OGH 19Ob3/19h

OGH19Ob3/19h17.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer sowie die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Klaar als weitere Richter in der Eintragungssache des Dr. S***** E*****, über die Berufung des Dr. S***** E***** gegen den Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (Plenum) vom 24. April 2019, *****, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0190OB00003.19H.1017.000

 

Spruch:

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

 

Begründung:

1. Der 1958 geborene Berufungswerber war ab 11. Dezember 1989 in die Liste der Oberösterreichischen Rechtsanwälte eingetragen. Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 10. Februar 2014, D 39/13 wurde über ihn unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 5. September 2011, D 65/10 und D 2/11, vom 21. Mai 2012, D 71/11 und vom 30. Mai 2011, D 29/10 wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte verhängt. Die Verurteilung erfolgte, weil er

Seiner dagegen erhobenen Berufung gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 8. Mai 2015, 20 Os 1/15w, keine Folge.

2. Mit seinem am 3. Dezember 2018 beim Ausschuss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingelangten Antrag vom 29. November 2018, dem eine Strafregisterbescheinigung vom selben Tag angeschlossen war, wonach im Strafregister keine Verurteilung aufscheint, beantragte der Berufungswerber die Eintragung („Wiedereintragung“) in die Liste der Rechtsanwälte. Am 20. März 2019 wurde der Berufungswerber dazu vom Ausschuss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer ausführlich einvernommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. April 2019 wies der Ausschuss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (Plenum) den Antrag des Berufungswerbers auf Eintragung („Wiedereintragung“) in die Liste der Oberösterreichischen Rechtsanwälte gemäß § 5 Abs 2 RAO als unbegründet ab. Er traf dazu folgende Feststellungen:

2.1.  Zu den rechtskräftig beendeten Disziplinarverfahren:

2.1.1  Mit Erkenntnis vom 5. September 2011 zu D 65/10, DV 26/11 und D 2/11, DV 27/11, rechtskräftig am 2. November 2011, wurde Dr. S***** E***** aufgrund der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu einer Geldbuße von 3.000 EUR verurteilt, dies mit den Vorwürfen, er habe

2.1.2 Mit Erkenntnis vom 21. Mai 2012 zu D 71/11, D 2/12, rechtskräftig 22. August 2012, wurde Dr. S***** E***** schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen zu haben, weil er in einem Schreiben an einen Notar mit der Formulierung „Sollte dann das außerbücherliche Eigentum meiner Mandantschaft nicht unverzüglich zu einem bücherlichen Eigentum umgewandelt werden, werden wir, so fürchte ich, Probleme bekommen“ sich einer ungebührlichen Ausdrucksweise bediente. Es erfolgte eine Verurteilung ohne Strafe gemäß § 39 DSt.

2.1.3 Mit Erkenntnis der OBDK vom 25. Juni 2012 im Verfahren D 29/10, DV 4/11, rechtskräftig seit 25. Juni 2012, mit welchem das erstinstanzliche Erkenntnis gänzlich bestätigt wurde, wurde Dr. S***** E***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 1.500 EURverurteilt, dies mit dem Vorwurf,dass er als nach dem BTVG bestellter Treuhänder für eine Kaufpreisteilzahlung entgegen der getroffenen Vereinbarungen die Treugeber nicht zur Zahlung aufforderte, sondern ohne eine solche Aufforderung eine abgegebene Bankgarantie in Anspruch nahm.

2.1.4 Mit Erkenntnis der OBDK vom 16. Dezember 2013 im Verfahren zu D 2/12, DV 27/12, rechtskräftig seit 16. Dezember 2013, mit welchem wiederum das erstinstanzliche Erkenntnis vollinhaltlich bestätigt wurde, wurde Dr. S***** E***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 2.000 EUR verurteilt, dies mit dem Vorwurf, dass er im Rahmen einer Berufungsschrift sich mehrfach einer unsachlichen Ausdrucksweise unter unnötiger Einbeziehung des Rechtsvertreters der anderen Parteien bediente, dies durch Wendungen wie

2.1.5 Mit Erkenntnis vom 31. März 2014 zu D 50/13, DV 46/13, rechtskräftig seit 15. August 2014, wurde Dr. S***** E***** schuldig erkannt, Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen zu haben, wobei er zu einer Geldbuße von 700 EUR verurteilt wurde, dies mit dem Vorwurf, er habe trotz übernommener Haftung für eine anteilige SV‑Gebühr diese nicht unverzüglich, sondern erst nach mehreren Mahnungen mit einer Verspätung von ca einem halben Jahr bezahlt.

2.1.6 Mit (schon oben unter 1. erwähntem) Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 8. Mai 2015 im Verfahren zu D 19/13, DV 24/13 bzw D 39/12, DV 45/13, in welchem das erstinstanzliche Erkenntnis vollinhaltlich bestätigt wurde, wurde Dr. S***** E***** wegen Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste bestätigt.

2.2  Zu den anhängigen (infolge Streichung des Berufungswerbers von der Liste abgebrochenen) Disziplinarverfahren:

2.2.1 Mit Erkenntnis des Disziplinarrates vom 16. März 2015 wurde Dr. S***** E***** zu D 71/13, DV 17/14, verbunden mit D 29/14, DV 36/14, schuldig erkannt, als nach dem BTVG bestellter Treuhänder mit Schreiben vom 13. September 2013 als „Rechtsabteilung der B***** GmbH“ Forderungen gegen C***** B***** als Treugeber geltend gemacht zu haben (Vorwurf unzulässiger Doppelvertretung) und weiters als vormaliger Rechtsvertreter des K***** W***** am 17. März 2014 (wieder in unerlaubter Doppelvertretung) eine Vereinbarung mit M***** M***** über die Zurückziehung einer Scheidungsklage abgeschlossen zu haben, dies unter bewusster Umgehung des Sachwalters und Gegenvertreters. Das Erkenntnis wurde aufgrund der zwischenzeitig erfolgten Streichung nicht mehr rechtskräftig.

2.2.2 Im Akt D 34/14 wird Herrn Dr. S***** E***** vorgeworfen, für Frau H***** P***** vollmachtslos eingeschritten zu sein und im Übrigen gegen ihre Interessen eine Vereinbarung mit K***** und B***** T***** aufgesetzt zu haben, wonach die Forderung seiner (angeblichen) Mandantin über 290.000 EUR aus einem Urteil des Landesgerichts Wels getilgt sei.

2.2.3  Zu D 45/14 wird Dr. S***** E***** beschuldigt, die Honorarnote Dris. W***** M***** für dessen Tätigkeit als vormals bestellter mittlerweiliger Stellvertreter im Betrag von 5.716,94 EUR nicht beglichen zu haben.

2.2.4 Im Akt D 59/14 wird Herrn Dr. S***** E***** vorgeworfen, die mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 29. Juni 2013 zu 16 Hv 58/12v bestimmten Privatbeteiligtenkosten der B***** Ltd trotz Rechtskraft nicht ersetzt zu haben, sodass zu 25 E 9881/14d des Bezirksgerichts Linz gegen ihn Exekution geführt werden musste.

2.2.5 Der Vorwurf zu D 1/15 besteht darin, dass Dr. S***** E*****

2.2.6  Im Akt 6/15 wird Herrn Dr. S***** E***** vorgeworfen, im Ermittlungsverfahren 5 St 135/14p der Staatsanwaltschaft Linz mehrere Personen trotz kollidierender Interessen vertreten zu haben.

2.2.7 Zu D 15/15 wird Herr Dr. S***** E***** beschuldigt, als Rechtsvertreter der S***** V***** im Zuge von Vertragsverhandlungen mit dem Sachwalter der anderen Vertragspartei sich in mehreren Unterredungen einerseits einer unwürdigen Ausdrucksweise bedient zu haben und andererseits in unsachlicher Art und Weise Dritten gegenüber Druck in Bezug auf einen gewünschten Vertragsinhalt ausgeübt zu haben.

2.3  Vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft und Kanzleiüberwachung:

Mit Beschluss vom 17. Juli 2012 wurde aufgrund des gegen Dr. S***** E***** geführten Strafverfahrens zunächst die Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten verhängt. Aufgrund der sich verdichtenden Verdachtslage wurde diese Maßnahme am 11. März 2013 sowie am 8. Juli 2013 jeweils um sechs Monate verlängert. Gegen all diese Beschlüsse hat der Antragsteller Beschwerde an die OBDK eingebracht. ln der (abweisenden) Entscheidung 9 Bkd 9/12 hat die OBDK festgestellt, dass Dr. S***** E***** „kein Einsehen zum Fehler seiner fragwürdigen Rechtsmeinung (Fehlen einer Aufrechnungslage oder sonstige Bemühungen zur Tilgung seiner Schuld) aufzeigte“ und stattdessen „nicht nachvollziehbare und ihm nicht zukommende Vermögenswerte ansprach, bei denen jeder Versuch eines Zugriffs darauf eine weitere Treuepflichtverletzung darstellte“.

Der Beschwerde zum Beschluss vom 8. Juli 2013 wurde am 16. Dezember 2013 schlussendlich Folge gegeben und die Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft durch jene der Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuss als gelinderes Mittel per 20. Jänner 2014 ersetzt. Die OBDK hat dazu festgehalten, dass trotz der mittlerweile rechtskräftigen Verurteilung wegen der vorgeworfenen Straftat noch nicht ausreichend geklärt sei, ob aufgrund dieser Verurteilung eine Streichung von der Liste mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, denn nur dann könnte die Maßnahme noch einmal verlängert werden (9 Bkd 8, 9/13). Auch in dieser Entscheidung hat der Senat allerdings festgehalten, dass der Beschwerde von Dr. S***** E***** „nicht zu entnehmen ist, dass dieser gewillt ist, die von ihm erwartbaren Bemühungen um eine umfängliche Bereinigung der Angelegenheiten zu setzen“. Seine im Wesentlichen „als Spitzfindigkeiten zu bewertenden Ausführungen in seiner Beschwerde lassen vielmehr seine weitere Uneinsichtigkeit zu den ihm angelasteten Verfehlungen besorgen“. Anstatt „gebotener Verhaltensumkehr“ wird wegen dem „höchst zweifelhaft zu bewertenden weiteren Versuch der Darstellung einer Aufrechnungslage, ebenso das Übergehen des Nichtzureichens des hinterlegten Betrags“ vielmehr der „Eindruck einer nicht entschuldbaren Uneinsichtigkeit des DB“ vermittelt.

Infolge dieser Entscheidung wurde die vorläufige Untersagung aufgehoben und mit der angeordneten Kanzleiüberwachung begonnen. Am 3. Februar 2014 führten Dr. C***** S***** und Dr. K***** O***** nach vorheriger Terminvereinbarung eine Nachschau in der Kanzlei Dris. S***** E***** durch. Aufgrund der Tatsache, dass Dr. W***** M***** zum Zeitpunkt der Prüfung knapp eineinhalb Jahre lang für sämtliche Anderkonten Dris. E***** alleine zeichnungsberechtigt gewesen war, gab es auch keinerlei Beanstandungen. Nach Eindruck der beiden Prüfer war die Kanzleiführung zwar ordentlich, es wurde allerdings auch festgehalten, dass schon seit 2011, sohin auch schon vor der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft, Dr. S***** E***** wenig bis gar keinen Ertrag erwirtschaftet hatte und im Jahr 2013 erhebliche Zuschüsse seitens der Familie erforderlich gewesen waren um den Sollsaldo am Betriebsmittelkonto im gewährten Rahmen zu halten.

2.4  Verfahren nach dem UWG:

Trotz Streichung von der Liste der OÖ Rechtsanwälte per 8. Mai 2015 erschien Dr. S***** E***** am 22. Mai 2015 zu einer Verhandlung in einem Pflegschaftsverfahren (15 Ps 246/14m BG Steyr), bei dem relative Anwaltspflicht bestand. Da er auch auf seiner Homepage nach wie vor als Rechtsanwalt auftrat, hat die OÖ Rechtsanwaltskammer gegen Dr. S***** E***** ein Verfahren nach dem UWG anhängig gemacht. In diesem Verfahren bezeichnete er sich in seinem Schriftsatz vom 19. Jänner 2016 ebenfalls als Rechtsanwalt.

Die OÖ Rechtsanwaltskammer obsiegte sowohl in Hinblick auf die Einstweilige Verfügung, als auch auf das Hauptverfahren (Entscheidung vom 26. September 2016, AZ 38 Cg 18/16h, rechtskräftig durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, AZ 6 R 2018/16z) dahingehend, als dass Dr. S***** E***** es zu unterlassen hatte, weiterhin als Rechtsanwalt tätig zu sein und sich als solchen zu bezeichnen. Das Begehren, dass Dr. S***** E***** es ebenfalls zu unterlassen habe, weiterhin als Strafverteidiger tätig zu sein, wurde abgewiesen, da die Rechtsansicht des Dr. S***** E*****, wonach er davon ausgegangen war, aufgrund seiner Eintragung in die Liste der „Nur‑Verteidiger“ noch als Strafverteidiger tätig sein zu dürfen, zumindest vertretbar war.

2.5  Streichung von der Liste der „Nur‑Verteidiger“:

Dr. S***** E***** begehrte im Hinblick auf das Ergebnis des UWG‑Verfahrens von der Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz die Ausstellung eines Ausweises als Verteidiger in Strafsachen, welches Ansuchen mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 abgewiesen wurde. Der VwGH stellte am 22. November 2017 zu Ro 2017/03/0023‑4 fest, dass Dr. S***** E***** solange die Befugnis zum Einschreiten als Verteidiger in Strafsachen zukomme, solange er nicht mit Bescheid von der Liste der „

Nur‑Verteidiger“

gestrichen sei. In der Folge wurde Dr. S***** E***** von der Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz mit Bescheid vom 16. April 2018 aus der Verteidigerliste gestrichen und die aufschiebende Wirkung ua wegen Gefahr im Verzug „nicht zuerkannt“.

Mit Schriftsatz vom 18. April 2018 erhob Dr. S***** E***** Beschwerde gegen die „Nichtzuerkennung“ der aufschiebenden Wirkung. Das BVwG wies die Beschwerde am 30. April 2018 ab, mit Entscheidung des VwGH vom 20. Juli 2018 zu Ra 2018/03/0059-9 wurde diese Entscheidung aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an das BVwG zurückverwiesen.

Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2018 brachte Dr. S***** E***** außerdem Beschwerde gegen die Streichung von der Liste der „Nur‑Verteidiger“ an sich ein. Die Streichung wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 22. Februar 2019 zu W195 2193473‑1/12E und W195 2196028‑1/4E bestätigt und die Beschwerde gegen die „Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung“ (nunmehr) für gegenstandslos erklärt.

Am 27. April 2018 gegen 9:00 Uhr erschien Dr. S***** E***** als Verteidiger zu einer Beschuldigtenvernehmung zur Polizeidienststelle T*****. Dabei teilte er dem vernehmenden Beamten Revlnsp. D***** S***** mit, dass er seit Ende 2017 wieder als Verteidiger arbeiten dürfe. Daraufhin wurde die Vernehmung im Beisein des Dr. S***** E***** durchgeführt.

Nach der Entscheidung des BVwG vom 22. Februar 2019 nahm Dr. S***** E***** seine Homepage, die er als Strafverteidiger geführt hatte, am 26. Februar 2019 offline. Auf dieser Homepage stand geschrieben: „Ich habe mir jetzt nicht die Zeit genommen, um wie Alle anderen zu schreiben, wie toll ich bin. Nur soviel: Ich habe jetzt mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. Und ja, ich habe schon einmal mit Suchtgift zu tun gehabt. [...] Unschuldig sein ist schon gut, reicht aber nicht immer. Denn denkt daran: der Polizist wird NICHT dafür bezahlt, die Unschuld zu beweisen. [...] Der Polizist wird für Fahndungserfolge befördert. Frei nach dem Motto: je mehr desto gut. Und man ist immer wieder überrascht, welches Ergebnis die Hochrechnungen der Mengen ergeben (können).“

Am 24. Juli 2018 versuchte die Gerichtsvollzieherin S***** W***** zur AZ 22 E 6145/18a des Bezirksgerichts Linz, an der Kanzleiadresse des Dris. S***** E*****, eine Fahrnisexekution betreffend die A***** GmbH durchzuführen, deren Sitz an dieser Adresse gemeldet war. Die anwesende Mitarbeiterin des Dr. S***** E*****, Frau S*****, teilte der Gerichtsvollzieherin mit, dass die A***** GmbH nunmehr ihren Sitz in der W***** Straße ***** habe. Die Gerichtsvollzieherin hat den Sachverhalt daraufhin an die Behörde herangetragen und mitgeteilt, dass an der Kanzleiadresse mehrere Firmen und Parteien gemeldet seien. Bei der Vollzugsadresse der A***** GmbH habe es sich um eine reine Postkastenanschrift gehandelt.

Mit 25. Oktober 2018 wurde über die A***** GmbH, *****, der Konkurs zur AZ ***** eröffnet. Als Sitz im Firmenbuch war zuletzt nach wie vor der Kanzleisitz von Dr. S***** E***** eingetragen, die Adresse W***** Straße *****, war lediglich als historische Adresse hinterlegt. Bis 4. Juni 2018 war Dr. S***** E***** Gesellschafter der GmbH (Geschäftsanteil 17.500 EUR). Im Antrag an das Firmenbuchgericht vom 4. Juni 2018, mit dem sein Anteil an einen F***** G***** abgetreten worden ist, wird Dr. S***** E***** als Rechtsanwalt bezeichnet.

Dr. S***** E***** hat einen Sohn im Alter von 26 Jahren, für den er nach eigenen Angaben sorgepflichtig ist. Er hat von seinem Vater mehrere Eigentumswohnungen geerbt, welche unbelastet sind. Aus der Vermietung der Eigentumswohnungen erzielt der Antragsteller monatliche Einkünfte von 3.000 EUR. Dr. S***** E***** hat einen Bankkredit über 80.000 EUR aushaften, den er regelmäßig bedient. Weitere Verbindlichkeiten bestehen nicht mehr. Einen Finanz- oder Businessplan für die Kanzlei hat Dr. S***** E***** nicht aufgestellt.

Rechtliche Beurteilung

3. Gegen den angefochtenen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung mit dem Antrag zu erkennen, dass der Berufungswerber wieder in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

In der Berufung werden die Berufungsgründe nicht ausdrücklich angeführt, doch wird erkennbar die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts bekämpft. Die Berufung enthält insbesondere keine konkreten Ausführungen darüber, welche Feststellungen im angefochtenen Bescheid konkret bekämpft werden. Vielmehr werden diese in objektiver Hinsicht weitgehend zugestanden und versucht der Berufungswerber darzulegen, wie es aus seiner Sicht zu den ihm vorgeworfenen disziplinären Verfehlungen gekommen ist.

Insofern die Berufung neue Ausführungen über die Ursachen und Hintergründe der dem Berufungswerber zur Last gelegten, teilweise schon rechtskräftig abgeurteilten disziplinarrechtlichen Verfehlungen enthält, ist daher zunächst auf die zufolge des in § 5a Abs 2 Z 3 RAO enthaltenen Verweises auf § 49 DSt auch im Eintragungsverfahren geltende nur eingeschränkte Neuerungserlaubnis zu verweisen. Da diese Umstände spätestens anlässlich der Einvernahme des Berufungswerbers durch den Ausschuss am 20. März 2019 hätten vorgebracht werden können, sind sie im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

4. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt erweist sich die Berufung jedoch als nicht begründet:

Bei jedem Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte hat die Standesbehörde gemäß § 5 Abs 2 RAO auch die Vertrauenswürdigkeit des Eintragungswerbers zu prüfen. Das Eintragungshindernis des § 5 Abs 2 RAO beruht nicht auf der Anwendung strafgesetzlicher Bestimmungen, sondern darauf, dass der Eintragungswerber – wann immer (OBDK Bkv 2/77, AnwBl 1978/972, 515; RS0071684) – Handlungen begangen hat, die ihn vertrauensunwürdig machen.

Für die Erlangung der Berufsbefugnis als Rechtsanwalt genügt es nicht, nur die Voraussetzungen für einen sachkundigen Rechtsberater zu erfüllen; der Eintragungswerber muss auch Gewähr dafür bieten, ein charakterlich integrer Rechtsfreund zu sein, dem die rechtsuchende Bevölkerung vertrauen darf (OBDK Bkv 1/91, AnwBl 1992/4269, 739 [Strigl]). Es kommt darauf an, ob das gesamte berufliche und charakterliche Verhalten geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken. Dieses Verhalten hat keineswegs ausschließlich den Schutz der Ehre und Würde des Berufsstandes, sondern auch den Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung zum Ziel (OBDK Bkv 4/00, AnwBl 2001/7755, 346 [Strigl]).

Nach der Rechtsprechung ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen. Es ist unmaßgeblich, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit liegen, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Rechtsanwalt überhaupt zukommt (VfGH B 1009/06, VfSlg 17.999). Der Rechtsanwaltsstand verlangt, dass sich Standesangehörige eines einwandfreien, absolut verlässlichen Verhaltens befleißigen und insbesondere in Geldangelegenheiten Sauberkeit walten lassen (OBDK Bkv 2/77, AnwBl 1978/972, 515).

Auch nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist des § 18 DSt kann die Eintragung wegen Vertrauensunwürdigkeit verweigert werden. Aus der Bestimmung des § 18 DSt kann nicht geschlossen werden, dass länger zurückliegende disziplinäre Verfehlungen bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit außer Betracht zu bleiben hätten. Die Vertrauenswürdigkeit wird nicht „automatisch“ durch Zeitablauf wiedererlangt (Bkv 1/91 in AnwBl 1992/4269 [Strigl]).

Selbst bei längerem Wohlverhalten ist die Fortdauer der Vertrauensunwürdigkeit dann anzunehmen, wenn sie auf Verfehlungen beruht, die im reiferen Alter begangen wurden und deren Schwere und Wiederholung auf das Fehlen eines integren Charakters schließen lassen. Gerade im Hinblick auf die Art und die Dauer der disziplinarrechtlichen Verfehlungen (insbesondere die gehäufte Sorglosigkeit in der Aktenführung und im Umgang mit Klientengeldern) ist hier ein strenger Maßstab anzulegen (19 Ob 1/14g).

Bei der Prüfung der Vertrauensunwürdigkeit ist der Ausschuss zwar in tatsachenmäßiger Beziehung an die in Disziplinarverfahren festgestellten Sachverhalte gebunden, er hat jedoch selbstverantwortlich darüber abzusprechen, ob die geforderte Vertrauenswürdigkeit (trotz einer disziplinären Verfehlung) gegeben ist. Die Beurteilung dieser Frage, deren Beantwortung nicht immer von der Verurteilung des Bewerbers wegen eines Disziplinarvergehens abhängt, kann der Ausschuss somit keineswegs auf den Disziplinarrat abschieben, der unabhängig davon nur darüber entscheiden kann, ob ein eingetragener Rechtsanwalt ein Disziplinarvergehen begangen hat und welche Strafe hierfür zu verhängen ist (Bkv 3/83, AnwBl 1984, 548). In die vom Ausschuss anzustellende eigenständige Gesamtbeurteilung sind daher auch Handlungen des Antragstellers einzubeziehen, die Gegenstand der (infolge des Erlöschens der Berufsbefugnis des Antragstellers) abgebrochenen Disziplinarverfahren sind (19 Ob 3/14a, AnwBl 2015, 488).

Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung sind stets die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, insbesondere, ob die Verfehlungen auf einmalige, außergewöhnliche Lebensumstände oder auf das Fehlen eines integren Charakters zurückzuführen sind, wie sich der Eintragungswerber seither verhalten hat und ob eine positive Zukunftsprognose gegenüber den Verfehlungen der Vergangenheit überwiegt (19 Ob 2/16g, AnwBl 2017, 380 [Buresch]). In dieser zuletzt zitierten Entscheidung hatte der Oberste Gerichtshof (entgegen der früheren sehr rigorosen Spruchpraxis der OBDK) die (Wieder‑)Eintragung eines Rechtsanwalts nach zehn Jahren zugelassen, wobei dieser Fall insofern anders gelagert war, als der Eintragungswerber zwar eine Vielzahl disziplinärer Verfehlungen (insbesondere Nichterledigung von Akten) zu vertreten hatte, es aber nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen war. Der Eintragungswerber konnte überzeugend darstellen, dass seine disziplinären Verfehlungen nur auf eine außergewöhnliche familiäre Situation zurückzuführen waren und dass er inzwischen in eine größere Anwaltskanzlei integriert war, in welcher er als juristischer Mitarbeiter über ein gesichertes Einkommen verfügte und somit eine berufliche, wirtschaftliche und soziale Konsolidierung eingetreten ist.

Im Gegensatz dazu können fallbezogen keine Anhaltspunkte für eine positive Zukunftsprognose festgestellt werden:

So waren die vom Berufungswerber bei der Anhörung durch den Ausschuss gemachten Angaben über seine Vermögensverhältnisse höchst widersprüchlich: Einerseits gab er an, mittlerweile aus der Verlassenschaft über genügend Vermögen zu verfügen, um finanzielle Probleme auffangen zu können. Andererseits gestand er zu, dass seine Zahlungsverpflichtungen durch die Versteigerung von Vermögenswerten (Bildern) getilgt wurden und dass er auch die relativ geringfügige Kostenersatzverpflichtung von 1.370,87 EUR aus dem UWG‑Verfahren nur unter dem Druck eines Exekutionsverfahrens und in Raten bezahlen konnte (Protokoll vom 12. März 2019, Punkte 11 und 12).

Abgesehen von seinen Mieteinnahmen aus geerbten Eigentumswohnungen (die bei der Beurteilung des aus seiner Arbeitsleistung erzielten wirtschaftlichen Erfolgs nicht heranzuziehen sind) kann der Berufungswerber nur ein monatliches Gehalt als Angestellter eines Bauträgers von 500 EUR vorweisen; dies bei einer Sorgepflicht für einen Sohn. Die Bedenken des Ausschusses, dass der Berufungswerber angesichts dieses Ausmaßes seiner derzeitigen Erwerbstätigkeit weiterhin nicht zur Etablierung eines wirtschaftlich rentablen Kanzleibetriebs in der Lage sein wird, sind daher nicht von der Hand zu weisen.

Die den abgebrochenen Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Sachverhalte wurden vom Ausschuss umfassend gewürdigt; gegen diese Beurteilung vermag die Berufung keine Bedenken zu erwecken.

Schließlich lässt die Berufung jegliche Einsicht vermissen und ergeht sich vor allem in unsachlichen sowie unberechtigten Vorwürfen gegen die zuständige Rechtsanwaltskammer; hingegen wird das eigene Fehlverhalten zu bagatellisieren versucht. Konkrete Umstände, warum der Berufungswerber nun beruflich gefestigt und integriert sein soll, wie er seine künftige Tätigkeit als Rechtsanwalt plant und warum der zweite Anlauf erfolgreicher verlaufen soll als der erste, vermag die Berufung nicht darzutun.

Bei einer Gesamtbetrachtung kann eine Einsicht des Berufungswerbers und sein Wille, sein künftiges Verhalten zu ändern, nicht erkannt werden. Es liegen daher keine Gründe für eine positive Zukunftsprognose vor, welche das von § 5 Abs 2 RAO geforderte Vertrauen rechtfertigen würden.

Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

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