European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00116.18T.0926.000
Spruch:
Das Revisionsrekursverfahren wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die im Rekurs der Antragsgegnerin enthaltene Ablehnung des Erstrichters
unterbrochen.
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sie nach rechtskräftiger Entscheidung über diese Ablehnung dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen.
Begründung:
Die Antragsgegnerin machte in ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung eine Befangenheit des Erstrichters geltend, wobei sie denjenigen Teil ihrer Rekursausführungen, in dem sie die behauptete Befangenheit darlegt und daraus eine Nichtigkeit des Verfahrens ableitet, mit der Überschrift „Nichtigkeit/Ablehnungsantrag“ betitelt hat. Die Antragsgegnerin greift die behauptete Befangenheit des Erstrichters auch in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs auf und leitet daraus einen schweren Mangel des Verfahrens erster Instanz im Sinne des § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG (iVm § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG) ab.
Rechtliche Beurteilung
Die Geltendmachung der Befangenheit ist auch nach Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung bis zur Rechtskraft zulässig (RIS-Justiz RS0041933; RS0042028). Dass in erster Instanz ein ausgeschlossener oder mit Erfolg abgelehnter Richter entschieden hat, kann im außerstreitigen Revisionsrekursverfahren auch dann noch als schwerer Verfahrensmangel geltend gemacht werden, wenn der behauptete Mangel – wie im vorliegenden Fall – bereits vom Rekursgericht verneint wurde (vgl RIS-Justiz RS0030748 [T14]; Schramm in Gitschthaler / Höllwerth , AußStrG [2013] § 66 AußStrG Rz 5). Auf die Geltendmachung einer im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage kommt es in diesem Fall nicht an, weil zur (auch amtswegigen) Wahrnehmung schwerer Verfahrensverstöße nach § 58 Abs 4 AußStrG ein zulässiges Rechtsmittel genügt (vgl allgemein RIS-Justiz RS0041942; zur „Nichtigkeit“ nach dem AußStrG siehe etwa 2 Ob 62/17g, wobei dort ein nach § 56 Abs 1 AußStrG wahrzunehmender Verstoß gegen das Wiederholungsverbot [„ne bis in idem“] zu beurteilen war; gleiches muss aber für die gravierenden Verfahrensmängel nach § 58 Abs 4 AußStrG gelten).
Der von der Antragsgegnerin behauptete Verfahrensmangel nach § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG liegt nur dann vor, wenn der Richter erfolgreich abgelehnt wurde (vgl RIS-Justiz RS0042046 [insb T4]). Da über die im Rekurs behauptete Befangenheit des Erstrichters und den „Ablehnungsantrag“ das nach § 23 JN zuständige Gerichtsorgan (Vorsteher des Bezirksgerichts) bisher nicht entschieden hat, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob der von der Revisionsrekurswerberin behauptete Verfahrensmangel vorliegt. Das Revisionsrekursverfahren wird daher bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Ablehnung des Erstrichters unterbrochen (vgl in jüngerer Zeit etwa 3 Ob 102/15v; 2 Ob 202/16v; 3 Ob 18/18w).
Wird der Ablehnung stattgegeben, ist gemäß § 25 letzter Satz JN erforderlichenfalls auszusprechen, ob und in welchem Umfang Verfahrenshandlungen des abgelehnten Richters aufzuheben sind. An den in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Ablehnungsgerichts ist auch das Rechtsmittelgericht im Hauptverfahren gebunden (RIS-Justiz RS0042079).
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