschriften über die Rechnungslegung und deren gerichtliche Überprüfung (also § 282 iVm § 238 und § 150 Abs 1 ABGB sowie die §§ 204 bis 206 und §§ 208 bis 215 AußStrG) seien Schutzgesetze zugunsten der dem Schutz der Gerichte anvertrauten Personen.
Nach § 204 AußStrG habe der gesetzliche Vertreter zunächst das Vermögen am Beginn des Rechnungsjahrs darzustellen, danach die Änderungen im Stammvermögen sowie die Einnahmen und Ausgaben während der Rechnungsperiode vollständig auszuweisen und schließlich den Vermögensstand am Ende dieser Periode und ferner auch anzugeben, worin das Vermögen bestehe und wo es aufbewahrt, versichert und angelegt sei. Demgemäß habe das Gericht im Rahmen der Rechnungsprüfung insbesondere zu klären, ob das Stammvermögen am Beginn der Rechnungsperiode vollständig dargestellt worden sei, inwieweit die Rechnung in den einzelnen Posten mit den Belegen übereinstimme, ob die Einnahmen und Ausgaben - soweit möglich - ordnungsgemäß bescheinigt seien, ob das Stammvermögen ausreichend verwahrt und Barmittel entsprechend angelegt seien und überhaupt, ob die Verwaltung zweckmäßig und nützlich gewesen sei. Eine gelegte Rechnung müsse also einerseits den formalen und inhaltlichen Anforderungen des § 204 AußStrG gerecht werden, andererseits habe das Pflegschaftsgericht seinen ihm durch § 208 AußStrG auferlegten Verpflichtungen zur genauen Überprüfung dieser Rechnung zu entsprechen. Eine solche Rechnungsprüfung setze die Vorlage der dafür unerlässlichen unbedenklichen Belege voraus.
1. 2. An den soeben referierten Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist festzuhalten. Aus der in der Entscheidung 1 Ob 7/94 besonders hervorgehobenen umfassenden gerichtlichen Fürsorgepflicht für den Pflegebefohlenen und aus den im Einzelnen erörterten Verpflichtungen des Pflegschaftsgerichts folgt bereits, dass sich die Zweckmäßigkeitsprüfung auf jede einzelne Rechnungsposition von - tieferstehend näher zu erläuternder - nicht bloß untergeordneter Bedeutung zu erstrecken hat, ist doch die von einem ehemaligen Sachwalter gelegte Schlussrechnung genau zu überprüfen und zu erforschen, ob die Verwaltung nach den getroffenen Rechtshandlungen zweckmäßig und nützlich war. Der erkennende Senat berief sich in der Entscheidung 1 Ob 7/94 ferner ausdrücklich auf die §§ 208 bis 215 AußStrG. Nach § 211 AußStrG hat aber das Gericht bei der Rechnungsprüfung auf die Erziehung und die persönlichen Eigenschaften des Pflegebefohlenen, auf den Stand und die Beschaffenheit seines Vermögens und alle übrigen Verhältnisse genau Rücksicht zu nehmen, weshalb "in der Regel geringfügige Anstände, deren Erläuterung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Zeitverlust verbunden wäre, zu übergehen, und kostspielige Nachweisungen unbedeutender Posten nicht abzuverlangen" sind. Damit zieht bereits der in seiner Reichweite eindeutige Gesetzeswortlaut die Grenze (auch) für die Überprüfung der Zweckmäßigkeit der den Gegenstand der Schlussrechnung bildenden einzelnen Verwaltungsmaßnahmen. Dieser Grundsatz lässt sich durch Rechtssätze von allgemeiner Bedeutung nicht weiter verdeutlichen, ist doch nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilbar, was ein "geringfügiger Anstand" ist und inwiefern Aufklärungen - nach den Besonderheiten der gerade zu beurteilenden Verwaltung - mit einem unverhältnismäßigen Zeit- und Kostenaufwand verbunden wären. Soweit sich also die Zweckmäßigkeit einer vom Sachwalter gesetzten Verwaltungsmaßnahme nicht schon ihrer Art nach von selbst versteht und daher bestimmter Erläuterungen bedarf, sind solche, wenn sie fehlen, nur innerhalb der durch § 211 AußStrG gezogenen, im angefochtenen Beschluss - gemessen an den erteilten Aufträgen - nicht verkannten Grenze abzuverlangen.
1. 3. Der ehemalige Sachwalter ist der Ansicht, das Pflegschaftsgericht habe nicht jede einzelne abgerechnete Verwaltungsmaßnahme auf deren Zweckmäßigkeit zu überprüfen, es genüge vielmehr die Beurteilung der einzelnen Posten der Schlussrechnung "in ihrer Gesamtheit". Das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis finde "in den §§ 208 und 211 AußStrG bereits dem Wortlaut nach keine Deckung". Die erstgerichtliche Genehmigung der Schlussrechnung hätte daher bestätigt werden müssen.
Der Rekurswerber übersieht zunächst, dass seine Schlussrechnung bisher nicht einmal den unter 1. 1. erläuterten formalen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung entspricht, weshalb das Rekursgericht die erteilte erstgerichtliche Genehmigung schon deshalb aufheben musste. Im Übrigen vermag der erkennende Senat keinen Weg zu sehen, der die Überprüfung abgerechneter Verwaltungsmaßnahmen auf deren Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit "in ihrer Gesamtheit" ermöglichen würde, ohne dass zuvor die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit jeder einzelnen Verwaltungsmaßnahme mit der unter 1. 2. erläuterten Einschränkung nachgeprüft worden wäre. Soweit der Rekurswerber ferner den Standpunkt verficht, die Rechtsansicht des Rekursgerichts finde im Wortlaut (auch) des § 211 AußStrG keine Deckung, trifft - wie schon erläutert - das Gegenteil zu.
Der Oberste Gerichtshof ist an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 14b Abs 1 nicht gebunden. Dem Rechtsmittelwerber gelang es nach den voranstehenden Erwägungen nicht, eine für die Entscheidung präjudizielle Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen, die einer Lösung durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Der Rekurs ist somit zurückzuweisen.
2. Zu den Eingaben des einst Betroffenen:
2. 1. Der einst Betroffene überreichte am 28. 7. 2000 den ersten, nicht verbesserungsbedürftigen "Rekurs" gegen den die erstgerichtliche Genehmigung der Schlussrechnung des ehemaligen Sachwalters aufhebenden zweitinstanzlichen Beschluss (ON 563). Obgleich ein ausdrücklicher Rekursantrag fehlt, strebt der Rekurswerber erkennbar eine Aufhebung der Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht an. Später brachte er zahlreiche weitere Rechtsmittel gegen denselben zweitinstanzlichen Beschluss (beginnend ab ON 567 - Postaufgabe 3. 8. 2000) ein.
Nach der im ersten Rekurs vertretenen Ansicht soll der beim Erstgericht zuständige Richter die "Rekonstruktion der Sachwalterschaft" wegen "jahrelanger vollkommener Untätigkeit" nicht durchführen können, weil "seit 1990 keine einzige gesetzliche Pflegschaftsrechnung erstellt" worden sei und "auch die gesetzlichen Belege verschwunden" seien. Die Sachwalterschaft sei "eine gezielte Existenzvernichtung" gewesen. Es seien "alle Schutzgesetze missachtet" worden. Der ehemalige Sachwalter habe beim Pflegschaftsgericht "das Sagen" und entscheide "letztlich über die wirtschaftliche Hinrichtung und Ausschaltung aller Rechte mit Duldung des Pflegschaftsrichters".
Offenkundig teilt der Rekurswerber die Ansicht der zweiten Instanz, dass die vom ehemaligen Sachwalter gelegte Schlussrechnung, wie sie dem Erstgericht vorlag, nicht genehmigungsfähig sei. Er wendet sich demnach nicht gegen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses, sondern meint bloß, der Erstrichter sei zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung ungeeignet. Darauf ist nur zu entgegnen, dass sich eine Verfahrenspartei nicht den ihr genehmen Richter aussuchen kann, weshalb der zweite Rechtsgang von dem nach der Geschäftsverteilung des Erstgerichts zuständigen Richter durchzuführen ist.
Der Oberste Gerichtshof ist an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 14b Abs 1 nicht gebunden. Nach den voranstehenden Erwägungen wird im Rekurs keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG aufgezeigt, von deren Lösung die Entscheidung abhinge. Der Rekurs ist somit zurückzuweisen.
2. 2. Die nach Einbringung des ersten Rekurses erhobenen weiteren Rechtsmittel sind schon deshalb unzulässig, weil der Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung auch im Verfahren außer Streitsachen gilt (9 Ob 41/00w; EFSlg 82.681; SZ 43/36 uva), sodass eine gerichtliche Entscheidung nicht beliebig oft, sondern nur einmal bekämpft werden kann.
2. 3. Dem einst Betroffenen wurde eine Gleichschrift des Rekurses des ehemaligen Sachwalters am 28. 7. 2000 persönlich ausgefolgt (ON 561). Seine gemäß § 251 iVm § 249 Abs 3 AußStrG an sich zulässige erste Rekursbeantwortung langte nach deren Einbringung beim Obersten Gerichtshofs am 22. 8. 2000 beim Erstgericht ein. Die Frist zur Rekursbeantwortung beträgt gemäß § 249 Abs 3 AußStrG vierzehn Tage. Dieses Frist war bei Einlangen der Rekursbeantwortung beim Erstgericht längst abgelaufen. Gleiches gilt für die am 22. 8. 2000 beim Erstgericht eingelangte zweite Rekursbeantwortung. Die Rekursbeantwortungen sind daher als verspätet zurückzuweisen.
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