Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird in seinem das Klagebegehren teilweise abweisenden Teil und in seinem Kostenausspruch dahin abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei den weiteren Betrag von S 17.500,-- samt 4 % Zinsen seit 13.November 1984 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Verfahrenskosten den Betrag von S 2.829,75 (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Hans R***, der von Beruf Gendarmeriebeamter ist, wurde am 28. März 1980 von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als Fischereiaufsichtsorgan bestätigt und beeidet. Am 29.August 1981 befand er sich zur Abrichtung seines Schäferhundrüden auf dem Hundeabrichtplatz in Telfs-Moos. Bei dieser Gelegenheit teilte ihm Andrea F*** mit, sie habe am Inn mehrere verdächtige Typen beobachtet, von denen sie annehme, daß sie unberechtigt fischten. Hans R*** begab sich hierauf in seiner Eigenschaft als Fischereiaufsichtsorgan mit angebrachtem, auf seine Funktion hinweisendem Dienstzeichen auf Nachschau. Er führte einen in einem Oberschenkelhalfter getragenen Revolver und eine in der Tasche befindliche Pistole mit sich. Hans R*** traf am Inn den Kläger; zwei weitere Männer waren, als sie Hans R*** bemerkt hatten, davongelaufen. Im Zuge der folgenden Ereignisse erschoß Hans R*** den Hund des Klägers und verletzte den Kläger durch zwei gezielte Schüsse schwer (Durchschuß am linken Oberschenkel und an der linken seitlichen Brustwand). Hans R*** wurde von der wider ihn nach § 87 Abs.1 und § 125 StGB erhobenen Anklage mit Urteil des Erstgerichtes vom 12.Dezember 1983, 36 Vr 3482/81, 36 Hv 269/82, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der Kläger begehrte, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, die Zuerkennung eines Schmerzengeldes von S 100.000,-- und eines Betrages von S 5.000,-- als Schadenersatz für die Tötung des Hundes. Er brachte vor, Hans R*** habe den Hund grundlos erschossen. Der Kläger sei darüber sehr aufgebracht gewesen, er habe sich Hans R*** genähert, ihn beschimpft und ihn mehrfach gegen die Brust gestoßen. Hans R*** sei derart in Panik geraten, daß er von seiner Waffe Gebrauch gemacht habe. Die beklagte Partei bestritt die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach. Hans R*** habe in Notwehr gehandelt, ein Angriff des Hundes sei zu befürchten gewesen, Hans R*** sei vom Kläger und Martin F*** in den Innfluß gedrängt und dort unter Wasser getaucht worden, sodaß er in Todesangst Schüsse abgegeben habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 70.750,-- s.A. (S 70.000,-- Schmerzengeld uns S 750,-- Sachschaden) statt, das Mehrbegehren von S 34.250,-- s.A. wies es unangefochten ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nach Beweiswiederholung teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es einen weiteren Betrag von S 35.000,-- s.A. abwies. Die Revision gegen den abändernden Teil ließ es nicht zu. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Hans R*** sei mit dem ihm bekannten Gemeindebediensteten Anton H*** zum Innufer gegangen. Als sie zum Inn gekommen seien, habe sich dort nur mehr der Kläger mit seinem Hund befunden. Anton H*** sei vorausund auf den Kläger zugegangen, nachdem er zu Hans R*** gesagt hatte, er könne eher mit einem F*** reden. Der Kläger sei ebenfalls auf Anton H*** zugekommen. Als die beiden noch etwa 1 1/2 m voneinander entfernt gewesen seien, habe der Kläger gesagt, Hans R*** solle die Pistole weggeben. Erst jetzt habe Anton H*** gemerkt, daß ihm Hans R*** unmittelbar gefolgt war und den Revolver gezogen hatte. Hans R*** habe mit dem Revolver auf den Hund des Klägers gezielt. Anton H***, der den Hund des Klägers kannte, weil er diesem den Hund vor neun Jahren verkauft hatte, habe zu Hans R*** gesagt, er solle dies lassen, der Hund des Klägers tue nichts. Dennoch habe Hans R*** zum Kläger gesagt, er müsse den Hund wegtun. Ohne daß der Hund des Klägers auf Anton H*** oder Hans R*** losgegangen wäre, habe Hans R*** den Hund erschossen. Nachdem der Hund des Klägers tot zusammengebrochen war, habe sich Anton H*** entfernt, weil er einen folgenschweren Zwischenfall befürchtet habe. Der Kläger sei in Zorn geraten, habe Hans R*** angeschrien und beschimpft. Er habe ihm auch zugerufen, daß er ein paar heruntergehauen bekommen sollte und auch in den Inn geworfen gehöre. Gleichzeitig habe er ihn vor sich hergeschubst, worauf sich Hans R*** gewehrt habe. Hans R*** habe in einer Hand den Revolver gehalten und gedroht, der Kläger sollte aufhören zu schubsen, sonst werde er schießen. Martin F***, ein Neffe des Klägers, der bei Annäherung des Hans R*** davongelaufen war, sei nun wieder an das Innufer zurückgekommen. Er habe Hans R*** zusammen mit dem Kläger wegen des Erschießens des Hundes verprügeln wollen. Der Kläger habe seinem Neffen zugerufen, er solle dem Hans R*** die Waffe wegnehmen. Hans R*** habe nun neuerlich gedroht, er werde dann schießen. Der Kläger sei darauf einige Schritte zurückgegangen, während sich Martin F*** von hinten auf Hans R*** gestürzt habe. In diesem Augenblick habe Hans R*** zumindest zwei Schüsse abgegeben, durch die der Kläger zweimal getroffen und schwer verletzt worden sei. Danach hätten der Kläger und Martin F*** den Hans R*** weiter in das Wasser des Innflusses gezerrt und ihm einige Ohrfeigen versetzt. Hans R*** sei jedenfalls bis zum Bauch im Wasser gestanden, während er von den beiden bedrängt worden sei. Hans R*** habe noch einige ungezielte Schüsse in Richtung der beiden abgegeben, die jedoch nicht getroffen hätten. Der Kläger, der bis zu den Oberschenkeln selbst im Wasser gestanden sei, habe dann das Aufkommen von Schwäche und Schmerzen gemerkt. Martin F*** habe ihn gefragt, ob die Rettung nun nicht wichtiger sei. Sie hätten von Hans R*** abgelassen und sich entfernt. Die Schüsse, durch die der Kläger getroffen worden sei, seien von Hans R*** gezielt abgegeben worden. Bei Abgabe der Schüsse sei Hans R*** nach den vorausgegangenen Beschimpfungen und Drohungen des Klägers von Martin F*** gerade tätlich angegriffen worden und habe befürchten müssen, daß beide die Drohungen, ihn in den Inn zu werfen und ihm ein paar Ohrfeigen zu geben, verwirklichten. Es sei jedoch nicht erwiesen, daß der Kläger und Martin F*** den Hans R*** mit dem Ersäufen bedroht hätten und ihn mit dem Kopf nach rückwärts unter Wasser gedrückt hätten, ebensowenig daß Hans R*** sich in Todesangst befunden hätte, als er jene Schüsse aus seinem Revolver abgegeben habe, durch die der Kläger verletzt worden sei.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, daß der Gebrauch einer Waffe durch Feldschutz- und Fischereipersonal nur im Falle gerechter Notwehr zulässig sei. Notwehr liege aber nicht vor. Das Abgeben der Schüsse durch Hans R*** sei schuldhaft und rechtswidrig erfolgt, weil die gegen Hans R*** geführten Angriffe durch den Kläger und Martin F*** durch Hans R*** selbst infolge widerrechtlichen Erschießens des Hundes provoziert worden wären. Darüber hinaus sei erkennbar gewesen, daß der Kläger und Martin F*** R*** zwar verprügeln und ein Stück in das Wasser des Innflusses hineintreiben wollten, keineswegs aber einen Mordversuch beabsichtigten. Damit sei die Abgabe von zwei gezielten Schüssen, von denen bereits der erste getroffen habe, ohne Vorliegen der Voraussetzungen für den Gebrauch der Schußwaffe und jedenfalls über die Grenzen einer maßgerechten Verteidigung hinaus erfolgt. Das ungerechtfertigte Erschießen des Hundes habe den Kläger provoziert, sodaß bereits unter diesem Gesichtspunkt an das Erfordernis maßvoller Verteidigung durch Hans R*** strengere Anforderungen zu stellen seien als bei Abwehr eines nicht provozierten Angriffs. Hans R*** hätte selbst auf die Gefahr eigener geringer Verletzungen hin nur eine gefährdende oder unerheblich verletzende Verteidigung vornehmen dürfen. Den Kläger treffe allerdings ein Mitverschulden. Er sei absichtlich gegen Hans R***, der erkennbar als Fischereiaufsichtsorgan eingeschritten sei, unter Beschimpfungen und Drohungen tätlich vorgegangen. Sein Mitverschulden sei dem Verschulden des Hans R*** etwa gleichgewichtig.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und teilweise berechtigt.
Nach § 54 Tiroler Fischereigesetz, LGBl.1952/15 (TirFG), sind Fischereiberechtigte befugt, Wachorgane für die Fischerei durch die Bezirksverwaltungsbehörde bestätigen und von ihr nach der von der Landesregierung vorzuschreibenden Eidesformel beeiden zu lassen. Diese Wachorgane müssen die für das Feldschutzpersonal vorgeschriebenen Eigenschaften haben. Nach § 55 Abs.1 TirFG finden auf die mit der Beaufsichtigung und dem Schutz der Fischerei betrauten und hiefür bestätigten und beeideten Organe die für das Feldschutzpersonal überhaupt geltenden Bestimmungen und im Betreff ihrer amtlichen Stellung die Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juni 1872, RGBl. Nr.84 (betreffend die amtliche Stellung des zum Schutz einzelner Zweige der Landeskultur aufgestellten Wachpersonals), Anwendung. Nach § 1 dieses Gesetzes ist es gleichgültig, ob das Wachpersonal in öffentlichen oder in Privatdiensten steht. Die Wachmänner sind vielmehr gemäß § 2, wenn sie in Ausübung ihres Dienstes handeln und hiebei das Dienstzeichen tragen, als öffentliche Wachen anzusehen. Sie genießen die in den Gesetzen gegründeten Rechte, welche den obrigkeitlichen Personen und Zivilwachen zukommen. Nach § 18 des Gesetzes vom 29.Dezember 1902, LGBl.1903/3, betreffend den Schutz des Feldgutes ist der Feldhüter befugt, im Dienst eine Feuerwaffe und andere ortsübliche Waffen zu tragen;pto. diesen Waffen darf er gegen Menschen aber nur im Falle gerechter Notwehr Gebrauch machen. Nach § 55 Abs.2 lit.c TirFG im Zusammenhang mit den §§ 3 bis 7 des Gesetzes vom 16.Juni 1872 können Fischereiaufsichtsorgane sowohl Beschlagnahmungen als auch Verhaftungen vornehmen. Bei privaten Fischereiaufsichtsorganen nach dem Tiroler Fischereigesetz handelt es sich somit um mit Polizeigefugnissen ausgestattete Beliehene und demnach um Organe im Sinne des § 1 AHG, deren Handlungen und Unterlassungen gemäß Art.15 B-VG dem Land als Rechtsträger zuzuordnen sind (VfSlg.3847/1960; Loebenstein-Kaniak, AHG 2 37; Koja in Ermacora-Winkler-Koja-Rill-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 445 f;
Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 328;
Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 370 f). Die Ereignisse, bei denen der Kläger verletzt wurde, sind als einheitlicher Vorgang zu werten. Hans R*** war also stets noch als Fischereiaufsichtsorgan im Einsatz befindlich anzusehen. Auch die Abgabe der Schüsse stellt sich damit nicht etwa als Privathandlung des Hans R***, der auch mit dem Kläger keine privaten Händel auszutragen hatte, dar; sie ist vielmehr immer noch als Organhandlung in Vollziehung der Gesetze dem Rechtsträger zuzuordnen (vgl. SZ 54/80).
Daß die beklagte Partei als Rechtsträger nach dem Amtshaftungsgesetz dem Grunde nach haftet und Hans R*** sich nicht in einer Notwehrsituation befand, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Offen ist nur mehr die Frage, ob den Kläger aufgrund von Provokation ein Mitverschulden trifft. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß der Schaden nach der Regel des § 1304 ABGB zu teilen ist, wenn der Angriff durch den Verletzten provoziert oder sonst durch ein vorsätzliches Verhalten des Geschädigten ausgelöst wurde (EvBl.1972/219; SZ 39/90; SZ 32/2; JBl.1958, 364; SZ 24/214 ua). Die allgemeinen Voraussetzungen für die Schadenszurechnung (Kausalität, ATaquanz) auf Seiten des Geschädigten und Rechtswidrigkeit seines Verhaltens oder zumindest Sorglosigkeit gegenüber eigenen Rechtsgütern müssen vorliegen (ZVR 1982/317; SZ 54/85; SZ 51/188; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 236 ff). Im vorliegenden Fall war auslösendes Moment der späteren Ereignisse die durch nichts gerechtfertigte Erschießung des Hundes des Klägers durch Hans R***: Daß dieser vom Gesetz verpönte Waffengebrauch den Kläger in Zorn geraten ließ, ist zwar verständlich, seine Reaktion ging aber darüber hinaus, wollte er doch gemeinsam mit seinem Neffen Martin F*** Hans R*** verprügeln, was diesem, wie das Berufungsgericht, wenn auch im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung, so doch als Tatsachenfeststellung ausführte, erkennbar war. Damit lagen nicht bloß wörtliche, sondern auch tätliche Provokationen vor, die dem Kläger als Mitverschulden angerechnet werden müssen. Dem Berufungsgericht kann allerdings nicht gefolgt werden, daß gleichteiliges Verschulden vorliege. Immerhin hatte Hans R*** die Handlungsweise des Klägers selbst herausgefordert, als er grundlos den Hund des Klägers erschossen und entgegen dem aktenwidrigen Vorbringen in der Revisionsbeantwortung vor der Verletzung des Klägers keine Warnschüsse abgegeben hatte. Dem Kläger ist daher nur ein Mitverschuldensanteil von einem Viertel anzulasten. Der Revision ist teilweise Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß dem Kläger ein weiterer Betrag von S 17.500,-- samt Anhang zuzuerkennen ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs.1 ZPO bzw. §§ 43 Abs.1, 50 ZPO. In erster und dritter Instanz hielt sich der Prozeßerfolg etwa die Waage, im Berufungsverfahren obsiegte der Kläger mit 3/4, sodaß ihm die Hälfte der Kosten des Berufungsverfahrens zuzuerkennen ist.
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