OGH 1Nc68/15p

OGH1Nc68/15p21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 31 Nc 33/15i anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers H***** U*****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010NC00068.15P.1221.000

 

Spruch:

Der Delegierungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Das Landesgericht für Strafsachen Wien sprach mit Beschluss vom 25. 9. 2015 aus, dass die weitere Unterbringung des Antragstellers in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher notwendig sei und sein Antrag auf bedingte Entlassung daraus abgewiesen werde. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller (am 30. 10. 2015) Beschwerde, über die das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden hat.

Der Antragsteller beantragte am 3. 12. 2015 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage gegen den Bund. Zur Begründung seines Anspruchs führt er aus, das Landesgericht für Strafsachen Wien habe im Verfahren über den Maßnahmenvollzug entgegen seinem Antrag keine Überprüfung des § 21 Abs 2 StGB „in Verbindung mit den entsprechenden Normen des StVG“ gemäß Art 89 Abs 2 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof beantragt. Weiters ergebe sich ein Verschulden durch die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer von rund zwei Jahren. Der österreichische Maßnahmenvollzug entspreche „in seiner Ausgestaltung nicht den Vorgaben der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR“. Zugleich beantragte er die Delegierung gemäß § 12 Abs 1 StEG iVm § 9 Abs 4 AHG, weil das Oberlandesgericht Wien im Instanzenzug zuständig sei.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien legte den Delegierungsantrag dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 9 Abs 4 AHG vor.

Der Antrag ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach der Judikatur sind die Fälle des § 9 Abs 4 AHG solche notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung (vgl nur die Nachweise bei Schragel , AHG 3 Rz 255). Ein Antragsrecht kommt der Partei insoweit nicht zu (RIS‑Justiz RS0056449 [T27]). Der förmliche Delegierungsantrag des Antragstellers ist daher als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0056449 [T33]).

2. Es liegen aber auch die Voraussetzungen für eine Delegierung von Amts wegen nicht vor.

Nach § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung unter anderem dann zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus der Entscheidung eines Landes‑ oder aus dem kollegialen Beschluss eines Oberlandesgerichts abgeleitet wird, das im Instanzenzug zuständig wäre. Der Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG liegt daher nur vor, wenn Richter eines Gerichtshofs über Amtshaftungsansprüche zu erkennen hätten, die ein Verhalten auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs oder auch des im Instanzenzug übergeordneten Gerichtshofs zum Gegenstand haben (RIS‑Justiz RS0056449 [T32]). Das ist bei dem vom Antragsteller aus dem Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Wien abgeleiteten Anspruch nicht der Fall. Dass die im Maßnahmenvollzug ergangene Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Wien beim Oberlandesgericht Wien zu bekämpfen ist, sagt nichts darüber aus, ob der Antragsteller tatsächlich aus einer bestimmten Entscheidung dieses Oberlandesgerichts Amtshaftungsansprüche ableitet. Auch wenn im Verhältnis zu unvertretenen Parteien, die zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen aufgrund angeblich unrichtiger Gerichtsentscheidungen einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einbringen, kein extremer Formalismus angebracht ist, müssen sich doch die Voraussetzungen für eine Delegierung nach (§ 12 Abs 1 StEG iVm) § 9 Abs 4 AHG dem Vorbringen der Partei annähernd konkret entnehmen lassen. Der Antragsteller verwies nur darauf, dass er den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien fristgerecht bekämpft hat und das Oberlandesgericht Wien im Instanzenzug zuständig wäre. Aus einer Entscheidung oder gar einem bestimmten Verhalten des Oberlandesgerichts Wien leitet er seine Amtshaftungsansprüche aber nicht ab. Damit sind die Voraussetzungen für eine Delegierung der Rechtssache an ein anderes Oberlandesgericht nicht erfüllt.

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