OGH 1Ob148/05d

OGH1Ob148/05d27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Bank ***** AG, *****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlütty, Dr. Wilhelm Klagian und Dr. Claus Brändle, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 43.603,70 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien (Revisionsstreitwerte 11.781,30 bzw 9.287,62 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. April 2005, GZ 3 R 179/04d-20, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 31. August 2004, GZ 5 Cg 194/03i-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision des Klägers:

Nicht selten wird der zunächst eingetretene Schaden durch Handlungen des Geschädigten vergrößert, die eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf das schädigende Ereignis darstellen und daher mit diesem in einem adäquaten Kausalzusammenhang stehen. Trotz Bejahung der Adäquanz erscheint in solchen Fällen die Zurechnung der Schadensfolge nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese auf einem selbstständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Geschädigten selbst beruht, der sie deshalb auch allein zu verantworten hat (1 Ob 626/89; 2 Ob 155/97a; RIS-Justiz RS0022912). Ergibt eine umfassende Interessenabwägung, dass die Belastungsmomente auf Seiten des Geschädigten jene des Ersttäters bei weitem überwiegen, erscheint es nicht mehr gerechtfertigt, diesem den Schaden noch zuzurechnen (2 Ob 155/97a). Hier liegt das haftungsbegründende Verhalten der beklagten Bank in der teilweise fehlenden, teilweise mangelhaften Aufklärung des Klägers über die besondere Risikoträchtigkeit der in dessen Auftrag erworbenen Aktien.

In der Auffassung der Unterinstanzen, dass der nach Kenntnis des Klägers vom hochspekulativen, seinem Anlegerhorizont nicht entsprechenden Charakter und den massiven Kursverlusten seiner Aktien sowie nach Missachtung des Rates einer Drittbank, dass diese Aktien sofort verkauft werden müssten, durch weitere Kursverluste eingetretene Schaden der Beklagten nicht zugerechnet werden könne, kann entgegen der Auffassung des Klägers eine grobe Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.

Zur Revision der Beklagten:

Ebensowenig vermag die Beklagte eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden, andererseits auf das Anlageprojekt beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflicht hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 140/02t; 6 Ob 268/00f; 9 Ob 219/00x; 9 Ob 10/04t). Als Grundsatz kann gelten: je spekulativer die Anlagen und je unerfahrener der Kunde, desto weiter reichen die Aufklärungspflichten (9 Ob 230/02t).

Soweit die Beklagte ins Treffen führt, dass es sich bei den aus den Feststellungen ersichtlichen Risikohinweisen und deren Textierung wörtlich um jene handle, die im Leitfaden zur Anwendung der Wohlverhaltensregeln nach dem WAG empfohlen werden und die daher über den vorliegenden Fall hinaus von Bedeutung seien, ist Folgendes festzuhalten:

Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 231/04h die grundsätzliche Haftung der beklagten Bank wegen unterlassener Aufklärung eines Anlegers - ausgehend von einem sehr ähnlichen Sachverhalt - bejaht. An den Grundsätzen dieser Entscheidung ist festzuhalten. Die Risikohinweise der beklagten Bank waren da wie dort missverständlich, vor allem aber wäre eine konkrete, produktbezogene Information über die Risikoträchtigkeit der vom Kläger georderten Aktien nötig gewesen (siehe S 32 f des Berufungsurteils). Dass die verspätete (unvollständige) Information durch die Beklagte für den Schadenseintritt kausal war, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Die Beklagte negiert die Feststellung der Vorinstanzen, dass der Kläger bei ausreichender Aufklärung die von ihm georderten Aktien nicht gekauft hätte (S 17 Ersturteil).

Die Beklagte gesteht selbst zu, dass die Frage der Verschuldensteilung im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft (S 7 der Revision). Wenngleich der der Entscheidung 1 Ob 231/04h zugrundeliegende Sachverhalt mannigfaltige Parallelen zu dem Sachverhalt aufweist, über den im vorliegenden Fall zu entscheiden ist, ist es auf Grund der doch gegebenen Unterschiede (der Kläger im Vorverfahren war in Anbetracht der Feststellungen noch sorgloser als der Kläger hier!) durchaus vertretbar, die Verschuldensanteile anders zu gewichten.

Die Forderung, die „Zug-um-Zug-Verpflichtung" des Klägers, der Beklagten bestimmte Aktien zu überlassen, habe zu entfallen, ist nicht recht verständlich, denn die Fassung des Berufungsurteils entspricht insoweit dem den Kläger selbst einschränkenden Begehren. Eine Beschwer der Beklagten durch diese Verpflichtung des Klägers ist nicht erkennbar.

Die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile sind daher zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.

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