Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragsgegnerin zu 1. und die Antragsgegnerinnen zu 3. bis 55. haben mit Wirkung zum 1. 1. 2002 eine Grundsatzvereinbarung über die Errichtung eines Haftungsverbunds abgeschlossen. Zur Umsetzung der vereinbarten Einrichtung eines Früherkennungssystems für wirtschaftliche Fehlentwicklungen und der vereinbarten Verpflichtung zur wechselseitiger Unterstützung bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde die Antragsgegnerin zu 2. errichtet. Dadurch ist zwischen den Antragsgegnerinnen eine Kreditinstitutsgruppe im Sinn des § 30 Abs 2a BWG entstanden.
Mit ihrem am 13. 2. 2004 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrt die Antragstellerin, die Durchführung der Grundsatzvereinbarung zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1. und 3. bis 55. und des Gesellschaftsvertrags der Antragsgegnerin zu 2., in eventu die Durchführung der wettbewerbswidrigen Teile davon zu untersagen, in eventu festzustellen, dass die Grundsatzvereinbarung und der Gesellschaftsvertrag europäischem Wettbewerbsrecht - insbesondere Art 81 EG - unterliegen und gegen Art 81 Abs 1 EG verstoßen. Die Grundsatzvereinbarung sei eine wettbewerbsbeschränkende mehrseitige Vereinbarung zwischen Unternehmen gemäß Art 81 Abs 1 EG, die bereits umgesetzt sei. Bei der Antragsgegnerin zu 2 (Haftungsgesellschaft) handle es sich nicht um ein Gemeinschaftunternehmen im Sinn des Art 3 Abs 2 FKVO. Die Haftungsgesellschaft verstoße gegen Art 81 EG. Die Antragsgegnerinnen beantragten, den Untersagungsantrag mangels rechtlichen und wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 29. 9. 2004 erhoben die Antragsgegnerinnen die Unzuständigkeitseinrede und beantragten, den Antrag mangels Zuständigkeit zurückzuweisen. Dem Kartellgericht fehle die Zuständigkeit zum Erlass von Entscheidungen, die auf einem Individualantrag nach § 25 Abs 3 Z 3 KartG 1988 beruhten und sich ausschließlich auf einen angeblichen Verstoß gegen Art 81 EG stützten. Ein einzelstaatliches Gericht wie das Kartellgericht könne entweder als Sondergericht zur Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten tätig werden oder als Entscheidungsorgan bei öffentlichen Verfolgungshandlungen. Nur im zweiten Fall nehme das Gericht die Funktion einer Wettbewerbsbehörde im Sinn der VO (EG) Nr 1/2003 wahr. Der Antrag der Antragstellerin falle in die Kategorie der Sondergerichtsbarkeit; die Antragstellerin habe einen Entscheidungsanspruch. Bei Verfahren von Privaten gegen Private sei das Kartellgericht keine Wettbewerbsbehörde im Sinn des Art 5 VO (EG) 1/2003 EG. Diese Verordnung stelle ganz bestimmte Anforderungen an die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, die nur eine Einrichtung erfüllen könne, die über einen Ermessensspielraum verfüge, ob sie einen bei ihr „eingeklagten" Anspruch verfolge oder nicht. Bei der Behandlung von Individualanträgen nach § 25 Abs 3 Z 3 KartG 1988 habe das Kartellgericht keinen solchen Ermessensspielraum. Es handle in solchen Fällen als Sondergericht im Sinn von Rz 2 der Bekanntmachung der Europäischen Kommission über die Zusammenarbeit mit den Gerichten der Mitgliedstaaten. Als behördliche Entscheidungsinstanz in Fällen des Art 81 EG handle das Kartellgericht nur dann, wenn es mit einem auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde oder des Bundeskartellanwalts befasst sei. In diesen Fällen würden die von der VO (EG) Nr 1/2003 EG vorausgesetzten Ermessenspielräume von den antragstellenden Amtsparteien wahrgenommen.
Die Antragstellerin und die Bundeswettbewerbsbehörde beantragten, die Unzuständigkeitseinrede abzuweisen.
Das Erstgericht wies die Unzuständigkeitseinrede ab. Die Zuständigkeit des Kartellgerichts für die vorliegende Sache sei auf Grund des § 42f KartG 1988 gegeben. Keiner der von den Antragsgegnerinnen ins Treffen geführten Bestimmungen könne entnommen werden, dass das Kartellgericht bei Anwendung europäischer Wettbewerbsregeln nicht zumindest auch als nationale Wettbewerbsbehörde im Sinn der VO (EG) Nr 1/2003 EG tätig werde und daher auch bei Individualanträgen, die nach innerstaatlichem Recht zulässig seien, zuständig und befugt sei, die VO (EG) Nr 1/2003 anzuwenden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem sie die Abänderung im Sinn einer Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin wegen Unzuständigkeit des Erstgerichts anstreben.
Die Antragstellerin hat eine Rekursbeantwortung erstattet, in der sie beantragt dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Die Amtsparteien haben sich nicht am Rekursverfahren beteiligt. Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber vertreten den Standpunkt, das Kartellgericht entscheide über Individualanträge generell nicht in seiner Funktion als Wettbewerbsbehörde, sondern als "Sondergericht". Ein Antrag nach § 25 Abs 3 Z 3 KartG 1988 konkurriere mit Untersagungsverfahren, etwa nach § 1 UWG iVm § 10 KartG 1988. In beiden Fällen handle es sich im Kern um zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Privaten. § 42f KartG 1988 lasse sich nicht entnehmen, dass das Kartellgericht auch in Fällen zuständig sei, die ausschließlich Art 81 EG beträfen, nach nationalem Recht aber unter die Bereichsausnahmen der §§ 5 und 6 KartG 1988 fielen. Die Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten zähle nicht zu den Entscheidungen, die nach den Art 84 bis Art 86 EG und den nach Art 83 EG erlassenen Verordnungen von den Behörden der Mitgliedstaaten zu treffen seien. Art 5 VO (EG) Nr 1/2003 sehe als Befugnis einer nationalen Wettbewerbsbehörde vor, das Verfahren durch die Annahme von Verpflichtungszusagen zu beenden. Das KartG kenne keine Verfahrensvorschrift, die dem Gericht eine derartige Möglichkeit eröffne. Amtsparteien und Kartellgericht bildeten gemeinsam die österreichische Wettbewerbsbehörde im Sinn des Art 35 Abs 1 VO (EG) Nr 1/2003. Damit enthalte das österreichische Recht genau jene Konstruktion, die Art 35 Abs 4 VO (EG) Nr 1/2003 vor Augen habe. In einer derartigen Struktur sei kein Platz für Verfahren, in denen die verfolgende Behörde umgangen werde, indem sich der Beschwerdeführer direkt an das Entscheidungsorgan wende. Es fehle dann eine Institution, die - wie von Art 35 Abs 4 VO (EG) Nr 1/2003 vorgesehen - ihren Antrag zurückzieht, wenn die Europäische Kommission nach Art 11 Abs 6 VO (EG) Nr 1/2003 ein Verfahren in der gleichen Sache einleitet.
Rechtliche Beurteilung
Die Argumentation des Rekurses vermag nicht zu überzeugen. Das Erstgericht hat seine Zuständigkeit für die beantragte Untersagungsverfügung auf Grund des § 42f Abs 1 KartG 1988 zutreffend bejaht.
Es ist von folgendem rechtlichen Rahmen auszugehen: Gemäß § 42f Abs 1 KartG 1988 idF der KartGNov 2002, BGBl I 2002/62, ist das Kartellgericht zur Erlassung von Entscheidungen im Einzelfall zuständig, die nach den Art 84 bis 86 EG und den nach Art 83 EG erlassenen Verordnungen von den Behörden der Mitgliedstaaten zu treffen sind. Das Kartellgericht hat hiebei die Verfahrensvorschriften des Kartellgesetzes anzuwenden. Hiezu führen die ErläutRV 1005 BlgNR 21. GP - abgedruckt in Auer/Urlesberger,
Kartellrecht5 65 - aus:
"Einem Wunsch der Praxis folgend stellt § 42f klar, dass das
Kartellgericht in den Fällen, in denen die (unmittelbar
anzuwendenden) Wettbewerbsregeln der EG Entscheidungen im Einzelfall
der Behörden der Mitgliedstaaten vorsehen, das Kartellgericht die
zuständige Behörde ist. § 42f ist daher das Gegenstück zu § 3 Abs 1
des Entwurfs eines Wettbewerbsgesetzes, wonach die
Bundeswettbewerbsbehörde nur soweit die für die Durchführung der
Wettbewerbsregeln zuständige österreichische Behörde ist, als nicht
die Zuständigkeit der Gerichte gegeben ist. Die allgemeine
Formulierung des § 42f Abs 1 ... macht die Aufzählung bestimmter
Anwendungsfälle entbehrlich; die Regelung ist damit auch flexibler
und muss nicht an jede Änderung im Gemeinschaftsrecht angepasst
werden. ... Der Begriff der Verfahrensvorschriften des
Kartellgesetzes, die vom Kartellgericht nach § 42f Abs 1 auch in diesen Fällen anzuwenden sind, ist nach dem Zweck der Bestimmungen weit auszulegen und umfasst nicht nur den VI. Abschnitt, sondern auch die in verschiedenen Bestimmungen geregelten Antragsbefugnisse. Das heißt, dass das Kartellgericht auch in diesen Fällen nicht von Amts wegen tätig wird, sondern je nach Gegenstand des Verfahrens auf Antrag einer Amtspartei oder eines individuellen Antragstellers."
Die Bundeswettbewerbsbehörde ist, soweit nicht die Zuständigkeit der Gerichte gegeben ist, die für die Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln zuständige österreichische Behörde. Es obliegt ihr dabei insbesondere die Unterstützung der und das Zusammenwirken mit der Europäischen Kommission in den in diesen Rechtsakten genannten Fällen (§ 3 Abs 1 WettbG).
Der Bundeskartellanwalt ist zur Vertretung der öffentlichen Interessen in Angelegenheiten des Wettbewerbsrechts beim Kartellgericht berufen (§ 112 Abs 1 KartG 1988).
§ 25 Abs 3 KartG 1988 sieht vor, dass ua die Amtsparteien (§ 44 KartG 1988: Bundeswettbewerbshörde und Bundeskartellanwalt) und jeder Unternehmer (Z 3 der Bestimmung), dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch das Kartell berührt werden, zum Antrag auf Untersagung der Durchführung von Kartellen durch das Kartellgericht gemäß § 25 Abs 1 Z 1 und Abs 2 KartG 1988 berechtigt ist.
Der mit der Bankwesengesetznovelle 2002 - BWGNov 2002, BGBl I 2002/131, eingefügte § 5 Abs 3 Z 2 KartG 1988 bestimmt, dass - vorbehaltlich des § 7 KartG 1988 - die Abschnitte II (Kartelle: §§ 9 bis 30 KartellG 1988) und IIa (Vertikale Vertriebsbindungen: §§ 30a bis 30e KartG 1988) auf Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Mitgliedern einer Institutsgruppe im Sinn des § 30 Abs 2a BWG nicht anzuwenden ist.
Seit dem 1. 5. 2004 gilt die - insbesondere auf Art 83 gestützte - VO (EG) Nr 1/2003 des Rates vom 16. 12. 2002 zur Durchführung der in den Art 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln; sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art 45 der VO). Mangels entgegenstehender Übergangsbestimmungen ist diese Verordnung auch auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vor nationalen Kartellbehörden bereits anhängige Verfahren anzuwenden. Diese Verordnung brachte im europäischen Kartellrecht einen Systemwechsel vom Entscheidungsmonopol der Europäischen Kommission zur dezentralen Anwendung des Kartellrechts durch die Mitgliedstaaten mit sich (Schwarze/Weitbrecht, Grundzüge des europäischen Kartellverfahrensrechts 96).
Art 35 Abs 1 VO (EG) Nr 1/2003 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Wettbewerbsbehörden einzurichten, die zur Anwendung der Art 81 und 82 EG in einer Weise befugt sind, dass die Verordnung wirksam angewandt werden kann; zu den bestimmten Behörden können auch Gerichte gehören. Werden einzelstaatliche Verwaltungsbehörden und Gerichte mit der Durchsetzung des Wettbewerbsrechtes der Gemeinschaft betraut, so können die Mitgliedstaaten diesen unterschiedliche Befugnisse und Aufgaben zuweisen (Art 35 Abs 2 der VO).
Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sind für die Anwendung der Art 81 und 82 EG in Einzelfällen zuständig (Art 5 Satz 1 VO (EG) Nr 1/2003). Sie können hierzu von Amts wegen oder auf Grund einer Beschwerde Entscheidungen erlassen, mit denen
- die Abstellung von Zuwiderhandlungen angeordnet wird,
- einstweilige Maßnahmen angeordnet werden,
- Verpflichtungszusagen angenommen werden oder
- Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Sanktionen verhängt werden (Art 5 Satz 2 VO (EG) Nr 1/2003).
Sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach den ihnen vorliegenden Informationen nicht gegeben, so können sie auch entscheiden, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden (Art 5 Satz 3 VO (EG) Nr 1/2003).
Das Kapitel III - Art 7 bis 10 - VO (EG) Nr 1/2003 regelt die Entscheidungen der Kommission.
Art 11 VO (EG) Nr 1/2003, der Regeln über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten enthält, bestimmt in seinem Absatz 6 Folgendes:
"Leitet die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III ein, so entfällt die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 81 und 82 des Vertrags. Ist eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in einem Fall tätig, so leitet die Kommission ein Verfahren erst ein, nachdem sie diese Wettbewerbsbehörde konsultiert hat."
Diese Zuständigkeitsüberleitung erstreckt sich nach Art 35 Abs 3 VO (EG) Nr 1/2003 auf die von den Mitgliedstaaten bestimmten Wettbewerbsbehörden, einschließlich der Gerichte, die Aufgaben in Bezug auf die Vorbereitung und die Erlassung der in Art 5 der Verordnung vorgesehenen Arten von Entscheidungen wahrnehmen. Dies gilt nicht, wenn die Gerichte als Rechtsmittelinstanzen tätig sind. Art 35 Abs 4 VO (EG) Nr 1/2003 bestimmt, dass unbeschadet des Absatzes 3 in den Mitgliedstaaten, in denen im Hinblick auf die Erlassung bestimmter Arten von Entscheidungen nach Art 5 der Verordnung eine Behörde Fälle vor ein separates und von der verfolgenden Behörde verschiedenes Gericht bringt, bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Absatzes die Wirkung von Art 11 Abs 6 der Verordnung auf die mit der Verfolgung des betreffenden Falls betrauten Behörde begrenzt ist, die ihren Antrag bei dem Gericht zurückzieht, wenn die Europäische Kommission ein Verfahren eröffnet; mit der Zurücknahme des Antrags wird das nationale Verfahren vollständig beendet.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:
Die Ansicht des Rekurses, es gebe keine Verfahrensvorschriften des KartG, die das Kartellgericht hier gemäß § 42f Abs 1 letzter Satz KartG 1988 anwenden könnte, weil die sonst geltenden Vorschriften durch § 5 Abs 3 Z 2 KartG 1988 abbedungen würden, ist nicht begründet. Wäre sie richtig, dürfte das Kartellgericht auch nicht auf Antrag der in § 25 Abs 3 KartG 1988 genannten Amtsparteien gegen Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Mitgliedern einer Kreditinstitutsgruppe auf Grund des Art 81 Abs 1 EG vorgehen. Den Amtsparteien, insbesondere der Bundeswettbewerbsbehörde, billigt der Rekurs aber die Berechtigung für einen solchen Antrag zu. Die Zuständigkeit des Erstgerichts zur Entscheidung über die von der Bundeswettbewerbsbehörde in einem parallelen Verfahren auf Grund desselben Sachverhalts gestellten ähnlichen Untersagungsanträge bezweifelt der Rekurs ebenfalls nicht.
§ 42f Abs 1 KartG 1988, mit dem gerade auch ein Vorgehen des Kartellgerichts nach Art 81 Abs 1 EG ausdrücklich ermöglicht wurde, trägt der sich aus Art 10 EG und der VO (EG) Nr 1/2003 ergebenden Verpflichtung Österreichs als EU-Mitgliedstaat Rechnung, die Art 81 und 82 EG in Einzelfällen durch Wettbewerbsbehörden zu vollziehen. Diese Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn das Kartellgericht an einem Vorgehen nach § 42f KartG 1988, der durch § 5 Abs 3 Z 2 KartG 1988 nicht abbedungen wurde, iVm Art 81 Abs 1 EG gegen die nach § 5 Abs 3 Z 2 KartG 1988 vom nationalen Kartellverbot freigestellte Wettbewerbsbeschränkung gehindert wäre. Dies verstieße nicht nur gegen § 42f KartG 1988, die VO (EG) Nr 1/2003 und Art 10 EG, sondern auch gegen den allgemeinen Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber entgegenstehenden nationalem Recht der Mitgliedstaaten. Die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 3 Z 2 KartG 1988 ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar, sodass das Erstgericht die Verfahrensvorschrift des § 25 KartG 1988 und somit auch dessen Abs 3 über die Antragsberechtigung anzuwenden hat.
Die Ansicht des Rekurses, das Kartellgericht sei bei einem Individualantrag eines Unternehmers (§ 25 Abs 3 Z 3 KartG 1988) keine Wettbewerbsbehörde im Sinn des Art 5 VO (EG) Nr 1/2003, weshalb seine Zuständigkeit nach § 42f KartG 1988 nicht gegeben sei, ist unzutreffend. Die VO (EG) Nr 1/2003 enthält keine Vorgaben für die Mitgliedstaaten, wie sie die Stellung und Rechte von Beschwerdeführern in Verfahren der mit der Durchsetzung der Verbote der Art 81 und 82 EG betrauten Wettbewerbsbehörden auszugestalten haben (vgl Schwarze/Weitbrecht aaO 160 ff; Hossenfelder in Loewenheim/Messen/Riesenkampff, Kartellrecht I 740). Demnach ist es dem österreichischen Gesetzgeber unbenommen, einem Unternehmer im Sinn des § 25 Abs 3 Z 3 KartG 1988 die Berechtigung zur Stellung eines allein auf Art 81 Abs 1 EG gestützten Untersagungsantrags bei dem vom Gesetzgeber - wie dies § 42f KartG 1988 iVm § 3 Abs 1 WettbG klar zum Ausdruck bringt - zu Entscheidungen zur Durchsetzung der Verbote der Art 81 Abs 1 und 82 EG als Wettbewerbsbehörde im Sinn des Art 35 VO (EG) bestimmten Kartellgericht einzuräumen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass nach Ansicht des Rekurses das Kartellgericht mangels einer ausdrücklichen Vorschrift im Kartellgesetz ein Verfahren nicht durch Annahme von Verpflichtungserklärungen beenden könnte, wie dies Art 5 Satz 2 dritter Spiegelstrich VO (EG) Nr 1/2003 als Entscheidungstyp für die nationalen Wettbewerbsbehörden vorsieht. Wäre die Ansicht richtig, hätte Österreich keine Wettbewerbsbehörde, die das europäische Kartellrecht mit Entscheidungen durchsetzt. Das Kartellgericht könnte nämlich auch dann nicht Entscheidungen erlassen, mit denen Verpflichtungszusagen angenommen werden, wenn eine Amtspartei Antragsteller ist. Die vier in Art 5 Satz 2 VO (EG) Nr 1/2003 aufgezählten Entscheidungstypen entsprechen den Entscheidungen, die die Kommission nach Art 7 bis 9 und 23 und 24 der Verordnung erlassen kann. Es ist strittig, ob Art 5 VO (EG) Nr 1/2003 nicht nur eine Rechtsnorm ist, die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten begründet, sondern die auch in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar ist (Schwarze/Weitbrecht aaO 163 f). Diese Frage kann offen bleiben, folgte doch aus einer partiellen Nichtumsetzung hinsichtlich der den nationalen Wettbewerbsbehörden zugedachten Entscheidungsmöglichkeiten durch den nationalen Gesetzgeber nicht, dass die von ihm nach Art 35 VO (EG) Nr 1/2003 als Wettbewerbsbehörde bestimmte Behörde keine Wettbewerbsbehörde ist. Im Übrigen muss sich der nationale Gesetzgeber nicht mechanisch an den Art 7 bis 9 VO (EG) Nr 1/2003 orientieren (Schwarze/Weitbrecht aaO 163).
Aus der Bestimmung des Art 35 Abs 4 VO (EG) Nr 1/2003 lässt sich für die Rekurswerberinnen ebenfalls nichts gewinnen. Die Ansicht des Rekurses, mit dem oben dargestellten Mechanismus der Art 11 Abs 6, Art 35 Abs 3 und 4 VO (EG) Nr 1/2003 sei eine Individualantragslegitimation, wie sie die Antragstellerin für sich in Anspruch nimmt, unvereinbar, ist unzutreffend. In Art 35 Abs 3 VO (EG) Nr 1/2003 ist nämlich durchaus der Fall geregelt, dass das Verfahren vor dem Gericht, das als nationale Wettbewerbsbehörde bestimmt wurde, auf Grund eines Antrags eines einzelnen Unternehmers eingeleitet wurde und diesem Parteistellung im Verfahren zukommt. All diese Erwägungen führen zur Erfolglosigkeit des Rekurses. Das Kartellgericht ist gemäß § 42f Abs 1 KartG 1988 zuständig und iVm § 25 Abs 2 KartG 1988 befugt, auf Grund eines Individualantrags eines Unternehmens nach § 25 Abs 3 Z 3 KartG 1988 die Durchführung einer nach Art 81 Abs 1 EG verbotenen Vereinbarung zwischen Mitgliedern einer Kreditinstitutsgruppe im Sinn des § 30 Abs 2a BWG zu untersagen.
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