OGH 1Ob123/08g

OGH1Ob123/08g28.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef ***** G*****, vertreten durch Dr. Armin Karisch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Beck Krist Bubits & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, wegen Unterlassung (Streitwert 3.633,64 EUR) sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 4. März 2008, GZ 17 R 194/07k-80, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 17. September 2007, GZ 54 C 360/01x-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 445,82 EUR (darin enthalten 74,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Alleineigentümer eines Hauses mit einem im Erdgeschoß gelegenen Geschäftslokal und einer im ersten Stock gelegenen Wohnung, die von ihm bewohnt wurde und wird. Das Geschäftslokal war seit 1974 an die ***** M***** AG vermietet, die dort einen Lebensmittelmarkt betrieb.

Mit Bescheid vom 8. 8. 1975 bewilligte die zuständige Bau- und Anlagenbehörde gemäß §§ 77, 80, 359 Abs 1 GewO 1973 der M***** AG die Aufstellung von motorischen Kälteanlagen mit entsprechenden Auflagen und führte aus, dass von Nachbarseite keine Einwände bzw Beschwerden erhoben worden seien und bei konsensgemäßem Betrieb eine unzumutbare Belästigung für die Nachbarschaft nicht zu erwarten sei. Dieser Bescheid wurde dem Kläger nicht zugestellt.

Mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom Juni 1986 verkaufte der Kläger der ***** M***** GmbH 423/480-Miteigentumsanteile, verbunden mit Wohnungseigentum am Geschäftslokal. Dem Kläger verblieben 57/480-Miteigentumsanteile - untrennbar verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung im ersten Stock.

Der Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag enthielt unter anderem folgende Bestimmung:

„Ebenso verpflichtet sich die Käuferin für sich und ihre Rechtsnachfolger gegenüber dem Verkäufer und dessen Rechtsnachfolgern, in den ihr nunmehr als Miteigentümerin gehörigen Geschäftsräumen keine über die bisher ausgeübten Tätigkeiten hinausgehenden Tätigkeiten auszuüben bzw ausüben zu lassen, sodass auch in Zukunft eine über das ortsübliche Ausmaß dieses Wohngebiets hinausgehende Geruchs- oder Geräuschbelästigung für die Wohnung des Verkäufers nicht eintritt."

In der Folge erwarb die Beklagte das seinerzeit der ***** M***** GmbH gehörende Wohnungseigentumsobjekt und betreibt seither ihrerseits einen Lebensmittelmarkt.

Mit Bescheid vom 9. 2. 2000 nahm das zuständige Gewerbeamt eine Anzeige betreffend Änderungen an der Betriebsanlage zur Kenntnis und sprach aus, dass dieser Bescheid einen Bestandteil der Betriebsanlagengenehmigung vom 8. 8. 1975 bilde; die Gewerbebehörde führte in diesem Bescheid aus, dass durch die geplanten Änderungen der Betriebsanlage keine negativen Änderungen der Gesamtemissionen zu erwarten seien, weshalb gemäß § 81 Abs 2 Z 9 GewO 1994 keine Genehmigungspflicht bestehe. Auch dieser Bescheid wurde dem Kläger nicht zugestellt.

Wegen danach erfolgter „Lärmbeschwerden" des Klägers führte die Bau- und Anlagenbehörde am 27. 4. 2000 einen Lokalaugenschein durch, zu dem auch der Kläger geladen wurde. Dieser beanstandete dabei besonders die neuen Klimaaggregate am Dach, aber auch Lärmbelästigungen durch Anlieferungstätigkeiten sowie Kühlmöbel im Verkaufsbereich. Der Leiter der Verhandlung vom 27. 4. 2000 hielt fest, dass die Gewerbebehörde abhängig vom Ergebnis einzuholen beabsichtigter lärmtechnischer sowie medizinischer Gutachten Abhilfemaßnahmen gemäß § 79 Abs 1 GewO vorschreiben werde. Der Kläger behauptete in der Folge gegenüber dem Gewerbeamt seine Parteistellung im Verfahren betreffend die Änderung der Betriebsanlage und beantragte die Überprüfung/Aufhebung des Bescheids vom 9. 2. 2000. Das Gewerbeamt holte diverse, insbesondere lärmtechnische Gutachten bzw Stellungnahmen ein, zu denen sich die Beklagte jeweils äußerte.

Mit Bescheid vom 6. 6. 2002 erteilte das Gewerbeamt der Beklagten gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 zur Wahrung der nach § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen zusätzliche Auflagen betreffend die Betriebsanlage.

Mit Bescheid vom 2. 10. 2002 stellte das Gewerbeamt gemäß §§ 356 Abs 3, 81 Abs 3 und 359b Abs 1 Z 2 letzter Satz GewO 1994 fest, dass dem Kläger im Verfahren betreffend die Änderung der Betriebsanlage der Beklagten am gegenständlichen Standort keine Parteistellung zukomme und wies seinen Antrag auf Überprüfung/Aufhebung des Bescheids vom 9. 2. 2000 unter einem zurück. Diese Entscheidung begründete die Gewerbebehörde damit, dass Nachbarn im vorliegend durchzuführenden Anzeigeverfahren gemäß § 359b GewO 1994 keine Parteistellung zukomme. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Kläger stellte zuletzt das Unterlassungsbegehren, die Beklagte sei als Eigentümerin des Geschäftslokals ab sofort schuldig, Lärmeinwirkungen von ihrem Lokal auf die im selben Haus gelegene Wohnung des Klägers insoweit zu unterlassen, als der Mittelungswert des Beurteilungspegels des beim Betrieb des Lebensmittelmarkts der Beklagten verursachten Lärms, beispielsweise im Rahmen der Warenanlieferung und Entladung der LKW, beim Verbringen der Waren ins Lager mittels Rollcontainer, bei der Verteilung der Waren in die Regale im Markt selbst und auch beim Betrieb des Kompressors der Kühlanlage, sowie durch die Lautsprecherdurchsagen zu Zeiten, zu denen der Grundgeräuschpegel in der Wohnung des Klägers 15 Dezibel nicht übersteigt, 25 Dezibel übersteige, und die Spitzenwerte dieser oben genannten Lärmquellen den Grundgeräuschpegel in der gegenständlichen Wohnung zwischen 6 und 18 Uhr um mehr als 35 Dezibel, zwischen 18 und 22 Uhr um mehr als 30 Dezibel, und zwischen 22 und 6 Uhr um mehr als 25 Dezibel überschreite.

Die Käuferin des Geschäftslokals und Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag verpflichtet, das Geschäft insbesondere im Hinblick auf Geruchs- und Geräuschbelästigungen auch weiterhin (nur) so zu betreiben, wie es dem Stand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (1986) entsprochen habe. Nach einem vollkommenen Umbau des Geschäftslokals betreibe nunmehr die Beklagte darin einen Lebensmittelmarkt in völlig anderem Umfang als im Jahr 1986; seither gehe vom Geschäftslokal ein gesundheitsschädigender, ruhestörender Lärm aus, der das ortsübliche Ausmaß und auch die seinerzeitigen Geräuscheinwirkungen durch das „M*****-Geschäft" weit übersteige. Der den Kläger störende (unzulässige) Lärm ergebe sich durch die täglich (regelmäßig nach 22 Uhr, teilweise auch erst nach 24 Uhr) erfolgende Warenanlieferung mittels schwerer LKW, durch das Rangieren von Warencontainern insbesondere unterhalb der Wohnung des Klägers, durch Lautsprecherdurchsagen im Geschäftslokal, und durch die Kühlregale - insbesondere unter dem Schlaf- und Arbeitsbereich des Klägers. Die Geräuschentwicklungen seien ortsunüblich und würden sowohl gegen den Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag als auch gegen § 364 ABGB verstoßen. Im gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren (betreffend die Betriebsanlage der Beklagten) sei dem Kläger keine Parteistellung zugekommen. Die Ausdehnungen bzw Ergänzungen der Betriebsstättengenehmigung seien im vereinfachten Verfahren gemäß § 359b GewO bewilligt worden.

Die Beklagte bestritt, Geräuschbelästigungen zu verursachen, die über den normalen Betrieb eines Großraumgeschäfts hinausgingen. Der Begriff der „Ortsüblichkeit" habe „dynamischen Charakter", sodass sie durch zunehmenden Umgebungslärm Veränderungen erfahre und jedenfalls nicht auf das im Jahr 1986 bestandene Lärmmaß beschränkt werden könne. Für den von der Beklagten am gegenständlichen Standort betriebenen Lebensmittelmarkt liege eine Betriebsanlagengenehmigung aus 1975 vor. Der Kläger habe im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren der Rechtsvorgängerin der Beklagten nur in Ermangelung von Einwendungen keine Parteistellung erlangt. Die Bestimmung des § 359b GewO zum vereinfachten Bewilligungsverfahren sei erst mit 1. 1. 1989 in Kraft getreten. Infolge (möglicher) Parteistellung des Klägers im gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren betreffend die Betriebsanlage der Beklagten fehle dem Unterlassungsbegehren gemäß § 364a ABGB die Grundlage. Im Übrigen sei infolge § 79a GewO für das gegenständliche Begehren der Rechtsweg unzulässig, zumal der Kläger vor der Gewerbebehörde entsprechende Anträge zur Vermeidung der im vorliegenden Verfahren behaupteten Immissionen hätte stellen können.

Das Erstgericht gab der Klage (auch) im zweiten Rechtsgang im Wesentlichen (mit Ausnahme der beispielsweisen Anführung von Lautsprecherdurchsagen zu Zeiten, in denen der Grundgeräuschpegel in der Wohnung 15 Dezibel nicht übersteigt) statt. Die Änderung der Betriebsanlage „von M***** auf B*****" mit Bescheid vom 9. 2. 2000 sei von der Gewerbebehörde lediglich im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO zur Kenntnis genommen und rechtskräftig ausgesprochen worden, dass der Kläger in diesem Verfahren keine Parteistellung habe. Das gegenständliche Unterlassungsbegehren sei daher grundsätzlich möglich. Eine Vereinbarung, dass die Beklagte keine lauteren Geräuschimmissionen verursachen dürfe als dies bei ihrer Rechtsvorgängerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 1986 der Fall gewesen sei, habe nicht festgestellt werden können. Die Ortsüblichkeit sei im betroffenen Objekt vom jeweiligen Grundgeräuschpegel abhängig. Da in der Wohnung des Klägers zumindest kurzfristig und zeitweise ein Grundgeräuschpegel von lediglich 13 Dezibel möglich sei, ortsüblich aber nur Überschreitungen desselben von weniger als 10 Dezibel seien, werde bereits durch den Betrieb der Kälteanlage (Kompressor) im Geschäftslokal der Beklagten, welcher zu Geräuschimmissionen entsprechend einem Beurteilungspegel von 29 Dezibel bei offenem und 27 Dezibel bei geschlossenem Fenster im Bereich der Toilette der Wohnung des Klägers führe, die ortsübliche Geräuschbeeinträchtigung dann überschritten, wenn der Grundgeräuschpegel 9,9 Dezibel oder mehr unter dem Beurteilungspegel liege. Auch wenn nicht habe festgestellt werden können, dass zum Zeitpunkt einer konkreten Warenanlieferung mit LKW der Grundgeräuschpegel in der Wohnung des Klägers nur 16 Dezibel oder weniger betragen habe, könne zwar keine Wiederholungsgefahr, wohl aber eine konkrete Erstgefahr von ortsunüblicher Lärmentwicklung durch die Beklagte (auch) im Zusammenhang mit der Warenanlieferung angenommen werden. Gleiches gelte für die Pegelspitzen von 45 Dezibel im Zuge der Warenanlieferung und von bis zu 44 Dezibel bei der Beschickung der Regale im Geschäftslokal, die zwischen 22 und 6 Uhr ortsüblicherweise nur maximal 25 Dezibel und zwischen 18 und 22 Uhr nur maximal 30 Dezibel über dem jeweiligen Grundgeräuschpegel in der Wohnung des Klägers, der auch nur 13 Dezibel betragen könne, liegen dürften. Da somit beim Betrieb der Kälteanlage durch die Beklagte jedenfalls eine ortsunübliche Geräuschentwicklung für jene Zeiten, zu denen der Grundgeräuschpegel bei 19 Dezibel oder darunter liege, habe festgestellt werden können - nach dem Sachverständigengutachten gelte nur der Grenzwert von 25 Dezibel für Dauergeräusche aus haustechnischen Anlagen nicht für einen Toilettenbereich -, bestehe diesbezüglich Wiederholungsgefahr; im Übrigen bestehe im Zusammenhang mit der Warenanlieferung und der Beschickung der Regale zumindest eine konkrete Erstgefahr einer ortsunüblichen Geräuschentwicklung, nämlich dann, wenn genau zu diesen Zeiten der Grundgeräuschpegel in der Wohnung des Klägers entsprechend niedrig sei. Es sei daher der Beklagten die Unterlassung ortsunüblicher Geräuschentwicklungen aufzutragen. Da nach den Feststellungen ortsunübliche Lärmimmissionen durch Lautsprecherdurchsagen im Geschäftslokal der Beklagten nicht zu erwarten seien, seien diese bei der beispielsweisen Anführung von Lärmquellen im Urteilsspruch nicht zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung der Beklagten und gab deren Berufung im Übrigen nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Zivilrechtsweg sei zulässig, da der Kläger seinen Anspruch aus den nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB über den Immissionsschutz ableite. Aufgrund des Bescheids vom 8. 8. 1975 sei von einer behördlich genehmigten Anlage iSd § 364a ABGB auszugehen. Demnach hätte der Kläger nur Anspruch auf einen verschuldensunabhängigen Schadenersatz, nicht jedoch auf Unterlassung von Immissionen. Fest stehe, dass das Verfahren im Jahr 1999, das zum Bescheid vom 9. 2. 2000 geführt habe, ein vereinfachtes Verfahren iSd § 359b GewO gewesen sei. Nach der Rechtsprechung (4 Ob 137/03f) sei § 364a ABGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigte Anlage keine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB sei. Somit sei die vorliegende Unterlassungsklage iSd § 364 Abs 2 ABGB zulässig. Eine ortsübliche Nutzung seiner Wohnung sei dem Kläger aufgrund der vom Geschäftslokal der Beklagten ausgehenden Immissionen nicht möglich. Zur Frage, ob eine Änderung der Betriebsanlage, die im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO erfolgt sei, dazu führe, dass diese geänderte Anlage keine behördlich genehmigte Anlage darstelle oder trotzdem von einem Weiterbestehen der ursprünglich behördlich genehmigten Anlage auszugehen sei, liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, weshalb die Revision zuzulassen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Soweit die Revisionswerberin Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs releviert, ist ihr zu erwidern, dass Prozesshindernisse in höherer Instanz auch von Amts wegen nicht mehr wahrgenommen werden können, wenn eine bindende Entscheidung über das Prozesshindernis dem entgegensteht (RIS-Justiz RS0035572). Ist das Berufungsgericht - wie hier - in die Prüfung der Frage einer allfälligen, im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen und hat eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS-Justiz RS0042981).

2. Dem eingangs der Rechtsrüge vorgebrachten Argument, dass die Vorinstanzen unzutreffenderweise von einem vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren iSd § 359b GewO 1994 ausgegangen seien, ist vor allem entgegen zu halten, dass dies von der Verwaltungsbehörde selbst ausdrücklich ausgesprochen wurde. In der Begründung des Bescheids des Gewerbeamts vom 2. 10. 2002 wurde nämlich unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 9. 2. 2000 ausgeführt, dass die gegenständliche Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Erlassung letzteren Bescheids der Bestimmung des § 359b GewO 1994 unterlegen sei, wobei dessen Absatz 1 Z 2 letzter Satz ausdrücklich normiere, dass Nachbarn in diesen Verfahren keine Parteistellung zukomme. Gemäß § 359b Abs 8 GewO 1994 seien nach § 81 GewO genehmigungspflichtige Änderungen einer Betriebsanlage dem vereinfachten Verfahren gemäß § 359b Abs 1 GewO zu unterziehen, wenn die Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderungen die im § 359b Abs 1 Z 1 oder 2, Abs 4, 5 oder 6 oder in einer Verordnung gemäß § 359b Abs 2 oder 3 GewO 1994 festgelegten Voraussetzungen erfülle.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist § 364a ABGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigte Anlage keine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB ist (SZ 2003/77 = 4 Ob 137/03f). Nur wenn die Genehmigung der Anlage aufgrund eines Verfahrens erfolgt, in dem die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in derselben oder doch in gleich wirksamer Weise vorgesehen ist wie im Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung, ist es gerechtfertigt, dem Nachbarn das aufgrund seines Eigentumsrechts an sich gegebene Untersagungsrecht zu nehmen und ihn auf einen Ersatzanspruch zu verweisen (RIS-Justiz RS0010682).

Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, dass eine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB in der Folge Änderungen bzw Erweiterungen erfuhr, welche von der Verwaltungsbehörde (bloß) im Rahmen eines „vereinfachten Verfahrens" gemäß § 359b GewO zur Kenntnis genommen wurden. Die von der Beklagten vertretene Rechtsansicht, dass der Betriebsanlage insgesamt dennoch die Eigenschaft einer „behördlich genehmigten Anlage" iSd § 364a ABGB zukomme, würde den Rechtsschutz des Nachbarn in Bezug auf die geänderten Verhältnisse einschränken oder gar beseitigen und würde daher der oben dargestellten - zutreffenden - Rechtsprechung zuwiderlaufen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Immissionen, die auf Änderungen einer „behördlich genehmigten Anlage" iSv § 364a ABGB - welche von der Verwaltungsbehörde im Rahmen eines „vereinfachten Verfahrens" gemäß § 359b GewO „zur Kenntnis genommen" wurden - zurückzuführen sind, dem hievon betroffenen Nachbarn die Möglichkeit eines Unterlassungsbegehrens gemäß § 364 Abs 2 ABGB bieten, zumal in Bezug auf die bzw wegen der Änderungen keine „behördlich genehmigte Anlage" iSv § 364a ABGB (mehr) gegeben ist.

Die Duldungspflicht des Nachbarn bezieht sich auf den ursprünglich genehmigten Betrieb und kann Änderungen nur dann umfassen, wenn eine über die ursprünglich genehmigte Einwirkung hinausgehende Beeinträchtigung der Nachbarn nicht stattfindet. Insoweit muss aber das rechtliche Gehör des Nachbarn gewahrt sein. Die in § 81 Abs 2 GewO normierten Ausnahmen von der Genehmigungspflicht betreffen solche Änderungen, von denen angenommen wird, dass sie keine Einwirkungen ua auf Nachbarrechte haben werden. Sollte sich die im Verwaltungsverfahren getroffene Annahme aber als falsch erweisen, ist dem Nachbarn ein Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB zu gewähren, um Rechtsschutzdefizite hintanzuhalten (vgl Wagner, Die Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht [1997], 186 ff; Illedits/Illedits-Lohr, Nachbarrecht [1999] Rz 95 f).

3. Die Beklagte argumentiert schließlich, dass die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts selbst bei Annahme einer Änderungsgenehmigung im vereinfachten Bewilligungsverfahren verfehlt sei. Aus den Feststellungen sei nämlich nicht ableitbar, dass die Anzeige der Beklagten betreffend die vorgenommenen Änderungen der Betriebsanlage im Zeitraum 1999-2002 eine Änderung der Anliefermodalitäten beinhaltete, noch diese durch die Art der angezeigten Änderungen notwendigerweise zu ändern gewesen seien. Auch sei nicht festgestellt worden, dass die durch Änderung der Anlage von der Beklagten nunmehr betriebenen Maschinen von denen im Genehmigungsbescheid vom 8. 8. 1975 - abgesehen vom fortentwickelten Stand der Technik - abwichen. Die Entscheidung sei auch hinsichtlich des „Verbringens der Waren ins Lager mittels Rollcontainer und der Verteilung der Waren in die Regale im Markt selbst" überschießend und nicht von den Feststellungen getragen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der - von den Vorinstanzen festgestellte - Bescheid vom 9. 2. 2000 die Änderung der genehmigten Betriebsanlage durch diverse Innenumbauten zum Gegenstand hatte. Hievon ist jedenfalls - so auch aus den beigeschafften Verwaltungsakten ersichtlich - die Kälteanlage im Einkaufsmarkt der Beklagten umfasst. In einem engen Zusammenhang mit dieser Betriebsanlagenänderung stehen aber auch die sonst geltend gemachten Lärmbelästigungen (Warenanlieferung mittels LKW, Rollcontainer, Regaleinräumung).

4. Somit ist zu prüfen, ob die von der Beklagten - seit der Änderung der Betriebsanlage - verursachte Geräuschbelästigung tatsächlich das ortsübliche Ausmaß überschreitet.

Ausgehend von den Ausführungen der Vorinstanzen, dass Störgeräusche ortsüblich sind, solange sich der Beurteilungspegel (Mittelungswert) um weniger als 10 Dezibel über den jeweils herrschenden Grundgeräuschpegel erhebt und sich Pegelspitzen zwischen 6 und 18 Uhr um nicht mehr als 35 Dezibel, zwischen 18 und 22 Uhr um nicht mehr als 30 Dezibel, und zwischen 22 und 6 Uhr um nicht mehr als 25 Dezibel über den jeweiligen Grundgeräuschpegel erheben, und dass Dauergeräusche aus haustechnischen Einrichtungen (nur) so lange ortsüblich sind, als sie in Aufenthaltsräumen - wozu eine Toilette nicht zählt - 25 Dezibel nicht überschreiten, ist die festgestellte Lärmbelastung wie folgt zu beurteilen:

Unzutreffend ist, dass sich bereits aus dem Umstand, dass der Kläger in der Regel täglich gegen 4 Uhr das WC aufsuchen muss(te), wo er die summenden bis dröhnenden Geräusche der Kälteanlage im Geschäft der Beklagten besonders deutlich hörte und danach deshalb oft nicht mehr einschlafen konnte, ergebe, dass eine ortsübliche Nutzung der Wohnung aufgrund der bestehenden Immissionen nicht möglich sei. Bei einem - im WC gegebenen - Grundgeräuschpegel von 21 Dezibel kann ein Beurteilungspegel von 29 bzw 27 Dezibel nicht als wesentliche Beeinträchtigung - die an einem Durchschnittsmenschen zu orientieren ist (Eccher in KBB2 § 364 ABGB Rz 10) - gewertet werden.

Die Kälteanlage der Beklagten verursacht im Schlafzimmer des Klägers Lärmimmissionen, die einem Beurteilungspegel von 23 bzw 22 Dezibel und im Wohnzimmer einem solchen von 17 Dezibel entsprechen. Dies liegt zwar unter dem oben genannten „Grenzwert" für Pegelspitzen von 25 Dezibel (für die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr), überschreitet aber bei einem zeitweise gegebenen Grundgeräuschpegel von 13 Dezibel die von den Vorinstanzen festgestellte „Ortsüblichkeitsschwelle" klar. Dasselbe gilt für die Geräuschimmissionen bei der Warenanlieferung, welche zu Spitzenpegeln bis zu 45 Dezibel führte.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass insgesamt von einer Überschreitung der zulässigen, ortsüblichen Lärmeinwirkung und von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Klägers auszugehen sei, ist somit zutreffend, weshalb sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch als gerechtfertigt erweist.

Der Revision der Beklagten ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 41 ZPO.

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