OGH 1Ob104/49

OGH1Ob104/4928.3.1949

SZ 22/40

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §24
ZPO §412
ZPO §477
ZPO §488
ZPO §509
ZPO §514
ZPO §526
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §24
ZPO §412
ZPO §477
ZPO §488
ZPO §509
ZPO §514
ZPO §526

 

Spruch:

Wahrheitswidrige Anpreisung bei Massenartikeln einem einzigen Kunden gegenüber fällt nicht unter § 2 UnlWG.

§ 526 ZPO. Das Rekursgericht darf von den Feststellungen des Erstgerichtes nur dann abgehen, wenn das Erstgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden und seine tatsächlichen Feststellungen bloß auf Grund von Urkunden oder nur mittelbar aufgenommener Beweise getroffen hat.

Der Oberste Gerichtshof ist in jedem Falle an die Feststellungen des Rekursgerichtes gebunden.

Entscheidung vom 28. März 1949, 1 Ob 104/49.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Einzelrichter hat die vom Kläger unter Berufung auf § 24 des Gesetzes vom 26. September 1923, BGBl. Nr. 531, gegen den unlauteren Wettbewerb beantragte einstweilige Verfügung bewilligt, mit welcher der beklagten Partei unter anderem verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr für Bestrahlungslampen die Bezeichnung "Original-H." zu gebrauchen.

Das Rekursgericht hat den Antrag abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Erstrichter hat in der Begründung seiner einstweiligen Verfügung festgestellt, "daß die beklagte Partei im geschäftlichen Betriebe ihres Unternehmens wie auch bei ihren Erzeugnissen die Bezeichnung "Original H. Sollux" verwendet". Damit hat der Erstrichter offenbar zum Ausdruck bringen wollen, daß die beklagte Partei diese Bezeichnung nicht bloß in einem einzelnen Falle gebraucht hat, sondern daß sie diese Bezeichnung fortlaufend verwendet. Im Gegensatz hiezu hat das Rekursgericht lediglich für bescheinigt erachtet, daß die Bezeichnung "Original H." einem einzigen Kunden gegenüber verwendet wurde, u. zw. in einem Gespräch, das nicht zur Weitergabe bestimmt war. Gegen diese letztere Feststellung wendet sich zunächst der Revisionsrekurs mit der Behauptung, daß durch die von der klagenden Partei vorgelegten Urkunden bescheinigt sei, daß die beklagte Partei auch bei allen übrigen Verkäufen von Bestrahlungslampen die Bezeichnung "Original H." verwende. Es wird also vom Obersten Gerichtshof die Überprüfung der Beweiswürdigung des Rekursgerichtes begehrt.

Der Oberste Gerichtshof kann auf dieses Vorbringen aus folgenden Gründen nicht eingehen: In der Zivilprozeßordnung werden die Gründe, aus denen Rekurs (Revisionsrekurs) erhoben werden kann - abgesehen von dem im § 514 Abs. 2 ZPO. enthaltenen Hinweis auf die Nichtigkeitsgrunde des § 477 ZPO. -, überhaupt nicht angegeben. Insbesondere enthält das Gesetz keine Bestimmung, wonach die Anfechtung der Beweiswürdigung eines Gerichtes im Rekurswege ausgeschlossen wäre. Nichtsdestoweniger stehen aber Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend auf dem Standpunkt, daß das Rekursgericht an die tatsächlichen Feststellungen des Untergerichtes gebunden ist. Dieser Standpunkt wird damit begrundet, daß gemäß dem § 526 Abs. 1 ZPO. über den Rekurs ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden ist und daß daher das Rekursgericht aus den vom Erstgericht aufgenommenen Beweisen nur unter Verletzung des die Zivilprozeßordnung beherrschenden Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme andere tatsächliche Feststellungen ableiten könnte, als das Erstgericht. Diese Bedenken sind aber nicht gerechtfertigt, wenn - wie im vorliegenden Falle - auch das Erstgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat und seine tatsächlichen Feststellungen nur auf Grund der vorliegenden Urkunden oder nur mittelbar aufgenommener Zeugenbeweise getroffen hat. In diesen Fällen ist auch das Rekursgericht berechtigt - ohne den Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf sich zu ziehen - die vorliegenden Beweise selbständig zu würdigen und auf Grund dieser Beweiswürdigung auch von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes abzuweichen.

Diese für die zweite Instanz geltenden Erwägungen sind jedoch auf das Verfahren des Obersten Gerichtshofes in Rekurssachen nicht anwendbar. Der Oberste Gerichtshof ist - anders als die Gerichte des zweiten Rechtszuges - seinem Wesen nach eine Institution, die lediglich über Rechts- und Verfahrensfragen zu erkennen hat. Dieser Grundsatz gilt sowohl für das Verfahren in streitigen Rechtssachen als auch für das Strafverfahren. Der Oberste Gerichtshof ist daher bei der Erledigung eines Rekurses (Revisionsrekurses) in jedem Falle an die tatsächlichen Feststellungen der unteren Instanz gebunden. Diese können vom Obersten Gerichtshof nur insoweit überprüft werden, als behauptet wird, daß sie auf Grund eines mangelhaften Verfahrens zustandegekommen sind oder daß das Gericht der unteren Instanz hiebei von aktenwidrigen Voraussetzungen ausgegangen ist.

Auf den vorliegenden Fall bezogen, führen diese Erwägungen zu dem Ergebnis, daß zwar das Rekursgericht berechtigt war, von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes abzugehen, daß es aber dem Obersten Gerichtshof versagt ist, die Feststellungen des Rekursgerichtes vom Standpunkt der Richtigkeit der Beweiswürdigung zu überprüfen. Eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens oder eine Aktenwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wurde aber weder im Revisionsrekurs behauptet noch ergibt sie sich aus den Akten.

Der Oberste Gerichtshof muß daher bei der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Rekursgericht davon ausgehen, daß die beklagte Partei die Bezeichnung "Original H." in einem einzigen Fall und nur einem Kunden gegenüber verwendet hat. Diese einmalige Handlung fällt, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, nicht unter den Begriff der wahrheitswidrigen Anpreisung im Sinne des § 2 UnlWG. Dem Rekursgericht ist auch darin beizupflichten, daß eine nicht öffentliche, nur einem Kunden gegenüber gebrauchte, unwahre Anpreisung nicht nach dem § 1 UnlWG. beurteilt werden kann. Im Revisionsrekurs wird demgegenüber die Ansicht vertreten, daß der Gebrauch der Bezeichnung "Original H." in Verbindung mit den Wortmarken "Sollux" und "Tiefenstrahler" besonders wirksam und aus diesem Gründe als unlauterer Wettbewerb gemäß dem § 1 UnlWG. zu beurteilen sei. Diese Ansicht ist unrichtig. Wahrheitswidrige Anpreisungen stellen sich, insbesondere wenn Massenartikel angepriesen werden, nur dann als unlauterer Wettbewerb dar, wenn sie öffentlich oder in Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, gemacht wurden. Eine wahrheitswidrige Anpreisung einem einzigen Kunden gegenüber, mag sie auch noch so intensiv sein, berechtigt einen Dritten nicht, gegen den Anpreisenden nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorzugehen.

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