OGH 1Ob13/92

OGH1Ob13/9224.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Balthasar M*****, vertreten durch Dr. Peter Riedmann und Dr. G. Heinz Waldmüller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Maria B*****, und 2. Josef B*****, beide vertreten durch Dr. Anton Schiessling, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen Unterlassung infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. Dezember 1991, GZ 2 a R 555/91-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 26. Juli 1991, GZ 3 C 707/90-12, und das ihm vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nicht aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der berufungsgerichtliche Beschluss wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Unterlassung des Aufstauens des von seinem Grundstück 467/2 talwärts fließenden Wassers an der Grenze zu den Grundstücken 467/1 und 482, alle KG A*****, durch Aufschüttung einer Wegtrasse. Der Zweitbeklagte habe mit Genehmigung der Erstbeklagten auf den ihr gehörigen Grundstücken 467/1 und 482 durch Aufschüttung von Erdmaterial bis auf eine Höhe von etwa 3 m einen Weg angelegt. Dadurch werde der natürliche Wasserabfluss auf dem Grundstück des Klägers unterbunden, so dass es zu dessen Vernässung und damit zur Beeinträchtigung dessen Bodennutzung in diesem Bereich komme. Das Wasser werde von der Böschung der Wegtrasse auf dem Grundstück der Erstbeklagten zurückgestaut, was eine unzulässige Immission darstelle.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die Erstbeklagte sei nicht Eigentümerin eines Grundstückes 482. Im Zuge der Wegherstellung seien zur Wasserableitung Betonrohre eingelegt worden, so dass das Wasser von der Weganlage auf das Grundstück des Klägers nicht zurückgestaut werde und es daher auch deshalb zu keiner Vernässung bzw Verschlechterung der Bodenqualität des Grundstücks des Klägers gekommen sei. Der Zweitbeklagte habe bei Anlegung des Weges nicht mitgearbeitet. Das Unterlassungsbegehren sei verfehlt, weil die Unterlassung von Handlungen begehrt werde, die die Beklagten ohnedies nicht mehr vornehmen würden; der Weg sei nämlich schon 1987 fertiggestellt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Klage sei der Sache nach auf § 364 Abs 2 ABGB gestützt. Das nachbarrechtliche Unterlassungsbegehren könne sowohl gegen den Eigentümer des Grundstückes, von dem die Immissionen ausgehen, als auch gegen den für diese unmittelbar verantwortlichen Störer gerichtet werden. Nun sei erwiesen, dass die Vernässung des Grundstückes des Klägers nicht durch den Weg hervorgerufen werde, sondern sich die festgestellte Wasserlache im Bereich zwischen diesem Grundstück und einem anderen Grundstück gebildet habe. Das Klagebegehren sei, soweit es gegen die Erstbeklagte gerichtet sei, schon deshalb abzuweisen; da der Zweitbeklagte die Wegerrichtung nicht in Auftrag gegeben habe und mit diesen Arbeiten auch nicht „wesentlich“ befasst gewesen sei, sei das Klagebegehren auch gegen ihn abzuweisen.

Aus Anlass der Berufung des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz dieses Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sei vom Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus von den Klagebehauptungen auszugehen. Werde mit der Klage ein dem Privatrecht angehörender Anspruch geltend gemacht, sei gemäß § 1 JN, sofern nicht die Sache durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen wird, der ordentliche Rechtsweg zulässig. Im vorliegenden Fall sei die Klage jedoch Beschwerde nach § 39 WRG. Danach sei unter anderem der Eigentümer des unteren Grundstückes nicht befugt, den natürlichen Ablauf der Gewässer zum Nachteil des oberen Grundstückes zu ändern. Nach den Klagsbehauptungen hätten die Beklagten den natürlichen Abfluss dadurch verändert, dass sie auf dem Grundstück der Erstbeklagten eine Wegtrasse aufgeschüttet hätten. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass sich die Beklagten ein Recht zur Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse anmaßten; demgemäß sei die Klage auch nicht auf Feststellung des Nichtbestehens eines solchen Rechtes, sondern vielmehr lediglich auf Beseitigung der nachteiligen Wirkung der Änderung gerichtet. Das Begehren gehe somit über die dem Kläger nach dem Wasserrechtsgesetz zustehenden Möglichkeiten nicht hinaus. Nach § 138 WRG sei, wer das Wasserrechtsgesetz übertreten hat, von der Wasserrechtsbehörde zur Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Neuerung auf seine Kosten zu verhalten, wenn das der Gefährdete oder Verletzte verlange. Außerdem wären nach § 137 WRG auch entsprechende Strafen zu verhängen. Für derartige Beschwerden sei die Wasserrechtsbehörde zuständig. Der Rechtsweg sei demnach unzulässig.

Der von den Beklagten gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs ist zulässig, ohne dass es einer Ergänzung der Entscheidung durch einen Bewertungsausspruch bedürfte, weil Beschlüsse, mit denen das Berufungsgericht die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und vom Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof anfechtbar sind (Stohanzl, ZPO14 [1990] § 519 Anm 4); ebenso ist den Beklagten, die in erster Instanz eine Sachentscheidung zu ihren Gunsten erwirkt haben, das Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des Beschlusses der zweiten Instanz zuzubilligen, mit dem die Klage aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (MietSlg 35.794; EFSlg 41.813 ua). Der Rekurs ist aber auch berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz hat die Rechtswegzulässigkeit von Amts wegen geprüft und verneint, weil das Klagebegehren seiner Auffassung nach inhaltlich nicht über eine Beschwerde nach § 39 WRG hinausgehe über die jedoch die Wasserrechtsbehörde zu befinden habe. Mit Recht wenden sich die Beklagten gegen diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes:

Rechtliche Beurteilung

Für die Prüfung der Rechtswegzulässigkeit sind ausschließlich die Behauptungen des Klägers von Bedeutung. Entscheidend ist die Natur des geltend gemachten Anspruches, wie sie sich aus dem Klagebegehren und dem vom Kläger vorgebrachten Sachverhalt ergibt (JBl 1990, 450; SZ 51/183 ua). Der Kläger begehrt die Unterlassung des Aufstauens des von seinem Grundstück talwärts - also in Richtung der Grundstücke der Erstbeklagten - fließenden Wassers durch Aufschüttung einer Wegtrasse und brachte hiezu unter anderem vor, das (Oberflächen-)Wasser werde durch die seinem Grundstück zugekehrte Böschung der vom Zweitbeklagten aufgeschütteten Wegtrasse auf sein Grundstück zurückgestaut; diese Vorgangsweise sei eine unzulässige Immission. Er beruft sich somit der Sache nach zur Stützung seines Untersagungsanspruches auf eine - ohne besonderen Rechtstitel gemäß § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB unzulässige - umittelbare Zuleitung. Dieser Anspruch wurzelt im Nachbarrecht.

Streitigkeiten aufgrund nachbarrechtlicher Untersagungs- bzw Ausgleichsansprüche sind bürgerliche Rechtssachen, die im Zweifel vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind (§ 1 JN); das gilt vor allem auch für Klagen, mit denen die Änderung von Wasserverhältnissen (SZ 53/38 ua) oder - wie letztlich im vorliegenden Fall - die Zuleitung von Niederschlagswasser (SZ 46/82 ua) abgewehrt werden soll; auch der Rückstau des talwärts fließenden Oberflächenwassers auf das Grundstück des Oberliegers durch Anlegung einer dammartigen Wegtrasse durch den Unterlieger ist als solche Zuleitung zu beurteilen.

Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen in den Gesetzen, die solches bezwecken, klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden (JBl 1990, 450; SZ 59/107 ua); eine nur durch ausdehnende Auslegung des Gesetzes zu gewinnende Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde ist angesichts § 1 JN nicht zu rechtfertigen (SZ 49/128 ua).

Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung, mit der es die Rechtswegzulässigkeit verneinte, auf § 39 WRG, übersieht dabei jedoch, dass im Anwendungsbereich dieser Bestimmung eine konkurrierende Zuständigkeit zwischen den ordentlichen Gerichten und der Wasserrechtsbehörde besteht. Deren Kognition erstreckt sich dabei vor allem auf Erlassung wasserpolizeilicher Aufträge nach § 138 WRG bzw die Durchführung von Strafverfahren nach § 137 dieses Gesetzes, dagegen fällt die aus dem Titel der Besitzstörung erhobene oder auf Freiheit von einer Dienstbarkeit gerichtete Klage ebenso in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte wie die aus dem Nachbarrecht abgeleiteten Ansprüche sowie die Ansprüche auf Schadenersatz (MietSlg 34.655; SZ 49/7 ua; Krzizek, Komm RG, 388; Rossmann, WRG [1990], 115; Pimmer in Schwimann, ABGB § 364 Rz 65). Demgemäß kann derselbe Konflikt Gegenstand eines wasserrechtlichen und eines gerichtlichen Verfahrens sein, was vor allem in Fällen zutreffen kann, in welchen der Grundeigentümer - wie im vorliegenden Fall - durch eine eigenmächtige Neuerung beschwert zu sein behauptet (EvBl 1972/204 ua).

Hat der Kläger, wie schon erörtert, sein Untersagungsbegehren auf unzulässige Immissionen gestützt, kann die Rechtswegzulässigkeit nicht einfach deshalb verneint werden, weil der Oberlieger gemäß den §§ 39 und 138 WRG wegen dieser Vorgangsweise des Unterliegers auch das Einschreiten der Wasserrechtsbehörde veranlassen könnte.

In Stattgebung des Rekurses der Beklagten ist daher der berufungsgerichtliche Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen, das von dem von ihm gebrauchten Zurückweisungsgrund im fortgesetzten Verfahren Abstand zu nehmen haben wird. Das Gericht zweiter Instanz wird vielmehr in der Sache zu befinden und über die Berufung somit meritorisch abzusprechen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte