European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00153.22I.0914.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Antragsgegner ist der volljährige Sohn des Antragstellers. Der Vater ist derzeit aufgrund eines Gerichtsbeschlusses vom Mai 2015 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 450 EUR verpflichtet.
[2] Am 22. 7. 2020 stellte der Vater den Antrag, ihn ab 1. 3. 2020 von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn zu entheben. Der Sohn sprach sich dagegen aus.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen diesen Beschluss teilweise Folge. Es hob die Entscheidung für die Zeit ab 1. 4. 2021 zur Verfahrensergänzung auf, um zu klären, ob und welche Schritte der Antragsgegner nach seinem Schulabbruch im März 2021 unternommen habe, um seine Genesung herbeizuführen, bzw ob er weitere Ausbildungsschritte gesetzt habe. Darüber hinaus bestätigte es die Antragsabweisung für den Zeitraum vom 1. 3. 2020 bis 31. 3. 2021. Über Zulassungsvorstellung des Vaters ließ es dazu gemäß § 63 Abs 3 AußStrG nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu, „um im weiteren Rechtszug im Interesse der Rechtssicherheit eine allfällige Korrektur der bekämpften Beschlussfassung zu ermöglichen“.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der gegen die Antragsabweisung erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten ist. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).
[6] 1. Fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit liegt vor, wenn das unterhaltsberechtigte Kind nach Ende des Pflichtschulalters weder eine weitere zielstrebige Schulausbildung oder sonstige Berufsausbildung absolviert, noch eine mögliche Erwerbstätigkeit ausübt, also arbeits- und ausbildungsunwillig ist, ohne dass ihm krankheits- oder entwicklungsbedingt die Fähigkeiten fehlten, für sich selbst aufzukommen (RS0114658). Voraussetzung der fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit ist, dass das Kind am Scheitern einer angemessenen Ausbildung oder Berufsausübung ein Verschulden trifft (RS0047605 [T11]). Ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0008857).
[7] 2. Nach den Feststellungen war der Sohn seit Herbst 2019 psychisch nicht belastbar und gesundheitlich in seiner Leistungsfähigkeit so eingeschränkt, dass er krankheitshalber nicht in der Lage war, ab der dritten Klasse der (im Jahr 2017 begonnenen) HTL die Schule zu besuchen. Grund war das psychotisch gefärbte Erleben und die Interpretation seiner für sich genommen nicht so gravierenden körperlichen Beschwerden.
[8] 2.1. Davon ausgehend vermochte das Rekursgericht auch kein Verschulden des physisch und psychisch schwer beeinträchtigten Sohnes am Scheitern einer angemessenen Ausbildung zu erkennen, zumindest bis zum (zeitlich mit dem Schulabbruch im März 2021 zusammenfallenden) Vorliegen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens, demzufolge die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit bzw ein Lernerfolg des Sohnes einen (ihm auch zumutbaren) Langzeitaufenthalt in einer psychiatrischen Fachabteilung erfordert.
[9] 2.2. Der Rechtsmittelwerber weckt mit seinen Ausführungen keine Bedenken an dieser Beurteilung:
[10] Die von ihm zu dem Thema, ob der Antragsgegner aus gesundheitlichen Gründen grundsätzlich in der Lage gewesen wäre, den Unterricht zu besuchen, vermissten Feststellungen wurden (wenn möglicherweise auch abweichend von seinen Vorstellungen) getroffen (vgl RS0053317 [T1]).
[11] Die weiters im Revisionsrekurs angesprochene Frage der fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit ab Abbruch der Schule ist im Sinne des aufhebenden Teils der Rekursentscheidung erst abzuklären und betrifft nicht den Verfahrensgegenstand in dritter Instanz.
[12] Auch das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass der Sohn seiner Ausbildung im Zeitraum März 2020 bis einschließlich März 2021 nicht zielstrebig nachgegangen ist, ist aber – wie schon das Erstgericht – zu dem Ergebnis gelangt, dass ihm das nicht zum Vorwurf gemacht werden könne. Damit ist in rechtlicher Hinsicht nur die (zudem erstmals in zweiter Instanz erhobene) Behauptung des Vaters relevant, ein Verschulden des Sohnes sei evident, weil dieser sehr wohl schon lange um die Behandlungsbedürftigkeit seiner Probleme Bescheid gewusst und trotzdem einen Langzeitaufenthalt an einer psychiatrischen Fachabteilung verweigert habe.
[13] Dem ist allerdings zu erwidern, dass der Sohn – wie das Rekursgericht hervorgehoben hat – vor seinem (durch unvermittelt auftretende körperliche Erkrankungen wie insbesondere eine Blinddarm- und eine Lungenentzündung ausgelösten) gesundheitlichen Einbruch in der dritten Klasse die beiden ersten Klassen der HTL mit sehr guten Noten absolviert und sich sein Zustand daher zumindest für diesen Zeitraum stabilisiert hatte. Mit diesem Umstand, der dagegen spricht, dass dem Sohn die Notwendigkeit einer psychiatrischen stationären Behandlung vor Vorliegen des Gerichtsgutachtens überhaupt erkennbar war, setzt sich der Vater, der bloß darauf verweist, der Sohn sei zuvor bereits mehrfach in diversen Schulen gescheitert, gar nicht auseinander.
[14] 3. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[15] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG. Der volljährige Sohn hat auf die fehlende Zulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass ihm die Kosten seiner Rechtsmittelbeantwortung zustehen (RS0122774).
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