European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129081
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
2. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur außerordentlichen Auflösung von Dienstbarkeitsvereinbarungen zutreffend zugrunde gelegt. Demnach gelten die Grundsätze für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigen Gründen auch für Dienstbarkeitsverträge (als Dauerrechtsverhältnisse), deren Auflösung wegen der stärkeren dinglichen Bindung aber nur „äußerstes Notventil“ sein kann; die für die Auflösung in Betracht kommenden Gründe müssen ein größeres Gewicht haben als jene, die für die Auflösung von (rein obligatorischen) Dauerschuldverhältnissen genügen (RIS‑Justiz RS0018813; vgl auch RS0011519). Ob ein derartig schwerwiegender Grund vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0018813 [T2]; vgl auch RS0018842 [T4, T7]; RS0042834; RS0111817).
3. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger das Entgelt für das ihm von der Beklagten eingeräumte Wegerecht für 2013 bis 2015 zwar – trotz vereinbarter Fälligkeit jeweils am 31. 3. eines Jahres – am 12. 6. 2015 (Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung) noch nicht bezahlt, allerdings waren sich die Vertreter der Beklagten ihrer Forderung bis Anfang 2015 selbst nicht bewusst, weshalb sie bis dahin – entgegen der Vereinbarung – auch keine jährlichen Rechnungen übermittelten. Als der Kläger Anfang 2015 persönlich zur Zahlung des offenen Entgelts aufgefordert wurde, vertrat er zunächst den Standpunkt, aufgrund des Erwerbs eines der dienenden Grundstücke im Jahr 2012 und der dadurch bewirkten „Verkürzung“ des Servitutswegs nur zur Zahlung eines der verbleibenden Servitutsfläche entsprechenden anteiligen Entgelts verpflichtet zu sein. Tatsächlich hatte der Kläger mit der Beklagten anlässlich des Erwerbs dieses Grundstücks aber vereinbart, dass trotz „Verkürzung“ des Servitutswegs das bisherige Entgelt weiter bezahlt werde. Der Kläger war aber bereits seit Anfang 2013 (bis Ende 2015) krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Rechtsfolgen seines Handelns (auch der unterlassenen Zahlung des Servitutsentgelts) zu erkennen, weshalb er in seinen geschäftlichen Angelegenheiten von seiner Ehefrau vertreten wurde. Aufgrund einer dem Kläger bzw seiner Frau Anfang Mai zugegangenen (ersten schriftlichen) Zahlungsaufforderung zahlte diese am Vormittag des 15. 6. 2015 – auf Anraten ihres Rechtsanwalts – (nur) jenen Teil des Servitutsentgelts, welcher der „verkürzten“ Servitutsfläche entsprach. Dass der Kläger mit der Beklagten vereinbart hatte, dass trotz Erwerbs eines vormals dienenden Grundstücks weiter das ursprünglich vereinbarte Entgelt bezahlt werde, wusste sie nicht. Am Nachmittag des 15. 6. 2015 erlangte sie Kenntnis von der Kündigung des Dienstbarkeitsvertrags. Am folgenden Tag führte sie ein Gespräch mit Vertretern der Beklagten, um die Kündigung „abzuwenden“. Dabei versuchte sie auch (erfolglos), diese davon zu überzeugen, dass nur mehr ein der verbliebenen Servitutsfläche entsprechendes Entgelt geschuldet sei. Die Beklagte stellte bei diesem Gespräch in Aussicht, die Kündigung zurückzunehmen, wenn der Kläger in einem von der Beklagten geführten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren erhobene Einwendungen zurückziehe. Die Ehefrau des Klägers bezahlte noch am selben Tag (16.6.2015) – wie ihr dies von ihrem Anwalt schon unmittelbar nach Kenntnis der Kündigung geraten worden war – den von der Beklagten geforderten Restbetrag.
4. Dass das Berufungsgericht auf Basis dieses Sachverhalts davon ausging, dass der Beklagten die Fortsetzung der Rechtsbeziehung mit dem Kläger – bei Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien – nicht unzumutbar sei, stellt keine Überschreitung des ihm bei der Beurteilung dieser Frage zukommenden Ermessensspielraums dar, zumal dabei eben ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist (vgl RS0018813 [T1]).
5. Dass wiederholte Zahlungsrückstände unter gewissen Umständen einen besonders wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung eines Dienstbarkeitsverhältnisses bilden können (vgl RS0011875 [T3]), wurde schon in der angefochtenen Entscheidung – im Rahmen der dort angestellten Gesamtbetrachtung – berücksichtigt. Aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Beurteilung der Unzumutbarkeit einer weiteren Vertragsbindung folgt daraus aber keineswegs, dass jeder Zahlungsverzug zwingend zur Auflösung berechtigt (vgl etwa 4 Ob 99/16m; zu 9 Ob 233/01g wurde die Unzumutbarkeit vor allem damit begründet, dass der Zahlungspflichtige schon drei Mal geklagt werden musste).
6. Dass die mangelnde „Vorwerfbarkeit“ eines Verhaltens des Vertragspartners die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Vertrags „nicht grundsätzlich“ ausschließt, hat das Berufungsgericht in seine Erwägungen ebenfalls mit einbezogen; es hat die zumindest eingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Klägers sowie die fehlende Kenntnis seiner Ehefrau von der im Zuge des Erwerbs eines dienenden Grundstücks getroffenen Entgeltvereinbarung auch nur als einen von mehreren Gesichtspunkten berücksichtigt. Auf die vom Berufungsgericht ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 99/16m, in der der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht billigte, dass der dort Beklagten in Anbetracht ihres hohen Alters und der eingeschränkten Möglichkeit, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, die Nichtzahlung von Betriebskosten durch ihren Sohn jedenfalls bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils über den Zahlungsanspruch nicht als derart schwere Verfehlung vorgeworfen werden könne, die eine Auflösung rechtfertige, geht die Revision nicht ein.
7. Die Zumutbarkeit des Fortbestands des Servitutsverhältnisses ergibt sich hier im Übrigen schon daraus, dass die Beklagte der (ihn vertretenden) Ehefrau des Klägers bereits kurz nach der Kündigung in Aussicht stellte, diese unter bestimmten (in keinem Zusammenhang mit dem Zahlungsrückstand stehenden) Umständen zurückzuziehen, und zudem (davon unabhängig) den Abschluss eines neuen Servitutsvertrags gegen ein höheres Entgelt vorschlug.
8. Der Hinweis auf die jeweils zu obligatorischen Dauerschuldverhältnissen ergangenen Entscheidungen 1 Ob 340/98a, 1 Ob 283/00z und 6 Ob 661/95 zeigt schon deshalb keine Korrekturbedürftigkeit der Berufungsentscheidung auf, weil – wie dargelegt – die Auflösung eines verbücherten und auf eine stärkere Bindung abzielenden Nutzungsrechts erfordert, dass den dafür in Betracht kommenden Gründen ein noch höheres Gewicht zukommt als jenen, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen allgemein genügen.
9. Soweit die Beklagte die Vertragsauflösung auch darauf stützt, dass der Kläger das „laufende“ Entgelt (ab 2016) bzw dessen indexbasierte Wertsteigerung unrichtig berechnet habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie die vom Kläger dazu angebotenen Zahlungen gar nicht annahm, sodass er zur gerichtlichen Hinterlegung gezwungen war. Die Revisionswerberin legt auch nicht überzeugend dar, warum die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die unterbliebene Hinterlegung der „überschaubaren Differenz“ von rund 500 EUR, die auf einen Fehler bei der Dateneingabe in den „Wertsicherungsrechner“ zurückzuführen sei, keinen die Auflösung des vorliegenden Dienstbarkeitsvertrags rechtfertigenden wichtigen Grund darstellt, einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen.
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