OGH 1Ob151/50

OGH1Ob151/5022.3.1950

SZ 23/76

Normen

ABGB §1175
ABGB §1198
ABGB §1200
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §335
ABGB §1175
ABGB §1198
ABGB §1200
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §335

 

Spruch:

Abgrenzung von Innengesellschaft und stiller Gesellschaft.

Umfang der Rechnungslegungspflicht nach § 1198 ABGB.

Entscheidung vom 22. März 1950, 1 Ob 151/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die untergerichtlichen Urteile, durch die der Beklagte zur Rechnungslegung und Einsichtgewährung in die Bücher, Belege und Geschäftskorrespondenz verurteilt worden ist.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen, daß zwischen den Streitteilen und einigen anderen Personen in der Zeit zwischen 15. August 1945 und 16. Jänner 1946 ein gültiger Vertrag über die Errichtung einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht zustande gekommen ist, welcher bei der Gesellschaftsversammlung am 16. Jänner 1946 in der in der Beilage E fixierten schriftlichen Form ausdrücklich genehmigt worden ist.

Laut § 1 war der Zweck der Gesellschaft u. a. die gemeinsame Pachtung der S.-Säle und die Verwertung der gepachteten Lokalität durch deren laufende Vermietung sowie der Betrieb der gepachteten Schank- und Gastgewerbskonzession im Standort Wien, III., M.gasse

17. Im § 2 wird festgestellt, daß der Beklagte mit Pachtvertrag vom 28. August 1945 die S.-Säle und die unter § 1 Punkt 1 angeführte Konzession von der S.-Säle A. G. gepachtet habe. Im gleichen Paragraphen anerkennt er, diese Pachtung ausschließlich als Treuhänder der Gesellschafter abgeschlossen zu haben; ebenso anerkennen die Gesellschafter, daß diese Pachtung für ihre gemeinschaftliche Rechnung vorgenommen wurde. In § 3 wurde der Beginn der Gesellschaft mit 1. September 1945 festgesetzt; sie sollte mit der Auflösung des mit der S.-Säle A. G. geschlossenen Pachtvertrages endigen. Nach § 4 hatte jeder Gesellschafter in die gemeinschaftliche Gesellschaft eine Einlage von 5000 RM in barem einzubringen. Gemäß § 5 war der Beklagte mit der ausschließlichen Geschäftsführung der Gesellschaft betraut. "Ing. H.", heißt es im Vertrag, "handelt im eigenen Namen. Die Gesellschaft besteht demnach nur im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander, während nach außen hin Ing. H. als alleiniger Unternehmer auftritt. Der Geschäftsführer ist in der Ausübung seiner Befugnisse insoweit frei, als er nicht durch Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschaft beschränkt wird." Nach § 7 wird die Geschäftsgebarung laufend durch zwei namhaft gemachte Gesellschafter überprüft, die allmonatlich über den Geschäftsgang zu berichten haben. Außerdem hat die Gesellschafterversammlung einen außenstehenden Buchsachverständigen zum Bilanzprüfer zu bestellen.

Von den übrigen Bestimmungen ist insbesondere § 8, betreffend die Gesellschafterversammlung, hervorzuheben. Danach bleiben größere Investitionen und über den normalen Geschäftsumfang hinausgehende Transaktionen der Entscheidung der Gesellschafterversammlung vorbehalten. Diese wird vom Geschäftsführer, einem Stellvertreter oder einem Gebarungsprüfer im Bedarfsfall einberufen; außerdem ist jeder einzelne Gesellschafter berechtigt, die Einberufung zu veranlassen. Die Gesellschafterversammlung ist beschlußfähig, falls mindestens die Hälfte der Gesellschafter zu derselben erschienen sind. Sie entscheiden durch Stimmenmehrheit. Im Falle der Stimmengleichheit gibt der jeweils in der Gesellschafterversammlung gewählte Vorsitzende den Ausschlag. Nach § 9 hat der aus welchem Gründe immer ausscheidende Gesellschafter lediglich Anspruch auf Auszahlung des Nennbetrages seines Kapitalkontos zuzüglich des im laufenden Geschäftsjahr bis zum Austrittstag erzielten Gewinnes. Er ist demnach an den Rücklagen und stillen Reserven nicht beteiligt. § 10 bestimmt, daß jeder Gesellschafter am Gewinn und Verlust zu gleichen Teilen beteiligt ist. Ein besonderes Entgelt für die durch Gesellschafter aufgewendete Arbeit wird nicht gewährt; auch findet nach § 13 eine Verzinsung der von den Gesellschaftern gemachten Einlagen nicht statt. Die Abtretung oder Verpfändung von Gesellschaftsanteilen an dritte Personen ist untersagt (§ 11). Die Übertragung eines Gesellschaftsanteiles an einen anderen Gesellschafter ist nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter möglich, die berechtigt sind, ihrerseits zu erklären, daß sie den Gesellschaftsanteil unter sich zu gleichen Teilen aufteilen. Ein durch Ausscheiden eines Gesellschafters frei werdender Gesellschaftsanteil ist unter den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern, die sich zur Übernahme des auf sie entfallenden Anteiles bereit erklären, zu gleichen Teilen aufzuteilen (§ 12). Für den Liquidationsfall bestimmt § 15, daß im Falle der notwendigen Liquidierung der Gesellschaft zwei Liquidatoren durch die Gesellschaft mit Mehrheitsbeschluß zu wählen sind, die die Liquidation, die Versilberung des Gesellschaftsvermögens und die anteilmäßige Aufhebung durchzuführen haben, wobei im übrigen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches Anwendung finden.

Das Erstgericht stellt ferner fest, daß der Pachtvertrag am 30. April 1947 beendet wurde und daß daher im Sinne des § 3 des Vertrages das Gesellschaftsverhältnis an diesem Tage sein Ende gefunden hat.

Die Kläger haben im Laufe des Prozesses eine Reihe von Klagsanträgen gestellt, die im Zuge des Verfahrens wieder fallen gelassen wurden. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz haben sie nur mehr das Begehren auf Verurteilung des Beklagten auf Rechnungslegung und Bucheinsicht aufrechterhalten. Das Erstgericht hat den Beklagten verurteilt:

a) über die mit den Mitteln der zwischen den Streitteilen Dr. Leopold E., Dr. Franz B. und Ing. Wilhelm G. abgeschlossenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts in den S.-Sälen durchgeführten Investitionen den Klägern Rechnung zu legen, wobei bei jeder Zahlung der Verwendungszweck, bei jedem Material- und Wareneinkauf die Menge und Gattung und bei jedem Arbeitslohn die Dauer der Arbeit und das Objekt anzugeben ist, für welches diese Arbeit geleistet wurde;

b) den Klägern Einsicht in sämtliche wie immer Namen habenden geschäftlichen Aufzeichnungen, Bücher, Belege und Geschäftskorrespondenzen der auf seinen Namen geführten S.-Saal-Pachtung zu gewähren. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt.

Die bestätigende Entscheidung wird vom Revisionswerber in Punkt a und Punkt b insoweit angefochten, als er verurteilt wurde, den Klägern Einsicht in alle "wie immer Namen habenden" Aufzeichnungen zu gewähren und nicht bloß in die "erforderlichen".

Die Revision erklärt ausdrücklich, sich nicht gegen die Rechnungslegungspflicht zu wenden, sondern nur gegen den Umfang der ihm auferlegten Rechnungsbezugspflicht, die über das nach §§ 1198 ff. ABGB. zulässige Maß hinausgehe. Überdies finde nicht das ABGB. Anwendung, sondern die Vorschriften des HGB. über die stille Gesellschaft, da die zwischen den Parteien bestandene Gesellschaft als stille Gesellschaft zu qualifizieren sei.

Diese Rechtsauffassung ist rechtsirrig. Innengesellschaft und stille Gesellschaft müssen scharf voneinander unterschieden werden. Bei der Innengesellschaft vereinigen sich mehrere Personen zum Zweck des gemeinsamen Erwerbes, wenn auch nach außen nur der eine Gesellschafter (Außengesellschafter) hervortritt; bei der stillen Gesellschaft liegt auch im Innenverhältnis nur die Beteiligung am Unternehmen eines Dritten vor. Aus dieser grundsätzlichen Verschiedenheit leiten sich alle weiteren Unterschiede ab. Bei der Innengesellschaft bildet das Geschäftsvermögen im Innenverhältnis ein gemeinsames Vermögen, den Hauptstamm der Gesellschaft. Nur nach außen tritt der Außengesellschafter, und zwar als indirekter Stellvertreter der Gesellschaft, auf. Bei der stillen Gesellschaft ist auch im Innenverhältnis der stille Gesellschafter am Hauptstamm nicht beteiligt, der vielmehr auch nach innen allein dem Komplementär gehört. Die Beteiligung der stillen Gesellschafter beschränkt sich auf die Anteilnahme am Gewinn und Verlust, wobei der Verlust grundsätzlich auf die Einlage beschränkt ist. Der stille Gesellschafter nimmt am Liquidationserlös nicht teil, da er am Hauptstamm nicht beteiligt ist. Mehrere stille Gesellschafter bilden untereinander keine Gesellschaft, sondern es liegen ebenso viele stille Gesellschaften vor, als stille Gesellschafter vorhanden sind. Dem stillen Gesellschafter steht kein Einfluß auf die Geschäftsführung zu. Der Gesellschaftsvertrag kann im einzelnen Falle diese beiden "Gesellschaften" einander annähern, indem auch bei einer stillen Gesellschaft Elemente vorkommen können, die sonst bei Erwerbsgesellschaften vorkommen, und umgekehrt kann auch eine Erwerbsgesellschaft Bestimmungen enthalten, die der stillen Gesellschaft eigen sind. Dann entscheiden die Momente, die überwiegend auf den einen oder anderen Typus hinweisen. In dem vorliegenden Fall liegt aber eine typische Erwerbsgesellschaft vor, die in keiner Weise an eine stille Gesellschaft erinnert.

Die in Beilage E niedergelegte Gesellschaft sieht vor (§ 2), daß im Innenverhältnis der vom Beklagten abgeschlossene Pachtvertrag, der laut § 1 das Gesellschaftsvermögen bildet, so anzusehen ist, als ob der Beklagte ihn als Treuhänder der Kläger abgeschlossen hätte. Der Betrieb ist daher auch im Innenverhältnis Gesellschaftsbetrieb und nicht Betrieb eines Komplementärs, an dem Dritte mit bloßen Einlagen beteiligt sind. Das Gesellschaftskapital wird von allen Gesellschaftern zu gleichen Teilen aufgebracht (§ 4), sie sind am Gewinn und Verlust gleichmäßig beteiligt (§ 10). Im Liquidationsfall fällt der Hauptstamm nicht dem Komplementär, sondern allen Beteiligten zu (§ 15). Die Geschäftsführung steht zwar dem Beklagten zu, doch ist er an Mehrheitsbeschlüsse gebunden (§ 5). § 8 sieht geradezu organisierte Gesellschafterversammlungen mit Weisungsrecht vor. Die Gesellschaft hat daher eine korporationsähnliche Struktur, an der alle Gesellschafter wechselseitig beteiligt sind, die nicht, wie bei der stillen Gesellschaft, nur zum Komplementär in einem Rechtsverhältnis stehen.

Es ist daher völlig abwegig, wenn der Beklagte die zwischen ihm und seinen Mitgesellschaftern abgeschlossene Gesellschaft den Rechtsnormen des HGB. über die stille Gesellschaft zu unterstellen versucht. Das Berufungsgericht hat demnach den vorliegenden Rechtsfall richtig beurteilt, wenn es die Gesellschaft nach der Vorschrift des § 1198 ABGB. beurteilt hat.

Aus dem Umstand, daß in § 8 zwei namhaft gemachte Gesellschafter mit der laufenden Gebarungsüberprüfung betraut sind und daß überdies die Gesellschafterversammlung nach dieser Vertragsbestimmung einen außenstehenden Buchsachverständigen als Bilanzprüfer zu bestellen hat, kann nicht auf eine Befreiung des Beklagten von der ihm nach dem Gesetz obliegenden Rechnungslegungspflicht geschlossen werden, weil die Gebahrungsüberprüfung an der Hand der Bücher immer nur die verbuchten Tatsachen zu Tage fördern kann, nicht aber diejenigen rechnungspflichtigen Umstände, die sich aus der Gebarung nicht ergeben. Nur dann, wenn die Gesellschafter ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag erklärt hätten, sich mit der Vorlage der Bilanz und der Bücher zu begnügen (§ 1200 ABGB.), könnte Beklagter die Rechnungslegung verweigern.

Auch die gegen den Umfang der dem Beklagten auferlegten Rechnungslegungspflicht erhobene Beschwerde ist rechtlich nicht begrundet. Der Rechnungslegungspflichtige muß eine Abrechnung vorlegen, die alle Geschäftsfälle enthält und Einnahmen und Ausgaben detailliert aufweist. Eine ordentliche Rechnung muß daher erkennen lassen, wofür jede einzelne Zahlung geleistet wurde; die Angabe des Verwendungszwecks gehört folglich zur ordnungsmäßigen Rechnungslegung. Es müssen daher insbesondere bei jedem Material- und Wareneinkauf die Menge und Gattung und bei jedem Arbeitslohn die Dauer der Arbeit und das Objekt angegeben sein, besonders dann, wenn der Geschäftsführer die Auslagen an ein Unternehmen geleistet hat, an dem er beteiligt ist, weil sonst eine Überprüfung der Rechnung gar nicht vorgenommen werden kann. Die bloße Zusammenfassung in einer Gesamtpost und die Mitteilung von Endziffern genügt nicht. Es muß also auch bekanntgegeben werden, aus welchen Teilbeträgen sie sich zusammensetzen und aus welchen Geschäftsfällen sie sich ergeben (E. v. 14. Oktober 1936. Rspr. 1936, Nr. 346).

Damit wird dem Beklagten keineswegs eine Abschriftarbeit zugemutet, denn insoweit sich diese Umstände einwandfrei aus den ordnungsgemäß geführten Büchern und Belegen des Pachtbetriebes ergeben, genügt der Hinweis auf die entsprechenden Buchungen und die alle erforderlichen Einzelheiten enthaltenden Belege. Eine ins einzelne gehende Angabe und ein entsprechender Nachweis ist nur dort erforderlich, wo die Bücher all dies nicht erkennen lassen, wo nur intern angefertigte Belege vorliegen oder wo es sich um Leistungen handelt, die von oder aus einem eigenen Betrieb des Rechnungspflichtigen geflossen sind, wo also die von der Vertragsfirma ausgefüllten externen Belege überhaupt keinen Beweis machen. In diesem Zusammenhang muß auch darauf verwiesen werden, daß sich das Recht auf Einsicht in die Belege auch darauf bezieht, daß die Aufzeichnungen vorgelegt werden, die der buchführende Gesellschafter in seine Privatbücher eingetragen hat; der Gesellschafter, der Arbeiten bei einer anderen ihm gehörigen Firma durchführen ließ, muß also auch die Abrechnungen dieses anderen Unternehmens zu Kontrollzwecken vorlegen, um seinen Mitgesellschaftern die Überprüfung zu ermöglichen, ob die Gesellschaft durch diese Geschäftsverbindung des geschäftsführenden Gesellschafters mit sich selbst nicht benachteiligt worden ist.

Es ist daher auch mit dem geltenden Recht durchaus im Einklang, wenn die Untergerichte den Beklagten zur Vorlage aller wie immer Namen habenden Belege verurteilt haben. Die Mitgesellschafter haben ein Recht auf vollständige Offenlegung der Geschäftsgebarung, sie brauchen sich nicht mit der Auswahl derjenigen Belege zufrieden geben, die der Beklagte zur Klarlegung seiner Geschäftsgebarung für erforderlich hält.

Die Rechtsrüge ist daher nach jeder Richtung hin unbegrundet.

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