OGH 1Ob109/99g

OGH1Ob109/99g27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Daniel O*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des für den Minderjährigen bestellten Sachwalters Magistrat der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie, 3. Bezirk) gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Februar 1999, GZ 43 R 936/98k-82, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 23. Oktober 1998, GZ 6 P 279/98v-78, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der vom Vater für den Minderjährigen zu leistende monatliche Unterhaltsbeitrag ab 1. 8. 1998 auf S 1.300,-- monatlich herabgesetzt und das darüber hinaus auf dessen Herabsetzung auf S 1.000,-- monatlich ab 1. 7. 1998 gerichtete Mehrbegehren abgewiesen wird.

Text

Begründung

Der Vater ist außer für den mj Daniel noch für drei 1982, 1983 und 1988 geborene eheliche Kinder und für seine nicht berufstätige Ehefrau sorgepflichtig. Ab 1. 4. 1997 hatte er für den mj Daniel einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.800 zu leisten, wobei der Unterhaltsbemessung ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 16.890 zugrundelag (ON 74).

Am 11. 9. 1998 beantragte der Vater die Herabsetzung des von ihm für den mj Daniel zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrags auf S 1.000 ab 1. 7. 1998, weil er seit 14. 7. 1998 nur mehr Arbeitslosengeld von monatlich S 12.951 beziehe.

Der besondere Sachwalter stimmte einer Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich S 1.400 ab 1. 8. 1998 zu (ON 77).

Das Erstgericht setzte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt ab 14. 7. 1998 auf S 1.000 herab und wies das Herabsetzungsmehrbegehren für die Zeit vom 1. 7. bis 13. 7. 1998 ab. Unter Bedachtnahme auf das monatliche Arbeitslosengeld von S 12.951 und die den Vater belastenden weiteren Sorgepflichten entspreche der festgesetzte Unterhaltsbetrag der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vaters.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ein höherer Unterhaltsbeitrag würde den Unterhaltspflichtigen über Gebühr belasten. Die Unterhaltsverpflichtung sei bereits ab dem Zeitpunkt des Eintritts des Herabsetzungsgrundes (Arbeitslosigkeit des Vaters), also ab 14. 7. 1998 herabzusetzen und nicht erst ab dem folgenden Monatsersten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Sachwalters ist zulässig und teilweise berechtigt.

A. Zur Höhe der Unterhaltsleistung:

Der Revisionsrekurswerber vertritt die Ansicht, dem Minderjährigen gebühre nach der "Prozentkomponente" ein monatlicher Unterhalt von S 1.400, also rechnerisch etwa 11 % des väterlichen Monatsnettoeinkommens. Nun sichert die Prozentkomponente - unter Beachtung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - zumindest für Durchschnittsfälle den Anspruch des Kindes, an den Lebensverhältnissen des verpflichteten Elternteils angemessen teilzuhaben, was im Regelfall Verteilungsgerechtigkeit bewirkt. Bei atypischen Verhältnissen, wie etwa zahlreichen Sorgepflichten, sind die Prozentsätze aber nicht immer voll ausschöpfbar. Dann sind die Bemessungskriterien den individuellen tatsächlichen Verhältnissen anzupassen. Dem Unterhaltspflichtigen muß ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben. Die aus der Prozentkomponente abgeleitete Pauschalierung ist in atypischen Fällen also nach den individuellen Sachverhaltsumständen zu korrigieren (JBl 1995, 784; 4 Ob 512/92; Schwimann, Unterhaltsrecht2 31 f, 39 ff). Bei Vorhandensein mehrerer konkurrierender Unterhaltsberechtigter ist deren Gleichbehandlung zu wahren und dies durch eine abschließende Kontrollrechnung des Gerichts zu überprüfen (4 Ob 512/92; Schwimann aaO 43), eine erkennbare Überbelastung des Unterhaltspflichtigen führt dann zur aliquoten Kürzung aller Unterhaltsbeiträge (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 18 f).

Ausgehend von diesen Erwägungen ist der vom Vater für den mj Daniel zu leistende monatliche Unterhalt mit S 1.300, was etwa 10 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage entspricht, festzusetzen. Dann stehen nämlich rein rechnerisch für alle vier Kinder insgesamt etwa 40 % des väterlichen Einkommens zur Verfügung; dem Vater verbleiben ebenfalls etwa 40 % und der Mutter der ihr nach dem Gesetz gebührende Anteil von etwa 20 %. Damit wird einerseits der übermäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen infolge Sorgepflichten durch eine - geringfügige - Unterschreitung der Prozentkomponente, andererseits aber auch dem Einkommensverlust des Vaters seit der letzten Unterhaltsfestsetzung (damals S 16.890, siehe ON 74) angemessen Rechnung getragen. Der Einkommensverlust von monatlich etwa S 4.000,-- ist rechnerisch so auf den Unterhaltspflichtigen und alle Unterhaltsberechtigten aufzuteilen, daß dem Vater und dessen Ehegattin ein um monatlich etwa S 2.000,-- geringerer Betrag für deren Lebensunterhalt zur Verfügung steht und auch die vier Kinder eine insgesamt gleich große Reduktion von S 500,-- je Kind hinnehmen müssen. Eine solche Aufteilung trägt den Umständen des konkreten Falls angemessen Rechnung.

B. Zum Beginn der Herabsetzung:

Nach ständiger Rechtsprechung kann der gesetzliche Unterhalt im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB auch rückwirkend eingeschränkt, also herabgesetzt werden (RZ 1999/8; SZ 68/241; SZ 63/181 uva). Nach ständiger Judikatur der Gerichte zweiter Instanz verringert sich die Unterhaltspflicht aber noch nicht für den Monat, in dem die Änderung eintrat. Dieser Ansicht hat sich der Oberste Gerichtshof zumindest für den Fall angeschlossen, in dem nicht dargetan wird, daß der gemäß § 1418 zweiter Satz ABGB am Ersten des Monats schon fällig gewesene Unterhaltsbetrag wegen der neu eingetretenen Umstände die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten erheblich übersteigt (EFSlg 66.380). Dieser Fall ist auch hier gegeben, zumal dem mj Daniel vor der Herabsetzung nur ein Unterhalt von monatlich S 1.800 zur Verfügung stand.

In der Entscheidung SZ 65/54 sprach der Oberste Gerichtshof - ohne weitere Begründung - aus, daß die Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung mit dem nächsten Monatsersten stattzufinden habe.

Der erkennende Senat vertritt ganz allgemein die Ansicht, daß der im Lauf des Monats eintretende Herabsetzungsgrund die Verringerung der Unterhaltspflicht erst mit dem nächsten Monatsersten rechtfertigt. Das folgt nicht zuletzt aus der gebotenen Analogie zu § 1418 dritter Satz ABGB. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung werden Alimente wenigstens auf einen Monat voraus bezahlt. Sind aber selbst die Erben nach dem dritten Satz nicht schuldig, "etwas von der Vorausbezahlung" an den "Verpflegten zurückzugeben", so muß das umso mehr für den Unterhaltsberechtigten selbst gelten, dessen Alimente bereits fällig waren. Die analoge Anwendung von § 1418 dritter Satz ABGB auf alle anderen während des Monats eintretenden Endigungsgründe (so auch Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 1418 mwN) ist demnach nur folgerichtig. Die "Fixierung auf den jeweils nächsten Monatsersten" ist somit entgegen der Ansicht des Rekursgerichts in analoger Heranziehung der im § 1418 dritter Satz ABGB getroffenen Anordnung geboten.

In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen dementsprechend spruchgemäß abzuändern.

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