OGH 1Ob113/69

OGH1Ob113/6912.6.1969

SZ 42/88

Normen

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §43 (6)
JN §1
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §43 (6)
JN §1

 

Spruch:

Das erzielte Ergebnis eines vom Verhandlungsleiter gemäß § 43 (6) AVG. vorgenommenen Vergleichsversuches über Angelegenheiten des Privatrechtes darf nicht zum Gegenstand einer Auflage des Bewilligungsbescheides gemacht werden. Wenn dies gleichwohl geschehen ist, dann konnte eine solche Auflage zwar nicht mit den Mitteln des öffentlichen Rechtes erzwungen werden, die Möglichkeit, die sich aus der getroffenen Vereinbarung ergebenden Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen, wurde den Parteien damit aber keinesfalls genommen.

Entscheidung vom 12. Juni 1969, 1 Ob 113/69.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel des Schadenersatzes Zahlung eines Betrages von 118.810 S s. A. und brachte dazu vor, daß diese bei der Vornahme von Sprengarbeiten an der Eisenbundesstraße die sicherheitsbehördlichen Vorschreibungen hinsichtlich der Anzahl und der Intensität der Sprengungen nicht beachtet habe; hiedurch seien an dem im Eigentum der Klägerin stehenden Hause erhebliche Schäden entstanden, deren Behebung den Klagsbetrag erfordere. Ein Verschulden der beklagten Partei an dem eingetretenen Schaden sei auch darin gelegen, daß sie unterlassen habe, dem Sprengmeister die Art der behördlich angeordneten Sicherheitsvorkehrungen bekanntzugeben. Hinsichtlich der Durchführung von Sprengungen stelle das von der beklagten Partei geführte Unternehmen einen gefährlichen Betrieb dar und hieraus ergebe sich auch eine Haftung der beklagten Partei für die damit verbundenen Gefahren. Das erhobene Leistungsbegehren sei schließlich auch deshalb berechtigt, weil sich die beklagte Partei im Zuge des Verwaltungsverfahrens wegen Bewilligung der Sprengungen gegenüber der diesem Verfahren zugezogenen Klägerin zum Ersatz allfällig entstehender Schäden vertraglich verpflichtet habe.

Das Erstgericht sprach - nach Einschränkung der Verhandlung auf den Grund des Anspruches - mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch der Klägerin dem Gründe nach zu Recht bestehe, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging: Die beklagte Partei habe im Zuge der von ihr übernommenen Ausbauarbeiten an der Eisenbundesstraße im Ennstal eine Felsnase durch Sprengung abtragen lassen. In dem bei der Bezirkshauptmannschaft S. eingeleiteten Verwaltungsverfahren wegen Bewilligung der vorgesehenen Sprengarbeiten und Erlassung sicherheitspolizeilicher Vorschriften habe am 1. September 1964 an Ort und Stelle eine mündliche Verhandlung stattgefunden, zu der für die beklagte Partei in ihrer Eigenschaft als Konsenswerberin der bei dieser seit dem Jahre 1962 als Bauleiter tätige, im Angestelltenverhältnis stehende Ing. Johann S. erschienen sei. Im Verlaufe dieser Verhandlung habe die als Beteiligte (Anrainerin) geladene und an der Verhandlung teilnehmende Klägerin verlangt, daß die beklagte Partei alle durch die Sprengarbeiten entstehenden Schäden ersetzen müsse. Der vernommene Sachverständige habe die Beachtung einer Reihe von Sicherheitsvorkehrungen gefordert und in den Entwurf über die zu erlassenden Sicherheitsvorschriften die Bestimmung aufgenommen, daß den Forderungen der Anrainer zu entsprechen sei. Der im Verhandlungsprotokoll als Vertreter der beklagten Partei angeführte Ing. S. habe die Erklärung abgegeben, das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis zu nehmen und damit auch zum Ausdruck bringen wollen, daß die beklagte Partei die geforderten Sicherheitsvorkehrungen treffen und den Anrainern für die bei den geplanten Sprengarbeiten allenfalls auftretenden Schäden haften werde. Eine gleichartige Haftung habe die beklagte Partei bei ähnlichen Anlässen wiederholt übernommen. Die Bezirkshauptmannschaft S. habe auf Grund der Ergebnisse der am 1. September 1964 durchgeführten mündlichen Verhandlung mit dem Bescheid vom 15. Oktober 1964 die Sprengarbeiten unter der Voraussetzung bewilligt, daß die in der Verhandlungsschrift vom 1. September 1964, die nach dem Spruch einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilden sollte, auf den Seiten 8 und 9 (Teil c, Punkte 1 - 17) enthaltenen Vorschreibungen durchgeführt und eingehalten werden. Die in Punkt 16 aufgenommenen Vorschreibungen bezögen sich auf die erhobenen Forderungen der OKA., der Bundesstraßenverwaltung, der ÖBB .... und der Anrainer, denen nach dem Bescheidinhalt zu entsprechen sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Die beklagte Partei habe die Sprengarbeiten durch den Sprengmeister H. als Subunternehmer durchführen lassen, der vor Beginn der Arbeiten den Verwaltungsbescheid vom 15. Oktober 1964 nicht eingesehen habe. Die Sprengungen seien in den Monaten November 1964 bis Juni 1965 durchgeführt worden, kleinere Sprengungen seien allerdings auch noch im Jahre 1966 erfolgt, wobei sich das Zentrum dieser Sprengungen etwa 120 m vom Wohnhaus der Klägerin entfernt befunden habe. Der mit der Bauaufsicht betraute Ing. St. habe bei stichprobeweisen Überprüfungen dieser Arbeiten einen Verstoß gegen die der beklagten Partei beschiedmäßig auferlegten Sicherheitsvorkehrungen nicht beobachten können. Durch eine vor Weihnachten 1964 vorgenommene, besonders intensive Sprengung seien in dem etwa 100 Jahre alten, zweigeschoßigen Wohnhaus der Klägerin unter anderem Risse an den Außenmauern sowie Risse an sämtlichen Geschoßdecken entstanden. Bei einer weiteren, im Frühjahr 1965 durchgeführten Sprengung, seien durch einen Stein an diesem Haus auch mehrere Dachziegel erschlagen worden.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht das Klagebegehren auf Grund der festgestellten, von Ing. S. als bevollmächtigten Vertreter der beklagten Partei übernommenen vertraglichen Verpflichtung, auftretende Immissionsschäden zu ersetzen, als gerechtfertigt. Die Haftung der beklagten Partei ergebe sich auch daraus, daß sie den Bescheid vom 15. Oktober 1964 in Kenntnis der darin enthaltenen, die Ersatzpflicht gegenüber den Anrainern festhaltenden Auflagen nicht bekämpft und die Sprengarbeiten durchgeführt habe. Sie habe damit nicht allein die Verpflichtung anerkannt, der Klägerin allfällige Immissionsschäden zu ersetzen, sondern auch eine allfällige Überschreitung der dem Ing. S. erteilten Vollmacht genehmigt.

Das Berufungsgericht hat der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die in der Rechtsrüge aufgeworfene, im Schrifttum und in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortete Frage der Bindung der Gerichte an fehlerhafte Verwaltungsakte (vgl. Adamovich, Handbuch des österr. Verwaltungsrechtes[5], I S. 122 ff. und Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 907 ff.) bedarf diesfalls keiner näheren Erörterung, weil die Vorinstanzen die Haftung der beklagten Partei für die der Klägerin im Zusammenhang mit den durchgeführten Sprengarbeiten erwachsenen vermögensrechtlichen Schäden nicht etwa auf Grund des von der Revision als "Nichtverwaltungsakt" qualifizierten Bewilligungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft S. vom 15. Oktober 1964 und der darin enthaltenen Auflagen abgeleitet, eine Ersatzpflicht der beklagten Partei vielmehr im Hinblick auf die von ihrem Vertreter gegenüber der Klägerin anläßlich der kommissionellen Verhandlung vom 1. September 1964 abgegebenen Garantieerklärung angenommen haben. Unter diesen Umständen kann das von der beklagten Partei in den Vordergrund ihrer Rechtsmittelausführungen gestellte Problem der Bindungswirkung des Verwaltungsbescheides für die zu treffende Sachentscheidung keine Bedeutung gewinnen. Diese rechtliche Überlegung hindert jedoch nicht die Feststellung, daß das erzielte Ergebnis eines vom Verhandlungsleiter gemäß § 43 (6) AVG. vorgenommenen Vergleichsversuches über Angelegenheiten des Privatrechtes nicht zum Gegenstand einer Auflage des Bewilligungsbescheides gemacht werden durfte. Wenn dies im konkreten Fall gleichwohl geschehen ist, dann konnte eine solche Auflage zwar nicht mit den Mitteln des öffentlichen Rechtes erzwungen werden (Krzizek, das öffentliche Nachbarrecht, S. 123; VwGH. vom 22. Dezember 1925, Slg. Nr. 14.057/A), die Möglichkeit, die sich aus der getroffenen Vereinbarung ergebenden Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen, wurde den Parteien damit aber keinesfalls genommen.

Was die von den Vorinstanzen unterstellte Legitimation des Ing. S. zur Abgabe einer Garantieerklärung zugunsten der Anrainer anlangt, so mußte es der beklagten Partei nicht zuletzt auf Grund ihrer Eigenschaft als Inhaberin eines Bauunternehmens bekannt sein, daß die politische Behörde bei der an Ort und Stelle anberaumten mündlichen Verhandlung im Sinne der Bestimmung des § 43 (6) AVG. versuchen werde, eine vergleichsweise Bereinigung privatrechtlicher Einwendungen gegen die von ihr angestrebte Sprengbewilligung herbeizuführen und damit eine bescheidmäßige Verweisung der Streitteile mit ihren behaupteten, aus der Privatrechtsordnung erfließenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg entbehrlich zu machen (vgl. Adamovich a.a.O., II S. 145 ff.). Bei diesen Gegebenheiten ist den Vorinstanzen darin zu folgen, daß der zur kommissionellen Verhandlung abgeordnete und mit der Vertretung der beklagten Partei betraute Ing. S. gemäß der Bestimmung des § 1029 ABGB. zum Abschluß von Vergleichen und zur Abgabe von anderen rechtsgeschäftlichen Erklärungen in bezug auf Einwendungen privatrechtlicher, nicht in das politische Verfahren gehörender Natur gegen die in Aussicht genommenen Sprengarbeiten ohne sachliche Beschränkungen bevollmächtigt war. Wie der Oberste Gerichtshof in einem rechtsähnlichen Fall dargelegt hat, ist es unerheblich, ob der dem Bevollmächtigten bei der Bauverhandlung vor der Verwaltungsbehörde gegenübertretende Vergleichspartner nach den einschlägigen Verfahrensgesetzen (§ 8 AVG.) ein Recht auf Teilnahme an dieser Verhandlung besitzt und ob das von diesem Vergleichspartner eingewendete Recht dinglicher oder obligatorischer Natur ist (2 Ob 918/54). Die beklagte Partei kann nicht behaupten, daß sie der Klägerin Mitteilung über eine Beschränkung des Umfanges der Vollmacht des an der kommissionellen Verhandlung als ihr Vertreter teilnehmenden Bauleiters Ing. S. gemacht oder diese von einer solchen Beschränkung gewußt habe. Nicht kundgegebene Beschränkungen des gewöhnlichen Vollmachtsumfanges bleiben aber dem Dritten gegenüber unwirksam (Stanzl in Klang[2] IV/1 S. 882 f.).

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