European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E114366
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Schiedsrichter Dr. * R* wird für die Fortführung des von den Antragsgegnerinnen als schiedsklagende Parteien gegen den Antragsteller als schiedsbeklagte Partei geführten Schiedsverfahrens für befangen erklärt.
Begründung:
Zwischen den Parteien sind zwei Schiedsverfahren anhängig, in denen die Stellung des Antragstellers als stiller Gesellschafter der Erstantragsgegnerin strittig ist. Die 2.- bis 39.-Antragsgegner sind an der Erstantragsgegnerin als offene und stille Gesellschafter beteiligt. Alleiniger Schiedsrichter der Schiedsverfahren ist * Dr. * R*. Der Antragsteller lehnt den Schiedsrichter im hier verfahrensgegenständlichen zweiten Schiedsverfahren (eingeleitet durch Schiedsklage vom 28. Mai 2013) wegen dessen beruflicher Kontakte zur Kanzlei des Antragsgegnervertreters als befangen ab.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 5. August 2014, 18 ONc 1/14p-8, den ersten Ablehnungsantrag des Antragstellers (ebenfalls das durch Schiedsklage vom 28. Mai 2013 eingeleitete Verfahren betreffend) mangels erkennbarer Befangenheit des Schiedsrichters zurückgewiesen. Der Schiedsrichter habe zwar möglicherweise gegen die Offenlegungspflicht verstoßen, weil er zwar bekannt gegeben habe, dass der aktenführende Anwalt in den 1990er-Jahren sein Assistent gewesen und er Sprecher des wissenschaftlichen Kuratoriums der W*Privatstiftung (in der Folge: Privatstiftung) gewesen sei, nicht aber, dass ein prominentes Mitglied der (dort) Klagevertreter, RA Dr. * N*, dem siebenköpfigen Beirat des von ihm gegründeten * R*-Studienfonds (in der Folge: Studienfonds) angehöre. Das Gewicht dieses nicht offengelegten Umstands sei aber als gering einzustufen und könne noch nicht den Anschein der Befangenheit begründen.
Im vorliegenden Verfahren ist folgender Sachverhalt unstrittig:
Über Antrag der Antragsgegner vom 17. September 2015 beschloss der Schiedsrichter mit prozessleitender Verfügung Nr 3 vom 23. September 2015 die Fortsetzung des Schiedsverfahrens.
Am 6. Oktober 2015 traf der Schiedsrichter Rechtsanwalt Dr. L*, den aktenführenden Partner der die Antragsgegner vertretenden Kanzlei zum Mittagessen.
Am 13. Oktober 2015 richtete der Antragstellervertreter folgendes Schreiben an den Schiedsrichter:
„Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie vom Schiedsbeklagten (= Antragsteller, Anm) nach wie vor als befangen angesehen und abgelehnt werden. Mein Mandant ist daher auch nicht bereit, einen Schiedsrichtervertrag mit Ihnen abzuschließen. Im Übrigen halte ich Ihren Vorschlag betreffend Ihr Schiedsrichterhonorar völlig überzogen. Auch gehen die Regelungen, die Sie für Ihre Verfahrensführung vorsehen würden, viel zu weit. Die Erfahrung hat bislang doch gezeigt, dass Sie stets auf Zuruf Ihres ehemaligen Assistenten tätig werden und den Kontakt zum Schiedsbeklagten diesbezüglich überhaupt nicht suchen, sondern ihm Vorschreibungen ex kathedra machen. … Gründe, aus denen sich Ihre Befangenheit ergeben könnte, sind während des gesamten Schiedsverfahrens zu prüfen. Im Hinblick darauf ersuche ich Sie daher um Nachricht, welche Kontakte Sie während dieses Schiedsverfahrens mit Herrn Kollegen Dr. L*, mit Herrn Kollegen Dr. N*, mit anderen Kollegen der Kanzlei H*, mit Kollegen der K* GmbH, mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern der L*-Gruppe sowie mit Herrn Kollegen Dr. E* hatten, in welchem Zusammenhang diese Kontakte stattfanden und was außer einer förmlichen kurzen Begrüßung anlässlich dieser Kontakte diesen Fall betreffend besprochen worden ist. Weiters ersuche ich um Nachricht, welche Kontakte Sie im maßgeblichen Zeitraum mit dem Schiedsbeklagten und mit mir hatten.“
Der Schiedsrichter wies mit (offenbar irrig datiertem) Schreiben vom 23. September 2015 den Vorwurf, „auf Zuruf“ seines ehemaligen Assistenten tätig zu werden, zurück und führte aus:
„1. Meine Kontakte mit Herrn Dr. L*, Herrn Dr. N* und anderen Partnern der Kanzlei H* beschränken sich auf die Ihnen bekannt gegebene und vom OGH ausdrücklich als unbedenklich qualifizierte Tätigkeit als Sprecher des wissenschaftlichen Kuratoriums der ...-Privatstiftung. Im Rahmen dieser Tätigkeit wird über das hier fragliche Schiedsverfahren selbstverständlich nicht gesprochen. In der Sache handelt es sich um die stets im Herbst (heuer: 12. 11.) stattfindende Verleihung des W*-Preises, den Unternehmensrechtstag (27. 11.) und die stets im Frühjahr stattfindende Planungssitzung des wissenschaftlichen Kuratoriums mit einigen (wechselnden) Kanzleipartnern, darunter meist auch Dr. N* und/oder Dr. L*. Zudem habe ich jüngst (6. 10. 2015) mit Herrn Dr. L* bei einem Mittagessen über die bevorstehenden Veranstaltungen der ...-Stiftung, bei denen ich das Kuratorium zu repräsentieren habe, gesprochen.
2. Bei der letzten Jahres-Sitzung des Beirates des ...-Studienfonds im Frühsommer war Dr. N* verhindert.
3. Von den Partnern der Kanzlei K* GmbH kenne ich meines Wissens niemanden …
4. Partner der Kanzlei L*, konkret Herrn * Dr. A* und möglicherweise einen der Herren L*, habe ich meiner Erinnerung nach (nur) auf der alljährlichen, von zahlreichem Publikum besuchten Veranstaltung zur Verleihung des W*-Preises (konkret also im Herbst des Vorjahres) getroffen. Besprechungen dieses Falles haben dort selbstverständlich nicht stattgefunden.
5. …“
Der daraufhin am 3. November 2015 gestellte Ablehnungsantrag des Antragstellers wurde vom Schiedsrichter mit Beschluss vom 25. November 2015 abgewiesen.
Mit dem nun vorliegenden, am 11. Dezember 2015 beim Obersten Gerichtshof eingelangten Antrag begehrt der Antragsteller neuerlich, den Schiedsrichter für befangen zu erklären, weil neue Umstände iSd §§ 588 f ZPO hervor- und hinzugekommen seien. Der Antragsteller stößt sich insbesondere an einem gemeinsamen Mittagessen des aktenführenden Anwalts mit dem Schiedsrichter im laufenden Schiedsverfahren, das er erst über Nachfrage bekannt gab. Es liege sowohl eine Verletzung der Offenlegungspflicht als auch mangelnde Unparteilichkeit vor. Die Verabredung zum Mittagessen mit einem ehemaligen Assistenten und nun aktenführenden Vertreter der Schiedskläger unmittelbar nach dem Beschluss auf Fortsetzung des Schiedsverfahrens sei Ausdruck mangelnder Sensibilität („psychologische Wirkung der Fraternisierung“) und wecke jedenfalls berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit des Schiedsrichters. Der Schiedsrichter habe die Verpflichtung zur Äquidistanz verletzt. Eine vertrauensvolle Basis sei nicht mehr gegeben.
Die Antragsgegner beantragten die Zurück-, hilfsweise Abweisung des Ablehnungsantrags. Über das Argument des Antragstellers, der Schiedsrichter sei aufgrund eines Naheverhältnisses zur Kanzlei der Antragsgegner befangen, sei vom Obersten Gerichtshof bereits rechtskräftig abgesprochen worden. Es liege kein neuer Befangenheitsgrund, sondern nur ein neues behauptetes Indiz für ein Naheverhältnis ‑ Arbeitsmittagessen mit einem Partner der Vertreterin der Antragsgegner ‑ vor, das der Oberste Gerichtshof bereits verworfen habe. Die Kontakte des Schiedsrichters mit Dr. L* seien ausschließlich beruflich veranlasst, gesellschaftlichen Kontakt gebe es nicht. Die Mitgliedschaft des Schiedsrichters im wissenschaftlichen Kuratorium der Privatstiftung sei vom Obersten Gerichtshof als Kontakt „peripherer“ Natur angesehen worden, der nicht über ein „sachliches Verhältnis beruflicher Natur“ hinausgehe, wodurch keine Befangenheit bestehe. Danach könne auch ein einmaliges Mittagessen, das ausschließlich der Vorbesprechung einer Preisverleihung sowie des Unternehmensrechtstags diene, keinen Befangenheitsgrund darstellen. Die weitere Ausübung der vom Höchstgericht als unbedenklich beurteilten Funktion sei von vornherein nicht geeignet, bei einer vernünftigen Prozesspartei Zweifel an ihrer Unbefangenheit und Unparteilichkeit zu wecken.
Der Schiedsrichter gab zu den Rechtsstandpunkten der Parteien keine Äußerung ab.
Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Rechtliche Beurteilung
I. Gemäß § 588 Abs 1 ZPO hat eine Person, die ein Schiedsrichteramt übernehmen will, alle Umstände offen zu legen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können oder der Parteienvereinbarung widersprechen. Ein Schiedsrichter hat vom Zeitpunkt seiner Bestellung an und während des Schiedsverfahrens den Parteien unverzüglich solche Umstände offen zu legen, wenn er sie ihnen nicht schon vorher mitgeteilt hat.
Gemäß § 588 Abs 2 ZPO kann ein Schiedsrichter nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. Eine Partei kann einen Schiedsrichter, den sie bestellt hat oder an dessen Bestellung sie mitgewirkt hat, nur aus Gründen ablehnen, die ihr erst nach der Bestellung oder Mitwirkung daran bekannt geworden sind.
Gemäß § 589 Abs 2 ZPO hat die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnt, mangels einer Vereinbarung über das Ablehnungsverfahren binnen vier Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder ein Umstand iSv § 588 Abs 2 ZPO bekannt geworden ist, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe darzulegen. Tritt der abgelehnte Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurück oder stimmt die andere Partei der Ablehnung nicht zu, so entscheidet das Schiedsgericht einschließlich des abgelehnten Schiedsrichters über die Ablehnung. Gegen dessen Entscheidung steht nach § 589 Abs 3 ZPO der hier zu beurteilende Antrag an den Obersten Gerichtshof zur Verfügung.
II. Die Antragsgegner beantragten zunächst die Zurückweisung des Ablehnungsantrags, weil über den Antrag des Antragstellers, den Schiedsrichter aufgrund seines Naheverhältnisses zur Kanzlei der Antragsgegner für befangen zu erklären, bereits rechtskräftig entschieden worden sei.
Das ist nicht zutreffend. Der Oberste Gerichtshof hat in der Vorentscheidung 18 ONc 1/14p-8 zu den Gründen, die nach Ansicht des Antragstellers an sich eine Befangenheit begründen sollten, ausgeführt, dass auch die Beziehung zur Kanzlei der Antragsgegnervertreter, etwa über den aktenführenden Rechtsanwalt, über die Privatstiftung, das Institut für Bankrecht und über den Studienfonds, peripherer Natur sei und nach den dazu vorgelegten Urkunden nicht über ein sachliches Verhältnis beruflicher Natur hinausgehe. Ob eine freundschaftliche Verbindung mit dem konkreten Parteienvertreter nicht doch schon den Anschein der Befangenheit begründen könnte, wurde in jener Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, weil die damals bekannten Umstände für einen solchen Anschein jedenfalls nicht als ausreichend erachtet wurden. Weiter wurde im Hinblick auf eine Verletzung der Offenlegungspflicht ausgeführt, dass Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters umso eher angebracht sind, je stärker der Vorwurf der Nichtoffenlegung wiegt. Nach den damals vorliegenden Umständen bestanden keine ausreichenden Hinweise dafür, dass eine verständige Person aus der Kooperation des Schiedsrichters mit RA Dr. N* im Rahmen des siebenköpfigen Beirats des Studienfonds Auswirkungen auf die Entscheidung im Schiedsverfahren befürchten musste.
Mit dem nun vom Schiedsrichter über Nachfrage offengelegten Arbeitsmittagessen vom 6. 10. 2015 liegt ein Umstand vor, der sich erst nach der Beschlussfassung des Obersten Gerichtshofs zu 18 ONc 1/14p zugetragen hat. Darüber hinaus gab der Schiedsrichter bekannt, dass er in seiner Funktion als Sprecher des wissenschaftlichen Kuratoriums der Privatstiftung mit Dr. L* auch im Rahmen der stets im Frühjahr stattfindenden Planungssitzung Kontakte hat. Während im ersten Ablehnungsverfahren nur die Bedeutung von Dr. L* als Assistent des Schiedsrichters in den 1990er-Jahren, seine Promotion und eine in der Vergangenheit liegende gemeinsame Publikation zu beurteilen war, weisen die nun vorgebrachten Tatsachen ihrer Art nach auf eine aktuelle berufliche Kooperation des Schiedsrichters mit Dr. L* als aktenführenden Antragsgegnervertreter hin. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner sind damit neue Umstände für das Vorliegen von Ablehnungsgründen hervorgekommen, die auch eine Neubewertung der Befangenheit des Schiedsrichters erlauben. Eine rechtskräftig entschiedene Sache liegt nicht vor.
Der Antragsteller hat das ihm mit Schreiben des Schiedsrichters bekannt gegebene Arbeitsmittagessen und den aufrechten Kontakt mit RA Dr. L* auch innerhalb der ‑ mit Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes beginnenden (18 ONc 1/14p-8) ‑ Frist von vier Wochen und damit iSd § 589 ZPO zeitgerecht geltend gemacht. Es ist daher inhaltlich dazu Stellung zu nehmen.
III.1. Wie bereits zu 18 ONc 1/14p-8 (mwN) ausgeführt, verweist der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 ‑ anders als die Bestimmung des früheren § 586 ZPO ‑ nicht mehr auf die Bestimmungen über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter - unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit - weiterhin als Richtlinien heranzuziehen. Auch die IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration aus dem Jahr 2004 („IBA‑Guidelines“) können - ungeachtet dessen, dass sie keinen normativen Charakter haben und zu ihrer unmittelbaren Wirksamkeit der Vereinbarung durch die Parteien bedürfen - bei der Beurteilung von Befangenheitsgründen als Orientierungshilfe dienen.
III.2. Ablehnungsregeln sollen den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RIS-Justiz RS0046087; RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (s RIS-Justiz RS0045949; RS0109379). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss ‑ auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte ‑ oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RIS-Justiz RS0109379 [T4, T7]; RS0046052 [T10]). Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung. Gerechtigkeit soll nicht nur geübt, sondern auch sichtbar geübt werden (RIS-Justiz RS0109379 [T4]; RS0046052 [T15]). Daher soll schon der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RIS-Justiz RS0046052).
III.3. Dem Ansehen der Justiz, in deren Interesse an die Beurteilung einer allfälligen Befangenheit ein strenger Maßstab anzulegen ist, ist das Ansehen der Schiedsgerichtsbarkeit gleichzuhalten, setzt doch auch die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur Fachkompetenz, sondern auch das Vertrauen der Rechtssuchenden in unabhängige, unparteiische und frei von Interessenkollisionen agierende Schiedsrichter voraus. Die zitierte Rechtsprechung verdient daher auch im vorliegenden Fall Beachtung.
III.4. Auch die ‑ ebenfalls als Richtschnur geeigneten ‑ IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration (IBA-Guidelines) knüpfen den Interessenkonflikt bereits an das Vorliegen von Fakten oder Umständen, die aus der Sicht eines vernünftigen Dritten in Kenntnis der relevanten Fakten Grund zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters geben. Zweifel werden dann als berechtigt erachtet, wenn eine vernünftige und informierte dritte Person auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit schließt, dass der Schiedsrichter bei seiner Entscheidungsfindung von anderen Faktoren als dem von den Parteien präsentierten Sachverhalt beeinflusst werden könnte (I.2.b. und c. der IBA-Guidelines).
III.5. Im vorliegenden Fall ist danach Folgendes zu bedenken: Im Vorverfahren wurden die beruflichen Kontakte des Schiedsrichters zur Kanzlei des Antragsgegnervertreters im Hinblick auf die Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters grundsätzlich für unbedenklich erachtet. Insbesondere wurde festgehalten, dass die Beziehung zu dieser Kanzlei, etwa über den aktenführenden Rechtsanwalt, über die Privatstiftung, über das Institut für Bankrecht und über den Studienfonds, peripherer Natur sei und nach den dazu vorgelegten Urkunden nicht über ein sachliches Verhältnis beruflicher Natur hinausgehe. Weiters wurde festgehalten: „Dabei kann dahinstehen, ob eine freundschaftliche Verbindung mit dem konkreten Parteienvertreter ‑ entgegen der Auffassung des (schweizerischen) Bundesgerichts ‑ nicht doch schon den Anschein der Befangenheit begründen könnte; eine in der Vergangenheit liegende Assistententätigkeit reicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände ‑ etwa fortgesetzte gesellschaftliche Kontakte ‑ jedenfalls nicht aus. Umso weniger können fachliche Kontakte mit nicht aktenführenden Anwälten der Klagevertreter eine Ablehnung rechtfertigen.“
III.6. Nunmehr sind allerdings die genannten neuen Umstände hinzugetreten, die eine andere Beurteilung rechtfertigen:
a) Die Kontakte des Schiedsrichters und insbesondere das gemeinsame Arbeitsmittagessen mit dem Antragsgegnervertreter sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Antragsteller den Schiedsrichter bereits zweimal abzulehnen versucht hat.
Mit einem Ablehnungsantrag wird in Bezug auf die mögliche Befangenheit eines Schiedsrichters eine sensible Verfahrenssituation geschaffen, auf die auch ein Schiedsrichter Bedacht zu nehmen hat, weil damit das Vertrauen der Verfahrensparteien in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters („Äquidistanz“), damit aber auch ihr Vertrauen in die Richtigkeit der Entscheidungsfindung, auf dem Spiel steht.
b) Einem gemeinsamen Mittagessen liegt für gewöhnlich ein gewisses Maß an persönlicher Verbundenheit zugrunde. Dies gilt umso mehr, wenn es sich nicht um eine größere Tischgesellschaft, sondern um ein Mittagessen zu zweit handelt. Auch ist der Kontakt in einem solchen Fall üblicherweise nicht zufällig, sondern geplant. Dass damit ‑ ungeachtet des Gesprächsinhalts ‑ nach außen in der Regel der Anschein eines Vertrauensverhältnisses vermittelt wird, liegt auf der Hand. Im vorliegenden Fall war auch keine Notwendigkeit für die Koordination der Tätigkeit des wissenschaftlichen Kuratoriums der Privatstiftung gegeben, weil dafür ‑ zumindest für die Dauer der Schiedsverfahren ‑ auch andere Kommunikationswege hätten gewählt werden können. Das Mittagessen fand überdies kurz nach jenem Zeitpunkt statt, zu dem der Schiedsrichter die Fortführung des Schiedsverfahrens erklärt hatte. Dass auch künftig mit geplanten regelmäßigen Kontakten des Schiedsrichters mit dem aktenführenden Antragsgegnervertreter zu rechnen ist, geht schon aus dem Schreiben des Schiedsrichters hervor.
c) Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist der erkennende Senat der Ansicht, dass das Mittagessen des Schiedsrichters mit dem aktenführenden Antragsgegnervertreter in der gegebenen Situation einem verständigen Dritten zumindest den Anschein eines solchen Ausmaßes an Vertrautheit vermitteln musste, das für gewöhnlich einer unvoreingenommenen Beurteilung der Schiedssache entgegensteht. Spricht aber schon der Anschein für eine Befangenheit des Schiedsrichters, kommt es auf die Fragen, ob der Schiedsrichter tatsächlich befangen ist oder nicht und ob er auch eine Offenlegungspflicht verletzt hat, nicht mehr an.
d) Im Ergebnis war dem Ablehnungsantrag des Antragstellers daher Folge zu geben und der Schiedsrichter für die Fortführung des zwischen den Streitteilen geführten zweiten Schiedsverfahrens für befangen zu erklären.
IV. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen; der Antragsteller hat keine Kosten verzeichnet.
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