OGH 17Os23/15h

OGH17Os23/15h14.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2015 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef K***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. Mai 2015, GZ 8 Hv 70/14i‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00023.15H.1214.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef K***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er als Beamter, nämlich als gemäß § 27 Abs 3 LMSVG (iVm Anhang III Abschnitt IV der Verordnung [EG] Nr 853/2004 vom Landeshauptmann für die Erstuntersuchung von in freier Wildbahn erlegtem Wild bestellte) „kundige Person“, mit dem Vorsatz, dadurch Verbraucher an ihrem konkreten Recht auf Gesundheitsschutz und Schutz vor Täuschung (§ 2 Abs 1 LMSVG) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er es unterließ, direkt vermarktetes (vgl § 11 Z 3 LMSVG) Wild der zwingend vorgeschriebenen tierärztlichen Trichinenuntersuchung zu unterziehen und das (durch diese festgestellte) Fehlen von Auffälligkeiten am Tierkörper zu bescheinigen (§ 5 Z 2 und 3 Lebensmittel‑Direktvermarktungsverordnung), und zwar

(a) im Frühjahr 2013 hinsichtlich eines Heinz U***** übergebenen Wildschweins;

(b) zwischen Herbst 2013 und Frühling 2014 hinsichtlich zweier Johann D***** übergebener Wildschweine.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert unter Berufung auf ein Literaturzitat ( Bertel in WK 2 StGB § 302 Rz 43) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Das konstatierte Motiv, die inkriminierte Verhaltensweise sei ein „unkomplizierterer, legerer Umgang, der eine raschere Weitergabe aus dem Kühlhaus ermöglichte“, gewesen (US 14), trage die Annahme von Gleichwertigkeit (vgl US 20) des vorgeworfenen Missbrauchs durch Unterlassen mit einem solchen durch aktives Tun nicht. Gleichwertigkeit sei nämlich nur dann gegeben, wenn „der Täter gezielt untätig bleibt, um jemand zu nützen oder zu schaden“, also die darauf gerichtete „Absicht“ verfolge.

Dieses Vorbringen wählt zunächst nicht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (nach welchen der Beschwerdeführer trotz Kenntnis der maßgeblichen Bestimmungen und der Anfälligkeit von Wildschweinen für Trichinose mit Schädigungsvorsatz in Bezug auf das Recht von Verbrauchern auf Gesundheitsschutz und Schutz vor Täuschung „bewusst untätig“ blieb [US 9 iVm US 15]), sondern jene zum ‑ nicht entscheidenden (RIS‑Justiz RS0088761) ‑ Tatmotiv als tatsächlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810). Es lässt überdies (wie auch die zitierte Kommentarstelle) die methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen, denn der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB verlangt ‑ ohne Unterscheidung zwischen Missbrauch durch aktives Tun oder Unterlassen ‑ keine Schädigungsabsicht. Derartiges ist auch der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung 14 Os 149/99 (EvBl 2000/101) ‑ innerhalb der von Logik und Grammatik gezogenen Grenzen ‑ nicht abzuleiten ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 588 ff; RIS‑Justiz RS0116962).

Räumt im Übrigen das Gesetz (hier eine Verordnung) einem Beamten Befugnis ein und verpflichtet es ihn zu einem bestimmten Handeln (hier zur Durchführung der Trichinenuntersuchung und zur anschließenden Anbringung einer entsprechenden Bescheinigung am Tierkörper), schreibt es also vor, in welcher Weise der Beamte diese Befugnis (aktiv) auszuüben hat, kann ein tatbildlicher (also vorsätzlicher) Fehlgebrauch gerade auch in der Nichterfüllung dieser Handlungspflichten liegen (RIS‑Justiz RS0129855). Gleichwertigkeit der Unterlassung im Sinn des § 2 StGB ist dann keine Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 302 Abs 1 StGB (17 Os 47/14m, EvBl 2015/71, 477 [mit eingehender Begründung]).

Die Diversionsrüge (Z 10a) geht nicht von der Gesamtheit der Urteilsannahmen aus (RIS‑Justiz RS0119091), setzt sie sich doch mit dem vom Erstgericht als Hinderungsgrund angeführten Fehlen „einer Verantwortungsübernahme“ (vgl RIS‑Justiz RS0126734) des Beschwerdeführers nicht auseinander (US 22; vgl auch ON 26 S 3). Angesichts des Erfordernisses kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801) bedarf das weitere zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen (insbesondere zum Ausmaß der Rechtsschädigung) keiner Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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