OGH 1Ob113/62

OGH1Ob113/6216.5.1962

SZ 35/52

Normen

ABGB §833
JN §1
ABGB §833
JN §1

 

Spruch:

Der rechtskräftige Beschluß des Außerstreitrichters über die Regelung der Benützung einer Wohnung durch die Mitmieter kann jedenfalls bei Fehlen eines Vollstreckungsbefehles durch Räumungsklage durchgesetzt werden.

Entscheidung vom 16. Mai 1962, 1 Ob 113/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger begehrt das Urteil, die Beklagte sei schuldig, das Kabinett der Wohnung Tür Nr. 7 im Hause Wien, F.-Gasse Nr. 24. von ihrer Fahrhabe zu räumen und ihm geräumt zu übergeben sowie die gleichteilige Mitbenützung der zur Wohnung gehörigen Küche und anderen Nebenräumlichkeiten durch ihn zu gestatten, alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge. Er begrundet dieses Urteilsbegehren mit folgendem Vorbringen: Die soeben bezeichnete Wohnung, bezüglich deren beide Streitteile Mitmieter zu gleichen Teilen seien, bestehe aus einer Küche, einem Zimmer und einem Kabinett sowie den üblichen Nebenräumen. Derzeit bewohne die Beklagte die ganze Wohnung mit ihrem Gatten und einem ae. Sohn. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes vom 28. April 1961 sei dem Kläger das alleinige Benützungsrecht am Kabinett und das gleichteilige Benützungsrecht an der Küche und den Nebenräumlichkeiten eingeräumt worden. Der nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Bezirksgerichtes an die Gegenseite gerichteten Aufforderung, dem Kläger die Schlüssel zum Eingang der Wohnung sowie zum Kabinett und zur Küche bis längstens 10. Juli 1961 auszufolgen, habe die Beklagte unter Hinweis darauf, daß der bestätigende Beschluß der zweiten Instanz mit Beschwerde an den Obersten Gerichtshof bekämpft worden sei, nicht entsprochen.

Die Beklagte wendet ein, daß durch konkludente Handlungen seitens des Klägers auf die Mietrechte verzichtet worden und der von ihm bezogene Beschluß noch nicht rechtskräftig sei.

Im Zuge des weiteren Verfahrens nach Abhaltung des ersten Streitverhandlungstermins brachte die Beklagte noch vor, daß der Beschluß des Außerstreitrichters infolge Zurückweisung ihrer Beschwerde durch den Obersten Gerichtshof nunmehr rechtskräftig geworden sei und der Kläger auf Grund des rechtskräftigen Titels die Möglichkeit habe, seinen Anspruch im außerstreitigen Verfahren nach den Bestimmungen des § 19 AußStrG. durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen. Die Räumungsklage zur Durchsetzung seines Anspruchs sei dem Kläger wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges verwehrt. - Die Beklagte habe beim Bezirksgerichte als Außerstreitgericht zudem einen neuen Antrag auf Regelung der Benützung der klagsgegenständlichen Wohnung eingebracht, da die mit Beschluß vom 28. April 1961 festgelegte Benützungsregelung des Außerstreitrichters den gegenwärtigen Verhältnissen nicht Rechnung trage. Das Gericht sei bei der Regelung auch von der rechtsirrigen Auffassung ausgegangen, daß sich aus dem nicht näher bestimmten Umfang des Mitmietrechtsanteiles eine gleich große Berechtigung der Streitteile ergebe. Im Zusammenhang mit diesem weiteren Vorbringen beantragte die Beklagte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges und rechtskräftig entschiedener Streitsache, in eventu die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Erledigung des beim Bezirksgerichte einzuleitenden Verfahrens wegen Benützungsregelung.

Das Erstgericht hat die Anträge der Beklagten, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen oder das Verfahren bis zur Erledigung eines von der Beklagten beim Bezirksgerichte einzuleitenden Verfahrens wegen Benützungsregelung zu unterbrechen, mit Beschluß abgewiesen und mit Urteil im Sinne des Klagebegehrens erkannt. Es sei, so argumentiert der Erstrichter, nicht richtig, daß der Kläger den Beschluß des Außerstreitrichters gemäß § 19 AußStrG. durchzusetzen habe, er könne vielmehr die Durchsetzung dieses Beschlusses, der keinen Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. darstelle, nur mittels Klage erzwingen. Der Rechtsweg sei daher durchaus zulässig und der Kläger auf Grund der Entscheidung des Außerstreitrichters auch zur Klage berechtigt. Die Voraussetzung für eine Unterbrechung des Verfahrens sei nicht gegeben. Die Klagsstattgebung entspreche der mit der Entscheidung des Außerstreitrichters getroffenen Benützungsregelung.

Dem als Berufung bezeichneten Rekurs der Beklagten gegen den Beschluß des Erstgerichtes, womit der Antrag auf Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges abgewiesen wurde, gab das Rekursgericht Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückwies und das bisherige Verfahren erster Instanz einschließlich des Urteiles des Erstgerichtes als nichtig aufhob. Es berief sich hiebei auf die in der MietSlg. unter Nr. 6935 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, derzufolge die rechtsgestaltende Tätigkeit des Außerstreitrichters unmittelbar mit einem vollstreckbaren Befehl verbunden werden könne, wenn auf Grund der neugestalteten Rechtslage ein Teil der Miteigentümer etwas zu leisten, zu unterlassen oder zu dulden habe. Zur Entscheidung der Frage, ob der Mitmieter schuldig sei, Benützungsrechte an einem Teil der gemeinsam benützten Wohnung einzuräumen, sowie bejahendenfalls zur Erlassung des Befehls an den Mitmieter, einen dem anderen Mitmieter zur Benützung überlassenen Teil der Wohnung zu räumen, sei daher der Außerstreitrichter zuständig. Es handle sich weder um die Durchsetzung eines an sich gültigen Mehrheitsbeschlusses noch um die Durchsetzung vertraglicher Rechte. Die Zuständigkeit des außerstreitigen Verfahrens sei unverzichtbar und ausschließlich, woraus sich eindeutig die Unzulässigkeit des Rechtsweges für die vorliegende Klage ergebe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges abgewiesen wird.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für die Rechtsdurchsetzung und die Abwehr von Rechtswidrigkeiten zwischen Miteigentümern ist das streitige Verfahren bestimmt; nur die rechtsgestaltende Mitwirkung des Gerichtes bei der Willensbildung einer Gemeinschaft von Miteigentümern hat im außerstreitigen Verfahren zu geschehen (13. April 1955 EvBl. 1955 Nr. 323 = MietSlg. 4825; 5. Mai 1954 RiZ. 1954 S. 13 = MietSlg. 3665; 15. November 1950 JBl. 1951 S. 265; 24. Jänner 1904 GlUNF. 2933 = 24. Jänner 1905 NotZtg. 1905 S. 125 = ZBl. 1905 Nr. 184). Das Außerstreitverfahren ist unzulässig, wenn die rechtlichen Beziehungen zwischen den Miteigentümern durch Vereinbarung geregelt sind und die aus ihr entspringenden Leistungen in Anspruch genommen werden (Klang[2] III, S. 1116). Gleiches muß auch gelten, wenn die rechtlichen Beziehungen zwischen den Miteigentümern auf andere Art geregelt sind.

Exekutionstitel sind nur solche Tatbestände, die einen Leistungsbefehl an den Verpflichteten aussprechen; daher scheiden z. B. Feststellungs- und Rechtsgestaltungsurteile aus. Der Leistungsbefehl muß ausdrücklich und deutlich eine bestimmte Leistung zur bestimmten Zeit auftragen (Pollak, System, S. 791 und 795). Mit dem rechtskräftigen Beschluß des Außerstreitgerichtes vom 28. April 1961 in der Rechtssache des Antragstellers Johann H. (Klägers) wider die Antragsgegnerin Gertrude F. (Beklagte) wegen Benützungsregelung der Wohnung, die der vorliegenden Klage zugrunde liegt, ist dem Antragsteller das alleinige Benützungsrecht am Kabinett und das gleichteilige Benützungsrecht an der Küche und den Nebenräumlichkeiten eingeräumt, das alleinige Benützungsrecht am Zimmer aber der Antragsgegnerin vorbehalten worden. Einen Exekutionstitel stellt dieser Beschluß nicht dar, weil er keinen Leistungsbefehl enthält (vgl. E. 2. Februar 1949 JBl. 1949 S. 238). Bei Streitigkeiten, die die Miteigentümer aus bereits rechtskräftig getroffenen Vereinbarungen, Verfügungen oder Veränderungen gegeneinander ableiten, ist der Rechtsweg gegeben, wie überhaupt für die Rechtsdurchsetzung zwischen Miteigentümern das streitige Verfahren bestimmt ist (SZ. XXIII 327). Die §§ 833 bis 835 ABGB. sehen eine Mitwirkung des Gerichtes bei der Willensbildung der Gemeinschaft von Miteigentümern vor. Diese Mitwirkung ist dann notwendig, wenn sich gleiche Stimmen gegenüberstehen oder wenn bei wichtigen Veränderungen Stimmeneinheit nicht zu erzielen ist und die übrigen nach den §§ 834 und 835 ABGB. möglichen Auswege nicht beschritten werden. In diesen Fällen hat das außerstreitige Gericht die Aufgabe, rechtsgestaltend der einen Hälfte der Stimmen das Übergewicht über die andere zu geben oder einen Mehrheitsbeschluß die ihm an sich nicht eigene Durchschlagskraft gegenüber der Minderheit zu verleihen. Daß diese rechtsgestaltende Tätigkeit des Gerichtes im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hat, wird allgemein anerkannt. Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern gehören also auf den außerstreitigen Weg, wenn die Halb- oder Mehrheitseigentümer die nach den §§ 833 bis 835 ABGB. allenfalls erforderliche Unterstützung ihres Willens durch das Gericht in Anspruch nehmen. Das Begehren gegen den Miteigentümer, die von diesem benützten Teile der gemeinsamen Sache aufzugeben und zu räumen, setzt bei Fehlen einer Vereinbarung eine vorherige Entscheidung über das Benützungsrecht im außerstreitigen Verfahren voraus (SZ. XXIII 83). Es dürfen daher die Parteien mit einem Antrag auf Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache durch den Außerstreitrichter nicht auf den Rechtsweg verwiesen werden, weil ein Anspruch auf eine bestimmte Art der Benützung nicht besteht, vielmehr erst durch die rechtsgestaltende Verfügung des Außerstreitrichters entsteht, welche die fehlende Willensübereinstimmung der Teilhaber zu ersetzen bestimmt ist (SZ. XXIII 81). Für die Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Rechtswege zu entscheiden ist, kommt es weiter auf den Inhalt des Begehrens, nicht aber darauf an, ob das Begehren sachlich begrundet ist. Wenn das Begehren auf eine rechtsgestaltende Verfügung des Gerichtes über die Benützung einer mehreren Teilhabern gemeinschaftlichen Sache gerichtet ist, dann kann über ein solches Begehren nur im außerstreitigen Verfahren entschieden werden (SZ XIX 199). Der Außerstreitrichter hat nach den Bestimmungen der §§ 834 und 835 ABGB. wie bereits erwähnt, den fehlenden Parteiwillen zu supplieren (EvBl. 1957 Nr. 186). Ob es richtig ist, daß ein rechtsgestaltender Ausspruch des Gerichtes auch mit einem Vollstreckungsbefehl verbunden werden kann, wenn auf Grund der neugestalteten Rechtslage ein Teil der Miteigentümer Leistungen zu erbringen hat (MietSlg. 6935 und die dort angeführte Rechtsprechung), oder ob sich die Aufgabe des Außerstreitrichters auf die rechtsgestaltende Verfügung zu beschränken hat, mag dahingestellt bleiben, weil der Rechtsweg für die vorliegende Räumungsklage schon aus folgenden Erwägungen bejaht werden muß. Der Inhalt des Klagsvorbringens besagt im wesentlichen: Mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Außerstreitrichters, womit die Benützung der Wohnung durch die Streitteile geregelt wurde, stehe fest, daß die Beklagte die Wohnung, soweit die Benützung derselben nicht ihr eingeräumt wurde, seither ohne Rechtstitel benütze, dem Kläger dagegen, soweit die Benützung der Wohnung ihm eingeräumt wurde, nunmehr ein Anspruch auf Räumung des Kabinetts durch die Beklagte und auf Gestattung (Duldung) der Mitbenützung der übrigen Wohnung - ausgenommen das Zimmer, das der Beklagten zur alleinigen Benützung vorbehalten wurde - zustehe. Für das aus diesem Vorbringen abgeleitete Begehren steht auf jeden Fall der Rechtsweg offen. Zur Verweisung eines solchen Begehrens an den Außerstreitrichter besteht kein Anlaß, da sich der Außerstreitrichter mit der Erlassung der rechtsgestaltenden Verfügung seiner Aufgabe entledigt hat. Der Fall liegt dann nicht anders, als wenn der Anspruch eines Teilhabers der gemeinsamen Sache durch einen gültig zustande gekommenen, rechtswirksamen Mehrheitsbeschluß, durch Los oder Schiedsmann oder durch eine sonstige Vereinbarung entstanden ist. Da bisher kein Exekutionstitel vorliegt, kann die Klage auch nicht etwa wegen rechtskräftig entschiedener Streitsache zurückgewiesen werden.

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