Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 25,017.489,59, weil von den beklagten Parteien für Hackgutfeuerungen gelieferte Steuerungen funktionsuntüchtig gewesen seien. Dadurch sei die klagende Partei in Lieferverzug geraten, sei ihr ein enormer zusätzlicher Kostenaufwand entstanden, und habe sie in Kauf nehmen müssen, dass ihre Kunden die Rechnungen nicht beglichen, was einen Finanzierungsengpass und eine Schädigung des guten Rufs der klagenden Partei zur Folge gehabt habe. Es sei ihr ein Schaden von S 12,411.489,51 entstanden und ihr sei ein Gewinn im Betrag von S 12,606.000 entgangen.
Im Zuge der Erledigung eines Antrags der klagenden Partei auf Bewilligung der Verfahrenshilfe trug das Erstgericht unter anderem auf, zu begründen und zu belegen, warum sich der Streitwert auf S 25,017.489,59 belaufe; für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Bescheinigung ihrer Ansprüche werde der Antrag auf Verfahrenshilfe abzuweisen sein.
Die klagende Partei teilte daraufhin mit, dass die Zusammensetzung des Klagsbetrags der Klagserzählung zu entnehmen sei. Wie sich die als Gewinnentgang geltend gemachte Summe zusammensetze, werde im Rahmen des Rechtsstreits zu behandeln sein.
Die beklagten Parteien wiesen in ihren Klagebeantwortungen darauf hin, dass das Klagebegehren der Höhe nach unschlüssig sei.
Das Erstgericht bewilligte der klagenden Partei antragsgemäß Verfahrenshilfe, ohne diesen Beschluss näher zu begründen. Es beraumte für den 14. 7. 1999 eine Verhandlungstagsatzung an und erteilte den Parteienvertretern den Auftrag, sämtliche Urkunden, auf die sie sich berufen hätten, bei dieser Tagsatzung vorzulegen; weiters wurde mitgeteilt, dass die Verhandlung auch der Führung von Vergleichsgesprächen unter Anwesenheit der Parteien diene.
Bei der Verhandlungstagsatzung vom 14. 7. 1999 wurde die weitere Vorgangsweise des Gerichts erörtert und festgelegt, dass zunächst die technische Frage geprüft und ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Technik bestellt werden solle. Es wurde auch ein Sachverständiger bestellt und im Protokoll festgehalten, dass beabsichtigt sei, bei der nächsten Tagsatzung gemeinsam mit dem Sachverständigen die weitere Vorgehensweise zu besprechen bzw zu bestimmen, welche konkrete Steuerung vom Sachverständigen untersucht werden solle. Am 9. 9. 1999 übermittelte das Erstgericht dem Alt dem Sachverständigen und teilte diesem auch die beabsichtigte Vorgangsweise mit. Es beraumte für den 18. 2. 2000 eine Verhandlungstagsatzung an und trug den Parteienvertretern - wie in der Verhandlungstagsatzung vom 14. 7. 1999 festgelegt - auf, in der Verhandlungstagsatzung jene Steuerungen vorzulegen, die vom Sachverständigen zu untersuchen sein würden. Zu dieser Verhandlungstagsatzung wurde auch der Sachverständige geladen. Eingangs dieser Tagsatzung vom 18. 2. 2000 erörterte der Erstrichter mit der klagenden Partei das Klagebegehren der Höhe nach. Er forderte den Klagevertreter auf, den Betrag von S 12,411.489,51 aufzuschlüsseln. Der Klagevertreter verwies auf das Klagsvorbringen. In weiterer Folge wurde der Klagevertreter aufgefordert, sein Vorbringen "in Bezug auf den entgangenen Gewinn, gerechnet von 1995 an auf 10 Jahre mit S 12,606.000", aufzuschlüsseln. Abermals verwies der Klagevertreter auf sein bisheriges Vorbringen. Daraufhin gab der Erstrichter "bekannt", dass seiner Meinung nach das Klagebegehren nicht schlüssig sei und er deshalb beabsichtige, die Verhandlung zu schließen. Der Klagevertreter brachte daraufhin vor, dass ihn die Rechtsansicht des Richters überrasche. Er führte zur Aufforderung nach Schlüssigstellung des Klagebegehrens aus, dass sich der Schaden aus einer Differenzrechnung der Bilanzen ergebe und es daher ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen für die klagende Partei nicht möglich sei, das Klagebegehren näher aufzuschlüsseln.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die klagende Partei habe es unterlassen, den von ihr geltend gemachten Schaden näher aufzuschlüsseln, was die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens zur Folge habe. Bereits mit Beschluss vom 30. 3. 1999 sei sie aufgefordert worden, ihr Leistungsbegehren aufzuschlüsseln, sie habe aber nur auf das erst zu führende Zivilverfahren verwiesen. In der Verhandlungstagsatzung vom 18. 2. 2000 sei neuerlich eine Aufforderung zur Aufschlüsselung der Klagsbeträge ergangen. Von einer "überraschenden Rechtsansicht" des Gerichts könne demnach nicht die Rede sein.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Ebenso wie das Gericht erster Instanz vertrat es die Ansicht, das Klagebegehren sei nicht entsprechend aufgeschlüsselt, unbestimmt und daher an sich auch abzuweisen. Auch habe der Erstrichter die klagende Partei dahin aufgeklärt, dass die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens dessen Abweisung zur Folge haben müsse und dass die klagende Partei dem nur durch "wenig zielführende Verweisungen" auf ihr Klagsvorbringen entgegengetreten sei. Das Erstgericht habe die ihm obliegende Prozessleitungspflicht gemäß § 182 ZPO nicht verletzt; es sei nicht Aufgabe der Gerichte, für den Fall des Vorliegens eines unschlüssigen Klagebegehrens einen Sachverständigen zu bestellen, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, das Klagebegehren schlüssig zu stellen. Durch die Vorgangsweise des Erstgerichts sei aber die klagende Partei in ihrem verfahrensrechtlichen Grundrecht auf ein fair trial im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK verletzt worden. Der Erstrichter habe nämlich trotz des im Rahmen des Verfahrens auf Bewilligung der Verfahrenshilfe erteilten Auftrags, zu begründen und zu belegen, warum sich der Streitwert auf S 25,017.489,59 belaufe, und trotz der Verweigerung der Erfüllung dieses Auftrags durch die klagende Partei ohne weitere Begründung die beantragte Verfahrenshilfe bewilligt, in der Verhandlungstagsatzung vom 14. 7. 1999 die weitere Vorgangsweise besprochen und einen Sachverständigen bestellt, und schließlich zur Verhandlungstagsatzung vom 18. 2. 2000 geladen, ohne darauf hinzuweisen, dass der Frage der Schlüssigkeit des Klagebegehrens Bedeutung zukäme. Auf Grund dieser Maßnahmen habe die klagende Partei davon ausgehen können, das Erstgericht werde sich mit der von ihr abgegebenen Stellungnahme im Rahmen des Verfahrenshilfeverfahrens begnügen und die Schlüssigkeit des Klagebegehrens als gegeben annehmen. Insofern erweise sich die zu Beginn der Verhandlungstagsatzung vom 18. 2. 2000 erhobene Forderung des Erstrichters, das Klagebegehren nunmehr aufzuschlüsseln, als überraschend, und die klagende Partei sei dadurch in eine ausweglose Situation gebracht worden, weil ihr die Aufschlüsselung ohne Hinzuziehung eines (Privat-)Sachverständigen nicht möglich gewesen sei. Der klagenden Partei müsse daher noch einmal die Möglichkeit geboten werden, ihr Klagebegehren (endlich) schlüssig zu stellen und nachvollziehbar zu machen.
Der Rekurs der erstbeklagten Partei ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der in Art 6 Abs 1 EMRK festgelegte Grundsatz eines fairen Verfahrens verlangt unter anderem, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (Mayer, B-VG2 D.II. 2. zu Art 6 EMRK). Allein das Vorliegen eines "hinreichend begründeten innerstaatlichen Urteils" sagt noch nichts darüber aus, ob einem Rechtssuchenden die effektive Vertretung seiner Rechte ermöglicht war. Die von der erstbeklagten Partei zitierte Entscheidung EuGRZ 1999, 10 bringt im Wesentlichen auch nur zum Ausdruck, dass Art 6 EMRK zwar das Recht auf einen fairen Prozess gewährleiste, aber nicht die Zulässigkeit oder Würdigung von Beweisen regle, und dass der dortige Beschwerdeführer nicht behaupten könne, die Entscheidung sei wegen unzureichender Begründung mangelhaft, auch wenn eine ausführlichere Begründung vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Der hier vorliegende Fall ist völlig anders gelagert:
Das Berufungsgericht ging ebenso wie das Erstgericht davon aus, dass kein schlüssiges Klagebegehren vorliege und dass das Gericht erster Instanz die klagende Partei gemäß § 182 ZPO zur Schlüssigstellung des Klagebegehrens erfolglos aufgefordert habe. Die Ausführungen der Rekurswerberin, die sich mit der Unschlüssigkeit des Klagebegehrens und der Manuduktion durch das Gericht erster Instanz befassen, gehen daher ins Leere. Es ist aber durchaus nachvollziehbar, dass das Erstgericht durch die von ihm gewählte Vorgangsweise bei der klagenden Partei den Eindruck erwecken konnte, es erachte entgegen seiner ursprünglichen, im Verfahren zur Bewilligung der Verfahrenshilfe geäußerten Ansicht das Klagebegehren doch als schlüssig. Bewilligte es - trotz Verweigerung der Erfüllung des der klagenden Partei erteilten Auftrags zur Schlüssigstellung der Klage - die Verfahrenshilfe ohne weitere Begründung, beraumte es eine Verhandlungstagsatzung an, in der es die weitere Vorgangsweise mit den Parteien erörterte und einen Sachverständigen bestellte, und setzte es schließlich eine weitere Verhandlungstagsatzung an, die zur Aufnahme von Beweisen bestimmt war, so war gewiss die vom Richter in der Verhandlungstagsatzung vom 18. 2. 2000 neuerlich erhobene Aufforderung, das Klagebegehren aufzuschlüsseln, also schlüssig zu stellen, für die klagende Partei überraschend. Es ist ihr zwar anzulasten, dass sie die Klage trotz schon einmal erteilter Aufforderung nicht schlüssig stellte, doch ist es mit dem Grundsatz eines fairen Verfahrens unvereinbar, diese Unterlassung zunächst zu dulden, die Partei gleichsam in Sicherheit zu wiegen und schließlich den Auftrag zur Schlüssigstellung nach mehreren Verfahrensschritten mit der Konsequenz zu erneuern, dass das Klagebegehren bei nicht sofortiger Schlüssigstellung abgewiesen werden würde, obwohl diese - wie hier - wohl nur unter Zuziehung eines Privatsachverständigen möglich sein dürfte, die Beiziehung eines solchen aber der klagenden Partei beim Besuch der Verhandlungstagsatzung vom 18. 2. 2000, aber auch vorher angesichts der Vorgangsweise des Gerichts nicht geboten erscheinen musste. Die Beurteilung eines Verfahrens auf seine Fairness muss das gesamte Verfahren erfassen; relevant ist die objektive Beurteilung. Ob ein Verfahren dem Gebot der Fairness entsprochen hat, ist stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu bewerten (Mayer aaO). Dem Gericht zweiter Instanz kann keine Fehlbeurteilung angelastet werden. Damit erweist sich aber der Rekurs der erstbeklagten Partei als nicht zulässig.
Was die Ausführungen der Rekurswerberin zur begehrten Teilabweisung von im Klagebegehren enthaltenen (Teil-)Beträgen betrifft, genügt es, auf die logisch einwandfreien und rechtlich richtigen Ausführungen des Berufungsgerichts (S 15 f des Aufhebungsbeschlusses) zu verweisen, denen nichts hinzuzufügen ist.
Der Rekurs der erstbeklagten Partei ist unzulässig und zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen, zumal sie auf die Unzulässigkeit des Rekurses der erstbeklagten Partei nicht hingewiesen hat.
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