Spruch:
Obwohl für das Zustandekommen eines Kaufvertrages grundsätzlich die Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand genügt, kommt doch, wenn eine Vereinbarung über offengebliebene, wenn auch unwesentliche Punkte vorbehalten wurde, der Vertrag erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben
OGH 13. 5. 1971, 1 Ob 129/71 (OLG Innsbruck 2 R 18/71; LG Innsbruck 8 Cg 691/69)
Text
Hermann K, der am 30. 1. 1966 verstorbene Ehegatte der Beklagten, war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 751 II KG A, auf der der Kläger und Hermann K im Jahre 1949 gemeinsam das Haus A Nr 246 errichtet hatten. Auf Grund eines Kaufvertrages vom 17. 8. 1962 übertrug Hermann K das Hälfteeigentum an der EZ 751 II KG A auf den Kläger. Zu dieser Liegenschaft gehörten Einforstungs-, Eigentums- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A. Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 3. 3. 1965 verkauften Hermann K und der Kläger diese Rechte an Alfred D; mit Erklärung vom 12. 8. 1968 trat die Beklagte als Erbin und Rechtsnachfolgerin des Hermann K in diesen Vertrag, der am 4. 1. 1970 grundbücherlich durchgeführt wurde, ein. Als Erbin nach Hermann K ist die Beklagte auch Hälfteeigentümerin der EZ 751 II KG A.
Mit Schreiben vom 12. 4. 1969 machte die Beklagte dem Kläger das Anbot, ihm die ihr gehörige Liegenschaftshälfte, "wie sie liegt und steht", jedoch mit Ausnahme einiger aufgezählter Inventargegenstände, um den Kaufpreis von S 235.000.-, "zahlbar bei grundbücherlicher Durchführung des Vertrages", zu verkaufen. Die Beklagte erklärte, dem Kläger mit ihrem Anbot bis einschließlich 25. 4. 1969 im Wort zu bleiben. Mit Schreiben vom 23. 4. 1969 erklärte der Kläger, das Anbot anzunehmen. Er ergänzte, daß er den Passus "zahlbar bei grundbücherlicher Durchführung des Vertrages" so auffasse, daß die Bezahlung unmittelbar nach erfolgter grundbücherlicher Eintragung und Zustellung des bezüglichen Grundbuchseintragungsbeschlusses auf das noch anzugebende Konto zu erfolgen habe.
Mit Schreiben vom 23. 5. 1969 übersandte der Klagevertreter dem Beklagtenvertreter einen Vertragsentwurf und ersuchte um Mitteilung, falls die Beklagte eine Abänderung oder Ergänzung wünsche, sonst aber um Unterfertigung des Originalvertrages. Mit Schreiben vom 16. 6. 1969 verlangte der Beklagtenvertreter die Korrektur von sechs Vertragspunkten. Einer dieser Punkte betraf die Einforstungs- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A, die nach dem Entwurf des Klagevertreters Bestandteil des Kaufvertrages sein sollten; verlangt wurde aber auch, daß die Zahlung Zug um Zug mit der Überreichung des Grundbuchsgesuches erfolgen sollte, da die Beklagte keine Veranlassung habe, dem Kläger ungesichert das Eigentum an der Liegenschaftshälfte zu überlassen. Mit Schreiben vom 30. 6. 1969 meinte der Klagevertreter, der Kläger habe nie etwas von der Veräußerung der Einforstungs- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A gehört; er wiederholte auch seine Auffassung über die Zahlung des Kaufpreises nach erfolgter Eintragung seines Eigentumsrechtes ins Grundbuch.
Mit Schreiben vom 5. 7. 1969 brachte der Beklagtenvertreter zum Ausdruck, daß hinsichtlich des Kaufgegenstandes ein Dissens vorliege; wegen Verschiedenheit der Auffassung über den Kaufgegenstand liege kein wirksamer Vertrag vor. Zur Frage der Fälligkeit des Kaufpreises gehe die Beklagte von ihrem im Schreiben vom 16. 6. 1969 dargelegten Standpunkt nicht ab. Sie sei jedoch nach wie vor bereit, den Kaufvertrag abzuschließen, jedoch ohne die Einforstungs- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A. Das Einverständnis habe der Kläger bis spätestens 15. 7. 1969 zu erklären, ansonsten sich die Beklagte nicht mehr gebunden fühle. Mit Schreiben vom 11. 7. 1969 erklärte der Klagevertreter, sein Klient wolle wegen der Einforstungs- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A die Vertragsunterfertigung nicht in Frage stellen; hinsichtlich der Fälligkeit des Kaufpreises werde er die Textierung laut Anbot "zahlbar bei grundbücherlicher Durchführung des Vertrages" in den Vertragstext aufnehmen, wobei sein Klient mit der grundbücherlichen Durchführung frühestens die Eintragung im Grundbuch, nicht schon die Überreichung des Grundbuchsgesuches bei Gericht verstehe. Im Schreiben vom 16. 7. 1969. das vor allem die Einforstungs- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A betraf, nahm die Beklagte hinsichtlich der Bezahlung des Kaufpreises zur Kenntnis, daß der Kläger die Zahlung nicht Zug um Zug leisten wolle; die Beklagte werde die sich daraus ergebenden Konsequenzen ziehen.
Mit Schreiben vom 16. 9. 1969 verwies der Beklagtenvertreter darauf, daß sein Schreiben vom 16. 7. 1969 ohne Antwort geblieben sei. Seine Mandantin betrachte das Verhalten des Klägers als schuldhaften Verzug. Die gewährte Nachfrist von mehr als zwei Monaten berechtige zum Rücktritt vom Vertrag, welchen er hiemit namens der Beklagten ausspreche. Der Klagevertreter antwortete am 22. 9. 1969, er habe die Zuhaltungsklage einzubringen.
Mit der am 2. 12. 1969 überreichten Klage begehrt der Kläger, die Beklagte zur Zuhaltung des von ihm wörtlich zitierten Kaufvertrages und zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes auf ihrem Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 751 II KG A für den Kläger zu verurteilen. Die Beklagte wendet ein, sie habe, da sie auf ihr Schreiben vom 16. 7. 1969 keine Antwort erhalten habe, ua annehmen müssen, daß der Kläger darauf beharre, daß seine Zahlungspflicht erst mit Erlassung des Grundbuchsbescheides eintrete. Sie habe berechtigt den Rücktritt vom Vertrag ausgesprochen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen den Streitteilen sei kein Vertrag zustande gekommen, weil über den Gegenstand des Kaufes - mit oder ohne die Einforstungs- und Mitgliedschaftsrechte an der Agrargemeinschaft A - ein versteckter Dissens bestanden habe. Das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 5. 7. 1969 habe ein neues Anbot der Beklagten dargestellt. Dieses habe der Kläger nicht angenommen, da keine Einigung darüber erzielt worden sei, ob der Kaufpreis Zug um Zug mit der Überreichung des Grundbuchsgesuches oder erst später zu bezahlen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- übersteige. Es wies darauf hin, daß über den Vertragsgegenstand zwar schließlich Einigung erzielt worden sei, teilte jedoch die Ansicht des Erstgerichtes, daß mangels Einigung über die Entrichtung des Kaufpreises kein die Beklagte bindender Vertrag zustande gekommen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen
Für die Frage des Zustandekommens eines Kaufvertrages über eine Liegenschaft ist es ohne Bedeutung, ob bei Abschluß der Vereinbarung bereits eine Aufsandungserklärung mit beglaubigter Unterschrift des Verkäufers vorliegt. Wenn die endgültige Errichtung der Vertragsurkunde in einverleibungsfähiger Form einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wurde, hat dies nicht zur Folge, daß die Wirksamkeit des Vertrages erst mit der Einhaltung dieser Form eintritt. Der Vertrag gilt vielmehr als Punktation (§ 885 ABGB; SZ 34/169; EvBl 1966/493 ua; Gschnitzer, Lehrbuch Allg Teil 186). Zum Zustandekommen eines Kaufvertrages genügt grundsätzlich die Einigung über Kaufgegenstand und Kaufpreis (§ 1054 ABGB). Daß Nebenpunkte nicht besprochen wurden, steht der Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrages nicht entgegen (EvBl 1962/452; EvBl 1956/18 ua). Die fehlenden Punkte sind vielmehr aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen (NZ 1969, 24; EvBl 1966/493 ua). Voraussetzung für die Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrages unter diesen Voraussetzungen ist es aber, daß die Nebenpunkte gar nicht erörtert, also nicht zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht wurden. War hingegen eine Vereinbarung über offengebliebene Punkte - auch unwesentliche - vorbehalten, gilt der Vertrag noch nicht als geschlossen und kommt erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben (NZ 1969, 24; EvBl 1960/4; Ehrenzweig[2] II/1, 128 f; Gschnitzer Lehrbuch Allg Teil 186 und in Klang[2] IV/1, 53 f); dann ist nämlich davon auszugehen, daß die Parteien einen Vertrag ohne Einigung über die Nebenpunkte nicht schließen wollten (Ehrenzweig[2] I/1, 239; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 96).
Im vorliegenden Fall kam zwischen den Parteien, wie die Untergerichte richtig darlegten, zunächst schon deswegen keine Einigung über den Abschluß eines Kaufvertrages zustande, weil, wie die Korrespondenz ergab, nicht einmal Einigung über den Kaufgegenstand bestand. Die Parteien waren zwar zunächst überzeugt, eine Einigung erzielt zu haben, tatsächlich hatten sie aber ihre Willenserklärung anders gemeint. Während die Beklagte nämlich die Liegenschaftshälfte ohne die damit nach dem Grundbuchsstand nach verbundenen Rechte an der Agrargemeinschaft A verkaufen wollte, bestand der Kläger darauf, auch diese - vom ihm selbst hinsichtlich seiner Liegenschaftshälfte bereits am 3. 3. 1965 verkauften - Rechte miterwerben zu wollen. Daß diese Rechte nicht Gegenstand des Kaufvertrages sein sollten, gestand der Kläger erst mit dem Schreiben seines Vertreters vom 11. 7. 1969 zu. Vorher kann entgegen der Auffassung der Revision schon wegen des bestehenden Dissenses kein Kaufvertrag, auch nicht stillschweigend, zustande gekommen sein (MietSlg 20.094 und die dort angegebene Literatur), so daß es unerheblich ist, wie rasch die Beklagte auf das Schreiben des Klägers vom 23. 4. 1969 reagierte. Bis 11. 7. 1969 stand auf Grund der beiderseitigen Korrespondenz aber bereits mit hinreichender Deutlichkeit fest, daß der von der Beklagten in ihrem ersten Anbot gebrauchte Satz "zahlbar bei grundbücherlicher Durchführung des Vertrages" von den Parteien verschieden ausgelegt wurde, also tatsächlich auch hierüber keine Einigung bestand. Aus dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 16. 6. 1969 war deutlich erkennbar, daß die Beklagte entscheidenden Wert darauf legte, daß ihre Auslegung der Klausel Vertragsinhalt werde. In ihrem zweiten Anbot vom 5. 7. 1969, das allein zu einem Vertragsabschluß führen hätte können, legte sie unmißverständlich dar, daß sie von dem in ihrem Schreiben vom 16. 6. 1969 dargelegten Standpunkt nicht abweiche. Nur diesen hätte der Kläger, wollte er eine Willenseinigung herbeiführen, mit seinem Schreiben vom 11. 7. 1869 akzeptieren können. Er hat jedoch auch im Schreiben vom 11. 7. 1969 seine bisherige Auffassung der der Beklagten gegenübergestellt. Er nahm damit das Anbot der Beklagten nicht an. Seine Stellungnahme war vielmehr nur ein Gegenvorschlag, der sodann nur von der Beklagten angenommen hätte werden können (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 66). Ihre im Schreiben vom 16. 7. 1969 enthaltene Äußerung, sie nehme zur Kenntnis, das der Kläger die Zahlung nicht Zug um Zug leisten wolle, sie werde die sich daraus ergebenden Konsequenzen ziehen, war aber keineswegs eine Annahme des Gegenvorschlages des Klägers, sondern vielmehr ein deutlicher Hinweis, die Vertragsverhandlungen scheitern zu lassen, wenn sich der Kläger dem Standpunkt der Beklagten nicht anschließe. Weitere Erklärungen hat der Kläger bis zum Schreiben der Beklagten vom 16. 9. 1969, vom Vertrag "zurückzutreten", nicht mehr abgegeben. Mit Recht haben die Untergerichte angenommen, die Erklärung vom 16. 9. 1969 sei dahin zu verstehen, daß die Beklagte damit die Vertragsverhandlungen als endgültig gescheitert ansah und weitere Vertragsverhandlungen ablehnte. Es ist dann aber tatsächlich niemals ein Kaufvertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen, weil eine Einigung über einen ausdrücklich erörterten Nebenpunkt ausgeblieben war. Die Revision ist nicht in der Lage, der der herrschenden Rechtsprechung entsprechenden Rechtsauffassung der Untergerichte überzeugende Argumente entgegenzusetzen. Ihr ist daher ein Erfolg zu versagen.
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