Spruch:
Die dem überstimmten Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft offenstehenden Möglichkeiten kommen bei einer Erbengemeinschaft in der Regel nicht in Betracht. Auch der in der Minderheit gebliebene Miterbe kann daher die Genehmigung einer Verwaltungsmaßnahme durch das Verlassenschaftsgericht beantragen. Dieses ist bei Nichteinigung der Erben verpflichtet, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlaßgutes von Amts wegen das Erforderliche zu verfügen
OGH 24. September 1975, 1 Ob 109/75 (LG Feldkirch R 165/75; BG Feldkirch A 445/73)
Text
Gesetzliche Erben nach dem am 10. September 1973 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Karl Peter H sind die erblasserische Witwe Maria H sowie die Kinder Herta S geb. H, Fritz H und Andreas H. Die von den Erben auf Grund des Gesetzes zu je ein Viertel des Nachlasses abgegebenen Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16. Oktober 1973 wurde den Erben gemäß § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Zum Nachlaß gehört ein Tischlereibetrieb, der von Andreas H, und ein Möbelgeschäft, das von Fritz H weitergeführt wird.
Andreas H beantragte, den Ankauf einer Elektrorechenmaschine zum Preise von 10.208 S, einiger Büroartikel zum Preise von 290.35 S und die Einschaltung eines Werbeinserates mit einem Kostenaufwand von 5000 S für den ruhenden Nachlaß verlaßgerichtlich zu genehmigen. Die übrigen Miterben haben sich gegen die beabsichtigten Maßnahmen ausgesprochen, lediglich Fritz H stimmte der Anschaffung eines Teils der Büroartikel zu.
Mit Beschluß vom 18. April 1975 gab das Erstgericht dem Antrag des Andreas H zur Gänze statt. Zur Begründung führte das Erstgericht aus, daß Andreas H für den von ihm fortgeführten Tischlereibetrieb, insbesondere zur Erstellung von Kostenvoranschlägen und Anboten, eine Rechenmaschine benötige und die Anschaffung für den Nachlaß auch finanziell tragbar sei. Die Einschaltung eines Werbeinserates in einer Patientenbroschüre des Unfall-Krankenhauses F sei gleichfalls im Interesse des Betriebes gelegen, weil sonst zu besorgen sei, daß die Krankenhausverwaltung keine weiteren Aufträge mehr an Andreas H erteilen werde.
Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Miterben Maria H, Herta S und Fritz H gab das Rekursgericht Folge. Es hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Rekursgericht erachtete als klärungsbedürftig, welche Vereinbarungen unter den Erben über die Geschäftsführung getroffen wurde. Wenn Andreas H von den übrigen Erben die alleinige Weiterführung des Tischlereibetriebes für die Dauer des Verlassenschaftsverfahrens anvertraut worden wäre, so könne er im Sinne des § 1029 ABGB alle Handlungen vornehmen, welche nach dem Geschäftsbrauch und den Umständen des einzelnen Falles in den Bereich der ihm übertragenen Geschäftsführung gehören. Es sei daher abzuklären, ob ausdrücklich oder stillschweigend und schlüssig Einigkeit unter den Miterben dahin bestehe, daß Andreas H die alleinige Geschäftsführung obliege. Treffe dies zu, dann sei er zur Vornahme der von ihm beantragten Dispositionen schon auf Grund der ausdrücklichen oder stillschweigenden Ermächtigung der Miterben befugt; andernfalls seien die Bestimmungen der §§ 833 ff. ABGB sinngemäß anzuwenden.
Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Erben auf Grund der von ihnen auf Grund des Gesetzes abgegebenen und zu Gericht angenommenen Erbserklärungen - die Einantwortung des Nachlasses ist noch nicht erfolgt - eine Erbengemeinschaft bilden (§ 550 ABGB). Mit Rücksicht auf die ihnen vom Gericht überlassene Besorgung und Verwaltung des Nachlasses sind sie auch berechtigt, den Nachlaß gemeinsam zu verwalten. Der Nachlaß stellt sich aber vor der Einantwortung nicht als Vermögen der Erben dar, vielmehr stehen die Erben dem Nachlaß, selbst wenn ihnen dessen Verwaltung und Benützung übertragen wurde, als einem ihnen fremden Vermögen gegenüber (Weiß in Klang[2] II, 135, 141). Im Hinblick auf die verschiedenen Interessen, die das Abhandlungsgericht zu berücksichtigen hat, steht der Erbe als Verwalter des Nachlasses unter gerichtlicher Aufsicht (Rintelen, Grundriß 69). Der Nachlaß unterliegt weiterhin der Obsorge des Abhandlungsgerichtes (Weiß, 155). Auf die Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft können daher die Bestimmungen der §§ 833 ff. ABGB nur sinngemäß angewendet werden (SZ 8/5; 6 Ob 2/65). Es ergibt sich dies nicht nur aus der Aufsichtspflicht des Abhandlungsgerichtes, sondern aus der Eigenart der Erbengemeinschaft. Dies zeigt sich insbesondere im Falle der Uneinigkeit der Erben über durchzuführende Verwaltungsmaßnahmen. Die dem überstimmten Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft sonst offenstehenden Möglichkeiten, Sicherheit zu begehren bzw. den Austritt aus der Gemeinschaft zu erklären - insbesondere die letztere Möglichkeit -, kommt naturgemäß bei einer Erbengemeinschaft in der Regel nicht in Betracht (6 Ob 2/65). Schon in der Entscheidung des OGH GlUNF 5564 wurde der Standpunkt vertreten, daß das Abhandlungsgericht bei Fehlen der Einigung der Erben verpflichtet sei, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlaßgutes von amtswegen das Entsprechende zu verfügen; so könne insbesondere, falls sich dies als erforderlich erweise, auch ein Verwalter bestellt werden (so auch NZ 1974, 25). Eine Verwalterbestellung streben die Miterben im vorliegenden Fall freilich nicht an. Da dem Abhandlungsgericht aber vor der Einantwortung eine umfassende Aufsicht über die Verwaltung des Nachlasses obliegt, sind Streitigkeiten der Erben über die Nachlaßverwaltung auch vom Abhandlungsgericht zu entscheiden (SZ 38/168; SZ 23/75). Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn auch der in der Minderheit gebliebene Miterbe die Genehmigung einer Verwaltungsregel durch das Abhandlungsgericht beantragt. Demnach kommt es aber auf die vom Rekursgericht als erforderlich erachtete Verfahrensergänzung nicht an.
In der Sache selbst kann nach den Verfahrensergebnissen davon ausgegangen werden, daß Andreas H im Betrieb, wie sich aus den vorgelegten Anboten ergibt, umfangreiche Kalkulationsarbeiten durchzuführen hat, daß in dem von Fritz H geführten Handelsbetrieb eine Rechenmaschine vorhanden ist, die dem Andreas H aber auch nicht zeitweise zur Verfügung gestellt werden kann, daß nach der gutächtlichen Äußerung des Sachverständigen Dr. E dem Andreas H eine Rechenmaschine zugebilligt werden müßte, so daß insgesamt deren Anschaffung zur wirtschaftlichen Fortführung des Betriebes zweckmäßig und unter Bedachtnahme auf den letztjährigen Umsatz von zirka 700.000 S auch vertretbar erscheint. Nach der Aussage des Andreas H kann auch davon ausgegangen werden, daß die Kosten der Anschaffung durch den erzielten Gewinn gedeckt werden. Ein Werbeaufwand von 5000 S muß ebenfalls als wirtschaftlich vertretbar bezeichnet werden, zumal Andreas H im Jahre 1974 vom Landesunfallkrankenhaus Aufträge über zirka 51.000 S erhalten hat und es der Erfahrung entspricht, daß sich Auftraggeber vielfach die Einschaltung von Anzeigen in den von ihnen herausgegebenen Druckschriften erwarten. Auch dieser Aufwand wird nach der unbedenklichen Aussage des Andreas H durch den im Betrieb erzielten Gewinn gedeckt.
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