Spruch:
Nach § 1109 ABGB hat der Bestandnehmer dem Bestandgeber nur für übermäßige Abnützung und Mißbrauch des Bestandgegenstandes zu haften
OGH 3. September 1970, 1 Ob 152/70 (LG Klagenfurt 1 R 167/70; BG Greifenburg C 46/69 )
Text
Der Kläger gab der beklagten Partei mit dem Vertrag vom 18. März 1965 ein in der KG M gelegenes Grundstück zur Aufstellung einer Betonmischanlage und einer Kranbahn gegen einen Jahreszins von 1000 S in Bestand. Das Bestandverhältnis sollte vereinbarungsgemäß mit 1. April 1965 beginnen und bis zum Ende der mit drei Jahren veranschlagten Bauzeit währen, doch war im Vertrag die Möglichkeit einer Verlängerung des Bestandvertrages vorgesehen. Die beklagte Partei verpflichtete sich, die in Bestand genommene Grundparzelle nach deren Räumung wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger von der beklagten Partei Zahlung eines Betrages von 2000 S als Ersatz für einen erlittenen Ernteausfall. Er habe nach der Rückstellung der Bestandsache auf dieser Kartoffel anbauen wollen, doch habe sich dies als unmöglich erwiesen, weil die beklagte Partei den Humus vom Grundstück abgezogen, Schotter aufgebracht und das Grundstück vertragswidrig nicht in den ursprünglichen Zustand versetzt habe.
Die beklagte Partei wendete ein, daß sie im Herbst 1967 das Gelände einplaniert sowie mit einer Humusschicht bedeckt und damit i S der getroffenen Vereinbarung den ursprünglichen Zustand des Grundstückes wiederhergestellt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Der Kläger habe der beklagten Partei mit dem Vertrag vom 18. März 1965 ein zwischen zwei Straßenzügen gelegenes Wiesengrundstück im Ausmaß von rund 1500 m2 zu dem bereits beschriebenen Zweck und zu den vorangeführten Bedingungen in Bestand gegeben. Die beklagte Partei habe das südlich gelegene Teilstück in einer Länge von rund 30 m als Arbeitsplatz, das nördlich gelegene Teilstück hingegen als Ablagerungsplatz verwendet. Während sie vom Arbeitsplatz den Humus abgeschoben und das Erdreich am Rande der Liegenschaft gelagert habe, sei die Humusauflage auf dem Ablagerungsplatz verblieben. Die Zurückstellung des Gründes sei im Herbst 1967 erfolgt. Der vereinbarte Bestandzins von 1000 S jährlich jedoch bis Ende des Jahres 1967 entrichtet worden. Vor der Zurückstellung des Grundstückes habe die beklagte Partei auf dieses den vorhandenen, seinerzeit abgeschobenen Humus wieder aufgelegt. Als der Kläger im Frühjahr 1968 anläßlich einer Begehung des Grundstückes die mangelnde Humusaufschüttung gerügt habe, sei ihm von einem Vertreter der beklagten Partei zugesagt worden, daß diese die größeren Steine entfernen und das Grundstück selbst umackern lassen werde. Einige Wochen später habe die beklagte Partei über neuerliches Drängen des Klägers die Möglichkeit einer Humuszufuhr angedeutet, ohne eine solche aber ausdrücklich zuzusagen. Ende Mai 1968 habe die beklagte Partei das Grundstück mit Hilfe eines Kulturrechens auflockern und die Steine entfernen lassen wollen, doch habe die Ehefrau des Klägers die Durchführung dieser Arbeiten verhindert. Im Frühjahr 1969 habe die beklagte Partei auf das Grundstück Humus aufführen lassen. Bei einer Nutzung des Grundstückes als Wiese werfe dieses bei einer durchschnittlichen Düngung jährlich etwa 1200 kg Heu, bei einem anzunehmenden Kilopreis von 1.50 S, ab. Ohne Einsaat dauere es etwa drei Jahre, bis das nördlich gelegene Teilstück des rückgestellten Grundstückes wieder normalen Grasbewuchs aufweisen werde. Bei Vornahme einer Einsaat lasse sich die ertraglose Zeit auf ein bis zwei Jahre verkürzen. Im ersten Jahr nach erfolgter Einsaat lasse sich praktisch kein Ertrag erzielen. Bei Pflanzung von Kartoffeln seien vom Kläger auf dem Grundstück - dessen ordentlicher Zustand vorausgesetzt - jährlich rund 4500 kg zu ernten gewesen. Bei einer Auflockerung des Grundstückes wäre möglicherweise ein geringerer Ertrag, etwa die Hälfte des normalen Umfanges, zu erzielen gewesen. Wäre im August 1967 eingesät und im Frühjahr 1968 Humus aufgetragen worden, wäre ein Ernteausfall nicht eingetreten. Die Behauptung des Klägers, daß er beabsichtigte, nach Beendigung des Bestandverhältnisses auf dem Grundstück Kartoffel anzubauen, sei nicht erweislich gewesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß im Jahre 1968, dem Jahr nach der möglichen Einsaat, mit keinem Ertrag zu rechnen gewesen sei und der Kläger daher in diesem Jahr einen von der beklagten Partei zu vertretenden Ernteausfall nicht erlitten haben könne.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung teilweise Folge und verurteilte die beklagte Partei unter gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens, dem Kläger 1000 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1969 zu zahlen. Es übernahm die Beweiswürdigung und die darauf gegrundeten Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, erachtete jedoch im Gegensatz zu diesem die geltend gemachte Schadenersatzforderung des Klägers teilweise als gerechtfertigt. Die beklagte Partei habe sich verpflichtet, die Bestandsache in einem Zustand zurückzustellen, der einen Schaden des Klägers ausschließe. Ihre Aufgabe sei es daher gewesen, die Einsaat so frühzeitig vorzunehmen, daß der Bestandgeber nach der Zurückstellung des Grundstückes wieder den vordem erzielten Nutzen hätte erreichen können. Nach den Urteilsfeststellungen sei im ersten Jahr nach der Einsaat ein Ertrag nicht zu erzielen. Die beklagte Partei wäre daher, um ihrer Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu entsprechen, gehalten gewesen, von der Möglichkeit einer Verlängerung des Bestandverhältnisses Gebrauch zu machen. Bei einer Verlängerung der Bestanddauer um ein Jahr hätte aber der Kläger einen zusätzlichen Zinsertrag von 1000 S erzielt, sodaß der Zuspruch dieses Teilbetrages der erhobenen Schadenersatzforderung und die Abweisung des Mehrbegehrens der Sach- und Rechtslage entspreche.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach dem § 1109 ABGB, der den Inhalt der dem Bestandnehmer zukommenden Rückstellungspflicht behandelt, hat der Bestandnehmer die Sache in dem Zustand, in dem er sie übernommen hat, zurückzustellen, ohne allerdings für die durch den vertragsmäßigen Gebrauch bewirkte Abnutzung des Bestandgegenstandes aufkommen zu müssen (JBl 1958, 334). Die Entschädigung des Bestandgebers für die gewöhnliche Abnutzung ist bei freier Zinsbildung in dem vereinbarten Mietzins inbegriffen (Klang in Klang[2] V, 90, 92). Nur für übermäßige Abnützung und Mißbrauch hat also grundsätzlich der Bestandnehmer zu haften.
Nach dem Inhalt des Pachtvertrages vom 18. März 1965, auf den der Kläger den erhobenen Ersatzanspruch grundet, wurde das Wiesengrundstück einer Baugesellschaft (beklagte Partei) für die Dauer von etwa drei Jahren überlassen und dabei dem Bestandnehmer ausdrücklich das Recht zugestanden, das Grundstück zur Aufstellung einer Betonmischanlage sowie einer Kranbahn zu benutzen. Daß die Humusschichte einer Wiesenfläche bei der vorgesehenen, sich über Jahre erstreckenden Verwendung, in der naturgemäß auch eine Düngung unterbleiben mußte, erheblichen Abnutzungen unterliegen und ein solches Grundstück nach erfolgter Rückstellung vorübergehend keinen nennenswerten Heuertrag abwerfen werde, mußte gerade dem als Landwirt berufstätigen Kläger bei Vertragsabschluß bekannt sein.
Während § 1109 ABGB nur den Zeitpunkt und den Inhalt der dem Bestandnehmer obliegenden Rückgabepflicht behandelt, regelt die Bestimmung des § 1111 ABGB die Frage der Haftung des Bestandnehmers für die Beschädigung der Bestandsache (Klang in Klang[2] V, 88). Das Gesetz sieht eine solche Haftung nur bei einem Verschulden des Bestandnehmers vor und schließt eine Zufalls- und damit die Erfolgshaftung ausdrücklich aus (MietSlg 16.141, 4396). Es ordnet überdies an, daß ein derartiger Ersatzanspruch binnen einem Jahr nach Zurückstellung der Bestandsache bei sonstigem Erlöschen des Rechtes gerichtlich geltend zu machen ist, wobei nur zu erwähnen bleibt, daß die einjährige Frist des § 1111 ABGB auch für eine vertraglich übernommene Zufallshaftung gilt (JBl 1924. 45).
Im gegenständlichen Verfahren wurde weder behauptet, noch haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die in Bestand gegebene Wiesenfläche von der beklagten Partei bzw deren Bediensteten schuldhaft beschädigt oder durch Mißbrauch abgenutzt worden sei, sodaß die Haftungsbestimmung des § 1111 ABGB nicht zum Tragen kommen kann. Der Kläger stützt, wie bereits dargelegt, seinen Ersatzanspruch auf die Behauptung, daß die beklagte Partei der von ihr übernommenen Verpflichtung, den Bestandgegenstand nach der Räumung wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen, nicht entsprochen habe; hiedurch sei ihm im Jahre 1968 ein mit 2000 S zu bewertender Ernteausfall entstanden.
Nach dem erhobenen Sachverhaltsbild, von dem bei der Erledigung der Rechtsrüge auszugehen ist, kann die beklagte Partei - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - der Vorwurf einer Vertragsuntreue nicht zu Recht treffen. Sie hat nämlich, soweit sie nicht vom Kläger daran gehindert wurde, ihre Zusage, das Grundstück nach dessen Räumung in den ursprünglichen Zustand zu bringen, eingehalten. Die Räumung des Grundstückes erfolgte im Herbst 1967 und bereits zu dieser Zeit hatte die beklagte Partei den vorhandenen Humus wieder aufbringen lassen. Von besonderer Bedeutung ist hiebei die unangefochten gebliebene Feststellung des Erstgerichtes, derzufolge eine Wegschaffung von Humus vom gegenständlichen Wiesengrundstück während der Dauer des Bestandverhältnisses nicht erweislich gewesen sei. Die beklagte Partei war aber nach der getroffenen Vereinbarung nur gehalten, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, also abgeschobenen Humus wieder aufzulegen, nicht aber verbunden, zusätzliches Erdreich zuzuführen und aufzuschütten.
Aber auch der weitere in der Klage erhobene Vorwurf, die beklagte Partei haben gegen die vom Kläger bemängelte Ablagerung von Schotter auf dem Bestandgegenstand nichts unternommen, ist nicht zielführend. Nach den Urteilsfeststellungen wollte nämlich die beklagte Partei im Frühjahr 1968 auf dem Grundstück einen Kulturrechen zum Einsatz bringen, damit das Erdreich auflockern und die zutage tretenden Steine entfernen lassen. An diesem, den Leistungswillen der beklagten Partei deutlich machenden Vorhaben wurde sie allerdings durch die Ehefrau des Klägers, die hiebei über Weisung des Klägers handelte und mit Besitzstörungsklage drohte, gehindert.
Unter diesen Umständen ist eine Vertragsuntreue der beklagten Partei nicht zu erkennen und der von einer Vertragsverletzung der beklagten Partei ausgehenden Schadenersatzforderung des Klägers die Grundlage entzogen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage mag die Frage offen bleiben, ob eine Abweisung des Klagebegehrens - ungeachtet des Fehlens einer Verjährungseinrede - nicht auch deshalb erfolgen müßte, weil der auf eine Schadloshaltung abgestellte Schadenersatzanspruch des Klägers erst am 21. März 1969, also nach Ablauf der Jahresfrist des § 1111 ABGB und damit erst nach dem Erlöschen eines allfälligen Ersatzanspruches i S der zitierten Gesetzesstelle gerichtlich geltend gemacht wurde. Lehre und Rechtsprechung beurteilen die Rechtsnatur der Frist des § 1111 ABGB uneinheitlich. Ehrenzweig II/1 77 und 460 bei FN 65 faßt sie als Verjährungsfrist auf, während Wolff, Grundriß, 110 und 176 sowie Grawein, Verjährung und gesetzliche Befristung, 1. Teil, 137 f in ihr eine Präklusivfrist sehen. Klang in Klang[2] V 95 scheint die letztgenannte Auffassung zu teilen, da er von einer "Befristung des Ersatzanspruches" spricht. Auch der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung JBl 1924, 45 den Standpunkt eingenommen, daß es sich um eine Präklusivfrist handelt, die dann auch - anders als die Verjährung (§ 1501 ABGB) - von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl JBl 1960, 493). Die neuere Judikatur, deren Ausgangspunkt - soweit feststellbar - die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. November 1950, 2 Ob 746/50 SZ 23/333 bildet, beurteilt die Fristen der §§ 1097 und 1111 ABGB allerdings als echte Verjährungsfristen (2 Ob 299/55, 7 Ob 569/57, 5 Ob 169/68 MietSlg 20.164, 2 Ob 270/68, zuletzt 2 Ob 314/69); die Mehrzahl dieser Entscheidungen haben Ersatzansprüche des Mieters i S des § 1097 ABGB zum Gegenstand. Gegen die zitierte neuere Rechtsprechung zur Frage der Rechtsnatur der Fristen der §§ 1097 und 1111 ABGB bestehen auch deshalb erhebliche Bedenken, weil sie sich im wesentlichen auf die Lehrmeinung Ehrenzweigs berufen, der aber seinerseits für die Richtigkeit seiner Auffassung eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zitiert (Ob II 544/23), die letzten Endes die Frage, ob der Gesetzgeber eine Klage nach § 1111 ABGB an die einjährige Frist binden wollte, offen zu lassen scheint (Rsp 1923, 9 ff). Dazu kommt, daß Klang auch die Frist des § 1097 ABGB keineswegs unter die Verjährungsfristen, sondern ausdrücklich unter die Präklusivfristen einreiht (Klang in Klang[2] V, 50) und daß die für die neuere Judikatur richtunggebende Entscheidung SZ 23/333 im Zusammenhang mit dem Fristengesetz erging, dem aber sowohl Verjährungsfristen als auch materiellrechtliche Präklusivfristen unterlagen; die Unterscheidung war damals also gar nicht von wesentlicher Bedeutung.
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